Grand Island Anzeiger. (Grand Island, Nebraska) 1889-1893, March 18, 1892, Image 7
Die Grunduiühle. Kriminalroman v. Friedrich Jaeobsems Ei war klar, daß er sich bemühte, den Eindruck feines unfreundlichen Be-E nehmeng zu verwischen, zugleich aber-i jeder hierauf bezüglichen Frage ans dem« Wege zug g.eben s Endlich blieb er stehen, beschrieb den übrigens bequemen Weg nach Hagen-I burg, verabschiedete sich und fügte hinzu: »Deine Amtsgeschäfte werden Dich abhalten, lieber Sohn, in den nächsten vierzehn Tagen den gestrigen Besuch zu wiederholen; aber gleich nach dem erstenv Oktober foll, wie festgesetzt, die Ver öffentlichung der Verlobung stattfinden, und dann bist Du uns selbstverständlich an jedem Tage und zu jeder Stunde herzlich willkommen Lln diese ebensoviel Ziibigleit wie Herzensgiite verrathendey Worte dachtel Stein, als er wenige Stunden später in seiner Amtsftube saß und die in zwischen eingegangenen Sachen öffnete. Da fiel ihm ein ziemlich umfangrei cheö Packet mit deni Stempel der Staatsanwaltschast des benachbarten Landgerichts in die Hande. Er öffnete es und las: « »Alten, b treffend die Untersuchung gegen den ledigen Klaus Merten aus Schönborn wegen verstünunelnder Kör perverleyung: Verbrechen gegen § 224 des Reichsstrafgesetzbuches.« Den Alten lag ein Schreiben des Staatganwalts bei, in welchem es hieß: »Bei einer kürzlich stattgehabten Re vision des Zuchtbanses zu N. fand ich Veranlassung, mit dein Direktor und dem Geistlichen der Anstalt Rucksprache über den nunmehr zur Entlassung kom menden Strafaefanaenen Klaue- Mer ten aus Schbnborn zu nehmen. I »Nicht-end der Direktor dem ec. Merl ten das beste Lob ertheilte, schien der Geistliche eine wesentlich abtveichendei Ansicht zu hegen. Derselbe vermißteH bei dem Sträsling nicht nur jede Aeußeil rung der Neue über seine unnatürliche, That, sondern er glaubte auch aus ges! wissen, wenn auch sehr versteckten Anss deutungen des ie. Merten schließen zui müssen, daß dieser sein Verbrechen als. eine Art Sühne siir ein von seinem Va-l ter begangene-Z Unrecht ansehe, daß dieser I fSiihne aber noch nicht Genüge geschehen1 et. »Bei dem aus den Alten sich ergeben- s den beimtiickischen Charakter des Klaus Merten darf meines Erachtens diesen Aeußerungen ein nicht zu geringes Ge- ’ wicht beigemessen werden, uud es er-" scheint daher um so bedauerlicher, daß das erlennende Gericht seinerzeit mei nent Antrage, den ze. Mcrten nach ver bilszter Straszeit unter polizeiliche Auf sicht zu stellen, keine Folge geleistet hat. »Jmmerhin diirste eine, wenn auch unaussällige Ueberioachung des Ein-s lassenen seiten-Z der Behörden minde- » stens fiir die erste Zeit recht empfehlen-J s werth sein, und ich habe bereite die Gendarinerie in diesem Sinne init Wei sungen versehen, bitte jedoch außerdem Euer Wohlgeboren unt gesallige Unter stützung und siige zur näheren Infor mation die Alten bei.« Der Amlerichter legte wenig erbaut das Schreiben des Staateanwalte aus der Hand. Ein polizeiliches lleberivachtitigs: System entfptach seinem ossenetn Cha ralter in keiner Weise, am wenigsten liebte er es, sich selbst in solchen Dingen an die Spitze zu stellen. »Wer seine Strafe verbüfzt hat, dein soll man in Ruhe Zeit gönnen, ein ordentlicher Mensch zu werden, und ihn nicht behen, wie ein vogelfreies Raub thier.« Das war die Ansicht des libe ralen Mannes. « Dennoch konnte er sich dem kollegialen Ersuchen des Staatsamoaltg nicht wohl entziehen, obwohl dieser offenbar viel zu schwarz sah und gegen den unglücklichen jungen Mann ein Vorurtheil zu hegen schien. Er las flüchtig die Alten; dieselben schienen ihm nicht von einer besonderen Tücke und Verstocktheit Zeugniß abzule en, denn Klaus Merten hatte ohne ückhalt bekannt und sich der über ihn verhängten Strafe sofort unteworien. Das alles konnte freilich ebenso gut als rechthaberischer sochmuth auegelegt werden Ueber die eigentliche Ursache feine-Z Streite-s Init dem Vater hatte er Schweigen bewahrt, aber auch daø konnte je nachdem zu seinem Gunsten oder llngnnfttsn aus-gelegt werden. Stein kannte ja diese Motive nicht, aber er hatte von Hartntunn gel)i)"rt, daß der Grundcniiller den Sohn der Wilddiebe· rei geziehen haben solle toer konnte es letzterem dann verdanke-»daß er nicht ge neigt war, ans das ertvieseue Verbre chen einen neuen Verdacht zu häufen? Auch der Grundtnüller hatte in die ser Beziehung nichts vor Gericht aus gesagt. So grübelte der Amte-richtet hin nnd her, endlich schellte er und fragte, ob Werner zur Hand sei. Das war ein alter Gent-darin, der schon viele Jahre in Hagenburg statio nirt war und den Bezirt nebst Einwoh nern genau kannte. Wemer war zur Hand und wurde herbeigeholt, zugleich meldete der Nmtsdtenetz daß auch der Reviersörftev Selltnq draußen iei und den Herrn; Imtsri ter zu sprechen wünsche. i «Stll ng — Sellinq,« tagte der! Richter nachdenke-id, «tvo habe ich doch den Namen schon gehört? Richtig, ich köanbe,de:fsiarre;etition Seh-ahnen hat nigra W e ena . ««« mini- der em- »ver Selling wohnt Zwischen hier und Schön- « horn, an der a ten Chaussee—-der Herr! Amtsrichter kennen ihn wohl schon « »Hm der Herr es eilig ?« ! »Er meinte, er müsse bald in’s Revier aus die Holzschläge. « i »Dann mag er zuerst eintreten « ! Unter Thür des Amtszimmers er » schien ein etwa dreißigjähriger Mann! in der Unisorm der königlichen Revier sörster. Er war groß, hager nnd mus culös gebaut; jede seiner Bewegungen verrieth Energie und Ruhe Beim Eintreten lehnte er eine schön» gearbeitete Flinte an die Wand, trat an den Tisch des Richters und sagte ehrerbietig : »Wer-leihen Sie, Herr Amt-Nichter, daß ich mein Gewehr nicht draußen lasse, aber es gehört gewissermaßen mit zur Sache.« »Bitte nehmen Sie Platz, Herr Re vierförster; womit lann ich dienen ?« »Ich wollte einen Einbrnchsdiebstahl zur Anzeige bringen« Stein blickte ans. »Da wäre sreilich die lönigliche Staatsamoaltschast lompetenter.« Der Revierförster strich mit der Hand über sein schwarzes Haar und lächelte ein wenig. »Ganz recht, Herr Amtsrichter. Allein ich bin von hier an die entgegen gesetzte Grenze des Landes versetzt und ziehe am ersten Oktober sort. Das sind nur noch vierzehn Tage. Es ist mir daran gelegen, mein Eigenthum möglichst rasch wieder zu sinden,nnd der Instanzenweg ist lang. Vielleicht könntest Sie doch etwas in der Sache thun.« »Um was handelt es sich ?« Selling stand aus und holte sein Ge wehr herbei. »Ich besitze zwei einläufige Kugel büchsen, Herr Amtsrichter. Dieselben sind ganz gleich geabeitet, besonders hinsichtlich des Kalibers und der Kon struktion, nur ist die eine insofern etwas werthvoller, als der Kolben mit Silber ausgelegt ist, während der andern- — dieser hier — jene Verzierung fehlt Die mit Silber eingelegte Büchse, ein theures Andenken, ist mir gestohlen worden. »Ich bin nnverheirathet, Herr Amts richter,«--hier flog ein düsterer Zug über das schöne Gesicht des Erzählers —- »und lebe ganz allein in meinem Forsthause Nicht einmal Aufwartung habe ich zur Zeit bei mir. »Gestern Nachmittag um fünf Uhr ging ich in den Wald auf den Anstand; ich hatte diese Biichse mit, während die andere dicht am Fenster meiner Wohns stube hing. Das Forsthaus liegt nn mittelbar an der sogenannten alten Chaussee, und man kann von der Land ft·aße aus in die Wohnstube sehen. Ein anderes Haus ist nicht in der Nähe »Als ich Abends ungefähr um neun Uhr heimlehrte, war die Blichse fort. »Am vFenster war eine Scheibe ein gedriiclt, und der Dieb hatte offenbar, durch die Oeffnung greifend, den Riegel aufgewirbelt. Sonst fehlte nichts im Hause.« Stein nahm einen Bogen Papier und schrieb die Anzeige nieder, während der Revierförster das Zimmer gelassen be trachtete. Dann fragte jener: »War die Biichse geladen ?« »Mit einer Kugel Herr Aintsrichter.« »Haben Sie irgend einen Verdacht?« Selling zuckte die Achsel. »Es ist recht mißlich, da einen be stimmten Verdacht auszusprechen, und ich möchte um alles in der Welt keinen Unschuldigen bezichtigen. EinDiebstahl aus Noth oder Habsucht lann es wohl schwerlich gewesen sein, denn solch ein Gewehr ist nicht leicht in der Umgegend zu verlaufen, und ein vorbeiwanderns der Handwerksbursche hätte mit der Waffe wohl gerechtes Aufsehen erregt und wäre damit nicht weit gekommen Auch meine ich, daß ein richtiger Dieb andere Gegenstände mitgenommen haben würde. Derjenige, tvelcher das Gewehr an sich nahm, hat wohl einen anderen Zweck damit im Auge gehabt, vielleicht einen Zweck, zu dem ihm jedes geladene Gewehr gut nnd recht war. « s Selling machte eine kleine Pause und betrachtete den nachdenklich auf das iProtololl schauenden Richter mit einein eigenthücnlichen Blick. Es lag eine gewisse Spannung im sBlick des Revierförfters, eine Erwar tung, als müsse der Mann da hinter idem Gerichtstifch eine Spur gefunden haben, die er, der Berichtende, selbst nicht angeben konnte oder wollte. Und Stein schien auf dieser Spur zu sein. »Es kann demnach nur ein Wilderer gewesen sein,« sagte er rasch nnd be stimmt. Der Stieviersitrster blickte ungeduldig nnd sast unmntmg zur Decke des Zim tnerd empor. »Ich wüßte seinen Wilderer in der Gegend,« erwiderte er dann langsam und nachdenklich, »denn der einzige, den wir vielleicht hatten sich sage vielleicht, weil ihm niemals etwas Positivee nach gewiesen worden ists-sitzt hinter Schloß und Riegel « »Sie meinen Klaus Merten and der Grundmühlei« ries der Amte-richtet lebhaft. »Wenn Sie ihn nennen, brauche ich ei nicht zu thun,« entgegnete jener ge lassen. »Aber Klaus Werten ist srei,« fuhr der Amtetichter erregt sort, »seine Straszeit lies vorgestern oder gestern setlh ab.« » . Wieder glitt ein s arser, sorschender jBltck aus Belling ugeu über den Richter-. »Frei,fagen Sie? Ja,das habe ich nicht gewußt, Dann freilich—« Jnkwifchen hatte Stein seinen Ge dankengan weiter ausgespannen und einen neuen Anhaltspunkt gefunden. »Sie waren auf dem Anstand, Herr Revierförster,« sagte er, »sind Sie zum Schuß gekommen ?« »Nein, Herr Amtsrichier·« »Erstreckt sich Ihr Revier bis an die Gram-wühler " »Nein, die liegt weit abseits.« ,,Gibt es Jagdpächter in der Ges gend".-« »Steine-n einzigen; wir haben lauter Staatsforften.« »Dann find wir auf der Spur, Herr Revierförster. Ich habe nämlich gestern Abend etwa um acht oder halb neun Uhr zwischen Schönhorn und Rosen hat n --— genauer kann ich oie Oe geno nicht bezeichnen —- einen Schuß fallen hören. Und um dieselbe Zeit muß Kssaus Merten aus dem Wege nach der Grundmühle gewesen sein Dann habe ich etwas später-ich ging nach Rosen hain hinüber-neben der sogenannten Heidbuche einen Menschen beobachtet, welcher sich am Stamm des erwähnten Baumes zu schaffen machte, nnd dieser Mensch-warten Sie, warten Sie-« Stein schlug eifrig in den Akten wider Klaus Merten das Signalement aus, Jlas es hastig durch und suhr tief ath mend sort: »Dieser Mensch muß der entlassene Sträsling Klaus Merten gewesen sein. « Der Revierförster Selling war bei den Worten des Amtsrichters ausge standen und nach der Thlir gegangen. Dort lehnte er sein Gewehr hin, blieb einen Augenblick in abgewandter Stel lung stehen nnd fuhr sich mit dem Ta schentuch über die Stirn. Dann kehrte er an den Tis sch des Richters zurück und sagte tonlos: ,,Seltsam, Herr Amtsrichter, sehr seltsam!« »Ja, seltsam in der That, « pflichtete IS tei n bei. »Denn bei alledem ist ies mir unerllärlich, daß Klaus Merten, Inachdem er kaum das Zuchthaus ver lassen hatte, ja vielleicht bevor er noch »das Elternhaus betrat, bereits zwei neue Strafthaten, einen Diebstahl und ein Jagdvergehen, auf sich geladen ha ben so ll. « ! Selling lächelte. s «Bevor er das Elternhaus betrat, »Herr Anitsrichter«.-’ Sie haben ja da wohl die Strasakten des Merten liegen; denken Sie wirklich, daß er es mit dem Wiedersehen so eilig hatte 9« ) Vor dent geistigen Auge des Richters lstiegrs ein ditsteres Bild aus. sah den ausstoßenen Sträfling ans der stürniischen Heide stehen, er sah wie derselbe sich ins nasse Heu ein ioiihlte, kaum eine Viertelstunde von der elterlichen Wohnung entfernt, er sah ialtes niit den Augen des Kriminat lrichters nnd mußte dennoch unwillkür lich seufzen. z »Es kann kaum anders sein, als wir !verntnthen, « sagte er nnd theilte dann 1in kurzen Warten dem dtieviersörster seine Beobachtungen mit. Der Mann mußte auch eine gewisse Theilnahme mit dem Unglitcklichen stth len, denn er tvurde blaß und strich sich wiederholt mit einer nervösen Handlu wegung iiber die Stirn. Jn’s Heu, sagen Sie, Herr Amt-J richter«.- Jn’s Heu? Mein Gott, das ist ja wie ein wildes Thier! Und das war ganz in der Nähe von der Heidbuche?« ,,teaum zwanzig Schritte davon ent sernt.« »Mein Gott, mein Gott !« Die Theilnahme war sast auffällig; Stein schwieg; er überlegte, was zu thun sei. Da stand Selling aus und sagte: »Es ist sür mich höchste Zeit, in’s Revier zu gehen. Also meine Sache ist in guten Händen, und ich dars ans gün stigen Erfolg hossen? Ich habe dieEhre, mich zu empfehlen.« Schon aus der Schwelle wandte er sich noch einmal um und fragte: »Sollte es der Mühe werth sein, in der Heid buche einmal nachzusehenP Wenn der Wilddieb vielleicht das Gewehr dort versteckt hat, so wäre es immerhin mög lich, daß es sich dort besindet.« »Ich werde nachsorschen lassen,« ent gegnete Stein, nnd Selling verschwand mit einer verbindlichen Verbeugung ans dem Bureau. »Ganz-darin Werner!« ,,Melde mich gehorsamst znr Stellt-, Herr Amtsrichter.« Stein hatte schon in den wenigen Tagen seiner neuen Thätigleit den alten sinasterbart lieb gewonnen. Das war keine bedientenhaste Stre berseele, kein Sviirlntnd, der sich mit vielen An·i,eigen briistete, aber die klugen grauen Augen zeugten von einem guten Theil Menschenlenntttiß, und die ver tritterte Nase konnte, Iveun’(z nothtlsat, ein »eorpus delieti« aus tausendSchritte Entfernung riechen. »Haben Sie schon von der königlichen Staatsanwaltschast Anweisungen über den entlassenen Sträsling Klaus Merten aus der Grundtniihle erhalten ?« fragte der junge Beamte den Alten. Der struppige Schnurrbart des Ge fragten bewe te sich hastig ans und nie der. Stein annte schon diese-Bewegung sie bedeutete, daß irgend etwas nicht in Ordnung sei. f ,i)Zn Befehl Herr Amtsrichter; heute rti .« »Ich kenne die Jnstruktion,« suhr Stein fort, »ste scheint Jhnen nicht zu behagen.« ,,Dienstbesehl,« brummte der Alte; »wer fragt darnach, pl« mir behagt oder nichtt Aber was hat der Mann verbrochen, Derr UmteiechterP Seine s Strafe hat er abgesessen, punktum. Wenn’s nicht genug war, hätte man ihm ja mehr geben können, aber verbüßt ist verbüßt.« Stein lächelte. »Vor einer halben Stunde dachte ich ähnlich, aber der Staatsanwalt scheint doch recht zu behalten· Passen Sie ’mal auf.« Dann erzählte er die Unterredung mit Selling und seine eigenen Beobach sangen, Wernerzog die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf. »Mit Verlaub, Herr Amtgrichter, das Ding hat noch mehr als einen Ha ken· Ich kenne den Klaus Merten von Kindesbeinen an, ein rabiater Kerl ist er immer gewesen, aber ein Dieb-— ein hundggemeiner Dieb? Und was der Selling sagt --—-« Der Gengdarm spitzte die Lippen und hätte wohl verächtlich gepfifsen, wenn PiEht just der Herr Amtsrichter vor ihm a i ,.Sie meinen, der Herr Revierförster befinde sich in einem Jrrthum ?« »Ja Befehl, Herr Amt-Richter Ir ren kann siedem passiren. Sonst habe sich nichts gesagt; Respekt! Königlicher sBeamteri Brr!« Das klang eigentlich wenig nach Re spekt, und Stein fuhr fort: ,,Docl;, Werner, Sie wollen noch mehr sagen.« »Wollte ich wirklich? Na, wenn Sie besehlen! Also ich meine, daß es noch keinem Menschen gelungen ist, aus den Klang auch nur den Verdacht der Wild dieberei zu bringen, und dann mit Re spekt zu fragen, meinen Sie, Herr Anttsrichter, daß es dem Klaus im Zuchthanse so gut gegangen ist, daß er Lust hätte, um eines lumpigen Rehbocks willen dahin zurückzukehren ?« Stein mochte ähnliche Gedanken hegen; er stand auf und trat an das Ton stu Hinter ihm murmelte der Alte: »Ja, wenn’s darum ginge, einen rabiaten Streich auszuführen, da wäre Klaus Merten vielleicht der richtige Mann, aber so eine hundsgemeine Schindluderer « Da trat der Amtsrichter plötzlichvom Fenster zurück und rief: »Hartmann, so wahr ich lebe! Er kommt gerade auf’s Gericht zuy und wie er lauft! Was mag denn da passirt sein? Wenige Augenblicke später wurde der Pfarrer gemeldet und trat athemlos ein. Werner erhielt Beserl, in der Die nerstube zu warten und verließ das Bureau. Eine Viertelstunde später rasselte die Schelle aus dem Zimmer des Anitsrichs ters mit unheimlicher Hast durch das stille Gebäude, und Stein rief dem Die ner entgegen: »Anspannen! Sosortl Der Herr Aktuar und Gensdarm Werner begleiten mich!« »Wohin befehlen der Herr Anctsrichs ter die Kommission ?« - »Nati) der Grundntühle.« Nach der Grundniühlel Diejenigen Philister von .ngenbnrg, Iwelche bereits in der »O rone« beim Friihschoppen saßen, fuhren mit den Koper an’s Fenster, als die wohlbe( kannte Gerick)t-Jkittsche des Posthalters vorbeirasselte. Es stand nicht am Schlage geschrie ben, wohin die Fahrt bestimmt sei, aber keiner von den Stannngästen schien den geringsten Zweifel zu hegen. Es lag so gewissermaßen in der Lust. Und der dicke Bäckermeister Schulze von der Marktecke sprach es auch aus. »Das thut nimmer gut,« sagte er wichtig, »wenn man solche halben Todtschläger nach ein paar Jahren schon laufen läßt; seit gestern ist der Klaus Merten aus der Grundmühle wieder im Land, und ich wette meinen Kopf gegen einen Wasserwecken, dasz er schon irgend etwas ausgesressen hat, denn der Herr Amtsrichter hatte den Pfarrer von Schönborn in der Kutsche und den Gens darm auf dem Bock.« Die übrigen Honoratioren rückten zus sanimen. »Klans Merten ans der Grund tnühle? Woher wissen Sie das, Meister; Schulze?« l »Der RevierIIIeister Selling erzählte es mir heilte früh und er meinte, dasz dem Menschen alles zuzutrauen sei.« »So? Der Selling?«« »Ja, erwollte auf’s A«mt und bezahlte zuvor eine Rechnung bei mir; er wird ja zum ersten Oktober versetzt Das war ein interessantes Thema am Stammtisch zur «It"«rone«; jeder redete darüber, daß etwas passirt sein müsse, und keiner wußte zu sagen, was es denn eigentlich sei aber Klaus Merten, der entlassene Zuchthäusler, spielte eine Hauptrolle in der unheimlichen Ge schichte. s Wenn die Hagenburger Philister ge wußt hätten, daß der Amtszrichter am Ausgang der Stadt vor dein Hause des Gerichtsarztes hielt und diesem zum Mitfahren aussorderte, to wäre der Frtthfchoppen zu ungebührlich-r Länge gediehen, aber zum Frommen verschie dentlicher siochtöpfe und ztnn Nachtheil mancher Gardinenpredigt nnterblieb die Feststellung dieser attfnsiordentliky wich tigen Thatsache. Die unheimliche Gerichtglutsche hatte das Weichbilb des Städtchens verlassen und fuhr langsam auf der alten, grün bewachsenen Chaussee bergan. Hartman mußte zur Information des Arztes noch einmal ausführlich die Erlebnisse der letzten Nacht berichten, und Stein betrachtete ünterdessen auf merksam beide Seiten des Weges. Plöhltch fragte er: »Ist das die Wohnung des Revier förfters Selling ?« i Der Gerichtsschreiber bejahte diel Frage. » »Ich will einen ugenblick ausstei-; gen,« fuhr der Am stichter fort; »die Spur, welche wir aufzusuchen habenJ beginnt vielleicht ait dieser Stelle-« Er ließ halten und näherte sich dem einsam gelegenen Hause. Die Thür war verschlossen, Selling mußte, wie erl auch angegeben hatte, in’6 Revier ge gangensein. l Stein ging langsam rund um die Wohnung und machte endlich an eineml nach der Straße gelegenen Fenster Halt Dasselbe fiihrte in die Wohn stube und wies eine zerbrochene Fenster- · scheibe auf Diese Scheibe befand sich tief unten, und die Zacken des zersplit- j terten Glases starrten von allen Seiten aus dem Rahmen, so daß man nur mit der größten Vorsicht die Hand hindurch : stecken konnte. ! Der« Amtesrichter machte den Versuch durch diese sOeffnung den an der Jnuen seite in zienilicher Höhe angebrachten Fensterwirbel zu erreichen, bemerkte jedoch sofort, daß dies nur möglich fei,I wenn er auch die übrigen Reste der! Scheibe aus dem Rahmen entfernte. ( Während er noch kopfschüttelnd das-. Fenster betrachtete, schlug ein Hund an, und gleich darauf trat der Revierförster Selling aus dem Walde Er trug fein Gewehr auf der Schul ter und ging mit gesenktem Kopfe lang » sam einher; als er des Amtsrichterss ansichtig wurde, flog ein seltsames szncken über sein ernste-Z Gesicht, dannj näherte er sich rasch mit höflichem Gruß und sagte: f »Wenn ich geahnt hätte, Herr Amts- l richter, Paß Sie eine Besichtigung an Ort un Stelle vornehmen wollten, dann wäre ich natürlich zu Hause geblieben.l Hoffentlich fini- Sie mit dem Ergebniß Jhrer Untersuchung zufrieden ?« »Nicht ganz,« erwiderte Stein. »Ich sehe dort im Hintergrund der Wohn stube Pflöcke an der Wand und an ei nein derelben -- hängt eine Jagdtasche. Sicherlich pflegen Sie auch dort Ihre Gewehre aufzuheben ?« «Gewiß!« erwiderte Selling unbe fangen. «Wollen Sie dann gefälligst hierher treten und den Versuch machen, durchl diese Oeffnung der zerbrochenen Fen sterscheibe den inneren Fensterriegel auf zutvirbeln ?« Selling nahm die bezeichnete Stellung ein, betrachtete das Loch einenAugenblick und sagte dann treuherzig: »Ich weiß, was Sie denken, Herr Amte-richten Es ist allerdings nicht möglich, durch diese Oeffnung den Rie gel zu erreichen, allein die gestohlene Büchse hing gestern zufällig nicht an der Wand, sondern lehnte unmittelbar anis Fensterbrett, so daß die Mündung fast die Scheibe berührte. Der Dieb hat sie von außen erfassen können.« »So —--so,« brummte Stein gedehnt. »Sie gaben aber doch heute früh zu Protokoll, dass die Biichse dicht am Fen ster an der Wand gehangen habe-' Selling lächelte. »Zagte ich das wirklich? Dann habe ich mich nnrichtig ausgedrückt Die Büchse konnte ja gar nicht dicht am Fenster hängen, denn eg- befindet sich nirgendg an der Aufzentoand ein Nagel. Wir Laien geben auf solche scheinbare Ztleiiiigieiten nicht acht nnd erschweren dann oft unbewußt Iden Gang der Un tersuchung. Ich muß daher gehorsamst um Entschuldigung bitten. Fuhren Sie jetzt in die Stadt zurück ?« »Nein, entgegnete Stein, »ich habe noch in er Grundmühle zu thün·« »Jn der GrundmiihleP So, so. Wohl ein Testament? »Nein, eine Leichenschau.« Stein hatte sich nach dem Wagen ge wandt und stieg ein, ohne nonials zu rückzublicken. Als die Pferde anzogen, berührte der rückwärts sitzende Gerichtsarzt den Arm des Nichters und fragte: »Haben Sie mit Selling irgend eines Differenz gehabt J Der Mann scheints sich ja in einer merkwürdigen Aufregung zu befinden. « i »Wirkiich«.-« s Stein drehte sich inu, aber der Re vierförster war schon in das Haus ge gangen. Es war Mittag, als die Konunifsion bei der Grundncühle anlangte. Grete tani vor die Thür und erschrak sichtlich, alø sie den Pfarrer in Beglei tung des Gerichts zurückkehren sah; sie schien das nicht erwartet zu haben. Doch faszte sie sich rasch nnd berichtete, daß die Fuhrleute, welche Hartniann als Wache zurückgelassen hatte, bereits vor mehreren Stunden weitergesahren seien, sie hätten keine Zeit gehabt. (Fortsetzung folgt.) Ed. Went ansz C r e e d e in Colorado stand kürzlich durch iiberniiifzigen Mor phinnigenufi nnznreclnuingsfähig ge macht, nich dein Bett anf, kleidete sich an, bestieg einen Bahnzng nnd fuhr davon. Als er das Fahrgeld nicht zu entrichten vermochte-, setzte ihn gegen Abend der anfiihrer bei heftigem Schneefall an einein Punkte ab, wo sieh unr ein Neben geleise, der Wasserbottich nnd ein un scheinbares Hotel befanden. Went wanderete zwei Tage lang ziellos umher und wurde schließlich in einer Schnee wehe begraben aufgefunden. Beide Hände und ein Fuß waren erfroren und bereits brandig geworden, so daß sie ihm abgenommen werden mußten. J. F. Moiher, der bei J n ge r f ol l, Tex» den Hülsöfheriff W. Nettles er ichossen hatte, ist eingesungen und nach N e w B v f t o n gebracht worden. — I Die Ruhestörmtsen in seelis. (ikblnische 8tg. vom Os. seht-) »O Ueber den Hergang bei dem ersten Umzug, durch den gestern um die Mit tagsstunde die Ruhe gestört wurde, scheint nach einein zusammenfassenden Bericht folgendes festgestellt zu sein: Die Polizei war ganz machtlos, nur« acht Mann waren an der Brauerei Fried richshain ausgestellt, die der heulenden, tobenden Menge gegenübernichts aus richten konnten. So zog sich der Zug, die Marseillaise anfiiuimend, über die Neue Königstrafze bis zum Alexander platz. Pferdebahnwagen und Omnibufse mußten halten. Während vom Polizei präsidiuin aus nach allen Richtungen hin die Neviere alarmird wurden und für die in der Umgebung der Linden gelege nen Revierwachen die Anweisung ertheilt wurde, die gefammten Mannfchaften Unter den Linden zu concentriren, rückte der fich von Secunde zu Secunde verstärlende Zug nach dein Rathhaufe, wo die Massen sich stauten und Zuruse drohender Art hinauffandten. Im Laus schritt ging es nun die obere Königstraße hinaus, über die Kurfürftenbrücke nach dem Schloß, und hier brach die Masse in folgende stürmische Rufe aus-: »Brod, Brod, wir verlangen Brod, Arbeit wol len wir haben, wir haben das Rechtan Arbeit, es lebe das Proletariat !« Dann zog die Menge über die Schloßsreiheit und nach der Schloßbriicke, wo Schutz lente ihr entgegentraten. Diese wurden von dem gewaltigen Strome, der jetzt schon etwa 2000 Theilnehmer zählte, mit fortgerissen So ging der Zug an dem Palais Kaiser Wilhelms vorüber unter dem Abfingen revolutionärer Lie der vie nach der Charlottenstraße. Jn zwischen aber waren vom Polizeipräsi diuin mit Kremsern die Mannschaften der Reservewache dem Zuge nachgesah ren, sodaß an jener Stelle sich wohl 200 Schutzleute vereinigt hatten, und nun mehr ging die Polizei in ganz energi scher Weise vor. Da die Massen den wiederholten Aufforderungen der Polizei nicht folgte, der Zug vielmehr versuchte, noch weiter vorzudringen, zogen die Schutzleute blank und schlugen mit der flachen Klinge in den Menschenknäuel, nnd jetzt gelang es, mit der Hülfe hin zugekonnnener reitender Schutzleute, die Menge auseinanderzutreiben Nur ei nein kleinen Trupp war es möglich, die Linden weiter hinaufzueilen, doch verursachte dies durchaus kein Aufsehen mehr. Die zuriickgedrängte Menge, fortwährend von den Schutzleuten escors tirt, theilte sich nun am Schloßplatzr. Während die kleinere Abtheilung über die Kaiser Wilhelm-Brücke und durch die Kaiser Wilhelm-Straße zog, bewegte sich die größere, etwa 800 Menschen, unter denen vielfach unreife Burschen zu bemerken waren, durch die Königstraße dem Alexanderplatz zu. An der Ecke der Klosterstraße kam es zu einein zwei ten Zusannnenstofze mit der Polizei, und hier wurde blank gezogen und in die Ruhestörer eingehauen, sodaß hier wie der ein Theil der Menge sich zerstreute. Schließlich waren es noch 200 Mann, die iiber den Alexanderplatz hinweg in die PrenzlauerStrafze einbogen, und hier war es das erste Mal, das; Privat eigenthum verletzt wurde. Dem Uhr niacher Wernicke wurde das Schausenster eingeworfen. Die Leute hatten sich in kleine Gruppen aufgelöst, die wieder Ansschreitnngen begingen. Um 2 Uhr verließ der Kaiser das Schloß und fuhr in einem offenenWagen die Linden entlang. Die Polizeimann schaften wurden bald nach zwei Uhr Mittags zuriickgezogenz etwa 38 Ver hastungen sind bis jetzt gemeldet. Ob Personen durch Säbelhiebe verletzt wor den sind, ist noch nicht berichtet. Kometen. In diesem Jahre steht die Rückkehr zweier periodischer Kometen bevor, die bereits in mehr als einer Erscheinung gesehen wurden. Der erste hiervon ist der Komet Tempel I. Er tvurde am Z. April 1867 vom Astronomen Tempel ausgefunden und ift sowohl 1873 wie 1879 wieder gesehen worden. Seine Unilauszeit beträgt fast genau t; Jahre. Bei seiner letzten Rückkehr konnte er al lerdings nicht aufgefunden werden und auch für dieses Jahr sind die Sichtbar teitgoerhaltniffe keine günstigen. Hin gegen wird der stoniet Winnecke nach den bereite- angestellten Berechnungen unter außerordentlich günstigen sBedingungen stviederkehren und im Juni sein Perthel spassiren Man hofft sogar, daß er zur Zeit seiner Erdnähe, Anfangs Juli, mit snubewaffnetem Auge sichtbar werden idürste Endlich wird auch der im Jahre its-nie- von Brooks ausgefundene Komet iIXC zurück erwartet, da für ihn seine Bahn mit i;,:k Jahren Umlaufszeit berechnet wurde. Damit würde die Zahl der periodischen Kometen auf 15 steigen. Der N e w Y o rke r ThierschutzsBers ein hat in den 26 Jahren feines Be stehens, wie der letzte Bericht desselben besagt, 17,847 Fälle in den Gerichten verfolgt, für Arbeitsentlastung von 49, 118 Thieren gesorgt, :34,264 unrettbar verletzte oder traute Pferde in mensch licher Weise tödten und 644 kranke s ferde inAmbulanzen fortfchaffen lassen. Un verflossenen Jahre wurden 1071 Fälle von Grausamkeit in den Gerichten verfolgt, 5725 kranle Thiere von der Arbeit entlastet, 2620 traute Pferde und 2212 andere Thiere, die nicht zu retten waren, in menschlicher Weise getödtet, 578 kranke Pferde in Ambulanzen aus . den Straßen fortgeschafft und 6890 Kla- . gen untersucht —