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About Grand Island Anzeiger. (Grand Island, Nebraska) 1889-1893 | View Entire Issue (March 11, 1892)
M Die""Grnndmiihle. Lriminalroman v. Friedrich Jacobseu. « i »Lasz gut sein, Liebster,« sagte sie bittend, »ich fühle ja, was Du denken mußt. Aber ich dars Dir den Grund von dein Benehmen meines Vaters nicht mittheilen. Glaub mir, er ist Dir herz lich gewogen und freut sich über unser; Glück, und wenn der erste Oktober vor-; bei ist, dann wird ja unsere Verlobungl bekannt gemacht und alles ist gut.« i »Dieser sonderbare erste Oktober-'s entgegnete Stein kopfschüttelnd; »was ist nur damit ?« Aber das Mädchen schloß seine Lip pen mit einem Kuß. - Sie hatten sich viel zu sagen und die ) Zeit flog. Draußen brauste der Sturm mit er neuter Wuth und ritttelte an den Fen sterläden; dann blickte Anna wohl scheu auf und drängte sich dichter an ihren - Bräutigam Es schien ein Frösteln über ihren Leib zu rinnen. »Dich friert,« sagte Stein und legte den Arm fester um sie. »Es über-kommt mich manchmal, ich , will etwas umthun.« I Sie stand aus, tramte in der Kom s mode, stutzte und lächelte. I »Wie man doch vergeßlich sein lann,« sagte sie dann scherzend. ,,Entsinnst Du Dich noch des rothen gehätelten Tuch-TR« »Wie sollte ich uicht,« erwiderte er ebhast »Du trugst es ja in Berlin an I ,enent ersten Abend, als ich Dich nach Hause brachte. Es stand so liiibsch zu Deinen dunklen Haaren, ich glaube, das Tuch links tnir zuerst angetlian.« »Dann schwiller Htsoinplimentl Ich i wollte eg- eben utnlegen, und nun still mir ein, dasz ich es heute vor acht Tagen verschenlt habe-« »Wie schade!« »Es- tvar schon alt, ich lsatle ein neue-Z wenn Du es leiden magst-« »Wer ist die Glückliche?« »Ein arme-Z Hjiiidchenx es dient in der Grnndtniiljle.« »J» der Grttttdmiil)le?« Stein wandte den litopf und blickte seiner Braut forschend in dass Gesicht. »Was hast Du ntit dein verrufene-n Hause zu scha" en ?« X Anna schii lte den Flor-f. »Ach, schad, das Haus ist tticht ver rufen, dass ist nnr ungliicklich Tit scheinst schon dar-on geluth zuhstb en P« »Ja, von .Liartt:tann.« - czwss ssky Sie nickte. »Er ist zu streng, er hat unrecht. Ich ienne die Leute von früher; sie gehör-· ten iazu Vaters Gemeinde Dei-Grund mittler nnd seine Frau sind brav, der Sohn freilich-»Nun ist die alte Frau Merten den ganzen Sommer hindurch krank gewesen, nnd da bin ich regel: mäßig jeden Mittwoch gegen Abend hiniibergegangen, um nach dem Rechten zu sehen. Ja, Schatz, heute ist auch Mittwoch, aber heute ist das doch wohl etwas Anderes-. Vor acht Tagen war ieb zuletzt dort, und da habe ich mein rothes Tuch, welches ich stets trug, dem Dienstmädchen geschenkt« das arme Ding sah gar fo verkontinen aus. Es steht ihr recht gut, sie hat ungefähr meine Gestalt und auch schwarze Haare-J Tie letzten Worte waren in leichtem, neckischem Ton gesprochen aber Stein machte ein bedenklichee Gesicht· »Ich bitte Dich, Anna,« sagte er freundlich, »unterlaß künftig diese Gänge, wenigstens Abends. Die Heide; ist bei Dunkelheit kein Weg siir junge Mädch »Aber Schatz, wer sollte mir denn etwas thun ?« Da fuhr wieder eia Windstoß um das Haus. Anna seht-at empor und legte beide Arme um ihren Bräutigam. Dabei wiederholte sie mit eigenthiinilicher Be deutnng: »Mir thut wohl so leicht niemand etwas, aber Du,Schay, nimm Du Dich nur recht in acht t« Das flog über ihre Lippen wie ein Ungstlauh unbedacht, wie aus gepreßtem Herzen. Stein blickte sie erstaunt an. »Anna, Kind, was soll das bedeu ten?« Da kat« der Pfarrer Bade herein und sagte mahnend: »Es ist ein Uhr vorbei. Die Gaststnbe ist vorhin Ordnung, Anna, unb« ügte er leiser hinzu, »auch die Läden sind oben aeichlossen P« Wieder die Lädeui Der Amte-richtet ließ sich von dem Pfarrer auf sein Zimmer geleiten. Dort wollte er noch etwas fragen, aber der Alte wünschte ilnn hastig eine gute Nacht und stieg schnell die Treppe hin unter. Unten hörte Stein ilnt durch dae ganze Haus gehen und an allen Thüren rütteln -—— dann ward es stille nnd dunkel. Pastor Hartntann hatte sich beeilt, sein behaglichefs Psaerhause wieder zu erreichen. Das unsrenndliche, durch die wilde Einsamkeit in seiner Wirkung noch ver schärite Wetter mochte selbst einen ab gehökteten Waldbewohner heiintreiben, nnd Harmonn ließ sich obendrein nur ungern die Abendstunden nehmen, in welchen er beider guten langen Pfeise am Schreibtisch seine Peivatstndien ver nahm. « , Er pflegte lange zu schlafen und in solge desse selten vor Mitternacht sein Lager ausznsuchenx selbst die junge Psarrstan konnte ihn von dieser Ge wobnbeit nicht heilen. Und es war snst bente Abend so ab sonderlich geinüthlich in der durchräucher- : ten Bücherklause. Jm Ofen troininelte das erste Feuer und spielte eine mollige Begleitung zum Heulen des Windes; dann hatte der seltene Besuch eines gebildeten Mannes die Gedanken ange regt und endlich— Ja das war es eben, das tr’ liche« Bewußtsein, nicht mehr hinaus zi its sen in die ungastliche Nacht! Zehn Uhr! Die Arbeit wollte nicht recht von der] Hand gehen, die Gedanken wanderten zu; unstät Trugen denn wirklich allein die ausge srischten Erinnerungen aus der Univer- i sitäteszeit Schuld an dieser heimlicheni Aufregung ? ( artniann hatte unwillkürlich den Brief des Zuchthausdirektore und das« demselben beiliegende Zeugniß des An staltsgeistlichen in die Hand genommen ! Da stand über Klaus Merten geschrie ben: »Wäher seiner ganzen Straszeit war er finster und wortkarg Niemals habe ich an ihm ein Zeichen der Reue über seine unlindliche That bemerkt, ja es hatte oft den Anschein, als brüte er noch immer iiber schlimme Ge danken. « gartmann seufzte. E ieser unselige Mensch kehrt jetzt in seine Gemeinde zurück, in den Schooß einer Familie, welche-- — Ja, das war eben ein Punkt, den der Pastor ungeachtet allen Nachdenkens nicht fassen konnte. Es lag nichts gegen den Grundmiils ler Merten vor, was ihm hätte zur Unthre gereichen können, und dennoch ruhte eiz aus sdem Hause wie ein Fluch und aus dein alten Mann w s ein sinste rer dämonischer Geist Er hatte immer ruhig iiir sich hinge lebt, nur einmal war er iu einen Prozeß vermittelt gewesen« Aber, großer Gott, welcher Bauer prozessirt nicht einmal in seinem Leben! Er hatte den Prozeß mit Ehren ge wonnen, und sein Gegner gleichfalls-« ein Bauer aus der (.iiegend, war darnach tiefsinnig geworden dass iain auch hausig vor Daun war die Geschichte mit dem Sohne gelouuuen — Elf Uhr! Hartmann horte esZ durch den Sturm vom nahen Fiirchthurm schlagen und dann hörte er noch etwas: einen Ton, ein Rissen und dann ein bestigesz Pochen an der Hausthür. Die Frau Pfarrer war schon in’s Bett gegangen, Hartmann stieg mit der Lampe die Treppe hinunter nnd öffnete. Da warfihin der Sturm eine Mäd chengestalt fast in die Arme. Er hielt die slackernde Lampe hoch und sagte er staunt: »Mein Gott, die Grete aus der Grundmithlel Was ist geschehen, Kind?« Es war die Dienstmagd des Grund miilleret Merten, welche allein mit den zwei alten Leuten das einsame Haus bewohnte. ; Das Mädchen war barhauptig und trug nur ein rothes gehaielteg Tuch um die Schulter : Sie strich sich die dunklem verwehten Haare aus der Stirn und stanimelte athemlos: ! »Ach, Herr Pfarrer, ich bin so gelau sen ganz allein durch die Nacht undf durch den Wald. Sie sollen rasch loni men, unser Herr liegt im Sterben « »Der Grundinüller?« »Ja, er schickt mich her. « »Wie ist denn das so plötzlich gekom menUet Sie schaute sich scheu um und zog die Thüre hinter sich zu »Ein Unglück, .Verr Pfarrer! Der Grundmtiller ist ohne Licht in den Kel ; ler gegangen und dort hingesallen. Er sagt er hätte sich einen großen Nagel in die Brust gerannt. « Der Pfarrer trat in das Zimmer und stellte die Lampe auf den Tisch, dann betrachtete er das Mädchen und sagte: »Du hast ja geronnenes Blut an der Backe?« Sie griff verwirrt nach der Stelle und entgegnete hastig »Ich bin unterwegs gegen einen Baum gekannt, esz toar ja so dunkel« Harttnann ging kopfschüttelnd zu fei ner Frau und benachrichtigte sie von dem Ereigniß, dann zog er seinen Rock an, nahm eine Laterne und folgte— dem Mädchen. Sie bedurften der Laterne nicht, der Mond schien hell, sogar im Walde wars er seine Strahlen auf den Pfad. » »Du mußt ganz blind darauf los ge laufen seiu, Grete,« sagte Hartmann unterwege, ,,man taun ja jeden Baum unterscheiden.« »Ach, Herr Pfarrer, die Angst l« ent gegnete sie. »Ist es denn wirklich so schlimm P« Sie nickte nur und sah sich wieder ängstlich nach allen Seiten um. Einmal rauschte es im Gebüsch, da klammerte sie sich trotz allen Nespekte festf an ihren Begleiter und schrie laut au . »Ist nicht nach einem Arzt geschickt worden ?« fragte Hartmann nochmals nach einer Pause. »Wer sollte denn gehen?« murmelte dad Mathem »Die Frau liegt ja auch trank, und der Arzt wohnt m agen bukg. Der Herr will es auch ni t, und es hilft wohl auch nichts.« Hartniann wollte den Namen ,,Klaua« nennen, aber er unterdrückte das Wort. Der entlassene Sohn dee Hauses konnte recht gut eingetroffen sein, aber dann hätte das 'Mädchen seiner doch wohl Erwähnung gethan und dann wäre auch — der Mann gekommen anstatt des schwa chen Weibes. So erreichten sie endlich die Grund mühle. Jn dem zerfallenen Hosrautn lag Hektor, der als bösartig bekannte Wolsshund des Grundmüllers Er regte sich nicht, als Hartmann an der Seite des Mädchens vorüberschritt, sondern knurrte nur und leckte an seiner rechten Vorderpfote. Grete streichelte ihn flüchtig im Vor beifchreiten uud murmelte etwas, das wie ,,arnies Vieh« klang. Dann betraten sie das Wohnzinimer des Hauses. Ein trüberes Bild hatte wohl selten die diifter brennende Lampe befchienen. Jn dem dumpfen, niedrigen Raum befanden sich nur zwei Personen, ein alter Mann und eine alte Frau. Die letztere lag in einein Wandbett, bleich und abgezehrt. Auf ihrem Ant litz hatte lange Krankheit den Stempel des Tode-J eingegraben, während diei Züge des Grundmiillers Spuren ur wiichsiger Kraft trugen. Freilich jetzt nur Spuren, welche ihren Ausdruck in Willensstärke und diisterer Verfchlosfenheit fanden. Der große, kräftige Mann ruhte halb entkleidet auf einem alten Kanapee und hatte die linke Seite der Brust mit einer wolle-ten Pferdedecke bis hoch an den Hals hinaus sorgfältig verhüllt, während die rechte Schulter und der schlaff herunterhangende Arm frei waren. Er schien Schmerzen zu empfinden, unterdrückte aber jede Aeufzerung der selben mit der Härte eine-Z echten, zähen Bauern, während im Gegensatz zu demi mariuorialteu, unbewegliche-n GesichtI die dunklen Åugen unruhig und fast! angstvoll den eintretenden Geistlichenj niusterten. l Dann hob er die rechte Hand und wies mit einer kurzen Bewegung dass Dienstmädchen aus dem Zimmer. f Ter Pfarrer sah diefe verstiiniiuelte Hand zum erstenmal: s fehlten anl derselben die beiden vorderen Gliedkr desz zweiten, dritten und vierten Fin l gerei; aber der Grundinuller hatte stets einen schwarzen Handschuh getragen, wenigstens wußte Hartuianu esZ nicht anderes; heute fehlte diese Hülle. i Der Geistliche wollte die Hand zur Begrüszung fassen, doch Merten zog sie hastig zurück und sagte mit harter Stimme: »Setzen Sie sich ans den Stuhl, Herr Pfarrer, doch nahe heran, das Sprechen wird mir sauer.« »Ist es denn so schlimm, Merten?« »Genug zuin Sterben; die — ich wollte sagen, der Nagel ist in’s Leben getroffen, es kommt Blut aus der Lunge.« »Wollen Sie mir nicht die Wunde zei-4 gen, ich verstehe ein wenig davou.« I ,,So,« entgegnete der Bauer höhnischJ »Sie verstehen ’tva—3 davon? Jchj glaubte, die Herren Pastoren könntens nur predigen. Lassen Siekz gut sein, es ist besser, dafz kein Mensch etwas davon versteht, zu helfen ist mir doch nicht« l i Hartiuann brach ab. »Sie haben mich rufen lassen ?« »Ja, aber nicht wegen dein Loch da. Hier sin eg!« Er hob die verstiiinmelte rechte Hand von der Decke und ließ sie wieder schwer zurücksallen »Verstehen Sie davon auch etwas-, Herr Pastor? Es schlägt doch in Ihr Joch-« Der Geistliche schaute den unheiinli chen Mann sragend an. »Ich ineine,« fuhr jener leise fort, »wenn man drei Finger der rechten Hand in die Höhe hebt; ich kann es nicht niehr. « ; »Das sehe ich leider.« ( »Sie glauben weil die drei Fingers fehlen? »O, nicht deswegen, Herr Pfarrer, ich könnte es auch nicht, wenn sie noch an ihrem Platze tvären.« Es durchrieselte den Geistlichen un heimlich bei diser Worten. Er beugte sich iibersden raulen nnd fragte mit gedämpsters" Stimme: Haben Sie etwas zu beiennen, Merten ?« i i ! Und dann glitt fein Blick nach dem Wandbett hinüber, wo ein tiefer Seufzer hörbar ward. Auch der Bauer hatte ihn gehört und wandte mühsam den Kopf nach der Seite, wo seine Frau lag. »Sie weiß alles, « sagte er dann dumpf, «fie ist meine Frau, sie hat mit daran getragen, und endlich hat es sie hingeworfen.« Und dann schrie er laut aus: »Der Prozesz, der verfluchte Prozess, der ist an allein schuld!« Da wußte Hartmann genug. »Nein, die Habsucht!« sagte er ernst. »Grund1niiller wie steht es mit den neun Eidesworteu·2« Der Grnndmilller stöhnte. »Ja, es waren neun Worte, Herr Pfarrer: jetzt haben sie fünf daraus gemacht, aber es werden darum wohl nicht weniger Meineide geschworen.« IDann, als durch das letzte Wort ein er kleichternded Geständnis ausgesprochen, ssuhr er ruhiger fort: »Das läßt mich nicht sterben, Herr Pfarrer. Jch habe ja durch die eigene Hand meines Sohnes die Strase erhalten, nnd jetzt-doch das gehört nicht ur Sache.« »Noch unsr, Merten7« »Nein, nein! Ader lassen Sie mich erzählen, ich werde jetzt schwächer. Also mit dem Meineid hat es seine Richtig-« keit. Jch sollte schwören in«detnProzeß, und der Cid sollte meine Sache ent scheiden. Der Atntsrichter in Hagen burg machte mir die Geschichte klar, ich wußte genau, um was es sich handelte. Und dann leistete ich den Eid, neun Worte, Herr Pfarrer, mit drei Fingern! gen Himmel, unl- neunmal falsch. »Mein Gegner verlor und wurde darüber tiefsinnig, zuletzt hing er sichs auf. Das war der Anfang. Es kamJ aber noch schlimmen Mein Jus-ge, der« Klaus, hatte ein Verhältniss mit der» Tochter meine-«- Gegiters, und als der; Vater sich aufhäng, wollte sie den silauszk nicht mehr, denn sie sagte, es sei eine Schande, die Toochter eines Selbsttnör ders zu heirathen, und sie hat wohl auch» ein Grauen vor unserer Familie be kommen. «Darüber kam mein Junge hart mit mir aneinander. Er muß wohl ’was gewußt haben von meiner schlechten Sache, denn er nannte mich einen Mei neidigen und einen Mörder. Jch hätte es hinnehmen sollen, Herr Pfarrer, denn es war ja die Wahrheit, aber der Zorn übernahm wich und ich schlug ihn ins Gesicht. Die Axt lag dabei, Herr Pfarrer, das war nicht gut, denn er ging damit auf mich los. Ob er mir wirklich ans Leben gewollt hat damals, Herr Pfarrer, das kann ich nicht sagen, aber ich hielt die Hand, die Schwur hand vor und weg waren die drei fal schen Finger. Das war die Fortsetzung der Strafe, und nun-« Der Grundtniiller brach plötzlich ab; aus seiner Brust drang ein dumpfes Röcheln, und aus die schneeweißen Lip pen trat blutiger Schaum. Hartiratm sprang erschrocken auf und versuchte den schweren Mann zu stützen, er hatte noch nicht an eine ernstliche Verwundung glauben mögen, so ein Nagel konnte doch schwerlich durch alle Kleider hindurch eine tödtliche Verletzung hervorbringen, und nun sah er plötzlich den das nahe Ende deutenden Zug mit furchtbarer Deutlichkeit über dieses starre Antlitz hinfliegen. Hinten an dem Wandbrett regte sich die traute Frau; sie hatte wohl nicht alles verstanden, was der Grundntüller mit oft fliisternder Stimme erzählte. aber diesen letzten Laut eines langen Lebens, den verstand auch ihr stumpf gewordenes Ohr. Sie richtete sich ans und rief : «Merten, unt Gottes w«llen, Merten, hast Tn auch alles gebeichtet? Alles-, auch dass letzte?« Aberntals quoll der dumpfe, röchelnde Ton iiber die Lippen des Sterbenden. Hartmann war zu der Frau geeilt, um sie zu beruhigen, aber er prallte wieder zurück· Sie lag in den Rissen nnd regte sich nicht mehr: ihr gebrochenes Auge starrte nach der Decke empor, die furchtbare Aufregung hatte ihren schwachen Lebens saden zerrissen. Zwei Todte in einein engen Gemach Auch der Grnndntiiller stand vor sei nent ewigen Richter-, es war in wenigen Augenblicken ans dein einsamen, gewies denen Hause eine Einöde geworden, eine Ruine, deren nwrsche Balken nur noch für die einzigen Erden, siir den Zucht hiiuelet zusaintnenhieltetr i ! llud die uulnsimlichste Stunde der Nacht lag aus dem alten Bau, die Stunde-, in welcher die meisten Men schen geboren werden und die meisten Menschen sterben, in welcher am liebsten das lichtscheue Verbrechen umgeht und am häufigsten der Stilaf flieht. Hartmann ries die Dienstmagd herein und theilte ihr die erschiitterude Kunde mit.« Das war doch ein Mensch, mitdem er reden konnte in dieser fürchterlichen Einsamkeit Tag junge Ding zitterte wie Einen laub und fragte, ob sie denn hier allein gelassen werden solle. Der Geistliche sah die Unmoglichleit ein. Er selbst, der starke Mann, em pfand ein unsäglichees Grausen, das id, wache Weib wäre vor Angst gestorben. Er versprach, bis zum Anbruch des-. Tage-J zu bleiben, nnd erwähnte bei-s läusig, dasz der Zohu deiZ Hauses viel leicht inzwischen eintreffen werde, er sei doch gestern schon entlassen worden. Da warf das Mädchen einen scheuen Blick auf das eine unverhiillte Fenster der Stube und entgegnete leise: »Der kommt nicht, Herr Pfarrer, verlassen Sie sich darauf, der kommt nicht.« Hartmann achtete nicht sonderlich auf diese seltsamen Worte; er war an den Grundmiiller herangetreten und legte die starren Hände des Todten ineinan der. Dabei glitt die verhüllende Decke von der linken Seite nieder und legte das Hemd aus der Brust frei. Das Leiuen war etwas-, aber nicht bedeutend, mit Blut getränkt und zeigte ein rundes Loch, dessen Ränder schwarz gefärbt, erschienen, ein fast kreisrundes Loch, ohne seitliche Risse. Hartmaun entfernte das Henid und untersuchte die unter demselben befinds licheszWunde Dann schüttelte er den Stops und wandte sich zu dem Mädchen. »Also einen Nagel hat der Grund mitller sich in die Brust gestoßen ?« Grete warf einen furchtsamen Blick; ans ihren todten Herrn und einen zwei ten auf die todte Herrin, sie schien einen Augenblick zu zögern. »Ja«, entgegnete sie dann leise. »Bei einem Fall im Keller ?« »So muß es wohl gewesen sein-« ,,War niemand zugegen ?« »Nein, Herr Pfarrer.« »Was wollte er im Keller ?« »Er wollte-»ich weiß es nicht« »Führe mich hinunter in den Keller, Grete.« »Es ist ja dunkel unten, Herr Pfar rer.« »So zünde ein Licht an.« Sie ge orchte offenbar widerwillig und sagte ann: »Sollen wir die Leichen hier oben allein liegen lassen ?«« Hartmann sah sie forschend und miß trauisch an »Warum nicht, Grete? Die Todten bedürfen keiner Obhut. Aber wenn Du meinst, so können wir ja den Hund hereinrufen.« Wiederum flog ein seltsam befange ner Zug über das Gesicht des Mädchens-, aber sie wagte offenbar nicht, abermals Einspruch zu erheben, und rief den Hund. Das große Thier kam langsam ange hinkt und legte sich, dumpf knurrend, in der Stube nieder. »Was fehlt dem Hunde, er scheint an der Vorderpfote verletzt zu sein,« sagte der Pfarrer. »Ich weiß nicht, er hat sich vielleicht einen Dorn in den Fuß getreten « »Nein, Grete, er hat eine tiefe Wunde über dem Gelenk, als wenn die Sehne durchschnitten wäre. Komm her, mein Thier, und laß Dich untersuchen.« Aber der Wolsshund wies knurrend die Zähne und duldete keine Berührung. Da gab Hartmann die ferneren Ver suche auf und ließ sich von Grete in den Keller führen. Dort nahm er selbst das Licht, leuch tete umher und bemerkte kopfschüttelnd: »Ich finde nichts, worüber der Grundmüller hätte fallen können, und ich sehe auch keinen Nagel.« Hinter ihm schurrte etwas auf der Erde. Als er sich rasch umwandte, stand das Madchen neben einer leeren Kiste, aus deren Rand ein mäßig großer Na gel hervorragte, nnd sagte: »Hier, Herr Pfarrer, hier wird es gewesen sein « »Aber, Grete, Du hast die Kiste ja soeben selbst in den Weg gefchoben.« »Nein, Herr Pfarrer, sie stand so, ich stieß nur mit dem Fuße dagegen.« »So, so—hm. Und der Nagel?« Hartncann dünkte sich in diesem Augenblick wie ein Untersuchungsrichter. Mit dem trübe brennenden Licht in der Hand bog er sich über die Kiste und prüste genau die Spitze des bezeichneten Nagels. Dann sagte er entschieden: »Die-set Nagel ist nicht im stande, eine tödtliche Wunde hervorzubringen, und außerdem hätte der Grimdmiiller, wenn er über die Kiste stürzte-, höchstens eine Verletzung im Unterleib, nicht aber in des Brust davontragen können. Auch vermag ich keine Blutspuren an dem Nagel zu entdecken. Grete, Grete, hier ist etwas richt in Ordnung; hast Dumir die volle Wahrheit gesagt, Mädchens-« »Ich kann nicht anders aus-sagen, als ich gethan habe, Herr Pfarrer, « ent gegnete die junge Dirne mit gefaltenen Händen, »und wenn Sie mich aus mei nem Zterbelager fragten.« Dei Pfarrer murmelte etwas von gerichtlicher Sektioux er that es so leise, daß seine Gefährtin ihn nicht verstand, er wollte sie nicht unuöthiger Weise noch mehr einschiichtern. Schließlich konnte ja auch alles so gewesen sein, wie der Grundmüller mit eigenem Munde angegeben hatte, es war ja keine Veranlassung zur Entstellung der Wahrheit vorhanden, und der Zufall spielt oft in wunderbarer Weise. So stiegen die Beiden wieder ans dem düstern Keller hinauf in die nicht minder düstere Wohnstube, und nachdem Hart mann noch einen Gang durch das- Hans gemacht hatte, ohne irgend einen ver dächtigen Gegenstand wahrzunehmen, schickte er das vor Angst und Aufregung halb ohnniiichtige Mädchen in seine Kammer und rüstete sich zu der trau rigeu Todtentvachl. Anfange- sasz er dicht neben dem Fen fter und blickte nachdenklich hinaus in die moudhelle Septeuibernacht, durch welche noch immer ein kalter Herbstwind wehte; dann verspürte er einen leifen Zug nnd bemerkte, daß die eine Fenster scheibe zerbrochen war, eigentlich nicht zerbrochen, sondern nach allen Seiten hin gefprungeu, alsZ wenn Jemand mit einein spitzen Gegenstand heftig davon gestosz n hatte; er untersuchte jedoch die Sache nicht weiter, sondern setzte sich tiefer in dass Zimmer hinein. Es war eine lange traurige Nacht, und der Morgen wollte gar nicht an brechen, aber endlich znckten doch die ersten rothen Streifen am östlichen Himmel auf, und zugleich tönte von der einsamen Landstraße das schtverfallige Rollen eines beladenen Frachtwage. s. Der Amtsrichter Stein sasz am Mor gen nach den geschilderten Ereignissen etwas über-nächtig und ermüdet auf seinem Bureau. Sein liebenswürdiger Schwiegerva ter hatte ihn schon mit dein ersten Mor gengrauen aus dem besten Schlafe ans gerüttelt und nach einein hastig einge nommenen Frühstück förmlich zur Hin terthür desz Hauses hinanegeschoben Von Anna durfte er nur in dein Hausflur flüchtigen Alschied nehmen, sogar eine Begleitung bis an die nahe, nach Hagenburg führende Landstraße wurde ihr untersagt. Dagegen ging der alte Bote selbst mit und schallte sich alle zehn Schritte argwöhnisch um. Sie waren wie eine Schleichwache hinter dem Dorfe herunigegangen und befanden sich nach Verlauf von etwa zehn Minuten auf der zu dieser Zeit noch unbelebten Landstraße Hier änderte sich plötzlich das Beneh inen des wunderlichen Alten in ausfal lender Weise. Er atlnnete freier auf, wurde herzlich und gespräehig und legte sogar einige male feinen Arm auf wenige Sekunden in denjenigen des jungen Mannes-. (Fortsetzung solgt.) —I— Im Londoner Haupt - Positur-IN , Eine der größten Sehenswürdigkei sten Londons ist, so schreibt man der »Nat.-Ztg.«, das Haupt-—Postamt an je dem Nachmittag Inn 6 Uhr. Um diese Zeit schließt die Annahme für die »foreignnmil,« für die ansländische Post. Für die Aufnahme der Briefe nnd der Zeitungen sind Brieskastksn be stininit,drren Umfang an die Arche Noah erinnert nnd deren Einschnitte von einer Weite sind, daß ein Mann bequem hineinklettern könnte. Unfug ist dadurch vorgebeugt, daß diese Briefe in eine für Unbefugte unerreichbare Tie se versinken. Punkt 6 Uhr aber schlie ßen diese Kasten sich auf automatischein Wege. Nun ist es ein über alle Ma fzen fesselndes Schauspiel, das auch stets Hunderte von Neugierigen anzieht, die jenigen zu beobachten, welche die Post aufgabe bis zum let-ten Augenblick hin aus-geschoben haben und nun heranstür nien,um noch vor Thorschluß zu kom men. Wer bis auf eine, ja auch nur eine halbe Minute vorher eintrifft, hat es gut, Die Menge, welche immer mehr anschwillt, weil jeder, der seine Last los-geworden ist, einen Moment verbleibt, um die weiteren Vorgänge zu beobachten, läßt willig eine Gasse offen. Nun aber hebt die große Glocke zum Anschlagen der Stunde aus. Lang- · sam, schwerdröhnend schallen ihre Schlä ge, weithin vernehmbar. Wer bis da hin zur Post lief, jagt und fliegt nun. HAthemlos keucht er mit seiner Last her ian. Schon ist der 2· und Z. Seh ag verklungen, neue Boten erscheinen auf den Stufen und nun, da sie die Brief käften kaum noch erreichen können, be ginnen sie ihre Wurfgeschicklichkeit zu zeigen. Jn weitem Bogen über die Köpfe der Zuschauer fort fliegen die zu sammengebündelten Packete, die aller meisten erreichen ihr Ziel und verschwin den; wo eins- daneben fällt, helfen freundliche Hände nach, es schlägt 4——5 ——noch ein besonders großes Bündel Zeitungen nimmt im Fluge einen Hut mit in der Orkus——-—6-s-- die Klappe fällt und furchtbar enttäuscht ziehen die Bo ten ab, die zu spät gekommen sind und die nun ein beträchtliche-Z Strafporto zu zahlen haben. Aus- vcu äqzkissikxkfiäxDampf-r auf dem Nyctere. Anfang Februar waren Dreiviertel eines A(ahrhunderts- verflossen, seit der ersteDampfer durch die grünen Wellen des Rheincz strich. Zunächst erschienen hol ländische Schiffe. Ja der ersten Zeit gebrauchte man, wie die Köln. Volks ztg. erzählt, von Düsseldorf nach Köln noch sechs ganze- Stunden, die Rä der gingen platsch, platsch geniiithlich voran; aber es war dem Marktschiff ge genüber-, welches mit Pferden aufwärts ging, immerhin ein großer Fortschritt. lDen Niederlandern folgten zunächst die Dainpfer der Roliier Gesellschaft auf der Strecke oberhalb der siölner Metropole. Die Diisseldorfer warteten nicht lange mit der Einrichtung eine-Z Wettbewerbes; war auch die Stadt damals noch klein-— sie batte zwischen W- und L3("),()00 Ein wohner-, so kamen doch hinreichende Mittel zusammen, unter anderem auch, wie man erzählt, vom Herzog Adolph von Nassau, nach welchem eines der er sten Diisseldorfer Schiffe genannt wurde. Als nun die Diisseldorfer ihre Fahrten aufwärts begonnen hatten, fingen die Kölner an, abwärts zu fahren, zunächst I bis Diisseldors Die Schiffe beider Ge sellschaften gingen Nachmittags ziemlich gleichzeitig ab und es war nun fiir die »localpatriotische Diisseldorfer Jugend iein Triumph, wenn das Diisseldorser Schiff bor dein siöluer einen Vorsprung hatte· Die Rölner dehnten bald ihre Fahrten bis Einnierich hinunter aus; meistens machten der ,,Ruben5« und die »Stadt Frankfurt« diese Fahrten. Die ser Wettbewerb hatte fiir die Reisenden einigen Vortheil im Gefolge, denn die Diissisldorfer Schiffe gaben ein ausge zeichnete-J Essen und guten Wein zu bil sligerem Preis-, auf welchen die anderen sauch hinabgehen mußten. Mit den tFahrpieisen stand eit- ähnlich. Aber nicht nur in den Preisen, auch in der Geschwindigkeit wurde der Wettbewerb betrieben. So sollte der Diisseldorfer ,,stoinet« sspäter ,,Stadt Bonn-U die Kölner Schiffe aus dein Felde schlagen; aber selbst die Diisseldorser machten auf diese-J Schiff den Vers-: »Der ,,Comet« kommt immer zu spät.« Als Gegen stand zuni ,,Coniet« hatten die Kölner den »Blis,i«, der, wie auch der »Don tier«, später iiingetaiift wurde. Den Holländeru paßte es nun aber ganz und gar nicht, daß zu dem Wettbewerb von Köln auch noch der von Diisseldorf hin zugekommen war. Eines schönen Tages erinnerten sie sich der Heldenthaten ihres Admirale Tromp, welcher die englische Flotte aus dem Canal gefegt und zum Zeichen dessen einen Besen aiis den Hanptmast seines Admiralschiffeö be festigt hatte. Der »Nederlander« er schien eineg schönen Sonntags Nachmit tage» vor Diisseldors init einein vergolde ten Besen an seinem Mast. Sosort entstand ein Auslan des Volkes, welches damals sehr scharfe Augen hatte und die Symbolik wohl verstand; die Behörde mischte sich mit hinein, und es wurde deui Capitän klar geniacht,daß der Rhein nun doch nicht den Holländern gehöre, iind diese, wenn sie es denn einmal un bedingt wolltesn, vor ihrer eigenen Thit re fegen sollten. Jn Butte, Mont., sind einige der besten Silberbergtverle gerichtlich ge schlossen und die Arbeiter entlassen wor den. Der niedri e Preis des Silber-z hat das Geschäft geruntergebracht