Dies-echter Landpfarrers. NovellevonclarrifsaLohdr. (Fortsesung und Schluß.) Zwölftes Kapitel. - Auch Lieutenant Fritz Körber hatte eine kleine Verwundung am linlen Arm davongetragen, aber so unbedeutend, daß er sofort nach seiner Garnison zurückkeh ren konnte. Die Schwester, wie den Onkel unterrichtete er von dem Vorge fallenen schriftlich. Zum Glück kam der unheilvolle Brief zuerst in der Baronin fande, welche, des Lieutenants Hand chrift kennend, ihn öffnete und so im Stande war, das arme Kind wenigstens auf das Furchtbare, was geschehen, vor zubereiten. Sie hatte im Waldsee’schen Palais ungefragt und konnte gleich der erschütternden Nachricht den Trost hin zufügen, daß man des Verwundeten Le ben zu erhalten hoffe. Langsam aber, nur langsam ging es mit Erich zur Besserung Die Gräfin und Erna kamen fast kaum von feinem Lager. Auch Gräfin Eva überwand sich so weit, täglich eine Stunde, wäh rend die Gritfin mit Erna in’s Freie fuhr, was der Arzt unbedingt forderte, bei dem Kranken zu verweilen. Der schönen Gräfin wurde diese Stunde zu einer Hölle-usual. Sie fürchtete die Au gen des noch immer der Sprache be raubten Kranken, die sie oft so seltsam klagend anblickten. So war sie denn stets froh, wenn diese Augen sich zum Schlafe schlossen, was bei der Schwäche Erichs nur zu häufig geschah. Auch heute war er bald nach ihrem Eintritt in Schlaf gesunken. Die Wär terin hatte sich gleichfalls zu kurzer Ruhe in’s Nebenzimnier zurückgezogen, so war Eva ganz allein in dem weiten Gemacht Ein unheimliches Gefühl durchschauerte fie. Jn den weichen Fan teuil zurückgelehnt, gab sie sich ihren Gedanken hin, finsteren unzufriedenen Gedanken. War dies die Freude, das ersehnte Glück an Erichs Seite, daß sie feine Kranienwärterin geworden? Jhre ganze Seele hing an den Freuden der Welt; fern von ihr, von dem rauschen den Leben. das sie gewöhnt war, em pfand sie eine schmerzhaer Leere, der sie nicht Herrin zu werden vermochte. Und wie erschrocken über die eigenen Gedan ken, richtete sie sich auf, blickte dem Schlummernden in das bleiche, gefchiool lene Antlitz. Liebte sie ihn denn nicht mehr, den mit dem Aufgebot von so viel Klugheit und Leidenschaft eroberten Manu, oder hatte sie ihn überhaupt je geliebt ? War es nicht vielleicht nur eine Täuschung gewesen, all’ dieses glühende Verlangen, das seine Nähe in ihr er weckt, eine Täuschung, durch das Wider streben des Mannes erzeugt, den sie sicher in ihren Banden zu haben gemeint, den sie nach Durchmusterung der reichen Zahl ihrer Anbeter als den erwünschte sten Gemahl erfunden, und der ihr doch zu entschlüpfen gedroht hatte ? Freilich— der kranke, verwundete Mann war nicht mehr der glänzende Cavalier, den sie begehrte. Was Wunder, dafz das Feuer, das in ihr brannte, schon jetzt zu erlö ichen begann! Ein Geräusch im Nebenzimmer ließ sie aushorchen, riesz sie auo ihren nicht gerade freundlichen Gedanken. Durch die zur geschlagene Portiere des Sa lons bl ckte das seingefchnittene Antlitz des Prinzen Eberstein, der mit gedämpf ter Stimme fragte: . »Darf man eintreten D« Sie legte den Finger auf den Mund und erhob sich ihm entgegen zu gehen »Sie hier, Prinz?« ! »Sei-last Erich R« war die Gegen frage »Ja, doch unfer Gespräch lönnte ihn: erwecken« » »Nur einen Augenblick, Gräsin Eva i«» rief er, ihre Hand mit einein Blicte voll Leidenschaft titssend « l »Ich bitte Sie, Prinz!« wehrte sie ihm, und mit scheuem Blick aus den still aus seinem Lager Liegenden fügte sie leise hinzu: »Wenn er erwachte!« l Der Prinz trat an das Bett seines Vetters und beugte sich über ihn; dann nickte er befriedigt nnd setzte sich an Eva e Seite aus einen Divan, der, etwao entfernt von dem Kranken, doch einen Blick auf sein Lager und damit die Möglichkeit gewährte-, ihn im Auge zu behalten. i »Er geht der Genesung entgegen, wie mir die Tante heute glückstrahlend mit theilte « begann der Prinz, ,,sihliift also den Genesungoschlaf, der nicht so leicht gestört werden kann Jhin Glück zu wünschen fant ich her, ihm und Ihnen, Gritsin Eva!« s ' Von Neuem zog er ihre Hand an seine Lippen, die sie ihm diesmal ohne Widerstreben liess Das kleine Inter mezzo unterbrach doch ein wenig die Langweile des Klosterlebens, das der alten Gräfin konventionelle Beschränkt heit der Braut ihres Sohnes aufzuerle-« en für gut sand, ein Klosterlebem das ihr selbst jeden Empfang im Hause ver bot, somit auch den des neuen, ihr von Tag zu Tag lebhafter huldigenden Vet text »Ich danke Ihnen, « sagte sie mit ei net nngemein graziöfen Neigung ihres schönen Kopfes. »Wer eg doch Uscit daß dieser Zustand der Ungewißheit endlich anfhvrte.« · »Für Gie, Grüfin Eva, aber sur kink - Ach, was gäbe ich darunt, von so holder Hand verpflegt zu werden! Solch’ein Glück ist durch ein Ktqnlenlager von ei nigen Wochen tot-Weh nicht zu theuek akaan »Ich fürcht-, Jht Bettes Etsch Its-ht anderC darüber denken « »Er? Nun1a, er ist ein unberechen barer Mensch und schätzt gewöhnlich nur daC, was er nicht besih t.« »Das ist io die gewöhnliche mensch liche Schmäche, « entgegnete sie mit einem Seufzer. »Eine Schwäche und ein Vorzug zu gleich, Gräfin Eva. Wer nur an einem Gefühle haftet, der versteht daC Leben Inicht zu genießen l« ! »So predigen Sie die Untreue, iPrinz?« I »Wie Sie fragen, Gräfini Glauben ISie denn an die Treue, das heißt an die Möglichkeit einer wechfellofenNeigung. 9« Eva wandte den Klon ab ,,Nein,« entgegnete sie fast hart. »Gut, dann müssen Sie mir auch ver zeihen, wenn ich trotz Bann und Inter Idikt, womit Sie mir drohen, nicht anders kann, alC Sie anzubeten, Schönste der TFrauen!« I »Thorheit, Prinz!« fpottete sie. »,Sprechen Sie von etwas Jnteressante- ! rent. « »Gibt es etwas JnteressantereC, alC ’Gräfin Eva Liebau?« I »Wenn Sie zu der Gräfin Liebau: isprechem gewiß!« ,,Alfo ein anderes Thema auf hohen Befehl ?« und der Prinz lächelte etwaC fboshaft »Vielleicht interessirt eC Sie, etwas von dem hübschen Pfarrerslinde »zu hören, mit dem die Verwandten Ih reC Verlobten einen wahren Kultus treiben.« Eva fuhr empor. »Schweigen Sie von ihr, Prinz, wenn ; Sie meine Gunst nicht für alle Zeit ver ifcherzen wollen. Muß ich nicht genug schon um ihretwillen leiden? Veim Him mel, die ganze Verlobung war nahe da ran, mir bekleidet zu werden durch diese Jamnierepisode des Duells « I ,,Fretlich,« scherzte er, ,,eg wäre an genehm gewesen, das Duell hätte einen umgekehrten Verlauf genommen Aber iman sagt allgemein, Erich habe absicht Ilich nur nach des GegnerC Arm gezielt, Jwiihrend dieser ihm die verhängnisvolle IKUgel zusendete.« Eva biß sich ärgerlich auf die Lippen. »Das sieht ihm ganz ähnlich,« stieß sie heftig hervor, »und eigentlich ift ihm darnach nur sein Recht geschehen. Ein Mann von seiner Geburt und Stellung, »der sich zu diesem Pfarrerslinde ernie sdrigte—« , »Den Gräfin Eva aber durch die Be : willigung der Hand aus seiner Ernie kdrigung wieder emporgehoben hat « s Sie blitzte ihn mit zornigen Augen an ; »Wie soll ich das verstehen, Prinz. ) Erst beleidigten Sie mich durch Jhre Galanterien, jetzt durch Ihren Sarlas- f inuC « I »Ich, SarlasmuC gegen Sie? Nein Gräfin. Jch wagte nur laut zu sagen, ! was Andere sich leise zuflüstern, daß man sich verwundert, wie Gräfin Liebaus in so lebhafte Konkurrenz mit diesemi Pfarrerstöchterlein treten konnte. « »So, fagt man das-? Nun, vielleicht wundere ich mich schon felbst dariibet!« »Das heißt doch nicht etwa, daß Sie bereuen, Gräfin Eva e« fragte er, sich näher zu ihr hinneigend. Sie zuckte statt aller Antwort mit denl Achseln «Und Sie find doch entschlossen, Ihr Wort zu halten«-« fuhr er eindringlich fort. i »Wenn er gesund wird, ja. Jm Grunde gleichen sich ja auch die Männer alle in ihren Schwächen und Fehlern, er ist nicht besser und nicht schlechter als die meisten « »Welch’ ein hurtes Urtheil gegen un fer Geschlecht, Gräfin Eva!« »Hade ich etwa Grund zu einem bef seren ?« Sie hatte fich aufgerichtet und fah ihm fest in’s Auge. »Freilich, wag Jhre erste Ehe betrifft, Gräfin, aber Sie können doch den ver ftorbeuen Liebau unmöglich mit Erich auf dieselbe Stufe stellen ?« »Und warqu nicht ?« rief sie mit höh nisch zuckender Lippe »Encanaillirte sich der Eine durch feine Neigung zu starken Getränken, so der Andere durch seine Neigung zu niederen Frauen« Ein Ton, furchtbar, herzzerschueidend, durch-zitterte das Gemach Eva und der Prinz wandten sich erbleicheud nach dem Bette des Kraulen hin, den sie iu der Aufregung des Augenblicks gänzlich ver gessen hatten Dort saß er, die Augen mit wildem Auedruck nach ihnen hinge wandt, die Hand wie in ausbrechendein Wahnsinn an dein Verbaude seiner Wunde zerrend Der Prinz faßte sich rasch und sprang hinzu, das Entseyliche zu verhindern. Ein stuuiuier Kampf erfolgte, der damit endete, da ß der Krante mit einem gurgelndeu Laute in die Kissen zurücksank. Eva eilte, von Grauen getrieben, in s Nesdenzimtnerz die Wärterin herbeizu ru en »Sie haben vielleicht dieGlite, Prinz, « wandte sie sich dann an diesen, »sogleichi nach dein Arzte zu senden. « Als der Prinz nach Ausführung die-s l ses Auftrages den au das Krankenziin met anstoßenden Satan wieder betrat» sand er die Mutter Erich s daselbst von ihrer Spaziersalsrt zurückgekehrt Die Gräfin las sogleich Unheil ans! seinen Zügen »Du hier, Alsons, « ries sie, »und so verstörte« »Leider, liebe Tante,« entgegnete er mit erzwuugener Unbefangenheit ,,l!ben kam ich, um der Gräfln Eva meine Glücktvunsche zu der Wandlung von Erich’s Krankheit zu bringen, als ich sie sauft Tiesste erschreckt von einem Ner venansall trus, der bei dem Kranken ganz plöylich eteeten ist. Ich habe soeben nacheut dem rste gesandt. « ,,Un reiflich,« klagte die stafim ,,vorhin and Alles so gut!« ’ Erna war sogleich in’s Schlasgemach geeilt und ganz erstarrt bei dem verän derten Aussehen des Kranken. »Um Gott, was ist nun geschehen, Eva 9« fragte sie »Ja, wenn ich das wüßte!« entgegnete Eva mit gut gefpielter Harmlosigteit, aber ihr Herz pochte doch dabei wie zum Betst-ringen »Ein ganz unvorherge sehener Zufall, ich bin außer mir.« Als der herbeigerufene Arzt nach angstvollem arren endlich kam, schüt telte er beden lich den Kopf. »Unerllärlich,« rief er. Dabei sah er fragend die Umstehenden an. Keiner wußte etwas zu sagen, die Wärterin war ja in dem entscheidenden Augenblicke nicht anwesend gewesen. Der Kranke fieberte heftig, wars sich un ruhig im Bette hin und her und stieß ab nnd zu Laute aus, die Alle erschrecken Der Professor ordnete sogleich das Nöthige an, sah den Verband nach, der zwar ein wenig verrückt, aber glücklicher weise nicht zerstört war, und versprach, am Abend noch einmal wiederzukommen. DreizehntesKapitel. Eva hatte eine schlaflose Nacht gehabt. Fröstelnd saß fie, in ihren weiten, mit Schwan besetzten Kaschmirroel gehüllt, an dem flackernden Kaminfeter. Sie hatte die Tasse mit der Frühstückschoko lade halb geleert zurückgeschoben; die weiße Stirn in düstere Falten gezogen, starrte sie in die Gluih. Noch verfolgten sie die quälenden Bilder der Nacht, die sie im dämmernden Halbschlafe um schwebt hatten. Da lagen sie wieder vor ihr, die beiden aus dem Wasser gezoge nen Leichen mit den aufgedunfenen Ge sichtern, und neben sie drängte sich setzt eine dritte Gestalt. Wieder und wieder hörte sie den qualvollen Jammerton aus des Verwundeten Brust, sah in die im Fieberwahu aus sie gehefteten rollenden Augen des Mannes, den sie zu lieben gemeint, den zu erringen sie sich als Preis des Lebens gesetzt, und der ihr nun fast noch mehr Entsetzen erregte, als die beiden Gestorbenen, denn er, er lebte sa noch, und wenn er genesen sollte, ge nesen könnte, so mußte der bisher in ih ren Banden Gefesselte sich in ihren Feind verwandeln. Er wurde die Kühnheit haben, ihr mit Verachtung zu begegnen, und seine ganze Verwandtschaft selbst die hochmüthige, ihr so wohlwollende Mutter, selbst Prinz Alsons, ihr huldis gender Anbeter, würde ihr stolz den Rucken tehreu, und Alles, Alles war um sonst getvesen. Statt der erhoffteu Ver besserung ihres etwas getriibteu Rufes mußte ihr dann die so rasch wieder ge löste Verlobung nur größere Schmach und Demiithigung bringen. Es gab nur einen Ausgang, der sie vor dem Al:: leu zu bewahren mochte, und das war! Erichs Tod. i Fast erschreckt sah sie sich bei dieseml Gedanken um. Hatte sie ihn ausgesproJ chen, hatte es Jemand erlauscht, das Fürchterliche, was sie in ihrem Busen» trug ? Ihm, den sie geliebt, den sie kaum erst mit heißem Verlangen m die Arme» geschlossen, wunschte sie den Tod, den Tod durch die Kugel, die ihn um seiness Treuebruchs willen, zu dem sie ihn mirs allen bewußten Künsten der Verführungs verlockt hatte, getroffen. Grauenhast!? War sie-wirklich Alles dessen fähig, hat-es sie das gethan, gedacht, gefühlt? Wie mechanisch erhob sie sich, trat vor den Spiegel. Wie seltsam starr diese dunklen, sonst so feurig leuchtenden Au gen blickten, wie bleich und hart und al ler Holdseligkeit bar diese schön geform ten Züge sich widerspiegelten, welche die Schmeichler so ost den Zügen der griechi schen Götterbilder verglichen hatten. »So also,« guckte es in bitterem Spotte unt ihre Lippen. ,,sieht eine Mörderin aug, eine Mörderin in Gedanken!« Der Eintritt der Jungfer entriß sie ihrem Grübeln. « »Es ist Zeit zum Ankleiden, gnädigste Gräfin.«« »Schon?« . Sie blickte nach der Uhr. Ganz recht,I in einer Stunde war der Wagen beste-Uns sie, wie alltäglich, nach dem Palaiøs Waldsee zu führen. Wenn sie sich trank nselden ließ, sich die Qual, jene Räumes wieder zu betreten, in denen der um jh I retwillen Sterbende lag, zu ersparenl suchte? Aber nein, das ging nicht. Noch, tonnte sie ja ungehindert die Rolle ders zärtlich liebenden, um das Leben des-s Verlobten bangenden Braut weiter spie len. Nur seht keine Schwäche! Jetzt hieß es stark sein, aushalten bis zum Ende, um der Sache die beste Seite ab zugewinnem Zur bestimmten Stunde hielt ihres Eqnipage vor dein Palaig Wall-see ; Die Diener zeigten niedergeschlagene Mienen, es ging also noch nicht desser.i Mit sichere-in Schritte betrat Eva daher-s den Salon nnd das Krattken·3ittimer.? Der Arzt war gerade anwesend. Er stand iider den Kranken gebeugt, ihm zur Seite mit angstvoll anslsorchenden Mienen sämmtliche Familienglieder des gräflichen Hause-z. Die barmherzige Schwester war dem Arzte zur Hand, der den Verband nachsah und den Puls des Firanten zählte. Eva schaute mit geisterhnsten Blicken ans das wache-bleiche Gesicht in den Iris sen, aus dem die Augen mit völlig kla retn Bewußtsein sie trafen. War es das böse Gewissen in ihr, oder war es Wahr heit, daß sie in diesem Blicke eine sinsterc Zuriicktoeisung zu erkennen meinte? Sie trat unwillkürlich zurück, daß er sie nicht mehr sehen konnte. »Der Patient scheint einen Wunsch zu haben,« wandt sich delerzt jetzt n den Umstehenden. TM bewegt unaasgörlich die Lippen; darf ich- um Papier und Bleiftift bitten, vielleicht findet er die Kraft niederzuschreiben, was er nicht zu ssagen vermag.« ’ Erna eilte sogleich in’s Nebenzirnmer and war in einer Minute mit dem Ge wünschten wieder da. »Können Sie sich ein wenig aufrich ten, Herr Graf-« fragte der Arzt. Erich nickte, die Pflegerin und Fürst Anton eilten hinzu, ihn zu stützen. Mit zitternder Hand griff er nach dem Stift und schrieb in großen unsicheren Buch staben ein Wort nieder. Dann sank er tief aufseuszend zurück und fchloß die Augen, es schien, als ob seine letzte Kraft damit erschöpft sei. Der Arzt nahm das Blatt, las es und reichte es, ohne ein Wort zu sagen, der Mutter hin· Vor den Blicken der aus’s Höchste Erregten tanzten die Buch staben, aber sie erkannte doch mit po chendemHerzen einenNamen, der ihr der unliebste auf der Welt war, einen Na nien, den sie haßte, weil sie die Trägerin desselben für diejenige hielt, die all’ das Leid, das über sie gekommen, verfchuldet hatte. Wankend zog sie sich in’s Neben zimmer zurück und sank dort, einer Ohn macht nahe, in einen Stuhl. Die Anderen mit dem Arzte folgten ihr nach wenigen Minuten. Eva hatte bereits mit einem Blick den Namen ge-: lesen, höhnisch zuckte es um ihren Mund Die Gräfin sah mit banger Frage zu der neben ihrem Stuhle Stehenden auf» »Was soll ich thun, Eva?« ! »Seinen Willen erfüllen,« erwiderte diese hart. i Die Gräfin warf ihr einen ganz er schrockenen Blick zu. » »Das rathen Sie, Eva Sie ?« Der Arzt hatte seitwärts leise mit dem Fürsten gesprochen, jetzt trat er auf die alte Grafin zu. »Ich weiß nicht, wer die Trägerin des Namens ist, den der Kranke ausge schriebin,« sagte er ernst. »Aber wer sie auch sein mag, gnädigste Gräfin, es ist vielleicht der Wunsch eines Sterben den, dessen Erfüllung in Ihren Händen liegt· « »Gutes Sterbenden. 9« bebte die Grä fin. »So ist keine Hoffnung?« »Das sagte ich nicht, Frau Gräfim aber ich glaube, dasz aller Grund vor handen ist, des Kranken Wünschen nach zukommeu.« Damit griff er nach seinem Hut und verneigte sich. »Gegen Abend komme ich wieder.« Als der Arzt fort war, trat Fürst Anton zu seiner Schwester und sagte be sänstigend: ,,Fasse Dich, Milli, Du kannst, Du darfst diese Bitte Erich s nicht unersüllt lassen « Mit sragendem Blicke schaute die Ge ängstigte ringsum. Es war ein furcht barer Kampf, den ihr Stolz mit der Liebe zu dem einzigen Sohne kämpfte. « »Und Keiner, Keiner steht aus meiner Seite?« Alles blieb stumm. Fürst Anton zupfte sich .nit ungeduldiger Miene am Schnurrbart, Prinz Alsons stand nie dergeschlegenen Auges am Fenster, er wagte nicht Eva anzusehen. Diese aber verharrte kalt und bewegungslos wie eine Statue. l Der Fürst brach endlich das peinliche; Schweigen. »Komm zum Entschluß, Milli, es könnte sonst zu spät sein.« Das schreckte die in sich Zusammenge sunkene empor. ,,Zu späi?« schrie sie aus. »Anton, glaubst Du dat- wirklich ?« s »Ich glaube es—ja,« erwiderte eri ernst. ( »Gut denn, so sei’s, man sende einen Boten zu dem Mädchen,« sagte sie mit! abgewandtem fHaupte Da öffnete sich die Thiir und wie ge rufen trat die Baronin ein Auch zu ihr; war die Nachricht von der Verschlechte I rung in Ericlt g Befinden gedrungen, s und sie war herbeigeeilt, um sich persön lich nach ihm zu ertundigen. »Von tvelcheInMädchen sprachst Du ?« sragte sie, welche die letzten Worte gehört hatte, ahnungsvoll· »Von der Psarrerstochter,« war die mit bebender Stimmegegebene Antwort. Eva war zuriickqetreteu uud schritt nun mit stolz zurückgeworsenem Haupte zur Thüre. »Wohin, Evas-« riesdie Gräsin angst s voll und eilte ihr mit erhabenen Armen nach. s »Ich räume meinen Platz der Andern,l der (S)ewiinschten!« erwiderte sie herbe und schlos; die Thiir hinter sich. Die Gräsin taninelte mit eineut leisen Aitsschrei zurück. Erim nmsaßte sie lie bevoll, und leitete die Wankende zu ihrem Sessel. »Lasz Sie gehen, liebe Tante, die tialtherzige Sie liebte ihn ja nie!« »O Erna, was sprichst Du da ?« »Was ich lange gedacht. Hätte sie lkrich wirklich geliebt, wie wäre es ihr da möglich gewesen, von seiner Seite zu weichen, ihn jetzt zu verlassen ? O glaube es mir, geliebte Taute, diese Frau liebt nichts, vermag nichts zu lieben, als sich selbst.« Der Fürst ttnd Prinz Alsons hatten mittler-weile mit der Baroniu Zwie sprache gehalten. Diese wandte sich jetzt mit freundlich uberredenden Worten zur Gräfin. »Komm mit mir, Milli, mein Wagen steht vor der Thüre, wir holen Marga rethe sogleich her.« - Die Grösin richtete sich aus. »Wie, ich sollte? Unniöglich!« »Das kann ich Dir nicht erlassen, Milli,« entgegnete die Barontn fest. »Du darsst nach dein Vorgefallenen nicht verlangen, daß Margarethe Dein Haus betrete, ohne Deine besondere Einla dung.« s »So werde ich schreiben i« suchtedie Oräsin auszuweichm Jetzt mischte sich Fürst Anton ein. »Ich glaube, daß Deine Schwägerin HRecht hat, Milli. Besiege Deinen Wi sderwillen gegen das Mädchen um Erich’s willenl« - Die Gräfin richtete sich aus, todten-; bleich sah sie dem Bruder in’s Antlip· i »Und wenn Erich doch gesund würde?( Anton, was dann ?« »Dann hast Du Deinen Sohn wieder, Milli, und wirst glücklich sein, daß er Dir, um welchen Preis auch immer, er halten geblieben ist.« »Wenn er stürbe, während ich fort bin-wenn ich so verhindert würde, sei nen letzten Seufzer zu empfangen? Ich will ihn wenigstens noch einmal sehen.« Man mochte sich ihr nicht weiter wi dersetzen. Leise trat sie in’s Kranken zimmer nnd an das Lager des Verwun detcn. Die barmherzige Schwester legte den Finger auf den Mund, Erich schien zu schlafen, seine Augen waren geschlos sen und seine Brust hob sich in unregel mäßigen Ziigen. Bei der Annäherung der Mutter jedoch hoben sich seine Lider und ein Blick traf sie, so lange, so voll stummen Flehens, daß sie überwältigt in die Kniee sank. »Berubige Dich, mein einziger, mein geliebter Sohn, ich hole sie Dir!« Er verstand sie und wie ein Hauch der Freude ging es über seine verfallene Züge. Vierzehntes Kapitel· Margarethe harrte voller Angst der Rückkehr der Batonin. Da endlich hörte sie Schritte im Vorzimmer, aber nicht die Baronin trat herein, sondern eine bleiche, gebückte Frauengestalt. Margarethe fuhr zurück. Sie er kannte sie wohl, die einst hoch gehobenen Hauptes, stolz und abweisend vor ihr gestanden, die ihr die bitterste Kränkung ihres Lebens zugefügt hatte. Aber kein Groll stieg in ihrer reinen Seele auf, nur Mitleid mit der Schwergeprüften, deren gramdurchfurchte Züge von tiefem Seelenleid sprachen. Doch was wollte sie von ihr? Jst denn wirklich jede Hoffnung verloren, und sendet der Ster bende sie her, um der Gekränkten Ver zeihung mit hinüberzunehmenP Die Gräfin richtete ihr umslortes Auge aus das voll zitternder Spannung sie anschauende Mädchen, und etwas wie ein Gewissensbiß stieg in ihrer Seele auf, so schreckhaft verwandelt fand sie das vor Kurzem noch so blühende junge Mädchen. Zugleich traf ihr Blick in dein hinter Margarethe befindlichen Spiegel ihre eigene gebeugte Gestalt, und sie sagte sich: Das Alles hätte an ders sein können, wenn Du nicht ent scheidend in das Schicksal gegriffen, wenn Du nicht Erich mit allen Mitteln von seinem Verlöbnisz abgewandt und der schönen Eva zugeführt hättest, die ihn jest verläßt, da er um ihretwillen stirbt! Und eine unendliche Bitterkeit gegen Eva wallte in ihr auf, und die einst Vergötterte dünkte ihr der Inbegriff aller Selbstsucht und Herzenskälte Mit einer raschen Bewegung streckte sie Margarethe beide Hände entgegen: »Die Mutter,« sagte sie mit einer Stimme, die völlig klanglos vor Erre gung war, »kommt zu Ihnen im Namen ihres Sohnes, ihres vielleicht sterbenden Sohnes. Erich verlangt nach Ihnen! Wollen, können Sie seinem Rufe folgen, können Sie vergessen, was vorgefallen ist und ihm das Wort der Versöhnung ge ben, das er ersehnt ?« Ein Zacken des Schmerzes ging durch Margarethe’s Glieder. »Eines Sterbenden vielleicht !« hauchte sie, ihr Antlitz verhüllend. Ueber der Gräfin Züge flog eine selt same Bewegnng: Sie also, die Verra thene, die Beleidigte, sie hatte Thränen für das Leiden des Ungetreuen. Mit fiebernder Hast faßte sie des Mädchens Arm. ,,Zögern Sie nicht lange. Jede Mi nute fern von ihm ist ein Opfer meines eigenen Lebens, das dahingeht mit dem des einzigen geliebten Sohnes !« Margarethe fuhr jäh empor. »Ich komme, ich komme! Ach, was ist es denn, das ich für ihn thun kann? Vergehen, das that ich längst. Was aber habe ich Ihnen angethan! Ich, ich allein bin ja die unselige Ursache alles Unglücke !« Damit beugte sie sich über der Gräfin Hand, und heiße Thränen fielen auf die selbe nieder. Die alte Dante war tief bewegt.1 »Du gutes Kindl« fliisterte sie. ! Schon aber war Margarethe in s! Nebenzimnier entflohen, um dort mit hastender Eile sich bereit zn machen Einen Moment zwar iiberwältigte sie es doch sie mußte sich stützen, weil sie inn- s zusinken glaubte. Doch bald fand siei Kraft wieder. Hieß es ja jetzt nicht zitss ternd und zagend dem eigenen Schmerzei nachgebcn, sondern handeln, standhafti lsein, ob auch das eigene Herz darüber i brechen sollte. So vermochte sie es denn Iüber sieh, äußerlich wenigstens ruhig und gefaßt der Harrenden cntgegennitteten, Iund der sngreich ausgelämpfte Kampf mit der eigenen Schwäche verlieh dem feinen, durch das Leid der letzten Wochen vergeistigtcn Antlitz eine Verklärung, die selbst die Gräfin mit Erstaunen er füllte. Nie hätte sie dein schlichten Pfar rerekmde eine solche Hoheit in der Er scheinung zugetrant, und mit innerer Selbstanklage fing sie ietzt erst — ach zu spät—-Erich’s Neigung für dieses Mäd chen, seine bittere Reue um den an ihr begangenenVerrath ganz zu begreifen an. Als am Abend der Arzt lam, fand er neben der barmherzigen Schwester eine — neue Pflegerin an dem Lager des Oran ten, der still und mit einem lächelndes Ausdruck in den bleichen Zügen den Ve wegungen der sorglich um ihn Schaffen den folgte. Und bald fing auf des Arztes Angesicht sich das Lächeln des Kranken an wiederzuspiegeln. »Es scheint sich zum Besser-en zu wen den,« meinte er zur Gräfin. »Unser Patient hat sich selbst die heilkräftigste Medizin verschrieben, wie es scheint — und Sie, gnädigste Gräfin, haben, wenn meine Voraussetzungen mich nicht trü gen, Jhr m Sohne durch die Erfüllung seines Wunsches das Leben gerettet.« Damit ging er, die Gräfin aber sank in die Kniee und verhüllte sich das Ant litz. Sie weinte heiße Dankes- und Reuethränen zugleich und gelobte im überschwellenden Gefühle gut zu machen, was sie gefehlt, abzulasfen von ihrem Hochmuth und nichts Anderes ferner zu wollen und zu begehren, als des heißges liebten Sohnes Glück. Noch bange Tage schwankte dieWaage zwischen Furcht und Hoffnung, ehe des Arztes Wort erschallte: Nun ist jede Gefahr überwunden! Welche schwere Zeit für Margarethe, aber auch welch’ selige! Nun erst hatte sie das Empfinden, sich ein Anrecht an Erich erworben zu haben, als er unter ihrer Pflege zu neuem Leben erwachte. Und tvelch ein Moment höchsten Glückes, als die theuren Lippen zum ersten Mal den Namen: »Margarethe auszuspre chen vermochten!« «- - - Es war an einem heiter klaren Win tertage, als der Genesene mit Margare the vor dem Altar der Kirche ihres Heimathsdorfes stand, wo Pastor Fro binius den Bund ihrer Herzen segnete. Ein kleiner Kreis stand um die Glückli chen, die nächsten Verwandten und An gehörigen des Paares, unter denen nur einer fehlte, Fritz K«örber, der auf des Vormundes entschiedenes Gebot den bunten Rock ausgezogen hatte und nach Brasilien aus-gewandert war, um dort ein neues Leben der Arbeit zu beginnen. Erich empfand, wie schmerzlich die Ab wesenheit des ihr zunächst Stehenden auf Erden an diesem weihevollen Tage für Margarethe sein mußte, und nach voll zogener Trauung sein junges Weib um schlingend, sagte er zärtlich: »Jetzt hast Du nur noch mich, Mar garethe, Alles muß ich Dir ersetzen, was Du verloren, Vater und Bruder!« Mit innig dankendem Blicke sah sie zu ihm aus« »Nicht ganz so, mein Erich! Laß mich hoffen, daß mir der Bruder nicht verlo ren ist, daß ich ihn einst wiedersehe, als einen tüchtigen, im Kampf mit dem Le ben erstarkten Mann. Und der Vateri Kann man verlieren, was man ganz be saß? Er lebt in mir so lange ich athmen werde. Du aber, mein Geliebter, bist mir die schöne, glückliche Gegenwart, der ich in ganzer Hingabe mein Sein und Leben widmen darf, in dem Einen Alles umschließend, was ich liebe!« Ein arm-müder Scharfrichteri Aug Paris wird berichtet: »Moti sieur de Paris-C Herr Deibler, »Scharf richter für das französische Festland«, fühlt sich müde und will in den Ruhe stand treten. Das Alter dazu hat er, denn er ist 1823 geboren und ,,a1beitet« in seinem Fache seit 1858. Damals wurde er zum Gehäler ernannt, rückte 1863 zum Scharfrichter von Rennels vor und wurde nach dem Kriege, als für ganz Frankreich nur noch ein Scharfrich ter beibehalten wurde, Adlatus des da maligen ,.Monsieur de Paris-« Hendei rich und dann bei dessen Nachfolger Noch. Deibler war mit der Tochter des Scharfrichters von Algier verheirathet und Vater von zwei Kindern, die er zärtlich liebte. Der Tod seiner Tochter hat seinen Lebensabend so verdüstert, daß er sich zum Rücktritte von seinem Amte einschloß. Sein Nachfolger dürfte Berge fein, der Schwiegersohn Roch’s, der schon der Anwartschaftan den Po sten sicher zn sein wähnte, als Roch starb, aber vor Deibler zurücktreten mußte. Dieser Letztere hat während seiner Laufbahn di-. Hinrichtung von 218 Verbrechern zu leiten gehabt, öfter eine zwiefache, ein einziges Mal eine vier fache: die der vier Matrosen, welche im Jahre 1864 ans offener See den Kapi tän des »FoederiS-Arca« und mehrere ihrer Kamerden tödteten, um sich der Ladung zu bemächtigen. Sein Vorgän ger Roch hatte 1713 Hinrichtungen vor genommen nnd ein halbes Jahrhundert als Lehrling, Gehiilfe und Meister --— sein Vater war Scharfrichter des De partementSLozerr. sein Onkel der desDes partements Ardeche gewesen --— seines Amtes gewaltet So schön nnd feier lich, wie Henderich der vor ihm kam, arbeitete er aber nicht, obwohl er aus Familienüberliefernng eine stolze Vor stellung vonderWichtigieit eines ,,Execu teur des hautesz oeuvres« hatte. Hen derich, ein Mann mit glattrasirtem Ninu, operirte im Frack mit weißer Halobindennd nach jeder Hinrichtung begab er sichzsuerst nach der Kirche, we er eine Seelenmesfe für den Todten lesen ließ und dann in ’S Bad Jn Alabama ist der Preis der Baumwolle gegenwärtig so niedrig, daß die Farmer darüber in Verzweiflung gerathen. Als neulich der Farmer S. Halt aus dem Couuty Cosfee erfuhr, daß die Baumwollpreise noch immer im Fal len begriffen fein, verbrannte er seine Baumwolle und nahm sich das Leben. .John Williams aus Limestone warf seine Baumwolle in den Eli Rieey weil er sie für den ihn- gebotenen niedrigen Preis nicht verlaufen wellte.