Die Tochter » l de s · Landpfarrers. Novelle von Clarisfa Lohde. ( ErfiesKapiteL . Auf der Curpromenade zu Eins brü- « tete die Junisonne so heiß nnd brennend, daß die wenigen Knrgäste, die nach Be endigung des Nachmittagzkonzertesz noch in der Umgebung des BadesJ verbliebent waren, mit hastigen Schritten die Ko-I lonnaden oder schattigen hinteren Var-l thien der Anlagen aufsuchten. Zu denI lehteren zählte auch ein alter gebückt ge- Z header Herr mit freundlichen, wohlwol- I lenden, aber nngencein leidenden Zii 1 gen, den ein junge-J blühendes Mädchens Un kaum zwanzig Jahren voll rühren-J sp, i Sorge nnd Zärtlichkeit stiitzte nnd: .hrte. 1 »Laß uns jetzt ein wenig rnhen,(-«tiret-H chen,« sagte der alte Herr und setzte sich,i mit einem Aufathmen der Erleichte rung nach seiner Uhr blickend, auf eine von Bäumen beschattete Bank. »Die vorgeschriebene Zeit der Promenade wäre, Gott sei Dank, iibertvnnden.« Dabei fuhr er iich wiederholt mit dem Taschentuche iiber die erhitzte Stirn, was die Tochter nicht ohne Besorgniß bemerkte. -" »Du brauchst Dich nicht zu beunruhk gen, Gretchen,« fuhr er mit erzwunges nein Lächeln fort. »Mir geht es durch aus nicht schlechter als gewöhnlich· Auch tröstet der Arzt sa, daß die wohl-v thätige Wirkung des Brunnens-sich erst eigen werde, wenn wir wieder daheim in dem trauten Pfarrhause unseres Dörf chens weilen.« Margarethe seufzte leise »Wenn Du dort nur in aller Ruhe der Nachkur leben könntest, dann hoffte ich das auch· Aber gleich wieder in’s Amt, das ist wirklich zu viel siir Deine Kräfte. Du solltest Dir zum Mintesten einen . ilfsprediger nehmen, wenn Du Dich s on nicht zum Emeritiren ent schließen kannst.« - - Jetzt seufzte auch der Pfarrer. «Wv denkst Du hin, Gretchen? Ja, wenn der Fritz nicht wäre-, der "a schon mit der ihm ausgesehten Lieutenantszus « lage niemals aitgloninit—- « Dabei schaute der alte Herr· so recht sorgenvoll und bekümmert oor sich nie der. »Es wäre besser gewesen, er wäre niemals Offizier geworden,« bemerlte Margarethe traurig ,,Wieviel Sorge wäre Tir erspart geblieben, Papa!« »Gott ich denn nicht schwer genug meine Zustimmung ? Aber die gute Va ronin und unser Majoratizherr Baron Kurt waren so lebhaste Fiirsprerher sur seine Wunsches ,,Pst!« machte jetzt Margarethe lei - ser, »dort sehe ich die Baronin gerade die Proncenade herunterlommen. llnd nun fort mit den trüben Gedanken, lies ber Papa,« fügte sie mit freundlich bit tendein Tone hinzu. »Wc"ihrend der. Kur darf man sich keine Sorgen machen« wenn sie gut bekommen soll.« ; Dabei streichelte sie zärtlich des alten Herrn .«and, nnd ging dann mit sreuntligem Grusze der trotz der Hitze hastigen Schrittes nahekitommeuden euts j gegen. " »Gute Nachricht, liebes Kind, gutes Nachricht!« niekte die Baroniu dqu lichen Mädchen heiter zu und fuhr dumm sich neben dem Pfarrer niedersetzendJ hastig fartx »Für heut’ Abend will ichj Ihr Gretchen mir erbitte11.- Das Kindi wollte doch so gerne vor der Abreise noch Majestät einmal recht nahe sehen,-F und da trifft es sich gerade,das; der hohe Herr heute die Theatervorstellungz besucht. Erich hat natürlich sogleichi Billete besorgt und zwar in nächster-F Nähe der kaiserlichen Platze« l« Gretchen erröthete vor Vergnügen« dann aber fiel ihr Blick aus den Bau-H detihr verändert und ausfallend bleichs vorkam. ! »Wie gütig, Frau Baronin«, ent-; gagnete sie lzögernd, »aber ich möchte den Vater doch nicht gerne so lange als; lein lassen.« »Um meinetwillen, Kind, mache Dir keine Sorgen,« wars seht der Pfarreri ein. »Ich habe heute noch mehrere Briese zu schreiben, nnd da ist mir das Illleinsein ganzrechth A H Gretchen blickte noch innner zweifeltth aber die Baronin driickte zustintmend des Pfarrers Hand nnds sagte schon wieder it« Davotteilett: »Ich must noch einen Besuch bei deri kranien Grnsin Bei-drin nmchtth ent i schnldigen Sie daher nnine Eile, lieber? err Pfarrer Aber besten Tant, daszs ie mir das Gretchen mitlassui, Euch würde ja anch ganz nngliieilich sein, wenn seine nicht ohne Miihe besorgte-n Billite unbenüyt blieben Piintlich tttn siebens Uhr bin ich mit meinem Wagen vor th rer Thüre!« I Damit war sie schon fort, und Gret chen stand mit. purpurnen glühenden; Wangen nnd gesenkten Livern vor deth Vater, der sie ernst betrachtete. j »Der Herr Gras erweist Dir in sehrs viel Ansmerisatnkeiten, Grete,« sagte er; dann mit einent Klang geheimer Sorge-F in der Stimme »Ich hosse doch, Tit nimmst sie so aus, wie sie gemeint sitth nämlich als die vorübergehende Galanj terie einee vornehmen. errn « » Noch tieser senkte ich das liebliche-; Hanpl des Mädchens, aber sie erwiderte-« M i »Sei darüber ganz ruhig, lieber nga, ich weiß, was mich von dem vor nehm-in Grasen nnd Standesherrn « M« Am xsttate nichts weht-. sendet-n erhob sich, um, den Heimweg einzutreten. Als sie indessen kaum einige Schritte gegangen waren, blieb er plötzlich sie hen und faßte, nach Athem ringend, mit der Hand nach dem Herz en Gretchen erschrak heftig. ,,Um’s Himmel-z willen, Papa, was ist Dir?« Er winkte abloehrend. »Ruhig, Kind, ruhig; eine Beklem mung wie so ost, es geht schon vorüber.« Damit setzte er seinen Weg sort, und sie passitten die eiserne Brücke wie ge wöhnlich, um nach ihrer ienseit des Flusses dem Kurhause gegenüber gele genen Wohnung zu gelangen. Dieselbe befand sich im Parterre eines schmalen Hauses nach dem kleinen Hausgärichen zu gelegen; aber eine Anzahl hochstitm miger Rosen, gerade jetzt mit einer üp pigen Vliithensiille bedeckt, nickten in das lauschige Stiibchen und sandten ihre sü ßen Düfte-zu dem imLehnstnhl amFenster bequem ruhenden Greise. Doch nicht wie sonst ließ, er sein Auge voll stiller Freude iiber das» Gewirr von Blumen und Blättern schweifen, sondern folgte voll innerer Unruhe den. Bewegung der Tochter-, die den Hut im Nebenzimmer abgelegt hatte und nun in ihrer stillen, geschäftigen Weise fur den Vater den Theetisch bereitete. Jetzt erst wurde die ganze liebliche Anmuth ihrer Er scheinung sichtbar. Das in einen ein fachen griechischen Knoten am Hinter lon geschlun ene aschblonde Haar von seltener Weichheit und Fülle krönte ein holdes, feingesormtes Antlitz, ans dem ein Paar klare blaue Augen voll Geist nnd Seelenadel lenchteten .Margarethe Körber war seit Jahren die Freundin und einzige Gesellschafte rin ihres durch den Tod einer heiß ge liebten Gattin tief gebeugten Vaters ge wesen, hatte ebenso seine Studien wie seine vielen amtlichen undhäuslichen Sorgen getheilt, und das hatte sie ge reist, hatte sie demselben zum größten Schatze werden lassen, den er mit der Angst eines Mannes hütete, der die Ge fahren lennt, welche gerade einer so hoch angelegten und reinen Natur in der Welt droben Und gerade jetzt siirchtete er eine na hende Gefahr« Jn ahnendem Geiste sah er neben der Gestalt seines Lieblings eine andere emportauchen, die eines in der Blüthe der Jahre stehenden Man nes, schön und stattlich vonErscheinnng, wie sie, dochin den dunklen Augen ein flackernd leidenschaftliches Leuchten, in den edel geferinten Zügen etwa-I Miidesz, Uebersattigtesz als hatten die von einein wohlgepslegten Schnurrbart beschatteten Lippen bereits alle Luft des Leben-Z bis zur Neige gekostet. Ein tiefer Seufzer hob dess- alten Mannes Brust, das; die Geschäftige er schreckt sich nach ihm uinlehrte. »Was hast Du, lieber Papa!« Er winkte sie zu sich herau. »Sei ganz offen gegen mich, Gretchen Du tvechselst die Farbe, so oft der Name des Grafen Waldsee erwähnt wird, ge stehe, dasz er Deinem Herzen näher steht, alg ich ahnte-« Margarethe eilte auf den Vater zu, sie unisaßte ihn stiiruiisch und preßte ihr heißes Antlitz an seine Wange »Und wenn ich ihn liebte Papa, sei versichert, daß ich dieser Liebe zu entsa sagen, sie zu überwinden wissen werde Deine Tochter wird stets sich Deiner würdig erweisen·« ,,Daran zweifle ich nie, weine liebe, hochherzige Margarethe. Aber gesetzt den Fall, der hochgeborene Gras, der unabhängig und reich, stete- gewohnt ist, seinen Latinen nnd Neigungen Folge zu leisten, böte Dir niit seinem Herzen auch feine Hand ?« »O das wird, dasz kann nie gesche heu,·« flüsterte sie abwehrend, und doch ging esJ wie ein sonniger Glanz iiber ihre Züge. »Mein armes, thenres Blind!« rief der Vater heftig und preßte sie an sich. »Du liebst ihn und Du wiirdest die Seine werden, wenn er Dich begehrte, und dennoch, dennoch wurde dieser Mann, so vielen Glanz er auch um Dich zu breiten vermöchte, daiz Unglück Tei nee Lebens werden. Ich warne Dich, Margarethe. Gehört er doch, wenn ich mich nicht sehr täusche, zu jenen Faust naturen, die von Begierde zu Genuß und von Genuß zu Begierde schweifen, die unaufhörlich dein Glücke nachjagen, ohne es jezu erlangen oder auch nnr die Fähigkeit zu besitzen, es, wenn erlangt, sestzuhalten.« Margarethe löste sich aus den Armen des Vaters, ihre Lippen zitterten vor innerer Erregung· »Du bist hart, lieber Vater, in Dei nem Urtheil, und wie ich glaube, unge recht « Der alte Pfarrer senkte betrübt das Haupt. »Es ist vergeblich, den Thoren und Verliebte-n zu predigen, sie hören nicht und wollen nicht hören· So möge Gott Dich behiilen, wenn ich es nicht mehr kann.« « Nun stürzte sie answeinend ihm zu Füßen und bedeckte seine Hände mit Müssen. »Vater, glaube mir, vertraust mir doch. . Jch will Dich ja nicht betriihen.« »Das weisi ich, mein Liebling,« suchte er sie nun voll Milde zn beruhigt-ins »So lasz nnd davon abbrechen, undi sollte die Frage ernsthaft an Dich he rantreten, nun dann will ich Deinem rei nen Herzen vertrauen. Es wird Dich schon den rechten Weg führen l« Damit küßte er sie auf die Stirn, nnd mahnte sie nnn selbst heiteren Auges da ran, sich bereit zu machen, die Baronin werbe leich da sein eMiyntm daran klopfte auch Wdtk Diener der Dante an die sThüre und· meldete, daß die Gnädige vorgesahren sei. Gretchen, ungemein holdselig in ihrem Rosakleide, ein ein faches Strohhiitcheu »auf dem üppigen Haar, sprang eilsertig an ihre Seite. Sosort donnerte die von kräftigen Brau nen gezogene Equipage davon. Trotz des bevorstehenden Vergniigens fühlte sich das junge Mädchen doch et was beklommen War es die vorher gehende Unterhaltung mit dem Vater, welche daran die Schuld trug trug, oder das bange Ahnen nahenden Unheils? Als sie sich noch einmal umwaudte, glaubte sie den Briefträger it: die Thüre ihres Hause-Z gehen zu sehen- Das be unruhigte sie noch mehr. Wenn nur nicht ein böser Zufall wollte, daß gerade ein Brief ihre-s leichtsinnigen Bruders mit von ihm zu erwartendeu unange nehmen Nachrichten in die Hände des Vaters kam. War es ihr doch bisher gelungen, während der Brunnenzeit ihm dieselben fern zu halten. Der Gedanke an diese Möglichkeit ver folgte sie förmlich und sie wurde erst davon frei, als Gras Erich Waldiee ihr vor der Thüre des Kurhauseiz die Hand reichte, um sie aur dem Wagen zu heben i Seine Nähe wirkte wie immer auch jetzt völlig bezaubernd aus sie Er hatte ein Etwas an sich, das die Frauen stets zu fesseln weiß. Seiner Taute, der Baro niu v. Werthheim den Arm gebend, um sie zu ihrem Platze zu führen, wußte er es doch durch Blick und Miene dem Jun gen Mädchen deutlich zu machen, daß er nur ihretwegen hier sei, nur für sie dieses Vergnügen bereitet habe. Und als sie sich niedergesetzt hatte, suchte seine behandschuhte Rechte ihre auf der Lehne des Sessels ruhende Hand zu berühren. Gliihende Röthe schoß in Margarethe’s Wangen und hastig zog sie die Hand zurück· Aber die innere Unruhe, die sie bei des Grafen leidenschaftlicher An näherung empfunden, verließ sie nicht mehr. Auch dieser zeigte nur eine sehr getheiite Aufmerksamkeit für die Vor-« ste ttg und sein Blick suchte mehr seine hol e Nachbarin als die Bühne Sobald der erste Einalter vorüber war und die Musik wieder einsetzte, strütnte ein Theil der Zuschauer in den Nebensaal, da die Hitze unerträglich ge worden war. Auch Margarethc er fhob sich Sie hätte am liebsten, wenn sie nicht dte Baronin zu beleidigen ge: !fiirchtet, sofort dass Theater wieder ver lassen. : ,’Gehett -ie ttur ntto schöpfen Sie ein Hvenig Luft « winkte die Varottin der ! Zögernden freundlich zu »Ich bin die IFBeattetue und bleibe hier, aber Erich wird Sie begleiten.« Ter Gras verneigte sich vor Gretchen nnd bot ihr seinen Arm. Ohne auf fällig zu werden, durfte sie diese Artig leit ttichtzuriickweiseu Alter die Hand, die sie auf- Eritis-Z Arm legte, zitterte, merklich. Tiluiangts schritten Beide wortlosz in dent Schwarm dahin. Dann aber fühlte sie ihre Hände sanft gedrückt und eine in tiefster Erregung liebende Stimme fliisterte ihren Namen. Ein Schauer der Angst nnd Wonne zttgleich itberrieselte sie. Jhr vor Scham ergliihendess Antlitz senkte sich zur Erde. »Ist esZ wahr?« fliister es weiter neben ihr, »daß Sie so bald schon Ente- verlassen wollen, daß ich Sie nach wenigen Tagen nicht mehr sehen isoll. J« ! »Ja, « entgegnete sie ernst, »wir ntüs lseu scheiden, Herr Gras. ’«« ; »Scheiden«« stieß er hervor «Nim ;tttertnehr—-lebe ich doch nur noch tn Jh frer Rahel-« ! Ihr Herz bebte bei dieser leidenschaft liche Sprache: voll sttttnmer Bitte ischattte sie zu ihm empor, und als sein IBlict in ihr klarests Auge tauchte, da zog Jste ss wie ein Freuderschei in über seine iZüge Was er in diesen Augen las, das war Isa, wac- er so heiß ersehnte, das war Ltt be wenn auch vielleicht erst eine un bewußte Liebe, gegen welche der jung fräuliche Stolz noch mit dem Attsgebot aller il rast sich zu wehren suchte. Aber dao gerade entziickte ihn, entflantmte nttr noch ntehr seine Leidenschaft fiit das rei zettde ilind. »Meine Flönigitt!« sliisterte er zärt lich. Sie aber war plötzlich todtenbleich geworden, ein attgstvolles Zittern ging durch ihren Körper. Sie hatte ihren Namen rufen höre,tt und nun erblickte sie itt der Eingange. hüte das schrecken-Z voll zu ihr hittüberfchauende Antlitz ei nes der Mädchen aust« ihrem Logirhause. .Mit dem llagenden Aufschrei »Mein Vater !« löste sie ihrett Arm ans dent des G: asen und eilte auf die Unglücke botin zu. »Was ist geschehen?« ,,.ltotnmeu Sie rasch nach Hause-, Fräulein,« egtgegnete dast Mädchen mit mitleidig bewegtcr Stimme-, »der Herr Pfarrer « Margarethe ließ sie nicht zu Ende sprechen, sie wußte, sie ahnte Alleg. »ELn Wage-ih« liebte sie. Da war der Gras schon neben ihr. sllr Alle-Z sorgenv, und wenige Sekuuden daraus saß sie an seiner Seite, während der Wagen mit sausender Eile sie davon trug. Mit jamniernder Miene empfing sie die Wirthin vor der Thüre des .Haitses, doch Margarethe hörte sie laum. Wie eine furchtbare Eisenlaft wälzte ee sieh ihr aus die Brust; sie slog zu Thüre-, nnd trat in das erleuchtete Zimmer-. Es war leer. Doch gleich daeauf er schien eine dunkle Männergestalt in der Thür des Selilafgeinaches. Sie ersann te den Arzt. Ein Blick in sein ernstes, erschütterndes Antlitz sagte ihe Alles. »Todtl« schrie sie aus, »mein Vater ist todt l« Der Arzt er risf schweigend ihre Jud, drückte te sanft imd Werte .:s s-. p- ewwqa pos- s. Assistent an dem Lager deg Geschiede nen ’stand.« , »Er hat einen raschen, schmerzlosen Tod gehabt, der ihn vor slängerem Lei den bewahrte,« suchte der Arzt sie über die Plötzlichkeit des Geschehenen zu trö-; sten. »Seine Lebenszeit wäre auf alle Fälle nur noch kurz bemessen gerne-i sen,’möge Ihnen das eine Beruhigung’ sein .« · Margaretha sank aus dem Lager des Vaters nieder, seine kalte Hände mit ihren Thränen und Küssen bedeckend. »Und ich war sern,« klagte sie unaus shörlich von Neuem, ,,er schied, ohne niich zu segnen, ohne daß die Liebe sei-s sites Kindes ihm die letzten Dienste erss sweisen konnte!« i Die Aerzte hatten sich in’s Neben-T zinimer zurückgezogen, wo auch der Graf» igeblieben war, der sich in leisen Wor-» sten von dem iiberraschenden Vorfall be srichten ließ. »Eiue heftige Ausregung,« meinte der Doktor, »scheiut Schuld daran. Die Wirthin sprach von einem Briefe, den der Pfarrer von dem Briefträger in Empfang genommen habe. Kaum eine Viertelstunde daraus sei die Glocke in seinem Zimmer so heftig gezogen wor den, dasz sie mit dem Mädchen in aller Eile zu ihm gestürzt wäre. Da habe man ihn schon bald besinuungslos ne ben seinem Schreibtische auf dem Boden ausgestreckt gesunden. Als ich, sofort herbeigeholt hier eintrat, fand ich ihn schon in seinem Bette. Doch so kopslos hatte das plötzliche Unglück die Leute ge macht, daß ich daran erinnern mußte, nach der Tochter zu schicken. Sonst weilte dieselbe wahrscheinlich noch ah nungslos im Theater.« Der Gras blickte eine Weile sinnend vor sich nieder. Dann sagte er: »Sie sprachen von einem Briefe? Ich möchte verhindern, daß eine Jndiscretion begangen wird.« »Ganz gewiß !« unterbrach ihn der Arzt, »das war auch mein erster Ge danke, sobald ich die Mittheilnng erhielt. Deshalb schloß ich auch sogleich die auf dem Schreibtische offen liegenden Pa piere in denselben ein « «Wollen Sie mir den Schlüssel anver trau?« sagte Erich »Ich möchte das Fräulein jetzt vor neuen Ausregungen behüten « Derl Ar rzt zögerte einen Moment. »Der Herr Gras stehen der Waise sehr nahe-Po ,,So nahe als ein Mann einem Mäd chen stehen kann, das er liebt und zu der Seinigen zu machen gedenkt-« Schweige-nd mit tiefer Verneigung überreichte der Arzt den von ihm in Verwahrung geuontmeuen Schlüssel. Erich war nun selbst etwas betroffen, daß er sich dem Arzt gegenüber so ent schieden als den zukünftigen Gemahl der verwaisten Psarrerstochter bezeichnet hatte, während er doch bisher, allein von seinem Gefühl fiir das reizende Mädchen hingerissen, an so ernste Zion-— seauenzen noch nicht gedacht hatte. Und doch, wie konnte es denn anders sein? Er liebte sie mit all· dem Verlangen der ftiirmischen Leidenschaft, der Widerstand eutgegeii,zii sehen er wenig gewohnt war. Was auch seine Familie, was die Welt dagegen sagen mochte, was fragte er darnach ? Er wollte gliicklich sein und er wiirde es sein im Besitie dieser holden Unschuld. Aus diesen ihn dursluthenden Gedan ken risz ihn die Ankunft der Baronin, die von dem Ungliick gehört hatte und nun herbeieilte, die Verwaiste zu trösten, sie mit sich zu nehmen aus der Nähe des Todten in ihr schiihendes Heim. Nach kurzer llnterredung mit dem Nef seu, der die Besorguug der nothwendi gen Formalitaten iibernahm, trat sie in das Sterbezimmer, wo sie Marga rethe noch an der Seite des Geschiede neu knieend fand. Mit sanfter Zart lichleit nahm sie die gänzlich ;3erscl)iiiet terte iu ihre Arme, und diese folgte, nachdem sie noch einmal zum Abschied de-: geliebten Vaters kalte Stirn geküßt, der liebreich sie fortzieheuden mütterli ctnsu Freundin. Zweite-Z Si upitel. Tie Leiche des- Pfarrers wurde nach ieiuem Heimatliifidorfe an der Lstiee ge bracht. Die Barvuim auf deren jetzt von ihrem einzigen Sohne betvirthfchaf teten Familie-name Vuckviv der Ver storvene dreißig Jahre das Pfarranit verwaltet hatte, lies; esJ siih nicht neh men, Margaretlie auf der traurigeu Heimreise zu degleiteu. nnd auch Graf Erich hatte gebeten, sich ihr anschließen zu dürfen. Die Baroniu hatte gern eingetvilligt, da ihr der männliche Schutz auf der ziemlich langen Eiseuvalmfahrt ermiinseht tvar und sie nicht ahnte, daß jlneu Neffen andere alr- freundschaftliche Gefühle zu dem Jsungen Pfarrerskinde lnnzogen, da ihr dasz ganz außer aller Eriviiguug lag. Der stolze und reiche Graf Waldersee, der Sohn einer noch ftolzereu Mutter, einer geborenen Prin zefsin Ebersteiu, konnte offenbar eine Psarrerstvchter niemals zu seiner Gat tiu wählen. Ter jungen Leute häufiger Verkehr däuchte ihr desshalb ein unge-; sahrlicher, um so mehr, als sie Gretcheux litirber fiir ein sehr verständiges uudi ioohlerzogenes Mädchen hielt, die von ihrem Vater gelernt hatte, sich streng iu ihren Grenzen zu halten. Es war ein sonniger heiterer Früh lingsiag, als der Verstorbene von Mit-I gliedern seiner Gemeinde zum Kirchhofe von Vuckow getragen wurde. Und hei ter war auch die Nuhestätte der Todten des kleinen Dorfes. Auf einer Anhöhe liegend,- von schattigen Linden umfaßt, gewährte sie freien Ausblick über Schloß und Bart bis zum blaue-den Meer, des sen sanft-L Wellen-ansehen die Rede des Geistlichen begleitete, die derselbe. dem verstorbenen Amtgbruder und Schwager hielt. Die beiden Kinder des Verstor benen standen an der Seite ihrer Tante, der Gattin des Pastors Frobinius, ei ner mildblickenden Matrone; Marga rethe tief ergriffen, aber doch voller Fassung, neben ihr der von der Garni son vor wenigen Stunden erst einge troffene Bruder Fritz, das Sorgen- und Schmerzenskind des hingeschiedenen Va ters-, ein schlanker, stattlicher Offizier Auch die Baronin mit ihrem Sohne Kurt und dem Grafen Erich waren an weseudk die Baronin wahrhaft ergriffen; denn sie verlor in dein Verstorbenen ei nen wahren und gepriiften Freund. Sie hatte noch Thräuen in den Augen, als sie ihrem Sohne im Wagen bei der Heimfahrt gegentibersaß, der durch Schweigen ihren Schmerz ehrte. Erich feinerseit hatte abgelehnt, einen Platz im Wagen anzunehmen, er wollte zu Fuß nach dem Schlosse zurückkehren Den Weg durch den Park einschla: gend, gelangte er bald zu seinem Lieb lingsplatze einer Rundbank unter-einer Buche, von der aus man von einer Seite durch einen Ausschlag die See, von der andern Schlon und Dorf er blickte. Die Sonne neigte sich zum Un tergang und färbte die am Horizonte über dem tiefblauen Meere schwebenden Wollen mit goldigem Scheine. Jn Ge danken versunken haftete sein Blick an dem sinkenden Gestirn; er bemerkte nicht, wie Schritte sich nahten und fuhr überrascht empor, als er unu in Baron Kurt’s ein wenig spöttisches Ant litz blickte· »Wahrhaftig, die Mama hatte Recht, Vetter Erich schwelgt in Kindheitserin »neruugen. Sage, Bester, wie· Du es anfängst, daran noch Genuß zu finden! »Für mich hat die Natur jede Sprache »verloren, seitdem ich darauf angewiesen bin, als Landjunker meine Scholle zu bebauen. Ach, Erich, weißt Du, ich be neide heute den Fritz, als ich ihn so in Uniform dahinschreiteu sah, wenn auchs fein Aussehen kläglich genug war Wies anders war’»J als wir Beide noch alss schmucke Gardedragoner unsere Pferdei tummelten.« i »Alles hat seine Zeit,« entgegnetes Erich, »das war einmal. Jetzt würde esf uns nicht mehr genügen !« f ,,Nichtgenügen? Nicht genügen, wenni das ganze Leben Lust, Freude und Genuß » ist? Was begehrst Du denn eigentlich ;mehr?« — i » «Gliick,« entgegnete Erich lakoiiifch.i »Nun, Freude und tsienufz sind dochl Glück!« · »Für mich nicht! Doch dass ist An s sichtssache, ssinkt, las; uns darüber nicht sstreiten nnd lieber zur Taute zurückkeh »reu, die heute der Gesellschaft bedürer swird Sie war sehr ergriffen.« s »Ja,« sagte sinkt, während Beide den sRiickweg nach dem Schlosse einschlugen, s«die gute Mama ist etwas sentimeutalsp i Freilich, der alte Pfarrer war ein präch-! «tiger, ehrenwerther Mann; aber meins -.Oimmel, sterben miisfen wir Alle, undj ;fiir die beiden Kinder werden wir schont sorgen. Der Fritz-, das habe ich mits sMama und mit Pfarrer Frobininss ifchon besprochen, erhält nun von un9’ Idie Zulage, nnd die Grete nimmt diei »Ma1na als Gesellschafterin zu sich. Sie Jist ein gutes-, hübsches Mädchen, und da» IMama es an der nöthigen Ausstattungi nicht fehlen lassen wird, findet sich wohls Hauch bald ein Mann fiir sie. Vielleichts macht es sich mit dem Nachfolger ihress .Vater—3.« ; »Ich bitte Dich,« unterbrach ihn jetzts Erich und legte seine Hand fest auf den Arm seines Vetters-, »kii1nmere Dich nicht weiter um Margarethe. Für sie sorge ich.« i Baron slnrt fah den Grafen verdutzt au. »Du? Wie kommst Du dazn?« »Ganz einfach! Jch liebe Margarethe und werde sie heirathen!« Baron Wirt blieb wie angewurzelt auf dem Flecke stehen. Dann lachte er ian anf. ,,Wahrhaftig, Erich, ich hätte nicht ge glaubt, dass Du heute zum Scherzt-u aufgelegt seiest! Tu, der elegante Höf ling, der Liebling der Damen in der hohen Aristokratie, Du, der Lebemanu im ansgedehntesten Sinne des Worte-« nud Gretchen Mörder! Beim Himmel, das ist koiuisch!« Jn deg- Grafen Antlich schoß das Blut, auf seiner Stirn stand eine diiftere Wolke. ,,Bezähnie Deine Laune Kurt! Jch scherze nicht und Du weißt, was ich will, das führe ich auch aus.« i i i t i » i Baron siurt verstunnnte Er kanntei Ericth Eigensinn genug, um zu wissen, das; er aneh bei Verfolgung einer Grille —----und siir solche hielt er dessen Liebe zu nein Pfarrerszkinde seinen Willen durznsetzen un Stande sei. Würde aher die Sache wirklich ernst, so wiirde des Vetters harter liops schon ans Hinder nisse genug stoßen, die ihn ihn zur Be sinnung brachten. Deshalb war es am besten, jeht zu schweigen-» . Zu gleicher Zeit fand iin Pfarrhanse eine ernste Familienberatlntng statt. Der Oheiin der verwaisten Geschwister sprach getvicl)«ige nnd nnd theilnelnneni de Worte zu denselben. Gretchen bot er ini Einverständnisz ntit seiner Gattin sein Hans als kiinstigees Heini an,«dem jungen Lieutennnt alter suchte er den ganzen Ernst seiner veränderten Lage klar zu machen. Zwar habe seine gü tige Gönner-im die Baronin, ihm zuge sagt, ihm seiner die nöthige Zulage zu geben, mitdem früheren leichtsertigen Gelt-ausgeben nnd Schuldenmachen müsse es aber unbedingt ein Ende halten« Fritz entgegnete kleinlaut und mit einem fragend-n Seitenblick aus Margarete-, daß ersieh alle Mühe geben werde, mit dem ihm Ausgesetzten auszutoinmem wie? das wisse er freilich noch nicht. Der Pastor machte eine unwillige Be wegung, aber er mochte heute am B erdigungstage des Vaters dem Sohne weiter keine harten Worte sagen. und so nahm er mit seiner Frau von den Ge schwistern Abschied mit dem Verspre chen, am andern Tage wieder zu kom men, um iiber die Ordnung des Nach lasses zu sprechen. Noch hatte Margarethe kaum einige Worte mit dem Bruder gewechselt, doch jetzt, sobald sie allein waren, umfaßte derselbe sie und sagte herzlich: »Ich habe Dir noch zu danken Grete!« Sie sah ihn überrascht an. ,,Wofiir ?« »Nun, fiir das Geld. das gerade noch zu rechter Zeit kam, mich vor dem Aca szersten zu retten.« Jetzt fuhr Margarethe empor, ihre Augen öffneten sich schreckhaft. »Wie, Fritz, Du hättest—--'« »An den VaIer um Geld geschrieben, ja! Wie konnte ich denn anders. da mir mir das Messer an der Kehle saß?« Fortsetzung folgt Edvystone. Diesen Namen führt eine Felsenkruppe am Eingangedes Hafens von Plhmouth. Die dortige Meeresgegend ist besäet mit gefährlichen Klippen, die meist nur zur Zeit der Ebbe über das Wasser her vorragen; ja selbst die Stelle, auf wel cher der Thurm sich befindet, wird wäh rend der Fluth davon bedeckt. Viele Schiffe scheiterten hier alljährlich ange sichts des Hafens, so daß man sich end lich eutschloß, den Versuch zu wagen, einen Leuchtthurm mitten im Schäumen und Zischen der brandenden Wogen aus zubauen. « Winstanleh übernahm das Werk und stellte binnen vier Jahren einen Bau aus Holz und Eisen her,"der so fest war,«daß er allen Stürmen zu trotzen schien. Der Baumeister sollte inzwischen bald erfahren, daß die Ele mente doch um so Vieles mächtiger wa ren als sein Werk. Drei Jahres nach Vollendung des- Baues begab er sichzur Voriiahuie einer Reparatur nach dem Leuchtthurin Da erhob sich während seiner Abwesenheit ein Sturm, »der die Rückfalirt verhinderte-. Die ganze Nrcht raste ein Orkan, nie man sich eines ähnlichen seit langer Zeit nicht erinner te. Am anderen Morgen ragte aus- den Flutlieu nur noch der nackte Felsen her vor. Verschwunden war das ganze Gebäude und Alle, die darin gewesen. Mit welcher Gewalt die Wellen ange prallt, zeigte der Umstand, daß die vier Zoll starken Eisenstangen, die zur Be festigung des Ganges im Felsengrunde eingelassen waren, sammt und sonders dicht über dein Boden abgebrochen waren. Während der drei Jahre des Besteh ens dec- Leuchtthurms war kein Schiff bruch in der Umgegend vorgekommen; nun wiederholten sich solche Unglücks sälle von Neuem. Aberinals baute man daher einen noch stärkeren Thurm, aber wieder nur aus Holz und Eisen. Dieser trotzte den Stürmen 48 Jahre lang, ward dann aber eines Tages gänzlich durch Feuer zerstört. Schon im folgenden Jahre wurde der berühmte Baumeister Smeaton mit ,der Ausfüh rung eines neuen steinernen Thurmes beauftragt. Erließ die mächtigsten Blöcke, die auszutreiben waren, zunächst aus dem Lande behauen, und zwar in der Art, daß jeder mit dem anliegenden durch Zapsen verbunden wurde, wodurch die ses Gebäude eine solche Festigkeit er langte, als wäre esZ aus- einem Stücke geformt Es bildet einen runden Thurm von ZU Fuß Höhe, der erst an Umfang abnimmt nnd gegen die Spitze sich wieder erweitert. Die Wellen bre chen namlich bei starken Stürmen gegen den Felsen und Thurm so heftig, daß sie an demselben biss- zur Spitze empor schlagen. Durch diese auszgeschweiste Biegung werden nun die aufsteigenden Wellen oben adgelenkt und stürzen gaibenförmig zurück. Die tm Fusz hohe Laterne wird so vom Wasser nicht einmal benetzt. Aus der Galerie, welche diese Laterne nmgiebt, wagt in solch einem Augenblick Niemand zu stehen; doch in derselben, nur durch die dicken Spiegelglaetscheiben von dem Alle-Z verschlingenden Element getre nut, verrichten die Wärter ruhig ihre Arbeit, Glaser und Lampen im Stande haltend. Tervon Smeaton erbaute Thurm stand fast 120 Jahre, als er doch all mählich bausallig zu werden begann. Nun nahm man den Bau eines neuen Lenchtthurms nach dem Muster des alten, jedoch mit den Verbesserungen der neueren Bautunst in Angriff. Dieser neue Lenchtthnrm von Eddystone mag vielleicht den Stürmen mehrerer Jahr hunderte trotzen, ehe auch er wieder ei nem neuen Bauwerk Platz zu machen hat. Uebertrievener Berufsei fe r.---Vernngliickter: »Oui«-! Rettung! Hiler« Reportm »Wie heißen Sie-? Was sind Zie? Wo wohnen Sie?« Verungliickter (gibt schnell Antwort) . »Aber so retten Sie mich do.ch.!« « Reportm »Ich werde Jhncu gleich Hilfe schicken. Jetzt muß ich nach der Reduktion, damit der Fall noch in die Zeitung kommt.« Jn New York ist »Priuz von Mi chael«, welcher Helen, die Tochter von Jay Gould, mit seinen Liebseeanträgen - gen verfolgte, als wahnsinnig jerflårt » worden. « - « s.