Grand Island Anzeiger. (Grand Island, Nebraska) 1889-1893, January 01, 1892, Image 3
WildcTriebe.l I Novelle von Anton v. Pekfall ! »Und i will a gar net leugnen,« er widerte Loieh ,,i denk net dran. Gemeint hab i in meiner- jtlufregung er fahrt auf gegen mi. Was i leugn und-—Init Recht—-« er stotterte setzt etwas, ,,leugu, des ig, daß i ihn aus Daß oder «o tuae, weil mirs Marei ein gfalln ie, nausgschossen hab —- das l n i.« r wich dem sorschenden, fast spötti schen Blick des Försters aus. »Loiel,«« agte der, »wennst gscheidt bist, redft davon gar net, je mehr Du redft, desto mehr beweist Tu e.Gegentbeil von dem, was Du beweisen willst! Du kannst Di ja gar net so verstellen, aber beweisen kann man keiu Gedanken« »Alfo Sie glauben wirkli, Herr För fter-— ?« »Was i glaub oder net glaub, kann Dir gleich fein, uud das hast Du allein mit Dir auszmachen.« Loisl guckte zusammen »Ja, das hab i,« sagte er, tief Athem holend »Ich möcht Dich nur aufmerksam ma chen,« fuhr der Förster fort, »wenn Du noch was zu ordnen hast, so thue heut, morgen werdens Dir kaum Zeit dazu lassen. Du bist Auslönder, also flucht verdächtig Du thustmir leid, in mei nen Augen hast Du dem Griesberger nur das gethan, was er Dir über kurz! oder lang selber gethan hätt, darumi urtheil i net so streng; Vielleicht willst! Abschied nehmen von Jemand-a Jahr is lang-»T« »Ja, des will i,« erwiderte Loish »aber net auf a Jahr, sondern für im mer.« « ' " — »Des thät i wieder net, jetzt erst recht net,« brauste der Förster anf. »J weiß sa, wo Du Abschied nehmen willst——-des Madel ist mitschuldig an der ganzen Gschicht, wie ichs anschau, und soll die Schuld mit Dir trageu.« , Loisl wehrte energisch mit der Hand ab. »Halt, Herr Förfter, da muß i ernstlich bitten. Sie is net schuldig, ich allein bin-Y-, weils do einmal rein schauen in mein Herz, und iallein wills büßen und tragen, uud damit sie net a glaubt, wie Sie, Herr Förster, und meint, sie hätt was zum Gutmachen, net an mir, daran denkte ja gar net, sondern an dem Andern, und drüber steinungliicklich wird, deswegen geh i jetzt und nimm Abschied. Sonst wäre ja besser, so gehen, s kiim mir leichter an.«’s « V. » »s« »So is die Gschicht!« erwiderte, mit dem Kopf oerstandnisivoll nickend, der Förster. »Hm. ich hab auch schon so was gmerkt. Na, probiru kannst Das ja, aber wenn die Mdrti wirklich auf eine solche Jdee nur« is, so laßt sie nim« mer davon ali. Die Frauenzimmer sind so. ’e Opfern is a großer Reiz fiir sie, wenigstens a Zeit lang, und die Neu kam in dein Fall «;spc«it. Sie geht kein Schritt vom Grieeberger den ganzen Tag über, pflegt ihn sganz allein-, sa—-—» ja, seht bist auf der richtigen Fährteu, und s wär do ihr Unglück, s Herz laßt« sich net in den Dienst einer eingebildeten Sühne stellen o. die Weiberleitt! die Weiberleut!--- Geh, Loish armer Teufel, Dir spielend bös mit!« . Er verließ lopiicliiittelud und brnnt niend das Zimmer. hinter ihm Loisb Es war schon dunkel, die straße leer, er brauchte keine unliebsame Begegnung mebr zu fürchten. Er ging den nächsten Weg zum Unwesen de2..·Grieyk-erger« dort allein war Mater zu treffen, dies letzen Schritt von dem Krankenbetti rot . ’ ? Ein hattet Gan J Er schlicljnm den.J im Schatten der Bkstböuine riihendenj Hof, durch ein Fenster neben dem Stalls trömte Licht herauss, einen strahlendeni Kegel bildend in dein vom feuchten Bo I den sich hebenden Nebel. ««Vorsich·tigl! blickte er hinein. Es war eine Enge Stube, Pferdegefchirre hingen an der-l Wand, eine blitzende Sense an der Rück-i wand. Mit einem rothsarrirten Feder I bett bedeckt, lag der tyrieøberger schlnInJ mernd da, sein Gesicht, von "der Lampe Schein-getroffen, zeigte-eine- fieberhafte Rothe. Marei war nicht da. Er starrte regungslos in dieses jetzt anz veränderte ruhige Anlitz,"ans dem jede Härte, jeder Trotz gewichen war, als obs gar nicht mehr der Toni ware. Er fühlte, wie dicfe Veränderung auf Marei wirken müsse mit ihre-n leicht empfänglichen Sinn. Sie würde glan ben, er sei ein Anderer geworden durch das Leid, durch den Tod, der ihn schon gestreift hatte, nnd würde arn Ende kein Opfer mehr darin sehen, ihm anzugehöi ren. Und wenn er wieder gesund war, würde er wieder der wilde rohe Bursche lein, der sie unglücklich machte. Sprach das feht Alles die uneigen nützige Liebe zu dem Mädchen, die Angst, sie möchte unglücklich werden, oder die Eifersucht, der Neid, eine ganz schwache Hoffnung? Da ging die Thüre auf und Marei trat ein, mit Linnen auf Eia in einer SchlifselZ sie war bleich, dunkle Ringe lagerten um die tief liegenden Augen, das Haar war un ekiiinmt. Mit einem schweren Seufzer tellte sie die Schüssel auf den Tisch nnd trat an das Bett. Als sie den Kranken schlafend sah, ließ sie sich matt in den Sessel nebenan fallen. Ihr Auge blickte ftarr ins Leere, sie kam Loisl gerade so vor wie damali, als er sie an dem Unglückatage von der Schneid and beobachtete; vielleicht dachte sie da ran, wie glücklich sie hatte werden kön nen, nnd auch ihm kam wieder dieselbe sision wie damali, als er der Gewö gais zusah; aus dem heuhaufen lag wieder Marei nnd spielte Init einem klei s nen Kinde, es zerrte an ihren schtmirzenl dicken Zooer und wars ihr Heu in da; Gesicht, nnd das eu dustete so stark Ei ganz schwa Hossnnng!«sliisterie Lmsl voi- sieh hin. »Und wäre des a Verbrechen, muß es net so sein ?« Da pochte schon sein Finger-, ohne daf ek es wollte, an der Fensterscheibe Marei fuhr jäh aus, so sichwach da. Geräusch. gewesen war, sie hörte es do ) Er rief mit nntekdriiciter Stinu. e ihren Namen, sie zögerte einen Augen » blick, blickte auf den Kranken und eilte dann mit einer sonderbaren Hast zur Thüre hinan-J. »Was kannst von mir no wollen ?« sagte sii n·iehr in schmerzlichem als vor wurssoollem Tone. i »Abschied nehmen, sonst nix,« erwider : te gepreßt LoisL l »Du-schien- Wohin gehstdenne« Ma- s rei trat einige Schritte näher, sich mit dem einen Arm an die Hauswand leh nend, alk— bedürse sie einer Stütze. »Jnø Gefängniß« klang dumpf die Antwort »Und da hätt i Dir, eh i sort muß, no was zu sagen, Marei-—« Das Mädchen lehntesich an die Wand, barg ihr Angesicht in beide Hände und weinte heftig »J hab Dir was abzbitten.« Da blickte sie erstaunt ans· »Du mir?« l »J hab Unrecht ghabt, Dich vor dem da drinn als Mitschnldige znennen, die Verzweiflung-die Angst-allein zu sein; mit der Schuld, hat mirs raus preßt,! aber i bin all.in schuld und i will Nie mand mit hinein ziehen, am allerwenig sten Di, Marei.« . »Recht hast ghabt, Loish ganz Recht, i bin mitschuldig l« erwiderte leidens( aft. lich das Mädchen. »Da hilft Alle-Z- nir· —--und warum willst Du denn mir ein reden, daß ichs net bin ? Tragtz sich denn net leichter zu zweit so a Last? Büßt sichs net leichter zu zweit so a Schuld «.-«« - — »Des is ja, was i net t. ill, warum i kommen bin, des Böißen von Dir.« Er faßte ihre Hand und drückte sie heftig. »Du hast nix zbiiszcm weil Du nix ver brochen hast, es wird Di unglückli. ma chen zeitlebens! Tausch Di net, s Herz laßt si nix besehln, des kümmert si um nix, nni kei Schand, km kei Sünd, nur um lrie Lieb, von ders voll is und von ders nimmer laßt, net um die ganze Welt, net um die ewige Ssligkeit.« Loisl erbebte, der Sturm der Leiden schaft ließ ihn alle guten Vorsätze ver gessen, er umsaßte die Geliebte voll IsgliihendetiVerlangens-Jud preßte ihr seuchtes Anliz an seine Brust. Marei wehrte sich nicht, wie siißer Schlaf kam es ihr in seinen Armen, in dem siealles Leid der letzten Stunden vergaß. »Komm-Flieh mit mir, heut Nacht no, über die s erg, in mein Häusl im Thal!« Flüsterte trunken, sinnlos vor Wonne We «' « nrci entwand-« sich seiner Umar mu . ,,Siehst jetzt, Loisl, warum Du kommen bist? Nest um ini lWarnen vor einem nnbedachteti Schritt, vor einer Buß, die i n ir ainal gstrllt hab, sondern um ini vozli Neuem ganz verwirrt zmachein um as Verbrechen sorthetzem das wir miteinander angfnngcn haben ·dort aus derAliu :--desl)alb bist kommen, Aber i bleib fest bei meinem Vorsatz, sonst gelits alliveil mehr abwärts mit mir, wenn mir a s Herz driiber bricht. Straf muss sein sür senn Leichtsinn.« Ihr Gesicht verrietls den alten Trotz. »Und glaubst denn, daß Du ihm was Gnts thust, wennst ihn heirathst ohne Lieb ?« fragte er. »Für den Toni langts leicht, er ver-« lange net viel.- Wagf übrig bleibt da ,.drinit,«-«säczireßteJrampshast die Hand ans die Brust, ,,ghiirt mein, Niemand hat darnach zsragen.« »Mein ghiirt6, mein !« bestürmte Loigl sie don Neuem, »und kei Gieb, kei Herr gott Mir kann mirs- wieder nehmean Sie schüttelte sinstei sen Kopf. Da saßten seine Finger ihre Schultern, ei drückte seinen Mund ans ihr Ohr, als dürften selbst die Bäume vor ihm sein Geheimniß nicht vernehmen, nnd skiister te: ,,J geh und laß Dir Deinen Willen, aber i komm wieder, alle Jahr wieder nnd frag nachdem, was übrig blieben is, giad mit an Blick, wenn Dus net tanderp haben willst, nnd wenn i dann sieh, daß er no da is, niein Schatz, dann zieh i wieder weiter und will net kla gen --—« « · ' ,,Mareil Jesses, wo bist denn Marei!«-« tönte der ängstliche Ruf des erwachten Kranken aus der Stube. Loigl lachte verzweifelt aus und schlug sich mit der Faust vor die Stirn. Marei reichte ihm die Hand. Er zog sie toie im Zorn an sich nnd küßte sie. »Komm wieder und fragl« slüsterte ste, dann entwand sie sich eilig seinen Armen und floh ins Haus. ; Loisl bewegte sich nicht von der Stel le, in dem neblichten Lichthose vor dem kleinen Fenster schwankte ihr Schatten hin und her, dann zerfloß er in der Dun-« elheit, als habe die herbstliche Natur-s umher ihn in sich ausgesaugt, und in dens Blättern fiüsterte es smnbethörend: »Komm wieder und srag.« 6. »Mit zwoa gsnnde Arm hats ihn net; mögen, jetzt nimmt sie ihn, da kann mang» wieder sehn, wo man hinkönnnt mit dem» Stolz nnd der Leichtsertigkeitl s Gtoissen hats halt druckt, Lieb wird net viel dir-s bei sein. Na, vielleicht is er ihr einen-I mig lieber, jeht is ihr de Derrschast sicher.« s Das waren d;e Stichelreden, die ein halbes Jahr daraus das Grieiber ersche neuoertnählte Paar begleiteten aus den Stropnerhos Der Alte hatte seine Einwilligung zu der Heirath unter der Bedingung gege ben, daß der Griesberger fein Anwesen ver-lasse und auf den Strotznerhos ziehe, obwohl er dadurch den längst gefürchte ten Tag seiner Besiyabtretung beschleu nigte. Dieselbe kam ihm doch leichter an, als seine Einzige hinabziehen zu seh en in das verhaßte Thal auf der Sou ni«:s.x·eite, dann wäre nach seinem Tode der Ztrotznerhof, an dem er mit Leib und Seele hing, verloren gewesen. Der Toni würde ihn einfach verkaufen, und Mai-ei, an die vortheilhaftere mitth sclmftliche Bedingung des neuen, ihr an geheiratheten Anwesens gewöhnt, würde auch nicht dagegen ankämpfen. Hatte sich dagegen der Toni einmal oben ein gewöhnt, so würde er sich auch nach sei nem Tode den Abzug überlegen, und vor Allem Marei ihre alte Heimath mit all ihrem Einfluß festhalten. Toni, den das überstandene Kranken lager und der für immer steif gebliebene rechte Arm seht zahm gemacht hatte, war willig auf die gestellte Bedingung einge-. gangen. Die aufopfernde Pflege Ma reisz hatte in seiner rotfinnlichen, ge waltthätigen Natur wenigstens vorüber gehend ein zartered, innigeres Gefühl wachaerufen, er ware zu Allem bereit gewesen, um Marei zu gewinnen. Dieser hingegen schien das Opfer, das sie gebracht, von Tag zu Tag leichter zu werden. Ein ganz anderer Mann schien es zu sein, der Toni, der aus ihren Arm gestützt zum Fenster wankte, um die warmen Strahlen der Mittagssonne in sich aufzusaugen; keine Spur mehr von dem heraussordernden, verletzenden Trotze im knochigen Gesicht, das jetzt von einer krankhaften Zartheit war, nnd die blauen, sonst so kalten Augen ruhten jetzt ost voll Dankbarkeit aus ihr; dabei trng er alle Leiden und, schnierzhasten Eingrisse des Arztes mit männlicliem Muth. Sonderbar, sie mußte unwillkürlich daran denken, obsichsdie Mischnng, von der sie einst im Scherz mit Loisl ge sprechen, nicht jetzrink Toni verwirklicht habe Loisl’s Bild erblaßte immer mehr; erst als drei Monate nach der verhäng nisivollen That die Nachricht nach dem Dorfe kam, der Jäger Alois Prentner sei zu anderthalb Jahren Gefängniß verurtheilt worden, trat er wieder klar »vor sie hin nnd weckte von Neuem den Sturm in ihrem Inneren, welcher sich iallmälig gelegt. Sie dachte mit scham »vollem Erröthen seiner Worte beim Ab ischied: »sich komm wieder und srag«—— » nnd sie hatte ihre Zustimmung gegeben IWas war das siir eine neue Leichtsertig ileitt Was sollte er bei ihr mit einer sFrage wenn sie einmal das Weib Tonis twar? Wollte sie ihr leichtes Wesen auch inochin der Ehe fortsetzen, als Frau9 »Bei einem Madel nah n man es ja nicht so genau, jede machte solche Geschichten, »die Eines so die Andere so; aber asls »Mit-»in mitszte das Alles ein Ende ha ben. s »Mein Gott, der arme Narr wird selber nimmer dran denken nach die an derthalb Jahr,« tröstete sie sich. »Was sagt man nicht Alles, wenn Einems Herz bricht vor Weh. Ein Andenken dars ich ihm ja bewahren, des is nix Unrech tes, und mehr verlangt er ja auch net. « S- e betrieb mit Hast die Vorderei tnnien zur Hochzeit, als ob sie die gun stige Stimmung, in der sie sich jetzt in Bezug aus Tvni befand, benutzen wollte Er trug den Arm in der Schlinge als »sie mit ihm vor den Altartrat. Inder »Vesreiung von aller Last der- Vorwürfe, »die sie immer noch fühlte, so ost sie die »abgemagerte, lrankiiaste Gestalt Tonis betrachtete, glaubte sie denbesten Beweis izu sehen daß sie den einzig richtigen »Weg eingeschlagen « ( . Der Alte vertrug sich wider Erwarte-i gut mit seinem Sa,iviegersohne, wozu de Umstand hauptsächlich beitrug, daß T i in folge seines gelähniten Armes döllig arbeitsunfähig war nnd die Füh rung des Anwesens dem Alten und Ma rei überlassen mußte. « , . Die ersten Monate taugte ihm die un gewohnte sorgsame Pflege, das behagliche Nichtsthun und das Herumschleudern aus dem Anwesen ganz vortrefflich, aber mit seiner zunehmenden Rüstigkeit ver schwand immer mehr das Behagen nnd machte bei diesem Arbeitsmenschen einer lästigen Uebersättiguug Platz; zugleich trat wieder immer mehr seine ureigene, durch das Leiden nur zurückgehaltene Natur in ihr Recht. Schlimme Laune, die Langeweile machte sich geliend, das Bewußtsein, aus die Seite gestellt zu sein, nutzlos abgesiittert zu werden, wäh rend der Alte, der eigentlich als Aus trägler hinter den Ofen gehörte, von sriih bis spat umherhantirte. Das wurmte, erbitterte den Tom. So woll te er wenigstens durch Betrittelung der sremden Arbeit, durch thatenloses Be seblen und Herrschen seine Stellung als Herr des Hauses zeigen. Da konnte es nicht ausbleiben, daß die Reibung mit dem knorrigen Alten nicht lange auf sich warten ließ. »Wer net arbeit, soll auch net be sehln!« war sein Grundsatz, daran än derten in seinen Augen die besonderen Umstände gar nichts· Auch aus Mai-ei wirkte unwillkürlich die unthatige Stellung ihres Mannes nachtheilig, so sehr sie sich auch dagegen sträubte, sich unzählige Male sagte, das; sie im Unrecht sei, sie konnte in dem Manne, der nirgends Hand anlegen konnte und nur immer mit der Pseise im Munde wettekte und schalt, nicht den Herrn des Hofes erblicken. Jhr gesun der, von Kindheit aus gebildeter Ar beitsgeist sträubte sich dagegen, und ganz allmälig, unmerklich, wie sein zuständ tes Gist drang in ihr Herz eine gewisse Geringschätzung des zum Arbeiten un fähigen Mannes, und sie nahm infolge dieses innerlichen Vorganges in Streit fällen Partei für den Vater. Dann wies Toni, aufs Aeußerfte gereizt, auf seinen verstiimmelten Arm, und es fie len Worte, wie: »Dir hab i den zu danken !« oder: »Hätt i nur meine zwei gsunden Arm, nachher wollt ichs euch lehren !« Das ging Marei durch und durch. Hatte sie noch nicht genug gesiihn2, soll-» ten die Vorwürfe nimmer enden? Sie fühlte sich rein in dem Bewußtsein, ihr! Möglichftes gethan zu haben, und warf( dann trotzig die Stirne auf gegen diesel Kränkungen und Drohungen. Vorersti endeten solche Auftritte mit einem plötz lichen versöhnlichen Nachgeben ihrerseits, dem Toni sich auch nicht entziehen konn te.« Doch wurde ihm diese traurige Rolle immer mehr verhaßt, er ärgerte sich ordentlich, daß der Hof gedieh, ohne daß er eine Hand rührte. Konnte er denn nicht auf irgend eine Weise mithel sen? Mit dem Handel war ja auch et was zu verdienen, und dazu thats ein Arm auch. Das schien ihm ein vortreff licher Gedanke Er ließ sich wieder im Dorfe unten sehen in den Wirthshäusern bei seinen alten Kameraden und wurde mit Jubel begrüßt. Man glaubte ja schon, er ha be den Haß des Strotznerbauern gegen die Gemeinde mit dem Hof übernom men. Wie dumm er war, sich oben zu lang weilen, den Leuten tm Wege herumzu ftehen, während er hier lustige Gesell fchaft fand! Ja, wenn er was zu ver säumen gehabt hätte, aber so—-ini Ge Jgentheil, er machte Bekanntschaft mit! Iden Händlern, lernte ihre Kniffe undf iüberzeugte sich selbst, wie den Leuten das Geld nur so in die Taschen fiel ( Er fehlte jetzt auf keinem Viehmarkt, kannte jedes Stück in den Ställen der« Bauern, ihre Bedürfnisse und Näthen Sein erftesGeschäft war ein glänzendes, er verdiente hundert Mark an einem Stück Vieh, die Hälfte davon wurde al lerdings vertrunken am selben Abend mit dem geprellten Känfer, aber das machte nichts, das thut man ja nicht jedesmal s Mit gehobenein Selbstbewußtsein er zählte er daheim feinen ersten Erfolg. Der Alte war sichtlich nicht erfreut, er ärgerte sich wohl, dafz jetzt der Toni auch zns Geltung kam; auch Marei meinte, das Leben, welches mit solchem Handel verbunden sei, tange fiir ihn gewiß nicht, dem der Arzt streng alles Trinken vers boten habe wegen seiner verletzten Lunge. Doch Toni lachte dazn,er fiihlte sich jetzt wieder wohl und frei auf der Brust. Schließlich hatten der Alte und Marei auch nichts dagegen, wenigstens hatten jetzt die Tieuftleute Ruhe vor ihm, und die Arbeit Jus dem Hofe ging ruhig von statten· Toui war jetzt nur noch selten zu Hau se, er hatte sich ganz ans den Viehhandel verlegt, da wird das Wirthshausfihen und Kneipen zum Geschäft, auch einein Spielchen darf man nicht ausweichen, und wenn man einmal die Aufregung des vom Gliick und Zufall abhängigen Handels gewohnt ist, paßt es einem ganz gut. . - Es war bald nichts Ungewöhnlirhes mehr, daß er spät Nachts stark ausgetrun ken nach Hause kam. Hatte er gewon nen, so warf er protzig das Geld vor Marei hin, war bester Laune nnd voll zudringlicher Zärtlichkeit, hatte er ver loren, war er streitsiichtig, geladen mit Vorwiirfen, ein wahrer Unhold. Marei waren beide Zustände gleich verhaßt. Sie machte sich Vorwürfe, ihn durch ihre falsche Behandlungsweife auf diesen Weg gedrängt zu haben, bat ihn flehentlich, umzukehren, sie wolle ihm gerne die volle Herrschaft überlassen Doch davon wollte er jeht nichts mehr wissen. Dieses lärmende, großfpreches rifche; abwechslungsvolle Leben gefiel ihm vortrefflich. Sein einst so wohlge bildeter, muskuläser Körper schwoll ljetzt uuförmlich an in kraftloser Fülle, sein aufgedunsenes Gesicht bedeckte eine fnnreine Rothe, wie sie mäßige Schlem i merei verleiht - ) Marei erfaßte oft ein unuberwindliq cher Ekel beim Anblick ihres Mannes, und in demselben Augenblick trat stets Loisl s Bild vor ihre Seele, dann blieb sie oft eine Woche auf oer Aharnalm Aber das war erst recht der günstigste Platz für alte liebe Erinnerungen. ( Zwei Jahre waren schon vergangen, i ein halbes Jahr mußte er schon aus! dem Gefängniß entlassen sein, er wari wohl heim nach Tirol gegangen Dort würde er ein Weib nehmen nnd die Ma rei vergessen. Und das gehörte sich auch so bWar sie doch jetzt eines Anderen Wei »Jesses, wenn er köni, wie er gsagt hat, jetzt käm-- ich thiit in Boden sinken vor Scham und Schand, wenn er den Toni säh!« So dachte Mai-ei unzählige Male am stillen Abend aus der Ahorn alm vor dem plätschernden Brunnen nnd blickte hinaus, wo er immer herkam, sie zu besuchen. Und wenn ein Stein ab ging, suhr sie aus, und ein heißer Strom stieg ihr hinauf zum Herzen; dann schalt sie sich wieder eine schlechte Dirne ohne Treu und Glauben. Als Frau so was zu denken! Aber dann sah sie wie der den Toui vor iich mit seinem ausge dnnsenen sinnigen Gesicht, im Dunst der Kneipe unter seinen unsläthigen Kum panen, und sie wars sich aus ihr Stroh lager und weinte und schlnchzte, bis Ermattung ihr Schlummer brachte. Wieder fielen die Blätter, schrieen die Hirsche un Bergwald, Marei trieb ab von der Alm mit schwerem Herzen. Da oben war ihr noch leichter in der frischen freien Natur, bei ihrem lieben Vieh, aber wenn der Schnee den Strotznerhos be lagerte acht Monate lang, da fühlte sie erst recht das Alleinsein. Gerade heute waren die zwei Jahre voll, seit der Loisl Abschied genommen hatte, sie mußte immer daran denken, während sie hinter dem mit Bändern und Tannenreiö geschmücktem Vieh die Bergstraße herabschritt; und das sonore Jneinanderklingen der schweren Glocken tönte wie Grabgeläute einer gestorbenen Hoffnung Vor der Post im Dorfe machte sie Halt und nahm nach alter Sitte mit der Dirne, welche sie begleitete, einen Will koinmstrunk. Da trat ihr Mann he raus, weingeröthet, zwei Händler mit dicken goldenen Uhrketten auf den schmutzigen Westen begleiteten ihn, lar inend, lachend, ihm vertraulich auf die Schulter schlagend. Er beachtete Ma rei gar nicht, trat mit den Gefährten un ter das blöckende, um den gefüllten Brun nen versammelte Vieh und pries mit lallender Stimme die Vorzüge seines Besitzes-. Eine prächtige Kuh mit ihrem Kalb, der Liebling Mareis, stach den Händlern in die Augen. Toni freute sich, vor Marei sein Geschick zu zeigen. Ein leb hafteg Feilschen begann, die Händler schlugen sich auf die Geldgurte, machten das Vieh schlecht, boten einen jämmer lichen Preis, gaben den Handel aus, sich ausdem Absatz umdrehend, kamen nieder-, ließen Wein kommen und schüt telten sich die Hände priesen die Schlau heit Tonis, ihm sei Keiner über in dem Geschäft, bis zuletzt Toni geradeim Be griff war, in seiner lustigen Laune zuzu schlagen-- da trat Marei dazwischen, die dass ganze Treiben mit heftigem Un mnth mit angesehen hatte. »F denk, da sollt ia dabei sein, i habs das Viech großzogen, net Du. und i laß mirs net von dem nächsten besten Deiner» Kneipbrüder wegsühren. « i Toni lachte hell auf, uni seinen Aerger; zu verbergen. »No, das wär no schö- ’ ner, wenn i erst Di iini Erlaubniß fra gen müßt! Den Kopf mußt mir doch noch lassen und mit dein Arm Dich zsrie den geben ——Abgeinacht, Leut, jetzt erst recht, vierhundert Mark-—uiids Stückl ghürt euch sammt dein Kalb « Er risz die Kuh an den Hörnern her nm und führte sie den Händlerii zu, wel che ihre Stricke lösten, niii sie ihr aan legen. (Fortsetziing folgt. ) Herr Nigerl und die Influenza. Wiinir Faniiliensieiie. Das iüclische Gespenst der Krankheit, welEhes aiis grauen Nebelschwingen durch iiinsere sptadt zieht drang dieser Tage !«auch in die Behaiisnng des Herrn von Nigerl ein, iiin zunächst dessen dienstba ien Geist, dessen sonst so riegelsameSali, zii befallen. »Du, Alter,« meldete Frau Nigerl ) beim Mittagessen ihrem Eheheirn, ,,deiil’ Dir nur, unser Sali hat die Jnsliienza iiriegt Sie klagt iiber Kopfweh und a sgrausliche Huasten; schneiizn niuosi sie ’·si’ a in aner Tour. Wann uns das iMadl nur net ins Bett kommt, i wußt net, was i anfangen thät « ! ,,.(h was, « belehrte der auch in medi ziiiiscl en Angelegenheiten gerne als Au toriiät geliende Hausoater die besorgte Gattin, »es wird so arg net sein. A Sirauchen hat der Trantsch, a ganz a oidiiiäre Stranchen. Aber natürli’, l)eiitigstags, wo sogar die Dieiistbot’n vor laiiter Nobelthuerei net wissen, wo ein, wo aus, inuaß dös glei’ die Jn sliieiiza sein. Sie soll si’ über Nacht warme Köcherl aus d-«Nas’n leg’n und nioring ioi"·rd’s schon wider guat sein« Lass’ m’r’g aber ja net in’s Zimmer eina, dös gingat mir no’ ab, daß i so a Dienst-. bot’iistrauchen lriagetl So was is erb lich als wia!« Trotzdem dieses Verbot piinktlichst be-« folgt tonrde, erwachte Herr Nigerl am andern Morgen mit allen Anzeichen des lästigen Uiitvohlseiiisks, toelchem er die in der medizinischen Wissenschaft noch wenig gebranchliche Bezeichnung »Dienstbot’n strauchen« hatte. Als er das Bett trotz starker Kopfschmerzen verlassen wollte, iiberkain ihn ein nicht endentvollendes Nieseu, so daß er schließlich das Haupt in den Polstetn vergrub und mit den Beinen toiithend den Sessel neben dem dem Bette numars. So sand ihn die be sorgte Gattin und begann sosort, da sie seine Krankheitssurcht kannte, mit lin dem Zuspruch. »Na, mach’ Dir nix d’raus, Alter, hast hala bisserl a Strauchen; i wir’s schon a lriag’n, die Sali hat nnser’s Allen z’Hans g’schleppt. Das kommt davon, weil die Trampeln allatoeil alser halbnackter einkans’n geugen nnd unter’n Hansthor nachher no’ a halbe Stuud iu Zug traschen miiass’u. Soll i Dir an warmen Wein mach’n oder a Bier supp’n?« Der Patient strampelte, ohne sich zu erheben, mit den dicken Beinen eine Ge berde des Abscheu’s. Nach einer Weile verzweislungvollen Hinbrütens, setzte er sich aus und sagte dnms: »Resi. . . .Dös is ka Strauchen. . .. D ö s is die Jnsluenza. . . .dös is sie. .. toann’s mir nur net so geht, wia dem Fürschten Woronzoss . . . . . .« «Wia lummst denn aus den Für-schien Wauzoss? Wer is denn dös?« sragte Frau Nigerl etwas befremdet. »Mein Gott, mit Eng Frauenzim mernl Des lest’s halt ka Zeitung net. Der Fürscht Woronzoss in Peters burg ha« a so start kriegt die Influen za. . . .« »Ja, aber was geht denn Di’ der Fürselpt Woronzoss au? Du bist ja der Ni erl« Vielleicht krieg’n’s die Fii tengüberhaupt stärker und in Mög-; is ’s ja kalt gnua dazua.« »J« maß selber net, wauni mir g’rad’ der Fürfcht W zoss eing’fall’n is; i siech·n aber sei »-«;-,r Fruah immer vor mir. · . . an klebern alt’n Herrn mit aner Pelzhau’n, wia er mit der Jnfluenza iin Bett liegt und ansfchaut ivia in Tod sein Spion . . . .Mir scheint, i phantasir’· Resi, i g«spür’s Fiaber. . . .mein Gott« mein Gott, was mir a Rausch liaber wår’ wia a Fiaber!« «Gel)’, red’ net so daher, fürcht’ft Di, net der Sünden? Scham’ Vi’, wegfn a bisserl Strauchen bist glei’ so z’satnm teuicht. Wart, i schmier D’r die Naf’n mit Jnslich ein und gib D’r a Seuf teigerl ins G’iiack, das ziagt die ganze Krankheit aussa.« »Na ja,weg’n meiner; aber z’erscht thua in’r in Pulst iühl’n, ob i ka Fiaber net hab’· . . .i muaß alleweil no’ an den Fürschten Woronzoff mit der Pudel ’haub’n denk’n und wann i d’ Aug’n zuaniach, so is mir, alsZ thät er mir mit der Hand wink’n und auf Russiich sag’n: ,,Serwus Nigerl, ahan, hat«-Z ana a dagleugt die Jnfluenza, Sö alter Erb feind, Sö wainpeter, na warten S’ nur!«. . . . »Das lunnnt Alles von dem dummen Zeitungslesen und weil jeder Kletz’n in dö Blatteln eingsetzt wird. J waß net, von mir aus knnnt der Fürscht Pamsti die englische Krankheit kriag’n, i thät nii net derkreuzigen deßtwegen. Gib d’ d’ Hand h.r hiazt, i wir Dir den Pulst zähl’n, nachher wirst glei’ seg’n, daß D’ ka Fiaber net hast. Frau Nigerl tastet am Handgelenl herum und zählt, da sie den Puls nicht zu finden vermag, auf gut Glück recht langsam: Eins -— zwei —- drei — vier. . .. »Aber, Alte, da is ja ka Pulst net, da kunntest ja g’rad so guat mei’ klane Zehen in d’ Hand nehmen! Weiter unten geg’n d’ Finger zua. . . .naan, weiter rechts. . . .so hiazt. . · .Halt, fag’ i. . . .Jesias, hiazt is s’ wieder wegn g’rutscht! Hörst, zu aner Spitalschwe ster tangest Du net, dös steht !« »Dasür taugest Du desto besser zu ein’ Spitalbrnader,«giebt auf diese kränkende Bemerkung Frau Nigerl ein wenig ärger lich zurück. »Was? Schimpr thuast mi a no’, mi, der ia a armer, kranker Mensch bin? Ah, das sriß i gern, da siecht ma’s, was Du für an grauslichen Charakter hast. Dir wars wahrscheinli a-llesans, wann i gar san Pulst mehr hätt’. . . .« « »Aber Nigerl. . · .« »Sei stad, Du falsche Person, dö’s über-s Herz bringt, Jhr’n eigenen Mann, der de Jnflnenzo hat, wo ma’ nia wis sen kann, was für a schiaehe Wendung dö Krankheit nimmt, und wo i a hilflose iKreatur bin, an Spitalbojazza z"nen nen. . . .« »Thn.a net liiag’n, Nigerl, i hab’ Spitalbruader g’sagt, weil’s alle Krankheiten einbild·st nnd kane hast. . ·« ; »Ah freili, was denn! Dir wär’s f alsdann liaber, wann i alle Krankheiten ) rkli’ hätt’! Na, es wird ja immer fschönersl Js nur guat, daß ma’ bei so »aner G’legenheit seine Leut’ kennen jlernt Es is ka’ G’siil)l mehr in der »Welt, ka7»G’fiil)l, i sag«s ja alleweil. .. Jessas wia’s hiazt von Toletzen anfangt iu mein Kopf nnd der FürschtWoronzoff wagelt a wieder init der Pudelhaub’n . i kriag zu der Jnfluenza no’s hitzige Fiaber vor lauter Giften.« » Die gute Frau legt in ängstlicher und versöhnlicher Wortlosigkeit ihre Hand ans Nigerl’s zornrothe Stirn, bis er sich nach einigen trotzigen Bewegungen beruhigt und nach einer Weile mit versehnupfteni Schnurren einfchlnmmert. « Als er erwacht, begegnen seine Augen dein liebevollen Blicke der Frau Resi. · »Na,i«5 D’r schon besser, Du Wild ling, Du?« »Ja, ein bisserl,« haucht Nigerl mit gut gespielter Schwäche »Als-dann, so wir’ i Dir hiazt ein’ warmen Wein bringen« ,,Ml,1i1.« - Frau Nigerl wendet sich zum Gehen. Unter der Thüre vernimmt sie jedoch vom Schmerzenslagcr Nigerl’s her ihren Namen· »Willst was, Nigerl? »Ja, Resi.« . »Was denn «.-’« s »Du, Resi. . . ·tneinst net, daß mir. . a kalte r Wein vielleicht zuträglicher «wär’? Waßt, es is weg’n dem Fieber. Nur nix Hitzetides, sunst bring’ i den sFiirschten Woronzoss gar net auö’n Sinu.« »Bist a rechter Sausbruader!« »Schau, thuast mi’ schon wieder bo leidinga?. . . .« Auch eine Axt-Breite Der klei ne Fritz in Berlin kommt aus der Schule nach Hause und hat wieder einmal das Schreibhest voller Tintenflecke. Der Vater hält strenges Gericht, doch das s Söhnlein bringt eine glaubwürdige ! Vertheidigung vor. »Papa, ruft cr, »diesntal bin ich ganz unschuldig! Neben mir sitzt ein kleiner Neger aus Kamermn i Denle Dir, dem hat heute die Nase ge blutet!« Ein F ii r st ging mit einigen Kam merherreu im Schloßgarten spazieren . und stieß auf seinen Hosnarren, der eben kSatnen in neugegrabenes Land streute. IEr sragte ihn, was er da stie? »Ich iäe Narren !« antwortete er.—-»Warunt nicht lieber kluge Leute?« stagtedet Fürst. —- »Die trügt das hiesige Land nicht,« verseyte der »Schau.