Die Bloomfield Germania. (Bloomfield, Nebraska) 1???-1914, November 13, 1913, Der Sonntagsgast., Image 6

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    sz Tut- vempe Held-me
Woreske von Reinhold Ort-nann.
Von den sieben lebenden Geschwi
etn meines Vaters war Tante Betty
« einzige, die noch mit vierzig Jah-;
sen den Weg in das Paradies des»
Ehe andes nicht gefunden hatte. Aber·
slie chien nicht im mindesten daran-s
lex zu leiden, daß ihr die süßesten
aller irdischen Freuden anscheinend
·r immer ver agt bleiben sollten.
, iitperlich so wenig als seelisch. Jhre
Meine Gestalt war im verwegensten
kSinne des Wortes das, was wir un
zgeratenen Buben bei jeder anderen
talö der vergötterten Tante Betty
it »sehr settig« bezeichnet haben
Fiktion-. Und dir nnvermästliche Hei
erleit ihrer Gemüts zeugte für alles
sandere eher als für altjüngferliche
lBerbissenheit oder für einen heimli
chen Kummer über getäuschte Hoff
ungen.
Jhren zahlreichen Neffen uno Ieich
iren war sie, wie schon angedeutet,
iein Gegenstand höchster Verehrung,
iriicht so sehr um ihrer Freigehigtert
Iacs um des seltenen und unschatzba
sren Verständnisses willen, das sie sur
Oesonderheiten unseres kindlichen
Seelenlebens bewietl Wir truaen es
«ihr durchaus nicht nach, daß die herr
ilichen Geschenke, die sie jedem von
,un5 schon wochenlang vor seinem
Namens-feste oder vor iWeihnachten
zunier sarbenreicher Ausmalung aller
xihrer Schönheiten zu verheißen ersten
kte, regelmäßig einen höchst merkwür
tdigen Schrumpsungsvrozeß durchzu
irnachen hatten, ehe sie leibhaftig aus
sdem Gabentisch erschienen, daß aus
einer meterhohen Festung mit Zug
drücke, Kanonen und zahlreicher Be
satzung ein winziges Schächtelchen
billigster Bleisoldaten, aus einer in
Sammet und Seide aeileideten Puppe
rnit Schlasaugen und echten Zöpsen
ein kleiner, armseliger, splitternackter
Vadeengel Xaus Porzellan wurde.
Ueber derartige ost wiederholte Ent
tiiuschungen wußte uns Tante Bettys
bestechende Liebenswiirdigieit immer
sehr rasch hinwegzubringem Und
wenn sie dann bei einem unserer dum
men Streiche den verschwiegenen Hel
sershelser machte gleich dem allerbesten
und zuverlässigiten Kameraden —
wenn sie uns ohne jede Scheu vor
den verwesensten »Notliiaen« aus ir
gend einer schiefen Situation heraus
hals, in die wir Eltern oder Lehrer
gegenüber geraten waren —, wenn sie
uns in ihrem gemiitlichen Altjungs
sernbeirn mit den Zigarrerr traktierte,
die sie einem ihrer Brüder stibißt
«hatte. dann waren ihr nicht nur die
’eingesehrumpsten Geschenke von her
sen verziehen, sondern wir würden
auch siir unsere Tante Bettn durch
Feuer und Wasser geganaen sein. wie
nur ie ein Ritter der Minnezeit siir
die Dame seines Herzen-. L
3 Dank ihrer harmlosen LustigkeitT
zund ihres Anblick-naiven aller Boes
deit und hinteeböliiaieit abbolden
Gemiiiei. war Tanie Beiiy übrigens
bei den Aelieren in der Familie kaum
weniger beliebt als bei dem jungen
Rats-weicht Kaum je wurde eine grö
hete oder kleinere Fejilichieii began
gen, obne daß sie dazu geladen wor
den wäre Wars aber aus dieiem
oder jenem Grunde einmal unter
blieben, lo konnte man mii Sicherheit
daran rechnen. daß .sie sich angela
den einiand. Denn ihren beweglichen
Neuglein blieben auch die verstohlen
flen Vorbereitunaen nicht verborgen,
Und ihr Sinmvinäschen schien jeden
Fejibraien und jeden frisch gebackenen
IRS-N Tiber die halbe Stadt dintveq
en riechen. Um so ichmerzlicher wur
de unter ialchen Umiiiissden von uns
einaeiebworenen Verehrern der präch
tigen Tanie der iieie Groll empfun
den« der iie gleich einer unüberbriicks
baren Kluft von einem anderen hoch
aeickiiidien Mitalied der Fee-eilig von
Dniel Cäsar nämlich. trennte.
L Dniel Eiiiar war ein Verioandier
seiner Matten ein Vetter. ich weiß
aw. welchen Gradei. Was ihn uni
Hilf-en inieeessani machte, waren feine
periinlichen lxiaeniiimlicheiien nnd
der geheimnisvolle Schleier. den er
iiber lein oernanaenei Leben ju brei
ten liebte. Mit Sicherheit wujiie
man dariiber nur das er ichon ali
Jüngling in irgend ein iernei Land
auwndeei war. und bis zu ieinee
see eiliqen Jahren erioiaien unser
wieien Iiiieiledr kein Sieedeniwdrii
Oe- isiie von iied hören lassen. In
niere- OeNmiriii war er ais ein
seh lese-r und ena rer dage
Iele seinem-s m di- ese-lese M
OU g erreiaii dam. aber um
ask-cis ein Jahrzedni Stier ani
" II see are ieniib music-any
W nie und iieli nie die
i leiser Miserere criiteii
Ists einieriei Ieie aei die Wiege
sich-e i. Hian iai ids
und ieiee iei W und
we gerundet-Tei- M
M i am n e und si
WORK-e an den Reisen Kur
III- Iueen ieieee LebenewwoZie
m Inon Waise-ist« iIs
— iei einer se seie- Wie-see
«Me gar ei- niesen-easy
heiter ins sise heisses-. das
ei iise mii eine-de ist ww
QWZ Usei Minde- iani ei
Eis Uhr a- den Oe umw- des
. mit-es er ice-I iM
mirs sei-see sitz e
lvergessen hatte. Und an solchen Ta
gen wurde er von uns mit geradezu
fieberhaster Spannun erwartet.
IDenn er» verstand zu schenken, wie
sonst nie-wand in der Familie. So
pwenig er sich bei seinen spärlichen Be
suchen mit uns beschäftigte, so genau
schien er doch unsere geheimsien Wün
sche und verschwiegensten Sehnsuch
ten zu kennen. Und der Kostenpunlt
spielte bei ihrer Erfüllung sür ihn
ersichtlich gar teine Rolle.
Kein Wunder also, wenn wir Ju
gendlichen ihn im Gegensatz zu Tante
Betty, die uns trotz eines bedeutenden
Vermögens ost gar beweglich von
ihrer Armut zu erzählen wußte, sür
unermeßlich reich hielten, und wenn
wir nicht daran zweifelten, daß seine
uns so streng verschlossene Behausung
Ebelhast Schöne exotischen Ursprungs
rge.
Zwischen diesem geheimnisvouen
Onkel Cäsar und der ganz und gar
nicht geheimnisvollen Tante Betih
nun bestand eine gegenseitige Abnei
gung, die sich im Lause der Jahre
bis zu unverhohlenen Aeußerungen
von Feindseligleit verschiirste. Wir
wußten nicht, welchen Ursachen sie
entstammte, aber wir wußten, daß
Onkel Cäsar- unsere vergötterte
Freundin einmal eine »silzig« alte
,,Plappermiihle" genannt hatte, wiibi
rend sie von ihm mit Vorliebe in ei
nem noch tühneren Bilde als von ei
nem »auggetroclneten Stockfisch in.
Gummischuhen« zu sprechen Pflegte.
Wo sie nur immer konnten, gingen die
beiden einander aus dem Wege. und
zumeist war es Onkel Cäsar, der
stillschweigend das Feld räumte,
wenn Tante Betth aus der Bildsläche
erschien. Einzig an seiner ktihl ab
weisenden Haltung waren auch alle
Versuche meiner Eltern, ein freundli
cheres Verhältnis zwischen den beiden
herzustellen, gescheitert, und man
suchte sich seither in der Familie mit
ihrer Gegnerschaft als mit etwas Un
abänderltchem abzufinden.
Da geschah es, dasz mein Vater
ein hübsches, kleines Landbauö au
ßerhalb der Stadt erwarb, und daß
er Onkel Cäsar, der in letzter Zeit
iister gekränlelt hatte, einlud, ein
paar Wochen bei und zu verbringen.
Er wtirde bei der Sonderbarkeit und
ausgesprochenen Menschenscheu des
Onlels damit indessen schwerlich Er
folg gehabt haben, wenn sich nicht in
mitten des alten parkartigen Gartens,
der zu dem neuen Besitztum gehörte,
noch ein zweites, sehr altes Däuschen
befunden hätte, darin Onkel Cäsar
nach Gefallen ganz wie ein Einsiedler
hausen konnte. Dazu schien er denn
auch sest entschlossen, denn er bedang
sich brieslich aus« lediglich zu den
Mahlzeiten in unserer Mitte erschei
nen zu müssen, während er die tibrige
Zeit, namentlich die Abendstunden.
völlig ungestört einer wichtigen Arbeit
zu widmen wünsche. Natürlich wurde
ihm die Berücksichtigung solchen Ver
langens bereitwilligst zugesichert. und
wir Buben, mein jüngerer Bruder
und ich, erhielten strengen Befehl,
uns aller zudringlichen Neugier zu
enthalten.
An einem schönen Sommertage
langte Onkel Cäsar an, eingewtckett
wie zu einer Nordpolsahrt und mit
den unvermeidlichen Gummischuhen
an den Füßen. Sein Gepiicl ent
sprach nicht ganz meinen und meines
Bruders hochgespannten Erwartun
gen, denn wir hatten als sicher ange
nommen, daß er alle seine exotischen
Kostbarkeiten mitbringen werde, und
der schädige, kleine Oandlosser, der
seine gesamte Bagage ausmachte, be
kejsetg Uns darum eine sticht gekingk
Enttiiuschung. Am nächsten Tage
aber lam mit der Bahn eine große
Kiste siir den Ontel an, deren au
ßergetotibnliche Schwere unserem
Gärtner eine ganz Flut von Seufzern
und Berivilnschungen entlocktr. Und
nun stand es sitr uns felsenfest. daß
sie die aus Japan. Indien oder ähn
lichen schönen Gegenden iiammenden
Schäde Onkel Cäsars enthalte.
Die geheimnisvolle Kiste wurde in
das vom Ontei bezogene Zimmer tm
unteren Stockwerk des alten Garten
dauses geschasst und bildete von
Stund an tiie meinen Bruder Del
mutd und mich den Gegenstand einer
Jtvadrdast leidenichattttchen Wißt-raten
junser Interesse erreichte seinen öde
nuntt, ats uns das Studean n
lanvertraute es habe schon an zwei
Abenden. wither es sieh tm Garten
tause aushielt. deuttied gehört. spie
Ider datet seit dammer und Sternen
«eisen den Decel der sise össnete, am
Mßen Ist-e f ader sei sie jedesmal
tot-der sein s udeelted zugenageit ge
bete-.
Nun gab es ttte Ins teinen strei
tet need-. do dutet Usse st. set-e
etn rechter dais ssslchtitch am
Instit seiner Verruchte-es W.
lud is Abrte Mist lo. . dis in
unseren herzes der Guts-s II ist
losr. dieser Innere-wide edensaltmts
dost I werden Das einst- sensee
des »an take tragische Ums-H
der Its Hei-dessem und ein
llet-mer Mauer-erinne- dee des sa.
se- Ietdisesttj seit doe, satte We
M gesittet Its stehet in das Os»
Its-ais en fide-en- Itm pe- Geme.
aut dieses Wien-gesehen me
dem Onkel eins-It II werde-. war
z- gros. ais da sie steht dates
aus ei- usseees Wiss-nieset n«
Its Ists-. III III · « site -
Dante-dessem see h II Mr see
jenem Fenster erhob, machte es uns
nicht schwer, dies Auskunftsmittel zu
finden.
si- l- O
Der nächste Abend schon wurde siir
die Ausführung unseres Vorhabenö
bestimmt. Aber noch im letzten Aus
genblick schien ein unerwarteter Zwi
schensall sich der Verwirklichung des
schönen Planes hindernd entgegenstel
len zu wollen« Mit dem Abendzuge
war nämlich zur allgemeinen Ueber
raschung Tante Betty eingetroffen
und hatte uns durch die Antiindigung
erfreut, daß sie ein paar Tage zu blei
uen gedenke. An ihre Unterbringung
in der Villa war bei der räumlichen
IVeschkanktheit freilich nicht zu denken,
da aber im ersten Stock des Garten
hanses noch ein eingerichtetes Frem
sdenzimmer zur Verfügung siand, er
innre-. sich die Tante sofort bereit,
’dort ihr Haupt zur nächtlichen Ruhe
Izu betten. Onkel Cäsars Nachbar
lschaft, die ihr natürlich nicht ver
s
schwiegen-wurde, genierte sie nach
ihrer Versicherung nicht im mindesten.
Hund der Onkel konnte seinerseits ei
nen Einspruch nicht erheben, weil et
sich bei Tante Betthg Eintressen
schon längst in seine Einsiedelei zu
rückgezogen hatte und darum bis
sjebtztt nichts von ihrer Anwesenheit
la ll e.
Un zehn Uhr ließ sich auch die
Tante von dem Dienstmädchen in das
Gartenhaus hinübersühren· Und nun
gab es zwischen Helmuih und mir in
der Abgelegenheit unseres Schlaf
stübchens einen ausgeregten Kriegsrat
über die Frage, ob wir unser Unter
;nehmen hinauöschieben oder der ver
Idoppelten Gefahr zum Troß dennoch
ausführen sollten. Mein Bruder
shegte Bedenilichteiten, meine Neugier-«
aber war so brennend, und meine
EUeberzeuguncg daß von Tante Betty
auch im schlimmsten Falle nicht viel
zu fürchten sei, so unerschiitterlich, daß
ich mit der Autorität der Erstgeburt
diese Bedenken zum Schweigen brach
te, und daß wir uns um die elfte
Stunde gestiefelt und gespornt durch
ein Hinteriiirchen in den Garten hin
sausschlichem
s Das nahe Ziel war bald erreicht,
»und schon von weitem hatten wir zu
unserer lebhaften Befriedigung wahr
genommen, daß Onkel Cäsar sich noch
snicht zur Ruhe begeben hatte. Das
lFenster seines Zimmers war erhellt,
fund die beiden oberen Flügel standen
sogar weit offen. Der erste Stock des
Thäuzchens aber war bereits in tiefe
jDunlelheit gehüllt.
l
Bebend wie Eichhörnchen erklom
men wir den Stamm des alten Ka
Zstanienbaumes und rutschten auf ei
nem der unteren Aeste so weit vor,
bis wir bequem durch die offenen
oberen Fenster, die sich noch um ein
Stiick unter uns befanden, in das
Zimmer blicken konnten. Da wartete
unser nun freilich eine gewaltige
Ueberraschung. Wohl stand die ge
heimnisvolle Kiste offen: aber sie ent
hielt augenscheinlich weder Gold noch
Silber, sondern nur Wäsche, nichts
als weiße Wäsche. Eine An abl wei
szer Witschestiicke war auch ii er Sosa
und Stuhle verstreut. Zwischen ihnen
am Tische aber saß Onkel Cäsar, ei
nen grünen Augenschirm vor der
Stirn und tief iiber einen kleinen
Stickrahmen berabgeneigt. Was ini
diesem Rahmen eingesponnt war«
ionnte ich nicht recht erkennen. elsi
mnth aber, scharfiiugiger und weit ten-J
diger als ichs-kutschte näher an michs
heran, um mir zuzusliisternc (
»Weißt Du. was Onkel Cäsar tutii
Er stickt Buchstaben in ein Frauen
hemd.«
Ueberwiiliigi von der Ungeheuer-«
lichkeit dieser Behauptung, neigte ich
mich vor, um besser seben zu können.
Jn diesem Augenblick aber brach kra
chend der Ast, dessen Tragsäbigieit
wir in iugendlichem Leichtsinn über
schätzt hatten. Mein Bruder purzelte
mit einem kleinen Schreckensschteiaus
den Rasen hinab; ich aber klammerte
mich mit dein Jnftinti der Selbfteri
jbaltung an das Querbotz des Fen
siterkrruzes und sit-gelte mit den Ist
zßen nach dem Sims. das ilznrn einel
Stilse gewiibren sollte. Unglücklis
cherweise mußte ich dabei wohl et
was zu ungeftiim verfahren sein. denn
ein lautes Kling-ei und Klirren uns
ter mir ließ mich ahnen, dass ich die
Fensterscheibe eingestaßen butte. und
gleichzeitig tlangen mit auch schon
gleich der Posaune des Gerichts On
gib cäsaes geltende Dilsernfe an das1
k. i
Keeidebletch mit entse nsvoll aus-i
aeitreetten Armen. das tietröbmchenz
mit dem Damean in der einem
die Uiidbnadel in der anderen hand«
fand er mitten ten Zimmer. unter:
dein geil-en In schiene der-or wie
entgeisieet eu sue herüber harrend
Oss war tein Zweit-i das ei mich
brausen aus der satte-bunt neben
ind: aber seine sureMsieit hinder
te id- oisendar. sites zu erteuneer.
lind so besserte ee dabei. sich sie
ein Geist-I oder einen Iandsrsedes
u satte- und aus Leibesirstten um
lie en ruini
Uie zur Man findt-e tonnteu
diese Rut- gtMideesetse nicht sei
gen. ein smltltdes Ost aber inqu
dennoch th- dee esse veven ihnen er
kem date-. km ei to m us.
me M die Tiie des unsers assi
m und tote N eine use zu tu stseg
sit-s weise-e Ums m s- tu
Haus-time einen dieser-d seid-une
,nen Regenschirtn in der erhabenen
'9"7chten. Erst als er das Fenster fast
schon erreicht hatte, erkannte ich den
lformlosen Ballen als die vergöiterte
sTanie Bettif — Takte Bett-;- in
zNachtjacke und blütenweißem Unter
rdckchen. Jhre Geste war fürchter
lich; ihr rundes Antlitz aber strahlte
vor Heiterkeit, und· dieser tröstliche
Anblick löste den lähmenden Bann des
Schreckens, der mich so lange unbe
weglich aus meinem exponierien Platze
festgehalten hatte.
Blitzschnell rutschte ich an der
Mauer herunter; aber die gespannte
Erwartung dessen, was sich nun drin
nen zwischen den beiden Todseinden
zutragen würde, war stärker als
mein Drang, vollends zu fliehen. Auf
dem winzigen Mauervorsprung Fuß
fassend, konnte ich gerade noch
durch die zerbrochene Scheibe spähen.
Jch sah, wie Tante Betty sich gegen
den Onkel wandte, und hörte ihn
mit zitternder, schluchzender Stimme
sagen:
»Fräulein Betty, Sie sind eine
heldint Sie baben mir das Leben
gerettet. Wie soll ich Ihnen dafür
danken?« .
Natürlich erwartete ich, daß sie ihn
nun auf meine Kosten über dieGrund
losigleit seiner Befürchtungen austlii
ren würde, aber ich erhielt einen
neuen Beweis ihrer iantenhasten Gü
te, indem ich sie sagen hörte:
»Gott sei Dank, daß ich noch recht
,zeitig gekommen bin, um den fürch
terlichen Kerl in die Flucht zu schier-«
gen. Wer weiß, was passiert wäre
wenn ich nicht zusiiüig hier übernach
tet hätte. Um meinen vierzig Jahre
hindurch bewahrten guten Namen ist«
es nun freilich geschehen. Denn wenn
der Kerl erzählt. daß er mich zur
Nachtzeit im Zimmer eines unver
beirateten jungen Mannes gesehen
hat — —««
Weiter hürte ich nichts mehr, denn
in diesem Moment zog mich mein
Bruder an den Beinen von dem Mau
ervorsprung herunter und zerrte mich
als ein rechter Hasensuß mit sich
Ifort. Ungesehen gelangten wir in
unser Schlaszimmer.
Ist Ist
Jn der Frühe des nächsten Tages.
aber erhielten wir dort den Besuch
Tante Bettys, die uns voll unendli
scher Güte versprach, unverbriichliches
sStillschweigen über unsere nächtliche
HTat zu bewahren, soferne wir einz
ngeiches gelobten in bezug aus alles-;
fwas wir gesehen hatten. So hat»
sdenn in der Tat zwanzig Jahre hin-i
ldurch niemand in der Familie ersah-s
Tren, durch welche Heldentat Tantes
sBettus sensaiionelle Verlobung mit»
zOntel Cäsar zustande gekommen ists
»Und als der-alte kerr am Abend sei- I
nes siebzigsten Ge urtstages mir ansj
Ioertraute,daßer vor seiner Verheira-;
tung genötigt gewesen sei, seine dürs-’
tigen Einkünfte durch das Sticlen von »
Monogrammen für ein Wäschegeschiist
zu verbessern, ahne er nicht im Ent
ferntesten, daß er mir damit durchaus
nichts Neues erzählte.
sie Oeeseeeeeseesemua seeeein
Wir Kinder, wir träumen nur von der
e,ii
Da Gro vaiek noch in nagen ehren
Tage nnß Nächtedur durchsiLand gsfahrem
Als er die Großmania gesteii.
Und es klingt wie ein Märchen, wenn
qusvater spricht
Leise in heimlich-n Dämmerstundetn
Wie die Postiutfche gemiilzsani den weg
Durch Sonnenfiienmetcf und Mondenlichi.
Und es war zur leuchtenden Frühlings
Dad Land lag-in seiigieiienxeesuniem
lind dae Herz so heiß und vor Judel
ttu nim
Und Pferde nnd schWegen blütenvers
Und in einer iiibrien enMäkchennache
hat der Wagen ge lieu auf yoiprtgen
Sie trat-en
Und der Führer hat leie ein Lied ge
h« i i d i bleier ich
me n n te au os ver wiegene
Pracht»
Du aina ein Atmen durch Busch nnd
» Unm.
Ueber weise Miene-abe ein feiiiamcs
li,
Ein Wasser erwachte zu rismendem Le
den.
Und hoch in den Balken schwebte ein
Traum »
Und im FörneedäWm im weihen
Stand ein Rädei in brenne-Ideen Van
Len undch -:.dnen
das zitternd Ieiaa i den werdenden
sen.
lind sen-eint nnd we Oeliqieie
han« erdeei Uieid
sent-sie seiesen eii.
.Uns is denn udie..iiie ein Ren
ieniiaei ein
. .-IQ-ds s einee wen-ie- nnd
ieie Oceiime eeeensaitei eines Ine
eeeieei ieeses Wioiie. «
—- Iiseeeee en. den see
see-see O idem ens
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..dee sei us sie-time Mi.
idkxefeeeep
.«VQI U due m Iiii Ist-IF
».... Usisssnc .
ee die ieeee Des-e den en eee
i
is:
i EIN-I Ie i
iywu :2ie »Wie-W usin- i
sei Onkel Toni.
Berliner Skizze von Gertrude Holz.
Wenn die Hundstagsbitze iibet
Berlin briiiei, dann spielt sich im
»Waldpart«, in einer unserer westli
chen Billentolonien, ein heiteres, som
meroergniigliches Leben ab.
Eine Staubwolke wirbelt aus.
; Dreißig bis vierzig kleine Knaben
!und Mädchen kommen hetangesaust
und gruppieren sich um einen Mann.
IEinige Mütter trotten mit flattern
den Hutbändern langsam hinter
drein.
E »Sehn Se bloß, Jahnlen, dis
ulkige Kostim, das der anhalt!«
»Dis is ja Kloohnstcss, Reschlen,
wissen Se, wie er imma zu deMas
kenbelle in de Warenhäuser aus
lij t. «
»Wahastig! Nee, sehn Se bloß de
Köppe da druss, zum Schießen. Aba
pass’n Se us, was nu kommt!"
»Hier-herl« ertönt eine Kommt-inde
stimme. ,,Miidels links, Jungens
rechts!«
Eine kleine Glocke klingt an, die
der sonderbare Mann in der Hand
hält
»Seid ihr alle da? —— habt ihr
auch alle ein Billjett?«
»Ja!« tönt es stolz und selbstbe
wußt aus jungen Kehlen
Zwei bis drei Meter enternt steht
ein anderer Mann an einem Baum
stumpf Unter dem Arm trägt er
einen abgenutzten Pay-eindrin
,,Also, die Mädchen rennen zuerst;
immer viere aus einmal, dann vier
Jungens! Nach die Größe stellt euch
an! Wer zuerst bei dem Onkel nm
Baumstamm ist, bekommt einen
Preis!'«
»An ja, seini«
»Wir rennn zusamm’n!«
IMch drängeln Mutta, Frida
busst!«
,,Ruhe!« befiehlt der Mann mit
der Glocke· »Ich zähle bis dre! —
bei drei rennt ihr los.«
Die ersten Konkurrentinnen haben
sich ausgestellt. Bier junge Augen
paare hängen gespannt an seinem
Mund.
»Ei—ns, zw—ei!« Vier kleine
Körper rucken an.
»8weieinhalb ——« —- Ein Freu
dengehriill —- Onkel Tonh hat ’nen
Witz gemacht
»Dr—ei!«
Vier kleine Mädchen sausen über
den staubigem abgetretenen Waldbo
den zum nahen Ziel. Der Mann am
Baumstumps fängt die erste aus und
nimmt aus dem Pappkarton einen
kleinen, in rosa Papier gewiclelten
Gegenstand und händigt ihn ihr
aus.
»Jewonn’n!« —— Glückselig hopst
der kleine Blondkopf zu Muttern.
Mutter wickelt vorsichtig aus und
dekoriert stolz die Siegerirn Jch
wetse einen Blick hin. Es ist eine
kleine Brosche mit einem winzigen
Bildchen unseres Kronptinzenpaares.
Und die Preisträgerim die ihre hel-;
len Augen munter umherwandernI
läßt, ob auch alle Zeugen ihres!
Triumphes sie genügend bewundern,
sagt zutraulich und wichtig zu mir:
,,’s is echt Alpakagold — feint«
jauchzt sie auf. »Nachhe! is auchl
noch große Valosung; ich hab’ auch
’n Los. Valleicht jewinn ich da
auch!« Dann springt sie fort.
Inzwischen hat sich die Ausregungi
der wilden Schar wieder etwas ge
legt.
Das Gliickchen ertönt. —- »Eins —
zwei — drei« —- und diesmal ten
nen vier siramme Knaben durch den
Staub. '
Der Sieger läufi nachher sporn
streichs an mir vorüber-, seine Hände
haben itampfhaft das Papier um
faßt -
»Was hast du denn?"« frage ich
schnell und halte ihn an.
»Ehe —- Schlipf —- nadel!« ringt
ej sich jauchzend von feinen Lippen;
dann ital-i er weiter. »Mit ’n Ru
bin!« ruft er mir noch zurück.
»Mit ’n Rubin!« wiederhole ich
leise fiit mich; se viel Gliieifeligieii
hatte ich lange nichi gesehen
Der Weitlanf nimmt feinen Fort
gang. Drei kleine Rachziiglee iotns
wen an. von der Muiiee begleiiei.
Sie find mit grünen Papieeiniisen
nnd rofa Papierschiiepen deiorieri.
und jeder iriigi stolz eine roie Stock
iaierne in dek hand.
.Sedi’er. warum hol-Fee alles
Gelb vorher oerian!' sanli die
Matten Nu Musiker euch kein
Visieii ioefen und iriii auch leerte
Je Genief
e drei ileinen Mädchen blicken
lesniidesi u den Wiliiuieen hin.
Fa des- ei . ans-weitem Ihrin
wesen he lieh gar nicht rede sie be
mes.
·Uari’er alle drauf fragt Onkel
« ai«
. da is Ind« ia nifedi Leidens-.
wies Tat-IF iamii ein dicken
hie-.
»M- SI m mit-e seine Jst-Ia
W sei de Unless-I meinst
Isi« leis i cum Inv. g
Th. . die IRS see-es Is
Im W aui die er Verlassen-«
ais Im Idee siehe km ei sei
III Um III IMUMQ
·RVIM TM sie-se Im sinkev
Wi« z
«Kommt erst die Balosung und
dann Polloneese?« schwirrt es durch
einander.
»Was denkst du’en,« sagt eine
Kleine mit schwarzen Blitzaugen
wichtig, Wollens-se kommt immer
zuletzt«
Es ist warm draußen, sehr warm
— und der Mann in dem Pojaykw
stüm schwitzt so sehr. Ob er wirk
lich noch mit allen den kleinen Gei
stern tanzt, in diesem enganliegenden
Anzug dadrinnen, im dumpfen, hei
ßen Saal? Wenigstens hat er sich die
Erleichterung erlaubt, statt des übli
chen Filzhntes der Pojatze einen
schmalrandigen, gelblichen Strohhui
auszufegen. Der Kon ist spitz her
ausgetrieben sund endigt in einem
dicken Strohtnops. Aber natürlich
— wie immer —- die kleinen Mäd
chen setzen es durch.
, Onkel Tony zieht mit seiner Schar
Lin den Saal. Der Mann mit dem
HPappkarton muß Klavier spielen, und
: das Tanzen geht ganz slott, Mädchen
;zusammen, Knaben zusammen, dann
lMädchen und Knaben untereinander.
»Und nachher kommt der Glanzpunktk
» Onkel Tko tanzt der Reihe nach mit
ijedem seiner kleinen Gäste. Der Ju
bel ist unbeschreiblich. Dem Manne
stehen die hellen Schweißperlen auf
der Stirn — er kann sie nicht abwi
schen. d- Wehe den Bildern dann,
die sein Gesicht schmücken. Jch habe
noch nicht herausbekommen können,
ob die Köpfe, mit denen set sich Wan
gen nnd Kinn bemalt hat, Indiana
häuptlinge —- oder exotische Käfer
vorstellen sollen.
»Aha jetzt is Schkllß- Kinda,« sagt
Onlel Tonh energisch. Der Mann
am Klavier hat aufgehört zu spie
len.
»Seht mußte dich erst vapnsten,«
sagt er zu dein Kindersreund, »sieh
bloß, wie de schwitzt!« -
Aber die unermüdlichen Kinder
bedrängen ihren Onkel Tonn.
»Was nu?«
»Kommt jetzt Kaspatheata?«
»Js jetzt Balosung?«
- »Jetzt is Pause,« sagt der Mann
mit dem Papptarton. »Na jeht man
L’nen"biszchen bei Muttan — fahrt
iikarussell oder jeht mal würfeln —
«sOntel Tony muß sich erst ma’ vapu
ten.«
Folgsam ziehen die Kleinen ab.
Nur wenige, besonders avhiingliche,
gehen hinter Onkel Tko her nach
der kleinen Bude, in der is —- Weiß
bier gibt!
»Eine Große« bekommt Onkel
Tony eingeschenki. Dann setzen sich
die beiden an einen Tisch. Der
Mann mit dem Pappkarton bietet
ihm eine Zigarre an.
»Jetzt mach’n wa 'ne halbe Stunde
Pause —- .’ch wa? Ja! —- ’ne halbe
mitssn wa hab’n —- dann mach’n wa
noch ma’ Kaspatheata —- dann val
leicht Toppschlagen —- dann Bolo
sung und denn Polloneese -— un
denn —- Schluß.«
Die Bilder auf Onkel Tonhz Ge
sicht glühen ·dunkelrot. Er tut einen
tiefen Zug aus dein großen Weiß
bierglase. — »Die tühlt schön,« sagt
er, halb zu mir, halb zu seinem Ma
nager gewendet. Dann zieht er
den meitausgeschnittenem schwarzen
Schuh von dem rotbestrumpsten Fuß
und schüttelt ihn aus. »Verslixter
Sand!« Jch blicke erstaunt auf seine
ausfallend kleinen, wohlgeformten
Füße.
»Gebt nach eure Eltern jeZLa sagt
der Preisverteiler zu den kleinen,
neugierigen Gassern. »Onkel Tony
muß ausruhen.«
»Komm doch,,F-rida!« ruft eine
ältere Schwester einem kleinen Flachs
kopf zu und niman ihn an die hand.
»Was siehste denn dadran, wie der
Mann Bier trinkt?«
»Dis is kein Mann,«« sagt die
Kleine weinerlich. »Diö is Onkel
Tony!«
Langsam schlendere ich durch den
»Waldparl«, an dem Karossell mit
dein milden. braunen Pferdchen. an
den Würfelbuden, die umlageri von
llelnen Weltbiiraern sind, die mit
sehnsüchtian Augen auf die ausge
stellien Derelichleiten blicken, gehe ich
andächtig vorüber — dein Ansgange
in.
Mein altes Berlin, dr. lebst noch.
die moderne Juba-lieu bat dich noch
nicht ganz verschlungen! «
Ueber der herrlichen Villenlolpnle
liegt link-. goldene Jullfonnr. and
aus eine-n der eleganten hör-see tät
irgendwo Das Lachen einer Gram
mopdcnploitr.
Dann lchnieiiert sie Carufoi un
versleichliedei Engel-n Ninus l
die llnre Somman
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— dem Keller-sendet Ins
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