Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 28, 1901, Image 9

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Durch die Eemäloe ?li:i'!tSii:ij zu
M. schritten am Zage ihrer (itöffnun
zwei Herren, ein älterer und ein jünge
rer. Ter Jüngere war blond und hatte
ein hübsches Gesicht, doch eine? von
jenen, die man hüung sieht, der Aeltere
hingegen zahlte zu den Menschen, nach
denen man sich unwillkürlich umblickt,
wenn man ihnen aus der Straße begcz
net. Er war tief gebräunt, fast von
südlichem GcfichiZschnitt. und seine blas.
ten, vornehmen Züge waren durch
dunkle träumerische Augen belebt.
Nachdem die beiden Herren mehrere
kleine Säle durchwandert hatten, mach
ten sie vor einem großen weiblichen
Bildnib Halt, das in einem der Haupt
säle hing, und unter dem die Worte:
"ad liu-rnoriaiu perpotuuin" (jiir
ewigen Erinnerung) standen.
Tos Bild stellte ein junges Mädchen
im weißen Brautkleids mit Myrthen
kränz und Schleier dar. DaZ noch fast
knospenhast zu nennende Geficht war
von eigenartiger Schönheit. Mandel
finnige, tief beschattete Augen von dem
satten Blau einer reifen Brombeere
schauten unter einer edel gewölbten
Stirn hervor, die kastanienbraunes
Haar umlockte. Ter Blick dieser Augen
und der Zug um die lcichtgeschmunge
nen Lippen drückte eine unendliche
Echmermuth auS. ES lag trotz des
bräutlichen Gewandes über dieser hol
den Mädchengeftalt ein leiser Hauch
nahenden Todes, der ergreifend wirkte.
Der Gegensatz verlieh dem Bilde bei
seinem künstlerischen Werth einen fast
mystischen Zauber.
DaS ist entschieden eineS der schön
ften Portraits auf der ganzen Ausftel
lung!" rief jetzt der blonde Herr, wäh
rend, sein Gefährte ein paar Schritte
zurücktrat und eS wie prüfend mit halb
geschlossenen Augen betrachtete. Ohne
Ihnen schmeicheln zu wollen. Meister,
ia) beneide Sie um diese echt künstleri
sche Auffassung! Hier reichen sich Poesie
und Malerei in vollendeter Harmonie
die Hand. DaZ Gesicht des Mädchens
gleicht einem entzückenden, tieftraurigen
Gedicht.'
.Werden Sie mir wohl glauben,
junger Freund," entgegnete darauf der
Andere." daß ich noch vor etwa fünf
zehn Jahren niemals im Stande ge
wesen märe, ein solches Bild zu malen?
Und das Wunderbarste bei der Sache
ist. daß meine damalige GemüthSver
fafsung. die mich an jeder halbwegs
vernünftigen Arbeit hinderte, gerade
eng mit diesem Bilde zusammenhängt.
Fast wäre ich an ihm zu Grunde gegan
gen Trotzdem ist eS keine Liebes
geschichte, sondern sie gehört eher in das
ammiT Dinge, von denen sich die
"SchulweisheifXnichtS träumen läßt.
Doch hat sie vorfielen derarligeit
schichten den Vorzug, wahr zu sein.
Wenn eS Sie interesfirt, will ich Ihnen
mein Erlebniß mittheilen."
Der jüngere Herr nickte lebhaft, und
dann setzten sich die beiden Künstler auf
einen in der Mitte des Saales befind
lichen Divan. gerade dem Bilde gegen
über, und der Maler desselben begann:
.Die Geschichte dieses Bildes reicht be
reits in meine frühesten Knabenjahre
zurück. Ich bin jetzt fünfzig Jahre alt.
aber ich entsinne mich noch genau, daß
ich schon als sechsjähriger Junge in
meinem Elternhause in dem kleinen
UniversitätS Städtchen G. durch eine
seltsame Erscheinung heimgesucht wurde,
von der ich Ihnen erzählen werde, und
die schon damals im Traum und Wa
chen nicht von mir weichen wollte. ES
war die Erscheinung der wunderschönen,
blassen Braut, die Sie dort vor sich
sehen, nur mit dem Unterschiede, daß
ich in jener Zeit die Augen indem lieb
reizenden Gesicht stets geschloffen er
blickte. Wann ich diese Vifion zum
ersten Male gehabt habe, erinnere ich
mich nicht mehr. Ich weiß nur, daß
ich mir bereits als Kind vergeblich den
Kopf zermarterte, ob ich der räthsclhaf
ten Mädchengeftalt in Wirklichkeit be
gegnet wäre, und daß der Frohsinn
meiner Knabenjahre durch sie sehr ge
litten hat. Gleichsam unter ihrem ge
spenftigen Bann bin ich dann zu einem
ernsten, schweigsamen Menschen heran
gewachsen. Trotzdem wagte ich damals
Niemand, selbst nicht meinen guten El
tan, mein Geheimniß zu offenbaren,
da ich die Befürchtung hegte, einfach
ausgelacht zu werden.
Mit neunzehn Jahren kam ich auf
die Maler.Akademie nach D. In an
ftrengendem Studium hoffte ich der
quälenden Vorstellung Herr zu werden.
Doch eS gelang mir nicht. Gerade wenn
ich etwas Gutes schaffen wollte, wenn
ich mich mit dem festen Borsatz, nicht
mehr an die seltsame Erscheinung zu
denken, an meine Staffelei setzte, stand
sie plötzlich mit fast greifbarer Deutlich
keit vor mir, und ich war dann jedes
Mal so erregt, daß ich Pinsel und Pa
leite weglegen mußte. Auf diese Weise
haben sich meine Jugendbilder nie über
dn Durchschnitt erheben können. Der
Grund lag darin, daß ich mich nicht
mit ganzer Kraft auf sie zu konzentriren
vermochte, da ich völlig unter dem
Banne deS Geheimnißvollen, Ungreif
daren lebte. Ein paar Mal. wenn ich
das Bild des Mädchens besonders deut
lich schaute, versuchte ich, eS auf der
Leinwand festzuhalten, in der Hoff
nung. vielleicht dann davon befreit zu
erden. Doch auch daS war verge
benS. Bei solchen Versuchen war eS
mir, als ob eS immer blaffer und
PJ5
Ml
Jahrgang 21.
blaffer wurde, di-
j'.:!etz:
nichts
zerstog.
So vergingen Jahre, ohne Laß eine
Aenderung in meinem Zustand eintrat.
Ich war inzwischen von Tag zu Tag
melancholischer und unfähiger zur Arbeit
geworden. Endlich, als ich auch jene
Turchfchnitlsbilder nicht mehr malen
tonnte, begab ich mich zu einem be
rühmten Arzte, dem ich die schwere Te
Pression meines KcmütheS ohne Rück
ficht offenbarte. Er schob Alles auf eine
hochgradige nervöse Ueberreiztheit und
rieth mir, zunächst unbedingt daS Ma
len aufzugeben, und so schnell wie mög
lich auf Reisen zu gehen.
DaS that ich denn auch, und diese
Reise war meine Rettung, ch durch
streifte zu Fuß den schönen, poetischen
Schwarzwald, übernachtete auf Heu
böden und in einsamen Torfschenken
und mied geflissentlich die Strecken,
welche die Eisenbahn befuhr. Aber trotz
des herrlichen Wanderlebens, das ich
führte, krankte meine Seele noch immer
an jener unheimlichen Vifion. In der
düstersten Stimmung kam ich schließlich
in dem kleinen badischen Städtchen E.
an. ohne beim Hineinwandern durch
das eigenthümliche Thor zu ahnen, daß
ich gerade hier meine Erlösung finden
sollte.
Am Abend meiner Ankunft begab ich
mich in daS einzige bessere Wirthshaus
am Marktplatz, um mich durch ein Glas
Wein und einen kleinen Imbiß zu stär
ken. Ich hatte vielleicht kaum eine
Viertelstunde in dem niedrigen, verräu
cherten Gastzimmer gesessen, als ein
Herr eintrat, der eine riesige Dogge bei
sich führte. Mochte nun meine dama
lige Jammergestalt den Hund zu einem
Angriffe auf mich reizen, oder was
sonst der Grund war, kurz und gut,
das mächtige Thier riß sich plötzlich von
der Leine los, an der sein Herr es sest
hielt, und stürzte sich noch ehe er es hin
dern konnte, mit solcher Gewalt auf
mich, daß ich, schwach und nervös, wie
ich war, bei dem unerwarteten Angriff
sofort daS Bewußtsein verlor.
Als ich wieder aufmachte, mochten
Tage vergangen sein. Ich befand mich
im Bett mit verbundenem Arme in einer
mir völlig fremden Umgebung. Erst
allmählich begannen sich meine Augen
an das durch die, herabgelassenen Vor
hänge entstanden? H?lhdunkel zu ge
wöhnen. Ich sah m'a dem freund
lich, aber altmodisch moblirten Zimmer
um, an dessen helltapezirten Wänden
verschiedene kleine, verblaßte Photogra
phien unter Glas und Rahmen hingen.
Nur über meinem Bett hing ein
größeres Bild ein: Oelbild. Als auf
dieses dann mein Blick fiel, stieß ich un
willkürlich einen leisen Ruf des Erftau
nens aus.
Im selbem Augenblick öffnete sich die
Thür meines Zimmers, und eine kleine
Dame trat herein, die ebenfalls sehr
freundlich und altmodisch aussah. Sie
trug weiße Löckchen an den Schläfen
und ein dunkles, steifabstehendes Sei
denkleid, daS noch aus der Zeit der
Reifröcke stammen mochte. Besorgt trat
sie an mein Bett.
Wünschen Sie etwas, mein Herr,
und geht eS Ihnen jetzt besser?" fragte
sie mit einer lieben, ungemein wohl
thuenden Stimme. Sie find nämlich
recht krank gewesen! Gottlob erklärte
der Arzt heute, daß jede Gefahr vorüber
fei." fügte sie im Tone aufrichtiger
Freude hinzu.
Ich starrte indeß noch immer mit
weitgeöffneten Augen das Bild über
meinem Bette an. Fast kam es mir
vor, als wäre ich verzaubert, so seltsam
schien mir Alles
Würden Sie wohl die Güte haben,
die Vorhänge zu öffnen." sagte ich statt
jeder Antwort, denn nur ein Gedanke
beherrschte mich zunächst: Gewißheit
über das Bild zu erlangen! Die alte
Dame lief hierauf geschäftig an's Jen
fter . und schlug die buntgeblümten
KattuN'Gardinen zurück. Nun fiel der
goldene Sonnenschein aus der grünen
Welt da draußen in das kleine, trau
liche Zimmer und beleuchtete das Bild.
Meine Ahnung hatte mich nicht getäuscht.
Zug für Zug sah ich sie jetzt vor mir,
die daS Gespenst meines Lebens
gewesen war bis zur heutigen Stunde
und mich im Traum und Wachen un
ablässtg verfolgt hatte; jene Mädchen
gestalt im weißen Brautkleide mit dem
blassen, traurigen Geficht! Nur die
großen blauen Augen unter den schwär
zen geschweiften Brauen waren etwas
Fremdes für mich. Ich hatte die Er
scheinung stets mit geschlossenen Lidern
gesehen.
Und je länger ich daS nicht schlecht
gemalte Bild betrachtete, desto leichter
wurde mir zu Muthe. Es war mir in
dem Augenblick, als sei meine Seele
ein lebendes Wesen, da? bis heute un
ter einem schweren Druck gelegen hatte
und plötzlich, wie durch ein Wunder
erlöst, zum endlichen Flug die Schwin
gen regte.
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JjQ
Beilage zum Nebraska staats-Anzeigcr.
Ich verzaß di: Gegenwart der
darüber völlig, faltete unwillkürlich Sie
Hände und sagte aus tiefstem Herzen
heraus: Gott, ich danke Dir!" Das
war wohl das andächtigste Gebe! in
meinem Leben. Erst die Stimme der
kleinen Tame weckte mich aus meinein
fast schwärmerischen Zustand.
Sie fragte mich voll Theilnahme, ob
mein Arm noch sehr schmerze. Als ich
dies dann verneinte in jener Stunde
seelischer Erregung fühlte ich auch that
sächlich keinen Schinerz erzählte sie
mir. daß ich von der großen Togge
eines Herrn in dem Restaurant des
Italieners Berino am Marktplatz in
den Arm gebiffen worden, und daß die
Wunde sehr tief gewesen sei, so daß ich
viel Blut verloren hätte. Zwei Tage
hätte ich wohl infolge der narkotischen
Mittel, die man mir wegen meiner
Verletzung gegeben hatte, ununierbro
chen geschlummert. Nun aber wäre
nach dem Ausspruch des Arztes, der
mein heutiges Erwachen bereits voraus
gesagt, jede Gefahr vorüber. Ta ich
den Leuten im Städtchen ganz fremd
gewesen sei, habe man mich in's Pfarr
haus gebracht. Sie wäre die Frau des
Pastors. Ihr Mann würde später auch
kommen.
Ich dankte jetzt meiner liedenswürdi
gen Pflegerin herzlich für alle mir
erwiesene Freundlichkeit und nannte
dann ebenfalls meinen Namen. Da
nach lenkten sich meine Gedanken von
Neuem auf das Bild, und trotz der
durch den starken Blutverluft verursach
ten körperlichen Mattigkeit verlangte es
mich, hierüber sogleich Nähere? zu er
fahren.
Meine Frage, wer jene schöne, im
Brautschmuck gemalte Dame über mei
nein Bette sei, schien die Frau Pastor
begreiflich zu finden, da ich ja selbst
Maler war, doch meinte sie: Das
Original können Sie wohl unmöglich
gekannt haben, mein Herr! Sie war
eine Verwandte meines Mannes und
starb als Braut. Kurz vor ihrem
Ende, als sie schon den Todeskeim in
sich trug, ließ sie sich noch malen. Nach
dem Tode ihrer Eltern kam ihr Por
trait dann in unseren Besitz."
.Und wo starb sie?"
In G " Sie nannte den Namen
meiner Heimathstadt.
In welchem Jahre?"
1346. Weil sie so wunderschön
aussah, hat man sie damals als Leiche
im Brautkleide ausgestellt. Mein
Mann, der zu ihrer Beerdigung hinge
reist war, erzählte mir, daß er niemals
eine lieblichere Todte erblickt hätte.
Zwischen Blumen gebettet, habe sie
dem Schneewittchen im Märchen ge
glichen, das nur in seinem gläsernen
Sarge schlummert, um eines Tages
wieder zu neuem Leben zu erwachen."
Bei der Rede der kleinen Dame fiel
eS mir wie Schuppen von den Augen;
ich sah plötzlich das ganze Räthsel mei
neS Daseins gelöst vor mir. G. war
meine Heimathstadt. 1846 war ich
gerade drei Jahre alt. ES wurde mir
zur unumstößlichen Gewißheit, daß
auch ich jene Todte gesehen, deren Bild
im Pfarrhaus über meinem Bett hing.
Wahrscheinlich hatte mich meine Wärte
rin. die wie alle Leute aus dem Volk
derartige Schaustellungen geliebt haben
mochte, damals obne Wissen meiner
Eltern mitgenommen, um die schöne
junge Braut im Sarge zu betrachten.
Der Anblick dieser zwischen Blumen
ruhenden Leiche, der ohne Zweifel
neben dem Schauerlichen, was dem
Tode stets anhaftet, nicht ohne poeti
schen Zauber war, hatte sich meinem
empfänglichen Kindes-Gemüth unaus
löschlich eingeprägt, freilich ohne daß
sich eine bestimmte Erinnerung an das
Wo und Wann damit verknüpfte. Und
hauptsächlich aus dem letzten Grunde
war er zur Qual meines späteren
Lebens geworden. Jetzt aber, da ich
den Zusammenhang erfuhr und gleich
zeitig das wirkliche Bild jener Dame
sah, wich die qualvolle Vision von mir,
um nie wieder zurückzukehren.
Durch einen wunderbaren Zufall,
den Biß der wilden Dogge, war ich in
das alte Pfarrhaus gekommen und
nun von einer Vorstellung erlöst, die
sonst vielleicht noch die Gesundheit
meines Geistes einmal hätte zerstören
können.
Die Tage, die ich dann noch bei den
guten alten Leuten in dem stillen, von
Frieden umwodenen Pfarrhaus deS
kleinen SchwarzwaldftüdtchenS verlebte,
waren so schön, daß ich eS förmlich be
dauerte, als ich von meiner Verwun
dung endgiltig hergestellt war und
Abschied von meinen liebenswürdigen
Wirthen nehmen mußte, denen ich' in
doppelter Beziehung meine Genesung
verdankte. Eine Kopie deS Bildes
nahm ich mit. Und seltsam: erst von
dieser Zeit an konnte ich mich eigen!
lich mit Berechtigung Künstler nennen.
Meine Bilder gewannen Kraft und
Leben. Vorher hatte ich nur mit der
mm)
emalt. Jetzt malte ich auch mit
dem Herzen.
Die Kopie lag lange, lange ti;;t
andere:; Skizzen begraben, ohne daß
ich daran dachte, sie zu benutzen. Fünf
zehn Jahre später, als die ganze Epi
sode immer mehr in meinem Gedächt
niß zurückgetreten war ich hatte in
zwischen zel'eirathet und einen eigenen
Hausstand begründet, fiel sie mir
plötzlich wieder in die Hände. Ich be
schloß jetzt, sie zu einem großen Bilde
zu benutzen. Und diese Arbeit, der
Erinnerung meiner Jugendjahre g?
widmet, ist mir über eigenes Erwarten
gelungen."
Mährend der Erzählung de? Malers
hatte sein Zuhörer zu wiederholten
Malen eine Ansammlung des Publi
kums vor der Schöpfung seines Freun
des wahrgenommen. Rufe der Be
wunderung und schmeichelhafter Aner
kennung für den Künstler waren häufig
laut geworden. Als dieser nun geendet
hatte, wies der jüngere Herr mit be
zeichnender Geberde auf da Gemälde,
vor dem gerade wieder mehrere Leute
standen. Sehen Sie, das Bild hat sein
damalige? Unrecht heute gut gemacht."
sagte er scherzend, indem eS Ihnen zum
Ruhm verhilft. Sie sind doch ein glück
licher Mensch."
In diesem Augenblick siel der letzte
purpurrothe Adendstrahl durch die riesi
gen Fenster deZ AuZftellungZ-SaalZ und
verklärte das Bild der jungen Braut zu
fast Überirdischer Schönheit. Und mit
einem dankbar glücklichen Aufleuchten
in seinen dunklen Träumeraugen schaute
der Maler zu seiner Schöpfung hin
über.
Merkwürdig,: Antipathie !
HumonSke v. G. F o u r r i e ..
ES giebt merkwürdige Antipathien,
und selbst berühmte Männer haben oft
einen, allem Anschein nach unbegründe
ten Widerwillen gegen eine einfache
Sache nicht überwinden können. So
erzählte PliniuZ, daß von jeher zwischen
dem Wolf und dem Schaf Antipathie
exiftirt habe; dasselbe ergriffe die
Flucht, sowie eS ersteren nur von wei
tem.fah.
Tycho Brahe zitterten die Knie beim
Anblick eines Hafens oder Fuchses.
Scalinger bebte am ganzen Körper,
wenn er Kreffe sah.
EraSmus bekam Fieber, sobald er den
Geruch von Fischen merkte.
Die Fliegen haben eine Antipathie
gegen den Essig, lieben aber Honig.
Der Oberzoll Revisor Brido hatte
eine unüberwindliche Abneigung gegen
Alkohol in jeder Form: als Cognac,
Jamaika-Rum. Kirschwasser u. s. w.
Und doch hatte er früher nicht nein"
gesagt, wenn eS sich um ein Gläschen
Liqueur gehandelt hatte!
Brido war in Lyon am Bahnhof an
gestellt und ein Spaßvogel, der immer
bereit war, irgend einen Witz zu machen;
Labet war er aber ein sehr tüchtiger Be
amter und sehr auf dem Posten. Es
war nicht leicht, ihm ein Schnippchen
zu schlagen. Mit wahren Luxaugen
musterte er die Reisenden, durchwühlte
ihre Koffer rücksichtslos, und wenn er
merkte, daß ein Reifender recht eilig
war, dann machte es ihm besonderes
Vergnügen, jedes Gepäck bis auf den
Grund umzukehren. Wenn der Zug
in die Halle eingefahren war, rief er
die Reisenden, besonders die Damen,
in strengem Ton an. Eine hübsche
junge Frau, die bei ihm vorbeipassirte,
hatte einen ganz kleinen Pompadour
am Arm.
Was haben Sie in demselben?"
Nichts. Herr Steuer-Kontrolleur."
Keinen Hasen, meine Gnädige?"
Oh! In dem kleinen Beutel?"
Gut, pasfiren Sie!"
Er ließ die Marktleute die Körbe
öffnen, und wenn die Eier zerbrachen
oder die Aepfel durch die Halle rollten,
so machte ihm das nichts aus.
Eines Morgens kam mit dem Expreß
von Marseille ein Herr, der außer fei
nem Koffer noch eine ziemlich große
Zinkkiste mit sich hatte.
Nichts zu deklariren?" fragte Brido.
. Absolut nichts," sagte der Reisende,
in meinem Koffer ist nur Wäsche, und
die Kiste laffe ich hier, ich werde sie mor
gen holen."
.Pasfiren!" .... sagte Brido und
machte einen Kreidestrich auf den
Koffer.
Als alle Passanten fort waren, sah
sich Brido mit den beiden anderen Zoll
beamten die Kiste neugierig an, die kam
ihm doch sehr verdächtig vor.
Eine so lange und schmale Kiste, das
war doch höchst merkwürdig.
Er klopfte gegen die Wandung, ein
dumpfer Ton war vernehmbar, allem
Anschein nach war sie voll.
Zwei Beamte singen an. die Kiste zu
schütteln, man hörte den Inhalt gegen
die Wandung glucksen.
Ro. 41 .
Die enthält Flüssigkeit." sagte
nöo.
Tas ist doch verdächtig," meinte:',
die Zollbeamten im tlhor.
Wasser wird es nicht sein," bemerkte
Brido wieder.
Gewiß nicht! Sie sind auf der rich
tigen Jährte. Brido."
1M Gepäckstück kommt au? Mar
seille," fing der Spaßvogel an: Viel
leicht ist Salzwasser darin."
..Oder schon mchr gebranntes Salz
wasscr!"
Tie Beamten lachten.
, Tas wollen wir doch untersuchen."
sagte Brido.
Mit einem Bohrer machte einer der
Männer eine kleine Oeffnung in den
Teckel der Kiste; durch da runde, kleine
Loch führte er eine Sonde ein.
Er roch daran.
Es ist Alkohol." sagte er mit B:
ftimmtheit.
Brido roch auch.
Und guter Alkohol, das dachte
ich mir! Na, mein Jungchen, wenn Du
Alkohol durchschmuggeln willst, dann
hast Du dabei nicht an Brido ge
dacht!"
Einer von Euch muß Gläser holen. "
fügte er hinzu, wir wollen das Eor
pus delicti" einmal Probiren."
Der Vorschlag fand großen Beifall.
Ein Beamter lief in die Bahnhofs
Restauration und kam mit Liqueur
gläsern zurück; Brido forderte die Män
ner auf heranzukommen und füllte die
Gläser.
Jeder roch als Kenner an dem seinen
und leerte es auf einem Zug.
Es ist guter Alkohol." wieder
holte Brido, er hat mindestens 30
Prozent."
Einer der Anwesenden meinte: Ein
ganz kleiner Beigeschmack ist aber "
Ja. ein Beigeschmack von trink
noch einmal!" sagte Brido schlau, na,
noch eins für Jeden."
Die Gläser wurden von neuem ge
füllt, man trank auf das Wohl des
Reisenden.
Brido als guter Familienvater füllte
eine Flasche, um Frau und Kinder
auch kosten zu laffen.
Am nächsten Tage kam der Reifende
auf'S Zollamt, und Brido war natür
lich dort. Er hatte schon nach ihm aus
aespüht.
,.WaS ist in der Kiste?" fragte er.
Nichts, was steuerpflichtig wäre."
Kein Wildpret?" fragte der Be
amte.
Wildpret? Ach. Du meine Güte!
Ich möchte das nicht als Wildpret auf
den Tisch gebracht bekommen! Eine
Riesen Boa-Conftrictor" ist es, die
für das Museum bestimmt ist."
Na, die Fabel von der Schlange
kenne ich," hohnlachte der Beamte un
gläubig: oft versucht man ja nicht, uns
das einzureden, aber eS kommt doch vor.
In der Kiste ist Alkohol. Ich stelle den
Strafantrag gegen Sie; kommen Sie
mit in'S Bureau."
Alkohol," sagte der Reisende, wo
her wiffen Sie das denn?"
Ich habe ihn probirt."
, Sagen Sie das nicht um zu renom
miren ?"
Wir haben davon getrunken, um
uns von dem Prozentsatz überzeugen zu
können," sagte Brido spöttisch.
Na, ich danke!" rief der Reisende,
was haben Sie da gemacht!" Und
schon war er beschäftigt, den Deckel der
Kiste zu entfernen. Gleich darauf sah
man eine große dickbäuchige Schlange
im Alkohol wie in einem Bade schwim
men.
Bei dem Anblick taumelte Brido
kreideweiß gegen die Wand und die an
deren Beamten flohen entsetzt davon.
Und so kam eS denn, daß der Zoll
beamte Brido von dem Tage ab eine
unüberwindliche Antipathie gegen Al
kohol hatte.
Friedrich Wilhelm Ml. über M
Schlacht bei uerstedt.
Von Friedrich Wilhelm dem Dritten
veröffentlicht das Dezemberheft der
Deutschen Rundschau" einen eigen
händigen Bericht über die Schlacht von
Auerftedt. Der Archivar Bailleu vom
Geh. Staatsarchiv, der feit ein paar
Jahren an einem Lebensbilde der Kö
nigin Louise schreibt, hat eine Einlei
tung dazu verfaßt, worin er auf dieses
wichtige Dokument deS Königs hinweist.
daS den Inhalt eines an die Königin
Ende Oktober 1806, also wenige Tage
nach der unglücklichen Schlacht, geriet)
tetenSchreibenS bildet. ES ist auf schlech
tem Papier geschrieben, mit sehr blas
ser Tinte, an einigen Stellen völlig
verwischt und unleserlich. Wir besitzen
so manche lebendige Darstellung der
Schlacht, die auf Grund der Handschrift
lichen Quellen aufgebaut ist. Zuletzt
hat sie noch LettomVorbeck in seiner
Geschichte des Krieges von 1806 und
1807 geschildert. Ader selbst in wich
tigen Fragen gehen die Geschichtsschrei-
T der Schlacht auseinander. ÄaZdem
Belichte großen Verth ciiebi. ist. daß er
u::ter dem erschütternden 4;nö:i:ck der
dim .'lOnig n'.cbr als die Halste seines
Reiches Listcnn blutigen Entscheidung
schrieben ist. mit so 'lci0ensch.:f!Sloser
Ruhe und Kälte, als wenn er nur ein
nndetlieiliater Zuschauer gewesen wäre.
Ader, bemerkt der Herausgeber, dies
ruhige, geschichtliche .Bericht be? ober
ften Kriegsherrn, diese Erzählung so
i'.w .-. t ? ,!,,". das ist. was
der historischen Erkenntniß frommt,
nun sehen wir in voller Klarheit, wie
alle? kam, wie Alles kommen mußte."
Tiefer eineehende Schlachtbericht des
Königs voll kühler Objektivität, der
Niemanden verletzt, sondern nr:r dein
Verfasser Rechenschaft geben will, läßt
uns einen neuen Zug im Bilde deS viel
fach verkannten und unterschätzten Herr
scher? bewundern. TaZ dem Bericht
vorausgehende Schreiben des König?
an die Königin vom 1". Oktober 1SU6
aus Sömmerda beginnt mit deii Wor
ten: Ter gestrige Tag ist einer der un
glücklichsten und traurigsten meine?
Lebens gewesen, wir haben Bataille ge
habt und zwar an drei Orten zugleich
Ein starker Nebel, der die ganze
Gegend verhüllte, begünstigt alle be
reits vorbereiteten Bewegungen deS
Feindes, den man für weit schwächer
allen Nachrichten zufolge hielt, als es
leider war " Von Blücher schreibt
er nur: er hätte sich durch die Annahme,
es nur mit drei Regimentern Ehas
seurS zu thun zu haben," verleiten las
sen, mit seiner Kavallerie zu rasch
vorzugehen, wobei gleich viel Men
schen durch Kartätschfeuer verloren gin
gen."
Am Schlüsse deZ Briefes zählt er die
Todten und Schmerverwundeten bekann
ten Namens auf und schreibt: Also
brav ist man denn doch im Ganzen,
Gottlob, gewesen. Allein nicht glück
lich." Die Relation über die Schlacht
selbst, in Küftrin zwischen dem 20. und
26. Oktober 1806 niedergeschrieben und
durch eine Karte deS Schauplatzes be
reichert, erwägt sorgfältig die Ursachen
deS Verlustes der Schlacht, deren es .
viele gab. Zunächst wußte man nichts
Gewisses von dem eigentlichen Dasein
und der Stärke deZ Feindes." dann der
undurchdringliche Nebel, der ein Hin
derniß war, ' den Irrthum zur rechten
Zeit zu entdecken, der Kommandeur.
Herzog von Braunschweig fiel, durch
beide Augen geschossen, und Niemand
war im Stande, sich des Kommandos
anzunehmen; der König leitete schließ
lich die Schlacht, aber schon mitten in
der Verwirrung; zwischen den verfchie
denen Truppentheilen war keine Ver
bindung; die Kavallerie war, worin
Blüchers Schuld lag, zu früh vorgeru
fen worden: die Infanterie war im
Richtigschießen zu wenig routinirt, viele
Generale und Stabsoffiziere zu wenig
energisch und entschlossen, mit dem
Terrain war man zu wenig bekannt,
an guten Spezialkarten fehlte es gänz
lich. Mit großer Anschaulichkeit hat
der König die Entwickelung der Schlacht
geschildert, die in seinen militärischen
Anschauungen einen Wandel herbei
führte und insofern auch für die Ent
Wickelung deZ preußischen Heerwesens
von Bedeutung ist.
Von den beide DumaS.
Ein paar Dumas-Anekdoien werden
im GauloiS" erzählt. Die Gesundheit
des Dumas pere war berühmt; er
schonte sie auch nickt im Mindesten.
Während eine Eholera-Epidemie VariS
verwüstete, trat fein Sohn eines Tages
bei ihm ein und fand ihn bei Tisch,
mehrere Melonen bebaalicb versveisend.
Der Sohn schrie, machte dem Vater
yesttge Borwürfe. Laß doch," sagte
dieser, das ist jetzt gerade die Zeit,
Melonen zu essen, sie kosten nichts."
Dumas fils war übrigens für sich selbst
weniger vorsichtig, als für seinen Vater,
dessen bewunderungswürdigen Magen
er geerbt hatte, und wenn man einmal
staunte, wie er seinen Teller mit
Radieschen oder Krabben füllte, die er
sehr gern aß. meinte er: ..Verukiaen
Sie sich. DaS bekommt mir nur
schlecht, wenn ich wenig davon esse."
Sehr hübsch ist auch ein Rath, den
DumaS seinem Sobne aab. als fi
an einem Sommerabend nach einem
drückend heißen Tage zusammen in dem
sehr kleinen Garten eines aa:n kleinen
Hauses, das damals der Dichter der
ametienoame" bewohnte, aßen:
Man erstickt ja hier, öffne doch die
Thür Deines Eßzimmers, damit in
Deinen Garten etwas Luft kommt!"
Dumas fils befand sich eines TageS
in einer Gesellschaft, in der man davon
sprach, was man zu thun Hütte, wenn
man einen Gegenstand gefunden hätte.
WaS würden Sie tbun." kaate man
wenn Sie auf der Straße ein Porte
monnaie mit 10,000 Francs aufnch
men?" Nach einer aarnen Reib Kanal,?
Antworten wandte man sich an Dumas:
und tote, Monsieur Dumas?" Oh,
ich, das ist sehr einfach. Ich würde
1000 Francs Belobnuna iemini,in
schicken, der es verloren Hai!"
Die Eifersüchtige.
Gemahlin: Ach sieb mir siVn
wie idyllisch schön ist es hier. Ist Dir
diete Vegend bekannt?"
Gemahl: O natürlich, sehr gut.
siehst Du. dort hinter den Bäumen be
findet sich ein Waldsee, besonders dort
liebte ich zu weilen!"
Gemahlin: Was? Und das sagst
Du mir so unverfroren in'S Gesicht!
Welche liebtest Du dort zuweilen?"