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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Feb. 21, 1901)
Pas Wert dcs schwarzen Frosies Ton Ngnt Cm C az- 1. DaS Kl.ippcrn der Holschtthe aus dem harten Boden und der Schall jun ger, gellender Stimmen ließ ftch in der Villen ZLiuterlust hören, als drei ju.ige Mädchen, in der malerischen Bauern tracht der Normandie. die Landstraße, die zum Torse BillerS führte, entlang kamen. .Ja.' sagte eine, die von ihren Ka meradinnen Marcelle genannt wurde. .Madame De Lcftrelle hat eine große Preisbewerbung unter allen Spitzen klöpplerinnen von weniger als achtzehn Jahren angeboten, innerhalb des Krei seS von drei Meilen. Die preisgekrönte Spitze wird unsere junge Dame an ih rem Hochzeitstage tragen." .Vier Meter, sagt.ft Du. Marcelle? Und der Preis soll 5000 Franken sein! 68 wird ein Vermögen sür eine von unS fein. Hier aber kommt Badette. daS dumme Mäuschen." .Guten Abend. Babette," rief Mar. celle. .Weshalb so lustig? Du siehst aus. als ab Tu den großen Preis schon gewonnen Hüttest." DaS kleine, braune Mädchen, da fast tanzend über den Marktplatz kam. nickte sanft, indem es sagte: .Ich glaube, ihn fast ,u haben. Mir ist ein solches Glück paffirt! .Erzähle unS doch'.' riefen die Mäd chen. .Nun. ich lief eben zur alten Mutter Croche. um ihr von MadameS reizendem Anerbieten zu erzählen. Sie freute sich so und rief sogleich: Mein Kind, jetzt ist die Zeit gekommen, wo ich Dir das Vermüchtnih Deiner guten Mutter ge den muß, und, zu ihrer lkifte hum pelnd. nahm sie ein Muster, auf Per gament sorgsam durchstochen, heraus. O. es ist schöner, als ich je einS gesehen habe, und eS ist von meiner eigenen Mutter gezeichnet. Aber leider starb sie cjfiade, als sie eS angefangen hatte, lief; aber daS Muster bei Mutter Sroche. daß sie eS mir gäbe, sobald ich geschickt ge nug sei. um ihr große? Werk auszusüb. ren. Ich bin sicher, nichts Schöneres wird gezeichnet werden." v .Aber was sollen wir mit dem Gelde thun, wenn wir S bekommen?" .Wer weiß?" sagte Marcelle. .Wenn ich es gewinne, werde ich ein Jahr in der Klosterschule von Saen zu dringen." .Wie? Willst Du ein Fräulein wer. den. Marcelle?" fragte Lisette. .Nun. sollte ich die 5000 Franken bekommen, so werde ich mir da schönste Seiden kleid und Halstuch in Bayeux laufen und wette alsdann die am Schönsten gekleidete, sowie die be,.1 Tänzerin beim Hochzeitsfefte sein." .Kleiner, eitler Pfau!" rief Jeanne. .Alles, was ich will. ist. aus diesem langweiligen VillerS fortzukommen und etwas von der Welt zu sehen. .Ach, Keine von Euch liebt ihre Ar. beit so. Sie ich." rief Babette. .Mir ist eS eine wahre Freude, die schöne Spitze unser meinen Fingern wachsen zu sehen; aber ich möchte für Andre gewinnen! Nur sür ihn. Mutter Croche sagt, der große Arzt in Paris könnte ihm helfen, könnt' ich ihn nur dahin dringen lassen." - .Ein armer Krüppel ist zu nichts nütze." sagte Jeanne. Unter dem Epheu im alten Kirchhof würde es des ser für ihn sein." .Ach. Jeanne. schäme Dich!" riefen Marcelle und Lisette; Babettas Augen ober blitzten und füllten sich mit Thrä nen. als sie schluchzend sagte: .Du bist grausam. Jeanne! Er ist mein Ein und mein Alles, und mein Vater bat mich, für ihn zu sorgen, bis er von feiner Meerfahrt zurückkommt, um uns zu unserem neuen Heim zu führen, wel cheS er für uns in Amerika bereitet. Sollte Andree sterben, wie könnte ich ihm je wieder begegnen? Ach. der Him mel gebe, daß ich den .Ersten Preis" gewinne!" und sie legte die Hand auf daS Halstuch, worunter das kostbare Pergament verborgen lag. .Nun gute Nacht, meine Freundin nen." sagte Marcelle. sich abwendend; .wir werden Alle unser Beste thun." .Aber nur Eine wird den Preis da vontragen," dachte Jeanne, indem sie heimwärts schlenderte, hinter Babette und Lisette, die am Kreuzweg von ein ander schieden. .Und Babette Brenn scheint zu denken, daß sie mit ihrem er erbten Muster des Erfolge ganz sicher ist." Jeanne ftampste zornig mit dem Fuß. eifersüchtig murrend, wie sie plötzlich ein rotheS Röckchen durch die Dämmerung unten am Wege schim mern sah. .WaS wollt' ich nicht drum geben, wenn ich den Sieg über sie und über die Anderen erränge! Aber ach! Wo soll ich ein hervorragendes Muster finden?" Wie die Worte ihr über die Lippen kamen, breitete der junge Mond, der über den Hügel aufging, feine ersten silbernen Strahlen auf ihren Pfad und ruhte leicht auf etwas, das an einer Seite des Wege? lag und wie ein ge faltete Papier aussah. Sie bückte sich, hob eS auf und, trotz der bitteren Kälte, blieb sie im Mondlicht stehen. um es zu betrachten. Beim ersten Blick Hieß sie leise einen Ruf entzückten Stau nenS aus, denn eS war kein Papier, sondern ein vor Alter gelber Perga. rnentftreif. worauf, nach der Art von Spitzenklöpplerinnen, ein sorgfältig ausgearbeitetes Muster gestochen war. und sie sah sofort, daß e weit schöner. F Du Jahrgang 21. als irgend ein jemals in Viller ge machte war. .Es ist BadettcS Erbstück, das au ihrer Tasche herausgefallen sein muß." mar Jeanne's schnelle Entscheidung. .Sie wird wahrlich außer ftch sein, wenn sie es vermißt, soll ich e viel leicht im Vorbeigehen in ihrem Hause abgebe?" In dem Augenblick schien eine innere Stimme ihr zuzuflüstern. Sie stand lange Zeit ganz still im Mondlicht da. Endlich rief sie aS: .Ich thue eö!" und verbarg daS Pergament tief in ih rer Tasche. 2. Babette eilte dem steinernen HäuS chen zu. das sie ihr Heim nannte, ihre Gedanken auf den lieblich aussehenden Knaben richtend, der so blaß und blond dalag im dunklen Bettchen, welches in der Wand bei der Kaminecke stand. .So Babette, bist Du endlich gekom men," sagte er lächelnd, wie sie herein trat. .Ich habe Dich vermißt." .Ich konnte e nicht ändern. Andre, aber ich habe gute Nachricht mitge bracht. Erst laß mich für Dein Abend effen sorgen, und dann will ich Dir alle Neuigkeiten erzählen." .ES ist sehr kalt, nicht wahr. La bette?" .Ach. so kalt l und heute Nacht wer den wir einen starken Frost bekommen. Die Kälte ist für unS arme Klöpp lerinnen hart, sie macht meine Finger so steif, ich kann den Faden fast nicht zwirnen. Ich wünschte, e wäre ewig Sommer." .Ich auch, als ich gesund war; alle Jahreszeiten sind mir gleich, seitdem ich üder den Abhang siel und meinen Rücken beschädigte." .Armer Kleiner." seufzte Babette .aber Muth! vielleicht werde ich den Preis gewinnen, und dann fort nach Paris und zu dem Herrn Doktor. Sieh', was Mutter Croche mir gegeben hat." und steckte die Hand unter ihr Tuch. . . Wie der Knabe ihr Gesicht betrachtete, gewahrte er einen Ausdruck des Schreckens in ihren Zügen, dann stürzte Babette mit einem leisen Schrei hinaus und den heckenbesetzten Pfad entlang, der zum Dorfe führte. Das Mondlicht lag rein und weiß auf der frofterftarrten Erde, allein das kleine Mädchen vermochte nicht die Schönheit der Nacht zu betrachten. Von Kälte und Angst zitternd, ging sie schnell vorwärts, recht und links eifrig auf dem Boden suchend. Zehn Minu tcn lauschte der kranke Knabe auf jedes Geräusch, und dann kam feine Schwester blaß und zitternd zurück. Sie fiel auf ihre Kniee vor dem Bett, verbarg ihr Gesicht im Kopfkissen und schluchzte. .Ach Andre. Alle ist verloren! Das schöne Muster unserer verstorbenen Mutter, das Dich noch einmal gesund und stark machen sollte." Und dann aufspringend rief sie mit einem plötz lichen Ausbruch der Leidenschaft. .Es ist diese boshafte Jeanne, die e hat. Ich glaube eS bestimmt. Sie kam ge rade hinter mir und muß es gefunden haben, sonst würde es da sein, denn ich hatte es, als ich Lisette verließ. Ich bin überzeugt. Niemand anders ist vor beigekommen. O, die widerliche, kleine Katze!" .Still. Babette. still." schluchzte Andre. .Du erschreckst mich, und wir missen eS nicht bestimmt. Ich glaube nicht, daß Jeanne etwas Verlorenes behalten würde, wenn sie es' gefunden hätte." .ES sieht ihr ganz ähnlich." .DaS darfst Du nicht sagen. Der Wind mag es weggeweht haben." .Aber eS ist so schwer und ich war so glücklich und so fiegcsgewiß. Es schien mir ein Geschenk des Himmels zu sein." Und Badette warf ihre blauwollene Schürze über den Kopf und weinte, bis sie nicht mehr weinen konnte. 3. Die kälteste Nacht,. welche man feit Jahren in VillerS gekannt hatte die Nacht de schwarzen Frostes, wie sie ge nannt wurde -r- war vorüber. Der Morgen kam, und da Sonnenlicht glänzte fröhlich durch die Fenster der malerische Hütten, die Bauern zu einem neuen Arbeitstage weckend. Ba beite schrak auf dem Schlafe auf mit der Empfindung einer Last auf ihrem Gemüth; allein, ehe sie sich klar erin nerte, was geschehen war, änderte sich daS .Wehe mir!" in ein .Ah!" des Entzücken. Ihre Augen waren aus daS Dachftudenfenfterchen gefallen. Dort, vom zarten weißen Frost gebildet, erschien daS allerschönfte Spitzenmuficr. was sie je gesehen hatte, so fein und künstlich, daß sie glaubte, nur Feen Hände könnten es gemacht haben. .Wahrlich. eS ist die Arbeit der guten Engel !" rief Babette aus. .und es ist noch schöner, wie da meiner Mutter. m Beilage zum Nebraska Kali atbemlo ioa sie ibr Kleid an. fetzte ihr Häubchen auf. brachte ihr rundeS Klöppelkiffen und Pergament herbei und machte ftch zur Arbcit bereit. Sie kand. dak sie mit aerinaer Hilfe ihrer Einbildungskrasi die gefrorenen rraußqen zu einem y,gn,iiiu,itt Er kalten konnte, ock ebe die keinen Ver- zierungen vor dem erbarmungslosen Sonnenlichte verlchwanden. laat und Wocken lana nachher konnte nur Andre die kleine Spitzen mackerin von ibrem Klövvelkissen weg. locken, und obgleich ihre Augen und ihr Rücken ihr oft weh thaten, sang en Vögelchen in ihrem Herzen, und ihre Wanoen wurden roib wie Avselblütben. je mehr da reizende Gewebe unter ihrer zarten Hantirung der Vollendung ent gegenging. Babette stammte aus einer langen Reihe von Spitzenmachern und hatte viel von der Geschicklichkeit ihrer Mutter geerbt. Und. dann war eS nicht für Andre ihren geliebten Andre? Die letzten Tage der Fastenzeit kamen und gingen, die Lilien in der alten Kirche verkündeten, daß das große FrühlingSfeft sich näherte, und bald dämmerte der langersehnte Montag, an dem sich der Wettbewerb entscheiden sollte, hell und klar herauf. 5ti jungen Bäuerinnen, in Feftklei dem. stiegen fchaarenweise den Hügel hinauf. .welch prächtige, Anblick." dachte der ernste, Brillengläser tragende Mann in mittlerem Alter, der auf dem Rasen zur Seite von Madame De Le firelle stand. .Wie malerisch! Wie romantisch!" rief er aus .Wahrlich. Frau Gräfin. Sie bereiten mir heute einen Hoch genuß." .Wundern Sie ftch mein Herr, daß ich meine Normandie liebe?" rief die Dame mit glänzenden Augen. Diese Mädchen stnd nur wenige von den fünf zigtaufend Spitzenmacherinnen in der Nähe von Caen und Baheux. die ihr Brod durch .den gewebten Wind" der dienen. Kein Wunder, daß wir das luftige Gewebe schätzen, denn von Flachs allein ist eS nicht gemacht, sondern von mancher Romanze und manchem menschlichen Schicks-'.. Eine Klöpplerin lebt selten länger als vierzig Jahre. Aber sehen Sie, Alle stnd zufammenge kommen, und wir dürfen sie nicht war ten lassen." .Wo ist Jeanne?" fragte Marcelle. wie fle sich in einer Reihe aufstellten, um die Entscheidung der guten Dame, die sie alle liebten, entgegenzunehmen. .Sie ist krank," flüsterte Lisette. Aber in dem Augenblick erschallte eine Trom pete. und Madame trat mit einem Packetchen in der Hand vor. ES ist die Prämie in Gold, ging eS von Mund zu Mund. .Guten Morgen, meine Töchter." sagte die Gräfin freundlich. .Ihr habt Alle sehr schön gearbeitet, so daß ich mich bemühen werde, für Euch zu ver kaufen, damit Eure Mühe nicht um sonst war. Zwei Arbeiten aber über treffen die anderen an Schönheit und Originalität der Zeichnung. Als ich die Arbeit von Jeanne Reynard öffnete, dachte ich. nicht könnte schöner sein, als die ihrige, bis ich die von der kleinen Babette Brenn sah. Die ist aber ein Wunder, sie gleicht einer schönen Phan taste des Frostes. Solche Spitzen hat man selten in Calvafto gesehen, und ihr fallen deshalb die fünftausend Franken zu." Ihren Sinnen kaum trauend und halb verwirrt, wurde Ba bette von ihren Freundinnen hervor geschoben und knixte mechanisch, als Madame das Packetchen in ihre Hand legte, wobei sie sagte: .Du hast Dei ner Mutter Talent geerbt, Babette; was willst Du aber mit so viel Geld machen?" .Ach, Madame, es ist für Andre. Der Arzt hier ist ihm von keinem Nutze. Wenn er hier bleibt, wird er sterben. Ich werde mit ihm nach Paris reisen, zum großen Doctor Le Pnine." .Ist es eS so?" sagte die Dame mit freundlichem Lächeln. .Dann freue ich mich, daß Du gewonnen haft. Du brauchst aber nicht so weit zu reisen. Kleine. Monsieur Le Perine ist beute bei unS." ,,Hier, Madame, in Villers?" .Ja, er ist der Onkel des Bräutigams meiner Tochter" und sie winkte dem ernsten. Brillengläser tragenden Manne. Allein er blieb nicht lange ernst, in fei nen Zügen leuchtete eS lebhaft, während er mit Interesse dem kleinen Mädchen zuhörte, das ihm erzählte, wie fein Bru der dahinzusiechen scheine, und daß sie die Gewißheit hätte, nur er könne ihn retten. Wie er sich eine Stunde später über daS kleine Bett an der Wand beugte, bezeichnete Andre ihn als den freundlichsten Herrn der Welt, und der berühmte Arzt hob ihn lauf! in eine Stellung, in der er bequemer lag, Staats-Anzelgcr. als die Monate lang der Fall gewesen war. .Er ist sehr krank." sagte der de rühmte Doctor zu Babette; .verzweifle aber nicht. Du und ich werden ihn schon durchkriegen." .Also habe ich den Preis nicht um sonst gewonnen." rief Babette freudig. Die Worte waren kaum über ihre Lippen gekommen, als Lisette herein kam, und sagte: .Jeanne ist krank und wünscht Dich zu sehen. Babette." Badette ging sogleich nach RehnardS Hütte und fand ihre frühe Freundin auf dem Sopha liegen. Sie stützte den Kopf auf die Arme. .Ich gratulire Dir. Jeanne," sagte Babette. .dß Du Madame Lob er rungen haft; es war Schade, daß Du eö nicht hören konntest." Jeanne brach in Thränen aus. .DaS Lob war mir ganz gleichgültig. Ich freue mich nur. daß Du gewonnen haft, Babette; aber ich habe Dir etwas zu sagen, obgleich der Kopf mir fehr weh thut, daß ich kaum denken kann." .ES thut nichts; ich weiß AlleS," it. gegnete Babette. .Du weißt, daß ich das schöne Muster fand, welches Dir Deine Mutter hinterlassen hatte, und daß ich es benutzte?" Jeanne nickte. .Und Du sagtest nie ein Wort? Ach. Babette. wie gut von Dir!" .Die Froftcngel vergalten es mir, und ich habe Dir schon lange vergeben." Und sie erzählte ihr von der Spitze, welche von dem Frost auf ihrem Fenster gezeichnet wurde. .Es war das Waltendes lieben Herr gotts, um meinen bösen Plan zu t:t hindern." schluchzte Jeanne, .und ich bin so froh, daß Du die Prämie bekom men hast. Babette. Seit der Nacht des schwarzen Frofteö hab' ich keinen glück lichen Augenblick gekannt. Aber ich will meine Spitzen verkaufen und das ganze Geld an Andre geben." .DaS haft Du nicht nöthig." sagte Babette.Er hat genug. Der gute Arzt hat versprochen, ihn zu heilen, wir wollen unser Geheimniß bewahren, und auf ewig Freunde bleiben." Und die Mädchen tauschten einen Kuß der wahren Freundschaft aus. Die ausschlüffel. Dr. med. Müller und Assessor Schnei der waren schon von der Universität her dicke Freunde. .Leider." konftatirte aber eine Abends beim Löwen" der Arzt, .werden wir Beide immer dicker! Lieber Freund, da geht nicht mehr so weiter! Ich kann es an Dir nicht ver antworten kaum noch an mir! Die .Dümmerschoppen' machen uns zu kor pulent wir müssen sie entweder auf geben, abkürzen oder .Dann bin ich jedenfalls für das Oder!" meinte Schneider, dem bei den Worten feines Freundes ein leichter Schreck in's Geblüt gefahren war. unter lachender Zuftim mung der Stammtischrunde. Was haft Du denn noch für Rezepte .in petto?" 'Raus damit!" .Wir müssen un mehr Bewegung machen!" seufzte Dr. Müller, und rieb verschämt an seinen Brillengläsern. .Wir müssen unsere, nahe bei einander und noch näher beim .Löwen' gelege nen Zelte abbrechen, und der Eine muß oft-, der Andere westwärts, etliche Kilo meter von diesem Centrum unserer Ge fühle, auswandern sonst sind wir ret tungsloS verloren!" .Mensch!" schrie der Assessor er grimmt und schlug auf den Tisch. .Und mit solchem Meuchelmord wagst Du eS bei hellbrennenbem Glühlicht schein, in Gegenwart eine Dutzend mehr oder minder glaubwürdiger Zeu gen, mich zu überfallen In die Kanne, Du steigst in die Kanne keine Widerrede!" Mit trübem Lächeln stieg der Arzt, wie befohlen, hinein. Aber Recht be hielt er doch wie immer, wenn ftch der Assessor ausgepoltert hatte und den sanften, aber eindringlichen Worten seine Freunde ruhiges Gehör ent gegenbrachte. So zogen sie denn nach Oft un!Weft auseinander, trafen sich aber jeden Abend beim .Löwen' und sprachen dort dem ausgezeichneten Stoff nun mit gutem Gewissen nur um so gründlicher zu, als sie sich ja sagen durften, die Be wegung, zu der sie ihr heroischer Ent schluß zwang, würde das etwa Zuviel schon wieder ausgleichen. So war es auch eine Abends spät geworden. .Mitternacht!" murmelte der Asses sor, als sie sich vor dem .Löwen' trenn ten. .Sapperlot ! Jetzt Heißt'S aus greifen! Hab' morgen einen außeror dentlich schweren Fall!. : . . Wenn wir nur nicht die verrückte Idee mit dem HinauSzug in die Wildniß gehabt hät ten! 'S ist auch mörderisch kalt heute!" Der Arzt bestätigte mit einem leisen No. 40. Seufzer die Richtigkeit dieser Behaup tung. Dann trennten sie sich. Schneider batte lange Beine. Gleich' wohl lief er fast eine halbe Stunde, ehe er nach Hause kam. Der Nachtfrost hatte idm Bart und Augenbrauen dicht angereist, und seine Finger waren steif gefroren, so daß eS ihm einige Mühe kostete, den Hausschlüssel au der Tasche herauszuziehen. Endlich hatte er ihn Aber waS war denn das?! Der Schlüssel sperrte ja nicht und that so fremd gegen da Schloß, als ob er eS feiner Lebtage nicht gesehen hätte. Nicht mit Güte und nicht mit Gewalt ließ er sich bewegen, seiner Pflicht und Schuldigkeit nachzu kommen. Plötzlich besah sich der Assessor daS ungeberdlge Jnftrunun! etwas genauer. Ein Gedanke war ihm aufgeßlegen. .Wahrhaftig, daS ift ja Müller'S Schlüssel!.... Da ift ja überhaupt Müller'S Mantel !" schrie er. sich mit einem wüthenden Blick betrachtend. .Der Henker hole diese verflixt. gleiche Statur! Nun haben wir Esel richtig die Envelopen vertauscht !" Nachdem er sich und seinem abwesen- den Freund au? diesem Anlaß noch einige kräftige Komplimente gemacht hatte, entschloß er sich wüthend zu dem Eilizigen. was unter diesen Umständen zu machen war: Trotz Nacht und Frost wieder zum .Löwen' zurückzukehren. Tort unten im Thor ftand schon der Doktor. .Assessorchen." murmelte er ganz zerknirscht, vor Kälte zühneklap pernd. .mir ift ein rechtes Malheur pasfnt die Hausschlüssel ' .Ach waS!" schimpfte Schneider. .Da haft Du den Deinen! Mit dem meinen her! So, danke! Und nun 'rin in die gute Stube ich bin kalt durch und durch wie ein Nordpol fahrer!" . Mit kolossalem Jubel wurden die beiden Freunde und ihr Abenteuer von den letzten Treuen de Stammtisches, die noch tapfer beisammen faßen, auf genommen, und die tragikomische Ge schichte entwickelte natürlich einen Hu mor. dieser einen Durft und dieser einen FeuchiigkeitSverbrauch, daß Stunden vergingen, bis man endlich in corpore aufbrach. Halt!" rief Schneidtr feinem Freunde zu, als dieser nach dem Man tel greifen wollte, mit dem er gekommen mar. .Wir hatten ja auch die Mäntel vertauscht da ist Deiner!" .Ach so! Pardon!" murmelte Dr. Müller. So'n Konfustonsrath wie heute war ich noch nie!" .Wieder trennte man sich; wieder schwebte Jeder schwer von Bier und Schlaf heimwärts. .Nun bin ich aber wirklich froh in die Klappe zu kommen!" brummte der Assessor vor dem Thor feiner Wohnung, griff gähnend nach dem Hausschlüssel und wollte ihn anstecken. .Aber wa war das?! .Höllenblend werk!" rief er. .Wieder nichts!.... Will nun auch der rechte nimmer sper ren?" Plötzlich mit einem haftigen Ruck hob er den t-chlüssel dicht vor die bereiften Augen, starrte einen Moment wie vom Donner gerührt vor ftch hin und sing dann der Art zu raifonniren an, daß ein Schutzmann, der in der Nähe unter einem Vordach eingenickt war. entsetzt aussuyr und tm Sturmschritt herzu lief. .Haben wir unS nicht," rekapitulirte Schneider, .vor dem .Lömen" die Schlüssel, zurückgegeben? Hat nicht da bei Jeder den Ueberzieher des Anderen getragen und den eigenen Schlüssel also in den fremden Rock hineingesteckt? Und sind wir beim Gehen nicht in unsere eigenen Mäntel geschlüpft, in denen demnach die fremden Schlüssel waren? Ift da nicht zum Rasendwerden . . . ?' .Mein Herr." sagte der Schutzmann mit freundlicher Verftändnißlosigkeit für die Situation, .eine Ruhestörung dürfen Sie da nicht machen ' Schneider lachte bitter auf. Dann stürzte er wieder in die Nacht hinaus Lömen'-wärtS selber ein grimmiger Löwe. Am nächsten Morgen aber hängte im Westen und im Osten der Stadt je eine betrübte Hanswirthin ein Schild her auS: .Salon mit Schlafzimmer sofort an einen feinen Herrn zu vermiethen." Die beiden Freunde zogen wieder nach dem Centrum. Säkularmünze. Auch bei den zur Feier des Beginns de 18. und 19. Jahrhunderts gepräg. ten Sükularmünzen machte sich die Streitfrage, wann das Jahrhundert beginne, bemerkbar, auf den einen Münzen sind die Jahre 1700 und 1800. auf anderen 1701 und 1801 als An fangsjahr bezeichnet. Von den Denkmünzen de 18. Jahr Hunderts verdient die Nürnberger b. sondere Bkatürg. Der drz: elte D iiT: zeit die Bildnisse d.e Kaiser l'nj ID m.d des iSmisch.n Ki.iigfl ro Hl) 1. aus ttz einen Seile, ai-f der iincu-rn die Ausiedrifl: .S.vculuin novum ITÜÜ" (fleue Jadihundert 1700). Eine' andere Ja!.-. hundert Denkmünze ist der doppelte Nürnberger ,'ömmleins Dukaten mit der Inschrift .Das neue Jahrhundert begrüßt die Stadt Nürnberg". Die Medaille der Hamburger Ak miralitat von 180l zeigt die Inschrift .Dem neuen Jahrhunderte", darunter die Worte .Die Hamburgisäie Admi ralilüt im Jahre 1801" aus der an deren Seite sieht man die Zeit al Sa turn, der zu einer mit Hamburg Wappen geschmückten bifj)oule tritt. Die Umschrift drückt den Wunsch .Fort dauerndes Gelingen" au. Die Ham durger Bank prägte eine zweite Denk münze, welche den Genius de 19. Jahrhunderts in Gestalt eines giftiigel ten Jünglings zeigte, der Frieden bringend, über die Erde schreitet. Die Umschrift lautete .Frieden dem Jahr hundert. 1801." Aus einer dritten, von der Kommerz Deputation veranlaßten Medaille bezieht sich die Inschrift .Anno verfanso millesimo" auf da Jahrtausend, welches Hamburg seit seiner angeblichen Gründung im Jahre 800 nunnichr er lebte. Sehr schön und künstlerisch auöge sührt waren auch die in Berlin zum 'Leginn de 19. Jahrhunderts geprög tcn Medaillen Stinke und Loo. Vor einem Altar kniet eine Frauengeftalt, legt mit der Linken einen Zweig auf den Altar und zeigt mit der Rechten auf da Sternbild der Wage, das au den Wolken hervorleuchtet. Die Umschrift lautet: ES ift noch nicht entschieden." Auf die schweren Zeiten, in denen man um die vorige Jahrhundertwende lebte, deutet auch eine andere Berliner Säkularmedaille mit einem Doppelkopf. Die Umschrift lautet: .Vi'rgangen sey das Uebel, froh die Zutuns." Die Kehrseite zeigt die untergehersse Sonne des scheidenden Jahrhunderts und einen Baum, unter dem ein Hirte seine hoff nungsfrohen Weisen bläst. Zyrtedrich Wilhelm der Viert al Sxamwator. Von der großen Leutseligkeit des Kt nigS Friedrich Wilhelm IV. von Preu ßen gibt folgende Begebenheit einen Beweis. Aus einer Reise nach Weimar waren die Empfangsfeierlichkeiten durch aus verboten. Nichtsdestoweniger waren i i einem Orte nahe der Grenze solche bereitet worden. Die Schuljugend be grüßte hierbei den Landesvatcr, wobei ein Mädchen ein geeignetes Gedicht her sagte. Der König war so freundlich, die Worte dcZ Kindes aufmerksam n zuhören und scherzend zu dem Kinde zu sagen: .DaS ift sehr schön, was du herze sagt haft, das ist aber nicht aus dir ge kommen, daS haben dich 'deine Lehrer gelehrt. Ich will einmal sehen. vaL du selbst kannst." Der König nahm hierauf ein Gold ftück, hielt es dem Kinde hin und sagte: .Wohin gehört das?" Das Kind antwortete sehr bald und gefaßt: .Das gehört in das Mineral reich." .Sehr gut," sagte der König und wandte sich an ein zweites Kind, ihm eine Apfelsine hinhaltend, mit der Frage: .Wohin gehört die Apfelsine?" Die Antwort lautete schnell und be stimmt: .In's Pflanzenreich." Der König, erfreut über die richtigen und schnellen Antworten der Kinder, sagte zu einem dritten Kinde: .Dir werde ich eine schwere Frage vorlegen: Wohin gehöre ich?" Das Kind antwortete nach kurzem Besinnen: .Jn'S Himmelreich." Ueberrascht und bewegt durch diese naive Antwort, ergriff der Mvnarch da Kind, hob eS in die Höhe und küßte eS. wandte sich darauf ad und soll, wie An wefende versicherten, bis zu Thränen von dieser Kindesantwort ergriffen ge Wesen sein. . Gi.hiuSese. Ein Professor der Technischen Hoch schule in Stuttgart war zu einer Stu dentenkneipe geladen. Er war bekannt als ein höchst jovialer Herr, machte gem einen Spatz und ließ auch gern einen solchen über sich ergehen. Gegen Mit ternacht meinte nun einer der Stuben ten zu bemerken, daß der Gang de Herrn Professors etwas Schwankendes an sich habe. Er wandte sich an ihn mit der Frage: .Sagen Sie einmal, Herr Professsr, woher kommt es denn, daß die Getränke den älteren Herren in die Füße steigen, während sie uns jüngeren Menschenkin den, in den Kopf steigen?" Lächelnd gab der Herr Professor zur Antwort: .Das ift fehr einfach zu lösen, die Getränke suchen eben bei jedem Men schen die schwache Seite auf, " Zur Belohnung. Ein Trunkenbold süllt vom dritten Stock herunter, ohne sich Schaden zu thun. Mitleidsvoll bringen ihm die Hausbewohner ein Glas Wasser. daS er stolz mit den Worten zurückweist: .Na. wissen Se. for die Leistung könnten Se mer doch ooch wenigstens 'nen kleenen Kümmel spendiren!" Das Auge ift das Fenster der Seele. Wenn'S drinnen warm und die Außen, elt so kalt ift-läuft e feucht an. w ,K J . - . Y M ;;- 1 L'i -. I . ? Jf - i " v V ' A ' - y " . -M i ' v '