Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 13, 1900, Image 12

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    Auf dcr szzidstraße.
t. iLUlbmar.
ftü. S'ii. i, au' Thier!
Äil flcnt,!i Ausdrucke dnklc der
L , :-.d den Kopf nach seiner Herrin und
dl cd flehen. Er keuCU uiiü )im zslli
at M.ll lar naß von der Ueberanftren
ff. g. Obwohl die ran mit aller
hcHoltn, iDutti fast undenkbar
bei ihrer und deS Hundes ermatteter
Kraft, da? Wägelchen den Hügel Bergan
in dringen.
Armer Bor! murmelte sie. und
armer Box. wiederholte daS füusjährige
gach-bzariae Müdchen. das barfuß
neben dem Fuhrwerk herlief, mit sei
ncm Geplauder die Mutter unterhielt
und nun den großen Kopf des Hundes
streichelte.
Gelt. Mütterchen, der Box kriegt
auch ein Stück Brot? fragte die
Kleine, auf deren blassem magerem
(efichtchen die Noth gleichermaßen zu
lesen war wie in den noch yubZchen,
aber vergrämten Zügen der jungen
ffrau und in dem dürren Körper des
Hundes. Box hat so Hunger und List
auch!
Der Hund legte sich nieder und auch
die Frau setzte sich an den Wegrand,
den Kopf auf beide Arme stützend.
Sie gab dem Kinde keine Antwort, Lifi
schien auch keine zu erwarten, unve
kümmert um der Mutter Sorgen
fvnna sie umher, haschte nach Schmet
terlinaen und pflückte Blumen. Die
Frau sah eö. Ein weheS Lächeln
haschte über ihr Gesicht. Trotz aller
Armuth war List so fröhlich, als od an
ihr alleS Elend abprallte, als od Huw
ver und Entbehrung ihr nichts anhaben
könnten. Und doch wie lange noch
würde eS gehen? Fehlte nicht jetzt schon
das Brot für alle? Wie lange würden
die Kräfte noch aushalten? Auch der
Hund war ermattet und doch konnte
sie ftch nicht entschließen, ihn herzu
geben, der trotz vieler Arbeit und
schmaler Bissen bei ihr ausgehalten
hatte, der aus Anhänglichkeit an sie ein
behagliches Leben und volle Schüsseln
auf ihres BatcrS Hos freiwillig gt
opfert.
, Ein Schluchzen brach sich Bahn über
ihre blassen Lippen und m chncllem
Antriebe kniete sie neben dem Thiere
nieder. Ihre Arme um seinen Hals
schlingend, drückte sie das verhärmie
Gesicht in sein rauhes Fell. Box rührte
sich nicht. Blinzelnd schaute er in die
Sonne und nur ganz leise bewegte er
den Schweif, als wollte er damit fein
Mitgefühl beweisen.
In diesen kurzen Augenblicken durch-
lebte sie in Gedanken die letzten Jahre
ihres Lebens von dem Tage an, da sie
sich geweigert hatte, den reichen Mül-
lerssohn zu erhören, aber erklärte, daß
sie den Knecht ihres BatcrS liebe und
ihm treu bleibe. Der Vater stieß sie
hinaus. Sein Fluch und die Thränen
der Mutter lasteten centnerschwer auf
ihre Seele. Margaret Hoppe verlor
ihre Freche und Freudigkeit. Und sie,
die einst wohlgeborgen war im Vater
h luse. die befehlen konnte, mußte nun
Magddienfte verrichten, bis ihr Geltet
ter imstande war, ein Gütchen zu pach
tcn. Aber Mißernten und anderes Un
glück brachten sie zurück, Hülfe war
nicht zu erwarten, der Vater, an den
sie sich schweren Herzens gewandt, wies
ihr abermals die Thür, und so ging es
rasch bergab mit ihnen.
Dann starb ihr Mann und hinten
ließ ihr nichts als das Kind und Schul
den. Eine Zeit lang konnte sie sich
über Wasser halten. Als aber die An
sorderungen an ihre Kräfte größer
wurden, widerstand sie nicht mehr und
eines Tages lag sie auf dem Kranken
bett. Mitleidige Nachbarn pflegten sie
und sorgten für das Kind. Nach ihrer
Genesung übernahm sie tagsüber
Botengänge, Nachts nähte sie. Sie er
stand sich ein Wägelchen, um -einen klei
ncn Hausirverkauf zu betreiben, und
schirrte ihren Hund an. Ader der Ver
dienst entsprach nicht den Erwartungen;
es reichte zuletzt nicht hin, um den Hun
ger zu stillen.
Wie mürbe war sie geworden durch
die bitteren Erfahrungen, die sie ge
macht. Ihr Widerstand war gebrochen.
Ja, heute, da sie ihren Untergang vor
Augen sah. ward sie die Erinnerung
nicht los an jenen Müllerssohn. Im
nier wieder stand er vor ihrem geistigen
Auge und mit ihm die lockendsten Bil
der. Als fein Weib wäre sie geborgen
gewesen für alle Zeit, sie hätte nimmer
mehr Noth und Entbehrung kennen ge
lernt, nicht den heftigen Schmerz ge
fühlt, ibr hungerndes Kind nicht sätti
gen zu können.
Margaret richtete sich mit einem
jähen Rucke auf und zog das Kopftuch
fester in die Stirn. Wollte sie damit
die Nöthe der Scham verdecken, die ihr
Gesicht gefärbt bei ihren Gedanken?
Sie streichelte den Hund und meinte:
Komm mein Box, wir versuchens noch
einmal, es wird schon gehen und später
solls ein gutes Mahl geben.
Der Hund sah sie forschend an.
Traute er ihrer Versprechung nicht?
Sie ertrug seinen treufragenden Blick
nicht, rief Lift herbei und schob den
Wagen weiter. Nur wenige Meter
hatten sie mühsam gewonnen, als ein
Fuhrwerk sie überholte.
Wartet, ich helfe! rief dessen Lenker
hülfsbereit und sprang ab. Margaret
hatte, nachdem sie die Stimme vernom
wen, einige heftige Schritte zur Flucht
gemacht. Sie drehte den Kopf nach
der andern Seite, als der Mann her
aneitte und mit kräftiger Hand das
Wägelchen Vorwort; schob. In ihrer
ganzen Haltung drückte sich Scham und
Z'erlezendeit. ja. Entsetzen fliiS über
diese Beeznung. Und sie zog das
Tuch noch tlkftr in die Stirn.
Wohin wollt ih:k fragte kcr Helfet
nach einer Weile.
Zir Stadt!
Da ist noch weit, ihr seid müde.
Wir woll.n den Wagen an dem meinen
anhangen, ihr aber mitsammt dem
Kinde und dem Hunde steigt aus. Potz
Bli. r,ef er. den Bor näher de ehend
den sollt ich kennen, wenn er auch in
trauriger Bersassung ist. Hätt' aber
nicht gedacht, daß Margaret Hoppe von
dem Hunde lassen könnte. Habt ihn
modl kauft?
Margaret antwortete nicht, die Kehle
war ihr wie zugeschnürt. Während der
Mann so plauderte, blieben seine Hände
nicht müßig. Ter Hund war raich aus
geschirrt. So viel eS seine ermatteten
Krüste erlaubten, sprang er bald an
Margaret und dem Kinde, bald an dem
breitschulterigen Manne hoch, der so
frohgemuth eingegriffen und ihn erlöst
hatte. Mit festen Stricken band der
Hclscr da? Wägelchen an und lud dann
die Frau zum Aufsitzen ein. Aber sie
wehrte ab. wollte hinterher gehen, er
solle nur List und den Hund ausneh
men, sie selbst würde schon mitkommen.
Er stieg auf das Rad des Wagens
und ließ sich daS Kind reichen. Dabei
fiel Margaret das Kopftuch in den
Nacken; verwirrt, beschämt sah sie ein
por in die erschreckten, auf sie gcrichte-
ten Augen des Mannes und Helfers in
der Nolh. Einige Secunden herrschte
beredtes Schweigen, dann fragte er
eise, als dürfe es Niemand verstehen
als sie selbst: Margret. Ihr?
rie machte eine abwehrende Bewe
gung. Ihr Tuch feillnupfeno meinte
sie mit schlechtgespielter Gleichgültig
seit: Nicht Jedermann hat es so gut
wie Ihr. Müller Zobel.
So hat er er Euch im Stich
gelassen? Er ballte die Hände im Zorn
Ja, er thats und ging dorthin.
von wo man nicht zurückkommt, cr
widerte sie schlicht.
Todt? Der Müller stammelte eS it
stürzt. Die Gedanken überstürzten sich
in seinem Kopfe. Todt der Nedenbuh
ler, der ihm das Weib seiner Liebe a
raubt, todt der Mann, den er ob seines
Glückes beneidet hatte, obwohl er nur
ein Knecht war; todt ihr Gatte, und
in dem Bestreben, sich zu fassen, griff
er so fest zu, mährend er List setzte, daß
das Kind zu weinen begann.
Mutter, er thut mit weh, nun in
mich runter, ich will laufen!
Aber Margaret überrehete Lisi, zu
bleiben. Sie hatte die erste Scheu und
Scham überwunden, und nun war es
über sie gekommen wie eine hoffnunqs-
volle Freudigkeit. Der Müller war
der alte geblieben: gutmüthig, hülfs
bereit. Vielleicht half er ihr, eine bes-
sere Existenz sich zu gründen. Zobel,
der , inzwischen wieder abgesprungen
war, nahm das Kind auf den Arm,
das sofort beide Aermchen um den
treuen Freund schlang. Große Thrä
nen perlten noch an Lifi's Wimpern,
aber ihr süßer, kleiner Mund lachte
chon wieder, als der Müller ihr ein
Butterbrod in die Hand drückte.
Iß, kleine Maus, es ist noch mehr
da, und Ihr, Margaret, habt Ihr nicht
auch Luft?
Sie schüttelte den Kopf.
Ihr solltet Euch zu dem Kinde setzen,
Ihr seid matt.
Nein, Müller Zobel, o weit darf
Eure Wohlthat nicht gehen, daß Ihr
mich Ihr seid ein bekannter Mann,
was würden die Leute sagen? Ihr
habt Weib und Kind. Sie stockte
und sah verstohlen nach seiner Linken,
an der ein schlichter Reif glänzte.
Er überhörte ihre Bemerkung ab-
sichtlich. Wenn eS Euch recht ist, setzen
wir unfern Weg fort, meinte er. er-
griff, nachdem sie zustimmend genickt.
die Zügel und feuerte das Pferd an.
Während er sich umständlich eine 6i
garre abschnitt und anzündete, fragte
er leichthin: Gefällt Euch dies Leben
auf der Landstraße?
Darnach wird maN'Mcht genagt, er-
widerte sie herb.
Ihr habt recht, aber die Unab
hängigkeit ist doch auch etwas werth.
Sie lachte bitter auf: Die Unab
hängigkcit verschafft mir kein Brod.
Wenn ich dort das Gemüse nicht gut
verkaufe sie stockte und machte eine
wegwerfende Handbewegung. Wozu
das. Gerede, fuhr sie dann fort, was
liegt an uns? Ein paar Menschen
mehr, die zu Grunde gehen, wen küm
mert das?
Mich. Wußtet Ihr das wirklich
nicht?
Ihre blauen Augen flammten ihn
an und der Zorn gab dem bleichen Ge
sicht einen jugendlich rosigen Schim
mer. Euch? stößt sie hervor. Ihr
treibt Euren Spott mit dem Unglück,
Müller Zobel.
Da sei Gott vor. Margret.
Schweigt! Eure und meine Wege
gehen himmelweit auseinander, unter-
brach sie ihn hart.
Mutterchen, ach. sitzt sich S hier schön I
rief Liese und streckte ihr Händchen mit
der Hälfte eines Brodes aus dem
Wagen. Butter ist drauf. Mutterchen,
iß doch, der gute Mann giebt dir's
gern, gelt du? ' ;
Des Kindes Gestchtchen strahlte. Wie
lange war es her, daß sich Lisi einmal
nach HerzcnSluft satt gegessSn hatte!
Alle Bitterkeit wich von Margaret, al
sie die beiden Unzertrennlichen, Kind
und Hund, so zufrieden und glücklich
dort oben sitzen sah. Thränen traten
in ihre Äugen und sie sprach ihre Ge
danken haldlaut aus- Ihr Armen, so
kann es ja nicht bleiben, und der Rück-
schlag thut bitter weh
Muß er denn kommen? Ter Mül.
ler war neben sie getreten. Hört mich.
Margaret: Laßt daS Vergangene der
gessen sein! Unser Zusammentreffen
hier ist ein Wink des Schicksals. Ich
habe nicht Weib noch Kind, bin nie
malS verhcirathet gewesen, weil ich
Euch nicht vergessen konnte. Ihren
Blick nach seiner Hand auffangend,
sagte er: Ties ist meiner Mutter Ring,
den ich seit ihrem Tode nicht von mir
ließ. In meiner Wirthschaft fehlt die
Hausfrau. Wollt Ihr sie ersetzen?
Mein Herz ist das alte. Margret, Ihr
braucht es nur zu nehmen. Wollt Ihr?
Auch jetzt wieder kam ihr zuerst der
Gedanke: Tu bist geborgen. TaS An
denken an ihre Jugendliebe trat mehr
niid mehr in den Hintergrund, je mehr
sie an die schweren Zeiten dachte. Sie
versuchte, ihren Mann sich in's Gedächt
niß zurückzurufen, wie zum Schutze
gegen jede Versuchung. Es gelang ihr
nicht, immer wieder war es Zobel, der
vor wem inneren Auge erstand. Zu
lehr hatten Elend und Entbehrungen
durchmachte und durckmeinte Näckt
auf sie eingewirkt, als daß sie die Kraft
gefunden hätte, der lockenden, Herr
lichen Zukunft zu widerstehen.
Margaret! mahnte der Müller leise
und gab Lin's Köpfchen, das im
Schlafe hintenüber gesunken war. eine
feste Laae. Denkt an das Kind, koll's aus
der Landstraße aufwachsen? Könnt ihr
daS llber'ö .fvri bringen? fick) will eS
halten wie mein eigenes, und der Hund
oü das Hnasenvrod genießen für feine
Treue zu euch. Wollt ihr? Sein gan
zes ßcn laa in seinen auten Auaen
mit denen er in Margarets Zügen
sorlchte.
Sie hielt sich nicht länger. Ihr
Kind aus der Landstraße? Nimmer
mehr! AIS sie nun entschlossen den Kopf
yoo, lyn aii?ay uns mil fester umme
sagte: Ich will! da stieß Zobel einen
Jubelruf aus und riß das Weib seiner
icoe in i,cine Arme.
Der verrückte Hornist.
Humoreske von Frhrn. von Schlicht.
Der Herr Major von Osterbcrg at
hörte zu jenen wenigen glücklichen
Menschen, die mit sich und ihren, Ge
schick vollständig zufrieden sind und die
da nicht zum Himmel beten, daß es
besser wird, sondern die da nur mit
dem ganzen Schmelz ihrer Stimme
singen: Ach, wenn es doch immer so
blie be."
Der Eine singt's im Tenor, der An
dere im Bariton die Stimmen sind
verschieden wie die Charaktere und die
Geschmäcker der Eine singt s hoch, der
Andere fingt's tief.
Der Maivr sang es tief, denn er
verfügte über einen ganz gewaltigen
zweiten Baß.
Die Einen sagten, der Maior hätte
seine tiefe Stimme vom vielen Essen,
die Anderen behaupteten: vom vielen
Trinken.
Dah der Major viel aß. konnte kein
Mensch leugnen, selbst der Herr Major
nicht. Er behauptete, es seiner Ge
sundheit schuldig zu sejn.
Er trank schnittweise. Und zu iedem
Schnitt gehörte ein Bomerlunder, ein
Kümmel das hatte er fich angewöhnt,
seitdem er aus dem warmen Süden
nach dem rauhen Norden versetzt wor
den war. Er war einer der nördlich
ften Bataillonskommandeure und er be
griff nicht, warum man ihn nicht mit
seinem Bataillon absandte, um Andree
zu suchen. Er kannte den schönen
Vers: .Arbeit und Thätigkeit, ist was
das Herz erfreut," aber er fand die
Worte blödsinnig, nach seiner Meinung
war nur der glücklich, der noch weniger
als gr nichts zu thun hatte.
Er selbst that ab olut gar nichts.
Böse Zungen behaupten, er wisse nicht
einmal, wo seine Kaserne sei. Das
war nun entschieden krasse Verläum
dung, aber allzuoft ließ er sich in dem
Kasernement allerdings auch nicht sehen.
ES ging auch so wozu hatte er denn
einen tüchtigen Adjutanten und einen
noch tüchtigeren Bataillonsschreiber?
Der Maior that gar nichts, er fühlte
fich sicher in seiner kleinen Garnison, in
der er sein selbständiges Bataillon
führte. Die Garnison, in der die bei-
den anderen Bataillone seines Regi
ments mit einem Hohen Regimentsstab
agen, war weit entfernt und Gott sei
Dank war die Eisenbahnverbindung
derartig miserabel, daß kein Vorgesetz
ter kam. wenn er nicht unbedingt kom
men mußte.
Die Vorgesetzten kamen auch nicht.
denn unbegreislicherweise -befand fich
daS Bataillon trotz seines Komman
deurS in tadelloser Verfassung. Da
ran waren die Herren Hauptleute
chllld. die mehr als glücklich waren.
einen Vorgesetzten zu haben, der sich um
gar nichts kümmerte.
Vergaßen die Kerls es aber einmal,
wie gut sie cs halten und bummelten
nt beim Exerzieren, dann sagten die
yauptleute: Jungs, seid nicht faul.
Wenn Ihr bei der Besichtigung nichts
leistet, bekommt Ihr einen anderen
Maior der ist nicht so gut. das
kann ich Euch heute schon sagen. Zwar
weiß ich nicht, wer der Nachfolger wird, j
aber daS weiß ich. einen so guten Ma
jor, wie Ihr ihn jetzt habt, bekommt
Ihr nie wieder. Merkt Euch das!"
Und die Leute merkten eS sich und
warfen bei dem Exerzieren die krummen
Knochen so hoch in die Lust, daß die
Sonne sich schnell hinter eimr Wolke
verbarg, weil sie fürchtete, daß ihr ein
Kommißstiefel an die tfate fließen
werde jener Kommißstiefel, dessen
Sohle, wie daS Gesetz eö befiehlt, sechs
unddreimg Eisennägel zieren.
Während die Leute auf dem Exer
zierplatz fich ihre Knochen lahm und
steif marschiiten. lag der Herr Major
zu Hause aus seiner Ehaiselongue,
rauchte und las. Er las alles, nur
nicht die drei Bücher, die nur für den
Soldaten geschrieben sind: das Exer
zierreglement, die Felddienstordnung
und die Schießvorschrift.
Hatte er genug gelesen und geraucht
so zog er sich die Lecke über die Ohren
und schlief, bis sein Bursche ihm das
Mittagessen brachte. Er aß stet? bei
sich zu Haus.
Nach beendetem Tiner hielt der Herr
Maior seinen .Verdauungsfch'ummer
dessen Quanti- und Qualität fich nach
dem während der Mahlzeit genossenen
Rothwein richtete.
Mit dem Glockenschlag 6 ging es zu
dem Nachniittagsschoppen. der bis um
8 Uhr dauerte und mit dem Glocken
schlage 8 nahm der Abendschoppen sei
nen Anfang.
Mit dem Glockenschlag 11 erhob fich
der Herr Major das war manchmal
mit einigen Schwierigkeiten verbunden.
denn von dem laugen Sitzen wird man
leicht steif. Ging es gar nicht, dann
halfen freundliche Hände. Zuweilen
geleitete sein Adjutant ihn auch nach
Haus bis zur Hausthür ließ der
hohe Herr sich dies auch immer ruhig
gefallen, aber sobald der Schlüssel im
Schlüsselloch steckte, wurde er grob.
Sagen Sie, bitte," fuhr er dann
seinen Begleiter an, wer sind Sie
eigentlich? Was wollen Sie denn hier?
Wie komnien Sie dazu, mit mir zu ge
hen, ohne daß ich Sie dazu aufgefor
dert habe? Was denken Sie sich eigent-
lich dabei?"
Der Adjutant kümmerte sich nicht
im Geringsten um das, was fein Herr
sagte. Er schob ihn in das Haus hm
ein und ließ den Burschen für das wei-
tere sorgen. Der hatte die Pflicht, sei
nen Herrn zu Bett zu bringen und dar
auf zu achten, daß die Nachtruhe in
keiner Weise gestört wurde. Zuweilen
kam es vor, daß Nachts dienstliche Te
legramme einliefen, die den Vermerk
eilt", aber die trotz alledcm von einer
geradezu weiterschütternden Gleichgül
tigkcit waren.
In der ersten Zeit, als der Herr
Major sein Bataillon führte, war auch
er auf das Wort eilt" ott genug hin
eingefallen, bis er sich eines Tages
schwor: Nie wieder", und darum
hatte er semem Burschen bei Andro
hung von sieben Tagen strengem Arrest
und sofortiger Adlö una verboten, ihn
jemals während der Nacht aus irgend
welchem Grunde zu wecken.
Wachte der Herr Maior deS Mor
gens auf. so klingelte er nach dem
Burschen und fragte: Was giebt es
Neu .'S V
Die Antwort lautete stets: Nichts,
Herr Major, wenigstens weiß ich
nichts."
So vergingen Tage, Wochen, Mo
nate.
Was giebt es Neues ?" fragte der
ajor da eines schönen Morgens, als
er nach langem, kräftigem und er
quickendem Schlummer zu recht später
Stunde erwachte.
Auf die Antwort war er gar nicht be-
gierig, die kannte er ja schon im vor
aus aber er irrte fich, dieses Mal gab
es doch etwas Neues.
Der Hansen, Herr Maior, der Hör
nist von der ersten Compagnie, ist heute
Nacht plötzlich verrückt geworben, ganz
plötzlich, gestern Abend war ich noch
mit ihm zusammen, und da war er
noch ganz vernünftig."
Der Hanien ist verrückt geworden?
Was fällt dem Lümmel denn ein?
Was hat er denn gemacht?" fragte der
Major.
Denken der Herr Maior sich nur,"
gab der Bursche zur Antwort, der
Hansen hat sich heute Nacht auf die
Straße gerade vor unser Haus gestellt
und da immer was geblasen und noch
dazu etwas, was ich garnicht kannte."
Was hat er denn gebla en? Ein
Lied?"
Nein, Herr Major, ein Lied war es
nicht, es klang beinahe wie ein Signal,
es ging so na, wie war es doch noch
ja so richtig, so war es," und vollftän-
dig richtig sang der Bursch seinem
Herrn die Melodie vor, die der Hornist
geblasen hatte.
Mit beiden Beinen gleichzeitig fuhr
der Maior aus dem Bett heraus:
Schafskopf infamer das war ja ein
Signal, das war ja Alarm!"
Der Bursche stand wie vernichtet.
endlich sagte er: Dann ist der Hansen
vielleicht garnicht verrückt?"
Du bist verrückt." schrie hu sein
Herr an, warum haft Du Esel mich
denn nicht geweckt?"
Ich durste doch nicht," gab der
Bursche zur Antwort.
Aber der Maior achtete garnicht aus
die Antwort. In fünf Minuten ist
das Pferd ge attelt." befahl er.
marsch. Galopp, das Weitere findet
sich."
Wenig später ritt der Major trotz
des entsetzlichen Straßenpflafters im
ausenden Galopp zur Kaserne, um
"ich dort den wachthabenden Unteroffi-
zier zu kaufen". Wie kam der Mann
dazu, ohne sein Wissen und ohne seine
Erlaubniß Alarm blasen zu lassen?
Irgend etwas mußte pasnit fein.
Zum Toniierwetter, so antworten
cit ooch." fuhr er dni Unteroffizier an.
was hat s denn gegeden?
Ter Herr General iit heute Morgen
um vier Uhr hier anqeksminen und hat
das Bataillon alarniiri." lautcZe die
Antwort. .Ter Herr General ist mit
dem Bataillon zu einer Felddicnftübunz
abgerückt und noch nicht wieder zurück
gekommen."
Nicht nur der Major, sondern auch
dessen Pferd zilterte bet diesen Worten.
die Sache war genußreich, die konnte so
bleiben: der General machte mit dem
Bataillon eine Uebung, während der
Herr Major im Bette lag und schlief
Wohin ist die Truppe marschirt?"
wollte der Major den Unteroffizier fra
gen. aoer er fragte ihn nicht, denn in
diesem Augenblick schlug der Klang der
großen Trommel an sein Ohr mit
klingendem Spiel kam dus Bataillon
zurück, und an der Spitze der Truppe
ritt der Herr General.
Ter Major galoppirte ihm entgegen.
um fich zu entschuldigen, fomeit dicS
überhaupt möglich war; aber bevor er
noch ein Wort sagen konnte, rief ihm
der General schon von weitem zu:
Schon aufgestanden. Herr Major ?
Das thut mir Ihretwegen leid, denn
jetzt brauche ich Sie nicht mehr. Rei
ten Sie nur ruhig nach Haus und
legen Sie sich wieder schlafen. Gute
Nacht."
Da wandte der Herr Major sein
Rotz uud ritt schweigend von bannen,
er wußte: das Lied war aus. Nun
kam für ihn die lange Nacht als Civi
list, nun konnte er ruhig schlafen bis
an sein Lebensende. Nun machte kein
Mensch mehr den Versuch, ihn zu
wecken nicht einmal ein verrückt ge-
wordener Hornist.
Napoleon I. To.
In dem kürzlich in London erschie
nenen Buch Lord Rosebcrry's "Napo
leon the last Phase" findet sich fol
gende ergreifende Schilderung der letz
ten Stunden des Kaisers nach den ge-
nauesten englischen Urkunden: Es ist
seltsam, daß trotz der ängstlichen Ueber
wachung, die den Kaiser umgab, fein
Ende unerwartet gekommen ist. Sein
Tod trat plötzlich ein Weder der
Gouverneur noch die englische Regie-
rüg ahnten, daß das Ende so nahe war.
In den letzten Tagen seines Lebens war
er beständig im Delirium. Am Mor
gen des 5. Mai stieß er einige unzu
sammcnhängende Worte aus, unter
denen Moiitholon France. . . . Armee
. . Tete d'Armce " verstehen
zu können glaubte. Während er diese
Worte aussprach, stürzte er sich aus sei
nein Bett auf den Fußboden, Mntho
lon, der sich bemühte, ihn zurückzuhal-
ten, bei Seite schiebend. Das war die
letzte Anstrengung dieser furchtbaren
Energie. Nur mit Mühe brachten ihn
Montholon und Archamdault wieder in
das Bett zurück, und er lag ruhig bis
gegen 6 Uhr Abends, zu welcher Zeit er
den letzten Seither ausbauchte.
Draußen tobte ein wüthender Orkan;
die schwachen Schilderhäuser der Sol-
baten wurden wie bei einem Erdbeden
geschüttelt; die Bäume, die der Kaiser
gepflanzt hatte, wurden ausgerissen,
und die Weide, unter der er ftch ge
wöhnlich ausgeruht hatte, wurde be
chädigt. Im Zimmer bedeckte der
treue Marchand die Leiche mit der Uni
form, die der jinge Eroberer bei Ma-
rengo getragen hatte."
Wi, das Vier hoffähig wurde.
Im Jahre 1729 wurden in Berlin
echzehn verschiedene Bicrsorten ausge
qenkt. sfrieorich Wilhelm I.. der
preußische Soloatcnkönig, der zugleich
guk.vurgertich war. machte es hoffähig
und in feinem Tadakskollegium war es
meist das euiuae Getränk. In einer
Ordre dieses thatkräftigen Königs, die
derselbe am 10. Februar 1738 an den
General Grafen Schwerin erließ, heißt
es wörtlich: Ich will, daß. wenn hin-
füro die Offiziers zusammenkommen,
nicht viele Gerichte und Wein präten-
Vieren, sondern miteinander Haus
wirthlich vorlieb nehmen sollen; und
muß für keinen Schimpf gerechnet
oder übel genommen werden, wenn ein
Offizier dem anderen ein Glas Bier
vorsetzt. Ich trinke auch welches."
Auch Friedrich der Große, welcher von
seinem Vater angebalten wurde, das
Brauwesen gehörig zu traktleren," ließ
fich den Ausschank eines guten einhei
mischen Bieres ausländisches durste
überhaupt nicht eingeführt werden
angelegen sein.
Im Restaurant.
Gast: Sie Kellner, zuerst bringen
Sie mir Brotsuppe, dann eine große
Portion Kalbsohren, wie sie der
Herr Professor dort hat."
Linftitig.
ic tonnten mir vielleicht zehn
Dollars leihen?"
Unsere Bekanntschaft ist doch nicht
intim, daß wir uns gegenseitig mit
Selb aushelfcn."
Gegenseitigkeit wird auch gar nicht
von mir verlangt."
Bequeme Menschen werden bald un
bequem.
Dem Glück nachjagen heißt nichts
weiter, als von der Zufriedenheit sich
entfernen.
tit aufrriti,.
Wenn in der weiten Runde
Ist je ein Allsverkauf.
So stürzt Frau Kunigunde
.iich bebend gleich darauf.
An jedem Bargain'Tagk
verlangt die liebe Frau
Vom Männchen Gold und Silber
Und Scheine grün mid blau.
Und wenn von dem Ersparten
Zu scheiden ihm thut weh.
Spricht sie: .Es ist j beute
A spocial bargain day!"
Und da die z?oche leider
Meist hier sechs enthält.
Wünscht sie an jedem Tage
Vom Männchen: Geld. Geld. Geld.
Und wenn er da Verlangte
Nicht schnell und willig giebt.
Rast sie. mit heißen Thränen,
Du haft mich nie geliebt!"
Und wenn sie "shopping" gehet,
sFast jeden Tag im Jahrs.
So schimpst zu Hang der Gatte
Und heult der Kinder Schaar.
Denn da die Mutter findet ,.
Die Zeit zum Kochen nie,
So kocht der Köche bester",
Ter Hunger, meist für sie.
Derweil kauft Kunigunde
Für sich und Mann und Kind.
Viel Praktische Geschenke".
(Die nicht zu brauchen sind.)
Im Baun der Ko,uferitiS"
Vergißt sie Zeit und Raum.
Und kauft und kauft und kaufet.
Was. weiß sie selber kaum.
Tische. Stühle, Tintenfässer.
Bücher. Nägel, Federmesser,
keife, Perlen. Blumen, Spiegel.
Eandy, Jcecream, Bilder, Tiegel.
schränke, Ski kn, Eigarctten.
Tassen. Gläser. Federbetten.
Stiefelwichse, sauren Eider.
Sammt und Seide, Spitzen, Kleider,
Schminke. Nüsse. Nippes. Eier.
Falsche Haare, Hüte. Schleier,
Wrappers". Perlen, Schirm
und
Stöcke.
Blousen. Haschen. Untcrröcke.
Ziehcr für der Flaschen Pfropfen,
Watte, um sich auszustopfen.
Salben, um die Haut zu pflegen,
Puder (nur der Wcis"hcit wegen),
Gold'ne Ketten, Bänder. Ringe
Und noch viele and're Dinge.
Die ich hier verschweigen muß,
Sonst wird wild mein Pegasus.
Sie spricht, wenn sie zu Hause,
Sich ruhig dann verschnauft:
Ich habe nur was nöthig.
Im Ausverkauf gekauft!"
Da spricht der Gatte lächelnd,
Von schwerer Last befreit:
,.u hast genug, lieb Weibchen.
Jetzt wohl für lange Zeit?
Hast Stoffe und Spitzen und Perlen,
Haft alles, was Menscheniegehr,
und yaft mich zu Grunde gerichtet.
Mein Liebchen, wann willst Du noch
mehr?"
Da schaut Frau Kunigunde
Vertrauend in die Höh',
Und spricht mit heit'rem Munde:
Am nächsten bargain day!"
Don Ramir,.
Gute Ausred.
Lehrer: Was haft Du jetzt Deinem
Sitznachbar in das Ohr geflüstert,
Otto?"
Schüler: Ich sagte ihm, er soll ans
passen."
MilitZnsch.
Unteroffizier: Der Rekrut Born
hubcr hat fich vom vierten Stock au
dem Fenster in den Kasernenhof ge.
stürzt und blieb todt liegen."
Hauptmann: Führen Sie den Kerl
zum Rapport!"
Im Restaurant.
Stammgast (zum Wirth, als durch
die offene Kllchenthür guter Braten
geruch in's Lokol kommt): Du, mache
die Thüre zu. sonst müßte ich mir etwas
zu essen bestellen."
- Rot,lenNotl,.
Hauswirth: Was ist denn das für
ein furchtbares Ecpolter hier oben bei
Ihnen?"
Miether: Wir suchen uns blos en
Sticke Hartkohle, wat unser Kleenßer
verschmissen hat!"
Genügender Grund.
Hauptmann: Feldwedel. derCchulze
dort, der verflixte Kerl mit dem überaus
pfiffigen Gesicht, der ist ,nir viel zu
helle. Lassen Sie ihn 'mal drei Tage
Dunkelarrest kriegen!"
Zerstreut
Besuch (zum (Professor, in dessen
neuem Domicil eine Glocke läutet):
Entschuldige, ist das die Sterbeglocke?"
Ich weiß es faktisch nickt, ich bin
hier noch nicht gestorben!"
Erster Gedanke.
Gatte: Während du verreift warft.
habe ich mir fast jeden Morgen den
Sonnenaufgang angesehen!"
Gattin: Wie? So spät bis Du
immer nach Haufe gekommen."
Wer nicht mehr will, als er kann, ift
zufrieden; wer aber kann, was er will.
ia xi
ift gluaiiq: