i. I Einrichtung oder Nlord. ut dsn Z!u'ichung'N cincl AmtSlichtni. i'on V ( o cr b f o nt Einige angenehme Jahr, Halle ich in einer größeren Provinzialftadt als Amtsrichter zugkdracht und einen mei Nkn Nngungkn in jeder Beziehung entsprechenden Wirkungskreis gefun den. Eine derhältnikmäßlg geringe Ursache führte eine vollständige Aende rung herbei. Ein hoher Biinifterial deamter traf auf unserem Gericht zur Revision ein. Bei der Pisitirung meine? Amtsbe reiche? machte dieser hohe Herr mir einen, wie sich später herausstellte völlig unbegründeten Vorwurf, der mich so schwer traf, daß ich mich dem hohen Vorgesetzten gegenüber hinreißen ließ. ES wurde gegen mich eine TiZ;ip!inar Untersuchung eingeleitet, und das Er gediiiß war: Strafversetzung nach einem keinen, weit entlegenen Orte an der polnischen Grenze. Ich übergehe, wie schwer mir der Ab schied aus meinem bisherigen WirkungS kreise wurde, und theile mit. daß ich in Mischlowitz so hieß der Ort meiner neuen Bestimmung noch einige Tage früher eintraf, als eS nöthig gewesen wäre. Die Rache des Ministerialdeamten war eine vollkommene. Daß der Ort, nach dem ich versetzt wurde, ein elendes Nest sei, darauf war ich wohl gefaßt gewesen. Aber auf der Reise schon hörte ich. auf was für eine Weise der Platz meines Amtsvorgängers leer ge. worden sei. Offiziell hitie man mir mitgetheilt, dieser sei gestorben. Nun vernahm ich. daK er daS Opfer eines Mordanfalle? geworden sei. Ein Bur saV. der -meinem Amtsvoraänger die (SAiith nn einer Verurteilung zu Iiisinfrieriner Gekänanißstrafe beimaß halte ihn auf der Straße angefallen und ihm eine arge Wunde beigebracht, der der Amtsrichter nach einem langen Krankenlager unterlag. Der Attentäter war Zum Tode verurtheilt und bereits hingerichtet worden. ' - Schon war ich entschlossen, urnzu kehren, und meine Karriere ganz aus zu geben. Als ich jedoch aus den weitem Berichten meiner Mitreisenden ver nahm, daß der Gerichtsrath in Misch lomitz ein allgemein beliebter und ge achtet Mann, dort schon länger als zwanzig Jahre wohne, und daß mein dahingeschiedener Amtsvorgänger sich durch sein hochmuthiges Betragen bei der Bevölkerung verhaßt gemacht habe, nahm ich mir fest vor, nicht die Flinte feige inS Korn zu werfen, sondern nach bestem Können mein Amt zu ver walten. . . m a . Mischlowitz hat zwei kleine Gast. Höfe, einen polnischen und einen deut fchen. Natürlich stieg ich in dem letzte ren ab. Ich kam am Nachmittage an und glaubte, daß eS noch Zeit sei, meinem Vorgesetzten, dem Gerichtsrath, einen Besuch machen zu können. Die kon ventionelle Besuchszeit war es ja nicht, aber was sollte ich so lange allein in . irtnnmoitWn Nette beginnen. Ullll - Die Ger'äMäthin, eine ehrwürdige Dame mit freundlichen Gesichtszügen, empfing mich auf'S liebenswürdigste und sprach zuerst ihr Erstaunen dar über aus, daß ich so früh angelangt miir saften iTie erst Iwei Taae fvä vi fnw.. - -1 e , ter erwartet, Herr Amtsrichter," sagte sie. sonst hätten &te meinen Gauen gewiß zu Hause getroffen. Er hat nämlich seit mehreren Jahren die Ge ricktsbalterei in Parluwitz üdernom ntih ans diesem Grunde ist er in jedem Monat mehrere Tage ab melend." Natürlich ließ ich mir von der alten Dame alles erzählen, was über meinen neuen Ausenthalt für mich Jntereffe Dn Schicksal meines IfUUlll ivilirn- - ' ' , AintsvorgängerS schilderte sie als eine seltsame Ausnayme, wie t uuiy , jedem andern Orte vorkommen könne, und suchte mir überhaupt jede Besorg. u.& Aftmon lUo Sei es nun, daß ich meinen Besuch nicht länger ausdehnen, el es, vag icu x. :. .tTirt.hiiihin mar. meine neue UtlCUO MHt." . Amtswohnung es gab nämlich eine solche in Mischlowitz-kennen zu lernen, ich erklärte meine Absicht, die Wohnung rU . . n .lu HlÜtMIIM 411 noch heute m wiaeniqiem -wollen. , , Das trifft sich nun gerade schlecht, tZ. x; K,vitsrätbin. .meine bei den Dienstmädchen sind heute zu einem großen Nationalfeft beurlaubt, das in dem polnischen Gafthof stattfindet. Ich selbst würde Sie gern begleiten, wenn ' . . i fc.I V.t MuFisitliaH bet Arzt mir niqi oei vr ud.,. fetter Niemals würde ich das annehmen a,. unterbrach sie lebhaft. UIIUUIUI U" " ' ' ,t ! ich werde mich hier wohl gewiß nicht verirren. , laArife e. .Sie können das Haus hier vom Fenster aus sehen ,,v,kv ttnt wie Sie bemer ken. die von dem Friedhof umgebene Kirche. Auf der einen Seite deS Fried. Hofes befindet sich das PfrhauS. auf I . .:i.. hm N10N der andern, ganz v versteckt, liegt daS kleine Haus. daS hnen künftig als Wohnung dienen Sie übergab mir die Schlüssel und. durch den aufgewelcyren vuc um,., r ,,N htm kleinen aufe zu. lUJlU, V. rw - Es muß gleich gesagt werden, daß es einen unheimlichen Eindruck auf mich machte. Schuld daran war in erster :Linie die eingetretene Dämmerung, Vtl Jahrgang 21. noch durch die herumstehenden Bäume ii'ik das trübe Wetter verstärkt wurde. und die Erwägung, daß mein Amts Vorgänger in dielen Räumen woqen l.i aus keinem SchmerzenSlager ge legen hatte, bis ihn endlich der Tod er löste. Entschlo en öNnele icy vlk vaus mrt und trat ein. Unheimlich wider hallte mein Schritt auf den steinernen Fliesen. Ich öffnete die nahetlegenoc Zimmerthür und vesano micy in einer Stube, deren kahle Wände mich tröst- los anblickten. Ich trat an das Fen fter. kein Mensch war aus der Strafe zu erblicken. Ich stick die nahe Thür auf und trat in ein hahcS saalartiges Gemach. Trotz der zuneymenoen un feUioit bemerkte sich sofort, daß es nicht nam leer war. ?!N der einen Ecke stand ein Behälter, der einem Sarge nicht unähnlich war, und in der 'aye eines Fensters lag etwas, das die Umrisse eines menschlichen Körper? zu haben schien. Schon bei diesen ersten Wahrneh mungen gerann mir das Blut in den Adern. Mein erster Gedanke war. man habe meinen todten Amtsvorgünger hier vergessen, aber trotz allen Schreckens knnnt? ick mir ins Gedächtniß rufen. was mir sowohl die Eisendahnpassa- giere, als auch die Genchisraimn von her Nnrtlckaffuna der Leiche des Amts richterS in feine Heimath erzählt hatten. Ueber jede Art von Adergtauvcn suyiie ich mich, selbst in diesem unheimlichen Augenblicke, erhaben. Auch jetzt war ich mir bewußt, daß alleS Unheil nur von lebenden Menschen kommen könne. Jedoch war dieser Gedanke nicht dazu angethan, mich zu beruhigen. So aufgeregt waren meine Sinne, daß sie . ' " ? . . v . -L- xi mir vor!piegetten, in oer eoviierung fftmi bereits ein Plan, auch mich bei Seite zu schaffen, geschmiedet worden sein. . Ich schwankte zwischen dem Entschluß, mich wieder zu entfernen, und von der GerichtSröthin begleitet, hier eine gründliche Untersuchung vorzuneymen. nd der Neuoier anderseits, bald zu er- fahren, was hinter den geheimnißvoll aussehenden Gegenständen neue. Me,e Neugier , wurde noch unterstützt durch fci, fwglnma, daß man meine Flucht als Feigheit deuten könne, daß eS sich . - L V- !X 1s. '111. vielleicht herausneuen meroe. i, ane mick diireb öllia barmlose Gegenstände in's Bockshorn jagen lassen, und daß dieses Debüt nicht geeignet sei. mir in den Augen der BSvölkerung besonderen Respekt zu verschaffen. So biß ich denn die Zähne zusam men, trat einige Schritte vor, holte ein Feuerzeug auS der Tasche und zündete eS an. Was ich in diesem Augendlule empfand, weiß ich heute nicht mehr. Ich sank nicht um. sondern blieb starr ftfftm und dennoch muß ich mich in einem ohnmachtühnlichen Zustand de. funden haben. Was icy oa iay. war nicht nur ein lebloser Körper es war w ffftrner eines Lunaerickteten. Deut lich sah ich den Rumpf in der Kleidung eines ZuchthansstrSsUngs, icy iq oen Kopf mit der Schnittfläche des HalseS. an dem das angetrocknete Blut klebte, und ich erblickte deutlich das verzerrte Gesicht mit den weitgeöffneten Augen, die kick mit einem entsetzlichen Aus- druck auf mich konzentrirten. Ich wollte hinaus, aber meine Füße waren wie angeheftet, ich wollte rufen, aber die Stimme versagte mir den Dienst. AIS das Feuerzeug zur Hälfte nieder gebrannt war, fiel es mir aus der Hand. In den wenigen Sekunden, in denen es ausflammte, zog eine Wen nie ge habter Empfindungen und schreckhafter WIW dnrck meine Seele. Ich weiß nicht, woher ich die Kraft nahm, noch ein zweites Feuerzeug anzu ,nnden. Die niedriae Stirn, das bor ftige schwarze Haar, die stieren Augen " !' -r tVYI t und der haldgeonnele '.'cuno Mil oen hauerartigen Zähnen, jeder Theil des abgeschnittenen Kopfes prägte sich mir für immer und immer ein. Auch den sargartigen Behälter nahm ipfet in Augenschein. Ich bemerkte jetzt, daß er eher die Form einer Truhe IS die eines karges yane, oyne aoer hiermit beruhigter zu werden. ES war mir als müsse ieden Augenblick der Deckel aufspringen, uni mir ein neues Schreckensblld zu zeigen. Endlich löste sich die Starrheit mei ner Glieder. Gepackt von einem schüt telndcn Entsetzen, ging ich Schritt für Schritt rückwärts zur Thür, klinkte sie auf, schloß sie draußen wieder zu, tastete mich über den dunklen Flur, fühlte den Griff der Hausthür in der Hand, öffnete sie und war mit einem Sprunge in freier Lufr. Nun athmete ich auf. war aber nicht im Stande, während deS Gehens über daS Geschaute nachzudenken. Wie ich mich zum Gafthof hinfand, weiß ich heute noch nicht. Wahrscheinlich bin Beilage zum Nebraska ich auf die große Laterne zugeschritten, welche vor dem Hause stand. TaS Gastzimmer war leer. Wie der Wirth mir später sagte, befand sich die ganze Bevölkerung deS Ortes in dem Wirthshaus, in welchem das National fest gefeiert wurde. Dem Wirth fiel gleich beim Eintritt die Blässe meines Gesichtes auf. Auf seine Frage, ob mir nicht wohl sei, starrte ich ihn an, ohne zu antworten. Erst als er feine Frage wiederholte, er. widerte ich. ich fei noch von der Reise angegriffen. Ich nahm ein Zeitung?, blatt, da? auf dem Tische lag, und der. suchte zu lesen. Die Buchstaben tanzten mir vor den Augen. Fest auf daS Blatt hinblickend, las ich plötzlich das Wort: Hinrichtung". Ich bemühte mich, die Stelle zu entziffern, und es gelang mir endlich. , Der Bericht handelte von der Hin richtung deS Mörders meines Borgän. gers, die am Morgen des vergangenen Tages im Bromberg stattgefunden hatte. Tle Mittheilungen, waren sehr ausführlich. Zum Schlüsse hieß eS. der Körper des Hingerichteten sei einem Leichen Verbrennungsofen übergeben worden, der für verstorbene oder gcrich tete Verbrecher bestimmt sei. Durch diesen Bericht wurde der erste Gedanke, den ich mir über mein Erlebniß machte, im Keime erstickt. Ich hatte natürlich vermuthet, daß der Todte, den ich in der Amtsmoh nung gesehen hatte, der Hingerichtete Verbrecher sei, wenn ich auch nicht im geringsten hätte sagen können, wie er dorthin gekommen sei. Ich beschloß den Wirth zu fragen, und da er wohl glaubte, es sei mir nur darum zu thun, mir die Langeweile zu vertreiben, so gab er bereitwillig Auskunft. Kommen in dieser Gegend oft Mordthaten vor? Nicht daß ich wüßte. In den zehn Jahren, in welchen ich hier ansässig bin. ist mit Ausnahme des letzten nur ein einziger Fall vorgekommen, der allerdings eine sonderbare Borgeschichte hat." Bitte erzählen Sie. Es war in dem Jahre, in welchem ich hierher zog. Da kam eines Tages ein Mann an. der sich hier in meinem Gasthofe einlogirte. Er war erstmals ein armer Ortsansässiger gewesen, der schwand dann während des polnischen Aufftandes und kehrte nun nach einer Reihe von Jahren, wie es schien, wohl habend zurück. Er erzählte, er sei in Amerika gewesen und habe sich dort eine Summe Geldes erworben. Die Mischlowitzer aber, die ihm wie einem tollen Hunde auswichen, erzählten ein ander, daß er im polnischen Aufstande den Verräth gespielt habe und daß sein jetziges Vermögen der Sündenlohn dafür sei. Plötzlich nun fand man diesen Menschen eines Tages an einem Baume der Chaussee erhängt vor. Deutliche Anzeichen sprachen dafür, daß es sich nicht um einen Selbstmord, son dern um eine Art Lynchjustiz handelte. Es wurde eine langwierige Unter suchung eingeleitet, die aber nicht den geringsten Anhalt für eine Anklage gab. Die Verhöre verliefen ergcbniß los. Es hätte sich wohl auch jeder ge hütet, den Mund aufzumachen." Aber in Mischlowitz kannte man wohl den oder die Thäter?" Der Wirth strich sich verlegen den Bart. Sie werden doch nicht glauben." fuhr ich fort, daß ich Sie jetzt noch ausforschen und den Angeber spielen will? Ich habe gewiß keine Ursache, mir von vornherein' die Gunst der Misch lomitzer zu verscherzen." Gewiß, Herr Amtsrichter, daran habe ich auch nicht gedacht," betheuerte der Wirth. Es ist allerdings ein heikles Thema, aber wenn ich die Na men auch nennen wollte, ich könnte nur zwecklose Vermuthungen aufstellen. Soviel habe ich nur gehört, daß sie hier eine Art Vehmgericht haben sollen." Ich horchte hoch auf. Mit einem Schlage schien mir alles klar zu werden. Sicher hatte es sich in meinem Falle auch um ein solches Vehmgericht gehan delt, und die verlassene Amtswohnung war, da meine Ankunft erst später er wartet wurde, zur Stätte dieser grau sigen Justiz gemacht worden. Eine auffällige Thatsache siel mir noch nachträglich ein. Ich hatte in dem Saale, weder in der Nähe des Leich nams, noch an, anderer Stelle einen Blutstropfen bemerkt. Aber das er klärte ich mir gleich. Die Hinrichtung oder der Mord war jedenfalls im Hof oder im Garten geschehen. Später war der Körper in den Saal gebracht morden, in welchen man noch eine Truhe hinein schaffte. Wahrscheinlich sollte das Begräbniß noch in dieser Nacht stattfinden. Es wäre nun eigentlich richtig gewe sen, daß ich sogleich die Ortspolizei "m Bewegung gesetzt hätte. Aber dann I 11 Ai wi A AIT b i i i h 8 1 n ii f V 9 5 w V W f Staats-Anzeiger. hätte ich an der nächtlichen Erpedition thcilnchmen müssen, und bei dem bloßen Gedanken, den grausigen Leich nam noch einmal wiederzusehen, der spürte ich eine Anwandlung von Ohn macht. .Vehmgericht?" wiederholte ich. zu dem Wirth gewendet, glauben Sie in der That, daß es etwas Derartiges giebt?" .Behaupten kann ich eS natürlich nicht." versetzte der Gefragte achsel zuckend, aber als Gastmirth hört man so mancherlei lind Thatsache ist, daß die Leute hier mit ihren kleineren Streitig keiten niemals vor Gericht kommen. Es heißt, daß der alte Schulze von Mischlowitz eine große Macht Über die Bevölkerung ausübe und es ist eben nur eine Sage daß er bei den hie sigen Leuten selbst Macht über Leben und Tod hat." Ich fühlte mich nicht wohl und be eilte mich, bald mein Lager aufzu suchen. An Einschlafen war natürlich nicht zu denken. Bald stand ich vom Lager auf, um mich anzukleiden und die Gendarmen aufzusuchen, die ich je denfalls bei dem Feste, von welchem Klänge und Rufe deutlich herüderschall ten. finden müßte, aber gleich darauf kehrte ich nach kurzer Erwägung wieder auf mein Lager zurück. Bald verfiel ich in eine Art Halbschlummer, in wil chem die widrigsten Bilder vor meinem Auge vorüberzogen, und ich erwachte in Schmeiß gebadet. Erst gegen Mor. gen gelangte ich zu einem festeren ruhigen Schlafe und ich wachte auf. als die Sonne bereits hell in das Zim mer schien. Ich sah nach der Uhr und erschrak. In eineinhalb Stunden sollte der Zug ankommen, welcher den Gcrichtsrath, meinenVorgesetzten, zurückbringen sollte. Ich hatte mir fest vorgenommen, den alten Herrn auf dem Bahnhof zu em pfangen. Mit meiner Toilette mich möglichst beeilend, gelaugte ich noch zur rechten Zeit zum Zuge. Ich sah, wie ein alter Herr mit weißem Haar und freundlichen Zügen aus demselben stieg und von der Räthin bewillkommnet wurde. Nun wollte auch ich hinzutreten, als sich ein junger Mann hervordrüngte. welcher von dem Gerichtsrath herzlich begrüßt wurde und mit dem er einige Worte wechselte. Dann erst gelangte ich dazu, mich von der Gerichtsrüthin dem alten Herrn vorstellen zu lassen. Er machte mich dann seinerseits mit dem jungen Manne bekannt, den er kurzweg als Herrn Scholz aus Berlin bezeichnete. Nun, wie weit sind Sie denn jetzt?" fragte ihn der Gerichtsrath. Vollständig fertig." erklärte Scholz m befriedigtem Tone, ich beabsichtige, morgen nach Berlin zurückzukehren. Nochmals meinen herzlichsten Dank für Ihre gütige Unterstützung, Herr Ge richtsrath." Nun." lächelte dieser, der größte Theil Ihres Dankes gebührt eigentlich dem Herrn Amtsrichter." ..Mir?" fragte ich erstaunt. Allerdings. Ihnen! Ich muß Sie noch um Entschuldigung bitten, daß ich mir die Freiheit nahm, Herrn Scholz Ihre Amtswohnung für einige Tage zu überlassen. Er ist nämlich seines Zet chens Bildhauer und hatte den ,Aus trag, die Figur des zur Hinrichtung b stimmten Mörders für das Berliner Panoptikum in Wachs auszubilden Er wünschte zu diesem Zwecke einen ungestörten Raum, aber was ist Ihnen. Herr Amtsrichter?" Ich weiß in der That nicht wie ich in diesem Augenblicke ausgesehen haben mag und welche Laute aus meiner Kehle drangen. Ich hätte zugleich lachen und weinen mögen. Das war also die Lösung des Räthsels, das mir einen solchen Schrecken eingejagt hatte. Einen Augenblick kämpfte ich mit mir, ob ich stillschweigen oder beichten solle. Ich zog es vor, die Geschichte in humoristischem Tone zu erzählen, die von beständigem Lachen meiner Zuhörer begleitet wurde. Freilich erwähnte ich nicht mit einem Worte, welche Angst ich dabei ausgestanden hatte, sondern hob meinen Eifer hervor, die Angelegenheit kriminalistisch zu verwerthen. Ich habe dann noch später mich bemüht, einen solchen Eifer in allen meinen Amts Handlungen blicken zu lassen, so daß nach einigen Jahren meine Bemühun gen, wieder an die alte Stelle meiner Wirksamkeit zurückversetzt zu werden, mit Erfolg gekrönt wurden. Leutnant von ZNoltke. Wie der große Dichter Friedrich von Schiller, hat auch der große Schlach tenlenker Helmuth von Moltke in der Jugend mit bitterer Armuth kämpfen müssen. Der Vater des Fcldmarschalls. Fried rich Philipp Viktor von Moltke, hatte o. 29. im Jahre 1806 bei der Plünderung Lübecks durch die Franzosen und durch Viehseuchen und eine Feuersbrunst aus seinem Gute Augustenhof in Holstein nicht nur sein ganzes Vermögen ver loren. sondern auch einen großen Theil des Vermögens seiner Frau, einer Toch ter deS Geheimen Finanzraths Paschen, und war wegen seines Ledensunterhal teS gezwungen, in dänische Kriegsdienste zu treten. Er konnte daher seinem Sohne keine Zulage geben, so daß die ser mit seiner geringen Leutnantsgage auskommen mußte. Aber wie bei Schiller führte diese schlechie finanzielle Lage nicht zur Unzufriedenheit mit dem Geschick und zur Selbstvcrditterung. sondern hatte jene fast sprichwörtliche Genügsamkeit und eine gesteigerte Arbeitsamkeit zur Folge. vast in jedem Briefe, den Moltke mährend seiner Leutnantszeit an seine Mutter schrieb, erwähnte er seine pekuniären Verhältnisse. Oft spricht er in scherzender Weise von dem lau- gen Geldbeutel von schöner Taille, der leider kein Beutel Geld ist." Glück-, licherweise war Moltke nur kurze Zeit aus das noch weniger als heute be tragende LeutnantSgehalt angewiesen, sondern hatte wegen feiner Tüchtigkeit tast ohne Unterbrechung Kommandos. die ihm eine ansehnliche monatliche Zu läge einbrachten. So verfügte er wäh- rcnd seines Kommandos zum topogra phischen Bureau über 45 Thaler monatliche Einnahme, eine Summe. die ihm so hoch erscheint, daß er sich monatlich fünf Thaler für seine Brüder abziehen läßt, die noch nichts verdienen Außerdem hatte dieses Kommando den Vortheil, daß er oft längere Zeit auf Gütern zubringen mußte, um die Ge gend aufzunehmen. Hier erfuhr Moltke die liebenswürdigste Gastfreundschaft. Besonders reizvoll war für ihn der Aufenthalt auf dem prächtigen Schlosse des Grasen von Korspoth Schön Briefe. Moltke schreibt darüber an seine Mutter: Ach, es ist eine schöne Cache für so einen armen Teufel, der sich zwischen Geldmangel, Vorgesetzten. Dienstpflicht, Gehorsam und wie die Uebel alle heißen, die je der Büchse Pandorens entl flohen, hcrumdrängen muß, so in eine Lage zu kommen, wo all die klein- lichen Verdrießlichkeiten des Lebens. die zusammen das Unglück des Lebens ausmachen können, aufhören, wo alles schön, gefällig, reich und edel ist und das Vergnügen Zweck sein darf, weil selbst die Arbeit ein, Vergnügen ist, wo die Kunst nicht die spärliche Würze des Lebens, wo sie das Leben selbst ist, und wo man leldst gefallend sich gefällt So war Briefe ein warmer Sonnen blick an einem finsteren Herbsttage Wirklich kam ich mir vor wie am Hofe von Ferrare, und wenn mir nicht alles Tas (mische gefehlt, so wäre ich nur auch vorgekommen, wie der gefeierte Tasso." Nicht so günstig in pekuniärer Be ziehung war für Moltke die Komman- dirung zum Generalstabe nach Berlin. wenn sie natürlich auch in ideeller Be kiehung für seine Zukunft entscheidend war. In Berlin verschlangen die Pri vatstunden. die er nahm, der reiche ge- leuschattllche erleyr, das theuere Leben viel Geld. Er klagt, daß er für ein Zimmer, ohne Burschengelaß, an der Friedrich- und Mohrenstraßen Ecke acht, später neun Thaler bezahlen mutzte. Vor allem aber drückte ihn die noth- wendige An chanung von zwei Pferden 60 Thaler hat er selbst dazu gespart. 50 Thaler betragen die Entschädigung?- gelder. auu Thaler schießt ihm ein Onkel vor. woher aber die noch fehlen- den 1W Thaler nehmen? Hier muß fein schriftstellerisches Talent aushelfen. Er beginnt mit der llebersetzung von Gibbons berühmter Geschichte deS Verfalls und Umsturzes oes römischen ikatterthums. einem Werke von b'000 Seiten! Hierfür hat ihm ein Buchhändler 500 Thaler yonorar versprochen und weitere 250 Thaler, wenn 500 Exemplare verkauft find. Mit ungeheurem Fleiße geht er an die Riesenarbeit, hierzu die kargen Mußestunden verwendend, um schließ- tich von dem Berteger im Stich gelassen zu werden, so daß, Moltke gezwungen ist. ihn zu verklagen. Moltke muß froh sein, da ein gerichtlicher Vergleich zu Stande kommt, in welchem sich der Buchhändler verpflichtet, an ihn 166 Thaler zu zahlen. Nun hat Moltke die Pferde und da mit eine neue Last auf sich genommen: die Pferde wollen Futter, und das Futter ist theuer, so daß es ihm. wie er sich scherzhaft ausdrückt, fast geht wie lomedcs. der von seinen eigenen Rof fen gefressen wurde. Auch ein anderes Unternehmen glückte nicht recht. Am 15. Oktober 1832 war die Grenze zwischen Holland und Bel gien neu bestimmt worden, und schon !m Tage Maer erschien in . ninplaren eine Karte der laittof zum Preise von drei ildergio'chtii. von zwei .bedrängten OiNzieren' gezeichnet. Und da will es der Zufall, daß zu der selben Zeit ein ebenso seiner Spekulant eine ebensolche, allerdings fthr unge naue Karte herausgab, welche der ersten große Konkurrenz machte. Die zu die fem Unternehmen erforderliche Kennt niß hatte sich Moltke bei den Studien zu seinem litcrarifchen Erstlingswerke .Belgien und Holland" erworben, wo bei er nach seiner Schilderung über 1000 Seiten Quarr und an 400 n ten in Oktav durchlesen und oft Bände durchblättern mußte, um einen allge meinen &tz aufzustellen, und fugte er ironisch hinzu: Am Ende nimmt der Leser einen Satz Über den Satz und lieft ihn nicht." Vielleicht noch mehr Muhe, als daS Werk schreiben, machte ihm daS Be streben, es möglichst vortheilhaft zu verwerthen. Er schreibt darüber sehr ergötzlich: ,?llle die Leiden eines ningen Au tors, der um einen Verleger verlegen. sind über mich gekommen. Durchdrun gen von dem Werth unserer Arbeit, er staunen wir. die Buchhändler von miß lichen Konjunkturen, vom Darnieder liegen deS Buchhandels reden zu hören, dem wir eben durch unser Manuskript einen neuen Aufschwung geben wollen. Der Undank des Mannes, dessen Glück durch unseren Aufsatz wahrscheinlich gemacht ist, empört uns, und wir wür den der Welt unser Licht vorenthalten, wenn nicht ein ungestümer Schuh macher, dem wir eine Schlafstelle in unserem Gedächtnisse angewiesen, mit wissenschaftlichem Eifer auf die Her ausgäbe eines so ausgezeichneten Werkes dränge, und sollte das Honorar auch nur 3 Dukaten betragen." Es war eine harte Schule, welche der große Schlachtenlenker in seiner Jugend durchmachen mußte. Vielleicht aber hätte er ohne sie nicht die beispiellosen Erfolge errungen, deren Früchte wir heute genießen. Zwischen Lipp' und KelcheSrand. Unser Bürgerkrieg hat noch gar manche denkwürdige Neben-Episoden gehabt, die nicht zu den eigentlichen Kriegsvorgängen gehören und wenig bekannt sind. Von einer erschütternden Episode dieser Art erzählt neuerdings eine Mitarbeiterin einer unserer Frauen-Zeitschriften, und die Geschichte ist eines Plätzchens im Gedächtniß der Nachwelt werth. DerSchauplatz war daS Amtsgebäude des Gouverneurs von Süd-Carolina, und die Zeit nicht sehr lange vor Schluß des Krieges. In jenem Gebäude sollte die schöne Tochter des Gouverneurs Pickens mit dem Confödcrirten-Leut ant LeRochelle getraut werden. Am Nachmittag vor dem Abend, auf wel chen die Vermählungsfeierlichkeiten an beraumt waren, begann die nördliche Armee Columbia zu bombardircn, doch ließ man sich dadurch keinen Augenblick abhalten, die Vorbereitungen für die Hochzeit fortzusetzen. Genau zur angesagten Stunde wa ren alle Hochzeitsgüfte versammelt, und der Geistliche begann die Trauungs Ceremonie zu vollziehen. Er hatte ge rade die rechten Hände des schmucken, glücklichen Paares in einander gelegt, da gab es einen furchtbaren Krach! Eine Kugel aus einer Kanone des Feindes war in das Gebäude eingeschla gen und platzte mitten in dem Trau-ungs-Zimmer, ihre Verderbensboten nach allen Seiten umherschleudernd! Das ganze Haus bebte, die Wände schwankten hin und her, die großen Spiegel-Scheiben zersprangen, viele Frauen wurden ohnmächtig, und Ge schrei und Stöhnen erfüllte die blumen duftbeladene Atmosphäre. Das Allerschrecklichste aber wurde man gewahr, als die erste Verwirrung sich gelegt hatte. Nur eine Person in der zahlreichen Gesellschaft war tödilich getroffen, und das war die liebreizende Braut selbst! Sie lag theils auf dem Fuß boden, theils in den Armen ihres Bräutigams, eine Blume, die ein Wet--terstrahl hoffnungslos geknickt hatte. Auf ihrem, schon todtenblassen Antlitz ruhte ein besonderer Schönheitsschim mer, und ihr Brautkleid war von war mem Blute getränkt, das einer großen, klaffenden Wunde in der Brust ent strömte. Ganz außer sich vor wildem Schmerz, legte ihr BrÄutiaam die Sterbende aus ein Sofa und flehte sie dann in allen Ausdrücken der Zärtlichkeit an, die Fortsetzung der Trauungs-Ceremonie zu gestatten. Mit scbwaeber Ktimm, erklärte sie sich hierzu bereit, und äh rend sie nur noch stoßweise athmen konnte, ihr Gesicht so weiß wie die Ca melien ihres Braut-Bouquets war. und das Blut noch immer aus ihrer Wunde drang, murmelte sie ihr Ja" zu den Worten deS Geistlichen und erhielt von ihrem Neuvermählten den ersten Kuß! Einen Augenblick noch. und Alles war vorüber. Die Hochzeitsgesellschaft stand in einem Tvölengemach. Unter Magnolien wurde der fchöne Leichnam begraben, und der Bräu tigam kehrte zu seinem Regiment uiWirf ? ein völlig gebrochener Mann. DaS ist oer rieg. Der Kluge ist auf eine Woche Leids gefaßt, wenn er eine Stunde Glücks genossen hat. ) o