Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 22, 1900, Image 10

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    Ein mcikwürdigcr Jn3-
r t. 3 1 j H , k v c n.
Tie Schule unsres l'lax war mitten
im EkmcZlkr gkichlvsicn worden, da
eine Reihe Doit Pockensallen unter den
Schülern diese Vorkehrung nithij. gc
macht hatte. Wir waren durch den
Pertllst von zwei Kindern noch besorgter
geworden um die uns vorig gcoueokiieii
beiden, unsere achtzehnjährige Heimelte
unb den zwölfjährigen Knaben. Heu
nette war schon seit einigen Wochen zu
JHtfueb bei einer Tante und somit der
(csahr entrückt: mit dem Knaben be
schloffen wir, sofort unseren aewöhn
lichen Sommeraufenthalt auszusuchen,
obgleich es erst Mai war.
Die erste Woche war der Knabe hell'
auf, tollte nach Her;enöluft herum und
nahm ein besonderes Interesse an dem
Thun eines armen Wanderphotogra
phen. der mit Reisemagen und Zelt,
mit Weib und Kind sein Lager im
Orte aufgeschlagen hatte. Am zwölf
ten Tag jedoch beklagte sich Max vber
heftige Kopfschmerzen, sein Geficht war
bedenklich gcröthet. und noch am felti
gen Abend desselben Tages conftatirte
der Arzt den Ausbruch der gefürchteten
Krankheit.
Wir richteten den oberen Theil des
Hauses zum Spital ein und durch ein
mit desinfizirender Flüssigkeit feucht er
haltenes Leintuch schlössen wir das obere
Stockmerk ab vom unteren, wo sich
mein Arbeitszimmer befand. Natürlich
ließ ich mir's nicht nehmen, täglich
mehrmals selbst nach dem Knaben zu
sehen, hüllte mich jedoch immer in einen
Mantel, den ich nachher sorgfältiger
Desinfektion unterzog.
In diesen sorgenvollen Tagen kam
ein Brief von Henriette. der mir deren
baldige Heimkehr meldete, da die Tante
sich entschlossen hätte, eine Reise nach
der Schweiz anzutreten. Tann folgte
eine Nachschrift:
.Ich möchte so gerne Papas und
Mamas Photographie besitzen. Beide
unter der rosenumrankten Hausthüre
stehend; 0 bitte, laßt Euch doch von dem
Photographen aufnehmen, von dem der
arme Max kürzlich noch geschrieben
hat. Ich las in Tantes Bädecker über
die Alpen, Jnterlaken, Schnee und
Genfer Uhren. Oh, es müßte doch
herrlich sein, mit der Tante reisen zu
dürfen!"
Wo man um ängstlicher Sorge um
ein Kind schwebt, da ist es schwer, dem
Andern die Erfüllung eines Wunsches
zu versagen, und dies trug dazu bei.
daß wir den beiden Wünschen Henriet
tes ein williges Ohr liehen. Ich wollte
Henriette in diesen kritischen Tagen
nicht zu Hause haben, eben so wenig
aber konnte ich meiner Schwägerin zu
muthen, auf ihre Kosten mein Kind
um iu) zu ueymni; vuruin lctcgru-
phirte ich sofort an meinen Bankier,
erhob am nächsten Tage, des kühlen
Wetters wegen 'mit meinem Spital
mantel angethan, das für Henriette be
stimmte Reisegeld, auf der Post, und
ging von da, um auch Henriettes
anderen Wunsch zu erfüllen, zu dem
2l&nniirrthTift1
r Als ich vor dem Zelte mich aufhielt.
um den Schaukasten von elend aus
fehenden Bildern zu mustern, erblickte
ich auch gleich meinen Mann, miß
muthig auf der Treppe seines Reise
tvagen's sitzend und aus einer kurzen
Tonpfeife rauchend. Er seinerseits
nahm keine Notiz von mir, offenbar
machte er sich garnicht einmal Hoff
nung auf meine Kundschaft. Als ich
dennoch auf ihn zuging, erhob er sich
und er starrte mich mit scheuer Ver
wunderung an. als ob er seinen Augen
jlicht traue. Mit Freuden war er be
reit, mich sofort mit seinem Apparate
ju begleiten, und so wurden wir denn,
meine Frau und ich, unter der tosen
umrankten Hausthüre in verschiedenen
Aufnahmen photographirt.
Die Erscheinung des Lichtkünftlers,
Müller war fein Name, hatte mich
schon beim ersten Anblick wenig für ihn
eingenommen. Er war lang und auf
lallend schmal gebaut, mit graublas,
fern Gesicht, hervorstehenden Backen
Wochen und kleinen in ihren Höhlen
versteckten Augen, mit einem unange
nehmen, unsteten Licht in demselben.
Sein langes, schwarzes, unter dem
Künstlerhut hervorhüngendes Haar war
so reichlich geölt, daß eS einen Schein
warf, wie wohlgewichfte Stiefel. Seine
Manieren, fein scheues Wesen waren
nicht Zutrauen erweckend. Was aber
wieder mein Mitleiden erregte, trotz
der widerlichen Schmierigkeit, die über
den ganzen Menschen ausging, das
war sein entsetzlich ausgehungertes
Aussehen; je länger ich Müller sah,
desto mehr drängte sich mir die Ueber
zengung auf. daß er eben jetzt vielleicht
bitteren Hunger litt, und aus Mitleid
gab ich ihm nicht nur-eine Bestellung
von ungewöhnlicher Höhe, sondern lud
ihn ein, ins Haus zu kommen, um eine
Anzahlung in Empfang zu nehmen
und in Glas Bier. Brot und Käse zu
genießen. Mein Anerbieten wnrde an
genommen, doch ohne daß die erwartete
Befriedigung sich im geringsten der
rathen Hütte.
- Wir betraten mein im Hochparterre
gelegenes Zimmer, und während wir
auf die Erfrischungen warteten, zog ich
meinen Mantel aus. entnahm daraus
das mir auf der Post ausbezahlte Geld,
händigte dem Photographen das der
sprochene Angeld ein, und barg den
Rest in einer metallenen Cassette, die
ich in meinen Schreibtisch einschloß.
Als das Gold mit hellem Klang in die 1
(afittie rolle, da kam mir erst der Ge
dante, n'ic uiUuf:;'ne;t es doch ja, fj
mit meinem v,rhält:tißmaßizen Reiche
tljum vor einem armen Manne zu
prunken. Ich wiii ärgerlich über meine
momentane MdanlenlosigZeit. wendete
mich um, um zu srben, ob denn der Ge
danke nur in meinem eigenen Kopse
vorhanden sei: da sah ich denn, nur
einen Augenblick noch, meinen Gast
vorwärts gebeugt in dem Sessel, den
ich ihm angeboten hatte, mich verichlin
gend mit den Augen, aus denen eine
beinahe wölfische Gier leuchtete, im
nächsten Augenblicke ließ er den Kops
sinken und starrte verlegen nieder aus
seine zerrissenen Schuhe.
Als Bier und Käse gebracht waren,
fordere ich Müller auf. sich nach Belie
den selber zu bedienen, und er trank
ohne Umstände und reichlich, ohne
etwas zu essen, bis ich gelegentlich den
Rücken kehrte, dann aber verschwanden
auch Käse und Brod schnell, sei es in
den Mund des Hungrigen, sei es in
seine Tuschen. Um ihm Zeit zu geben,
sich ohne Scheu zu sättigen, verließ ich
auf zehn Minuten das Zimmer, und
hatte die Genugthuung bei meiner
Rückkehr, beide Bierflaschen und auch
den Brod- und Käseteller entleert zu
finden. Es that mir wohl, zu denken,
daß Müller sich wenigstens wieder ein
mal hatte satt essen können.
Nachdem er gegangen war, fühlte ich
das Bedürfniß, einen längeren Spa
ziergang zu unternehmen, und Abends
saß ich für wenige Stunden bei meinem
kleinen Patienten, der sich nun schon
auf bem Wege glücklicher Genesung be
fand. In mein Zimmer zurückgekehrt,
war ich zu müde, um den Spitalman-
tel. wie gewohnt, zu desinsiziren, ich
warf ihn nur nachlässig über bie
Stuhllehne vor meinem Schreibtisch,
und zog mich in mein Schlafzimmer
zurück.
Früh am Morgen wurde ich von un-
serem Mädchen alarmirt mit der Mel
dunq, es sei das Fenster meines 2Ir
beitszimmers eingedrückt und ferner
fanden sich mein Schreibtisch und die
Caffette erbrochen und mein Geld war
weg. Alles Uebrige schien unberührt,
das Buch, in dem ich zuletzt gelesen,
lag. wie gestern, auf dem Tisch, mein
Äpitalmaniel hing über ber (Stuhl-
lehne.
Es geschieht Dir Recht !" das war
das Urtheil was ich über mich selbst
füllte. Mein Mitleid gestern war also
nur verächtliche Dummheit gewesen,
Dummheit, vor einem Bedürftige
mein Geld und seinen Aufbewahrungs
ort sehen zu lassen. Eine wahre Wuth
erfaßte mich gegen den elenbm Photo
graphen mit feinen verbächtigen Blicken
und seiner Schmierigken; sogar seine
fadenscheinigen Kleider schienen mir
jetzt gegen ihn zu sprechen. Wie ärgerte
mich jetzt meine gutmüthige Befrie-
dlgung über seinen Appetit, der Ge
danke, wie er für sich gelacht haben
mochte, während er mein Bier qetrun
ken und ich ihm Zeit ließ, nicht nur
ungestört zu essen, sondern auch seine
Pläne zu entwerfen, wie er mich beran
den könnte. Denn daß der hungrige
Photograph der Dieb war, daran war
ja nicht zu zweifeln, Niemand sonst
wußte, daß ich das Geld in meine Ca-
fette gelegt. Niemand sonst, daß ich
überhaupt eine größere umme bezogen
hatte.
Die einzige Schwierigkeit war nun,
wie den Diebstahl beweisen, denn tnei
ner privaten Ansicht nach ist eine Per-
Haftung nur gerechtfertigt, wenn wir
den Beweis der That in Händen haben;
eines unschuldigen Mannes Habe zu
durchsuchen, feine Ehre verwunden, sei
nen Namen ruiniren, das hätte ich mir
mein Leben lang vorgeworfen, und
selbst in einem so klaren Falle würde es
mich gepeinigt haben, wenn wir nicht
im Stande gewesen wären, ihn im Be-
sitze des gestohlenen Geldes zu finden.
Darum verbot ich dem herbeigerufenen
Ortspolizisten zu einer Verhaftung zu
schreiten, bevor sich nicht wenigstens Be
weise ergäben, daß der Verbächtige über
seine Mittel lebe.
Die Untersuchungen im Hause er
gaben Folgendes: der Dieb hatte meh
rere Fußspuren in dem weichen Boden
des Gartens hinterlassen, die einen
eigenthümlich unbestimmten Eindruck
wiesen, als ob seine Schuhe eingehüllt
gewesen wären in Krepp. Es war eine
Fensterscheibe mit dem Glaserdiamant
herausgeschnitten, der Schreibtisch war
ohne Beschädigung und offenbar mit
den geeignetsten Werkzeugen erbrochen,
und anstatt die Cassette uneröffnet mit
sich fortzunehmen, wobei der Inhalt
durch sein Klirren hätte Aufmerksamkeit
erregen können, hatte der Dieb es vor
gezogen, auch diese sorgfältig aufzu
brechen und lediglich den Inhalt sich
anzueignen. Daraus war zu schließen,
daß eine geschickte und geübte Hand den
Einbruch'begangen hatte.
Der Ortspolizist strich mit wichtiger
Miene seinen Bart und erklärte, der
verdächtige Photograph müsse sofort
verhaftet und eine Durchsuchung seiner
Habe vorgenommen werden; so sei es
üblich, und einen anderen Weg wüßte
er nicht, und nicht wenig unzufrieden
verließ er mein Haus, als ich den Pho
tographen nicht belästigt haben wollte,
bevor nicht Erkundigungen über sein
Vorleben eingezogen wären und irgend
eine Aenderung in seiner Lebensweise
ihn verdächtig mache. Als ich allein
die Nachforschungen fortsetzte, fand ich
noch auf meinem Zimmerboben ein un
gebrauchtes und ein halbverbranntes
Streich!,!,, beide von einer Sorte, die
wir selbst nicht benutzten, und daß diese
5pr der Po!i'.i entgangen war.
gad mir ti-iniu.
inpigkeil. Ich
iwmciuen ja caen
wüNie. l'euJer war
ein Raucher, trug cito Streichhölzer bei
sich, die betsen gefundenen tonnten di
von ihm benutzte uin, oder mich nicht
umnahm konnten sie ans enie Slnu
leiten.
Nach Verlauf einer Woche ergab sich
als Resultat der eingezogenen Erkun
digungen, daß Muller mit seinem
eisewagen von Ort zu Ort zu ziehen
pftegc, nur an kleineren Orten vertue:
teiid, größere dagegen vermeidend, tufc
man nichts Uebleies von ihm wisse. a
daß er hier in Schulden gerathen fei
Am Abend vor dem Einbrüche habe fein
Weid ein paar Meter Krepp gekauft
beim Krämer im Ort und erscheine seit-
dem in Trauer um ein schon vor Mo-
naten gestorbenes Kind
Diese Ausgabe konnte allerdings aus
dem Gelde bestatten sein, das ich dem
Manne im vornhinein eingehändigt
hatte, aber ebenso konnte die Trauer eS
nur maskiren, daß Krepp denöthigt
worden war zum Einhüllen ber Füße
deS Einbrechers.
sehr gnr, agre ich zu meinem
Privatdeteetiv. um ihn durch mein Lob
zn weiteren Nachforichnnaen anzuirei
ben. Sie haben die äußerste Bedürf
tigkeit des Verdächtigen nachgewiejen
und den bedenklichen Ankauf von Krepp
trotz dieser Noth. Nun forschen Sie
aufmerksam nach weiteren, auffällige-
ren Ausgaben, dann haben wir einen
genügenden Grund, vorzugehen."
Ich unterstützte meine Meinung
durch ein ansehnliches Trinkgeld, und
Erzielte dadurch den Beifall des Wackern,
den ich bisher so wenig erlangt hatte.
Doch war im Grunde mein Zutrauen
in seine Eeschicklichkeit nicht größer ge
worden, und ich entschloß mich, selbst
den Photographen aufzusuchen unter
dem Borwande der Nachfrage nach
meinen Bildern.
Als ich dem Zelte mich näherte, be
merkte ich einen mir unbekannten
Mann, ber erst bie armseligen Bilder
des Schaukastens betrachtet hatte, und
nun nicht weniger aufmerksam Zelt,
Reisewagen und die ganze Oertlichkeit
zu inspieiren schien. Er hatte ein rasir
tes, stark geröhtetes Gesicht, kurz ge
schnitten? Haare, blinzelnde Augen und
eine unverschämte Mopsnase. An sei
nein Anzüge war nur die rothe Cravatte
mit übergroßer goldener Nadel auf
füllig. Er war kurz und mager, nur
Knochen und Muskeln, voll Kraft und
Elasticität in jeder Bewegung, und
seine Füße berührten den Boden so leicht
wie Federn. Etwas an ihm erinnerte
an einen Panther. Er ging mir voran
in's Zelt.
Sind Sie der Photograph?
hörte
ich ihn tragen.
Jawohl," lautete die Antwort.
Gut," ich will mich Photographiren
lassen. Aber sagen Sie mir, sind Sie
ein italienischer Brigant oder warum
in aller Zeit tragen Sie diesen Abruz
zendeckel?" Weil's mir so beliebt," entgegnete
Müller.
Ich trat in diesem Augenblicke ein
und fand den Fremden im Zelte um
herschlendernd und in allen Ecken her
umspähend; es war mir schon zuvor
eingefallen, er könne ein Detektiv sein
und ich fühlte mich je länger je mehr
davon überzeugt. Müller war äußerst
verwirrt, als er mich erblickte, und
stammelte etwas Unverständliches von
ungünstigem Wetter, das ihn an der
Arbeit verhindert hätte; aber ich unter
brach ihn.
Bitte, bedienen Sie nur diesen
Herrn zuerst!"
Oh, ich habe keine Eile," warf der
ein. mit einem aufmerksamen Blick auf
die Camera.
Ich auch nicht, und ich ziehe vor, zu
warten."
He. Photograph, sehen Sie her.
Ihre Maschine ist ja in Unordnung!"
Ich glaube, Sie verstehen Ihr Ge-
schüft nicht," sagte der Andere grob.
Ich will nicht photographirt sein als
Klopffechter, und in Ihrer lumpigen
Maschine ist das Unterste zu oberft,"
und ohne auf eine Antwort zu warten,
wenbet er sich wieder zur Seite, um
einige Dinge zu inspiziren, die ba auf
einem Kasten standen. Darunter war
eine zerbrochene Kaffeekanne, die er in
die Hand nahm und schüttelte, und das
gab den Klang von Münzen.
Mn scheint, Photograph. Sie sind
ein Capitalist."
Aber Müllers Gebulb war nun doch
zu Ende, das blaffe Gesicht roth vor
Zorn oder Verlegenheit, war er mit
zwei (schritten hinter dem unver
schämten Kunden und entriß ihm die
Kanne. Der wandte sich blitzschnell
um und stellte sich mit funkelnben
Augen und geballten Fäusten bem
Photographen entgegen; der Panther
war ersichtlich im Stande, seine Klauen
zu gebrauchen, und unzweifelhaft würde
es auch schwere Händel gegeben haben.
hätte ich Nicht gesucht, den Einen abzu-
lenken.
Ist eS erlaubt, in Ihrem Atelier zu
rauchen?" fragte ich Müller.
Gewiß, mein Herr.
Dann find Sie wohl so freundlich.
mir Ihre Streichhölzer zu leihen." Da
trat der grobe Kunde an mich heran,
mir eine Handvoll von seinen Streich-
hölzern anbietend. Ich hatte zu neuer
Lift meine Zuflucht zu nehmen, bediente
mich nur eines einzigen, ließ es aus-
gehen und wandte mich ein zweites
Mal, nun mit einem entschiedenen
Blick an Müller, der mir endlich, wie I
ci schien mit sichtlichem Widerstreben
seine Sttcichhvtzschachtcl i'.tch'e.
ias waren intcla. denn da war
sie ja, dieselbe sorte, die der Ein
brecher mit üch gefuhrt hatte. Toch war
kZ schwer. daraus' allein einen Beweis
zu ziehen, solange ich nicht den Inhalt
der z.rbrochenen Kaseekanne mustern
lomiie.
i erste Autnahme des Fremden
war mittlerweile vor sich gegangen.
aber ei erstaunter Blick Müller ver
nein, oan eiwas ij;ier gegangen lein
muffe. Er sagte, er trolle die Auf
nähme wiederholen, und litß sich sehr
schwer bewegen, die mißlungene Platte
zu zeigen.
Nun habe ich nichts gesagt. Sie
mußten ein Pfuscher setnr rief der
ttrcnide, sein Bild mit spöttischer
Miene betrachtend.
Müller schien nichts zu hören. Der
Andere warf die Platte verächtlich au
den Tisch in meiner Nähe, ich hatte ja
Zeit, sie zu prüfen, während die zweite
Aufnahme vor sich ging. Alles in Allem
war die Photographie recht gut. mit
einer einzigen Ausnahme: das Gesicht
zeigte an einigen Stellen auffallende
tfleaen.
Und nun geschah das Merkwürdige
Die zweite Platte war nicht nur eben
so fleckig, sondern die flecke waren wie
der genau an denselben Stellen bei
Geichts. TaS war erkennbar genug
mit bloßem Auge, aber ein gutes Ver
gröijerungsglas setzte den Umstand
außer allen Zweifel. Ein großer Fleck
inmitten der -tun und ein anderer an
dem Kinn waren besonders auffallend.
Erstaunt sah ich auf das Gesicht des
fremden; es zeigt weder Flecken noch
Sommersprossen, abgesehen von der
starken Röth? und oem Bronzeton war
eS aukerordentlich frei von nt
fehlern.
He, Photograph, mir scheint. Ihre
Platten haben die Pocken!" sagte der
Fremde
soll ich noch eine Probiren?" fragte
Müller in kläglichem Tone.
Nun, meinetwegen " war die ver-
ächtliche Antwort.
Diesmal erklärte Müller die Auf
nähme für gelungen, aber ich hegte
meine Zweifel darüber, denn er ließ
das Negativ nicht mehr sehen. Indeß.
der Fremde schien sich damit zn begnü-
gen. denn er brachte seine Börse zum
Vorschein.
Oh, bezahlen Sie noch nicht." pro-
testirte Müller, wenn Sie mir Ihre
Adresse geben wollen, das wird ge-
nügen."
Aber ich will zahlen, und in einer
Woche komme ich die Photographien
abholen."
Er händigte Müller eine Goldmünze
ein und erhielt aus der zerbrochenen
Kaffeekanne sein kleines Geld heraus.
Tes Mannes Weigerung, ferne
Adresse zu geben, hatte mich befestigt in
der Vermuthung, er sei ein Geheim
Polizist, und gern wäre ich ihm gefolgt,
um zu fragen, welch anderer Verdacht
noch auf Müller laste. Doch fürchtete
Müller würde seinerseits Verdacht
schöpfen, wenn ich ihn plötzlich verließe,
ohne über den Zweck meines Kommens
gesprochen zu haben. Als wir allein
warm, tragt? ich ihn denn, wann die
Photographien fertig sein würden.
Heute ist Montag," sagte er sorgen
voll, nun, mein Herr, bis Donnerstag
Abend sollen Sie die Bilder gewiß
haben."
Gut, und nun, wollen Sie mir eine
dieser eben verdorbenen Platten vcr
kaufen?" Gerne, ich kann nichts damit
machen."
Als ich mit meinem merkwürdigen
Gewinne ihn verließ, sah mir Müller
lange nach, unter dem Eingange seines
Zeltes verweilend, immer dieselbe aus
gehungert? Gestalt, bie Knochen überall
hervortretend, als wollten sie sich durch
bohren durch die schäbigen Kleider. Ich
konnte wieder ein Gefühl des Mitleids
nicht unterdrücken, so ärgerlich ich über
ben Verlust meines Gelbes war.
Am nächsten Morgen schon ließ sich
ber Ortspolizift wieder bei mir melden,
mit einem so langen Gesicht, daß ich
gleich sah, etwas müßte quer sein.
Letzte Nacht sind zwei Einbrüche
verübt worden." lautete der Bericht.
Der eine in Müller's Zelt, cs wurde
ihm einiges Geld gestohlen, das er in
einer Kaffeekanne aufbewahrt hatte, der
andere in einer Villa, wo alles Silber
zeug gestohlen ist. So sind wir also
auf falscher Fährte gewesen." Ueber
solche wundervolle Einfalt mußte ich
laut auslachen.
Mein Bester, glauben Sie benn,
ber geschickte, verschlagene Bursche, der
mich beraubte, war nicht schlau genug,
auf Mittel zu denken, womit er jeden
Verdacht von sich ablenken könnte? Das
beste Mittel ist natürlich, uns einen
Einbruch bei ihm selbst vorzugaukeln.
Alles, was Sie zu thun haben, ist
Müller's Lebensweise weiter zu beob
achten. So bald barin eine auffällige
Aenderung eintreten sollte, können wir
ihn fassen."
Am Donnerstag, Abmds, wie ver
sprachen, brachte Müller die Photo
graphien. Nachdem ich diese bezahlt
hatte, versuchte ich ihn über den erlitte
nen Einbruch auszufragen, aber er wich
meinen Fragen so viel als möglich aus
und hatte auffällige Eile, fortzukom
men. Kürzlich noch hatte ich ihn be
mitleibet, heute wäre ich beinahe geneigt
gewesen, ihn zu bewundern um feiner
geschickten Schurkerei willen; mit be
trüchtlichen ummen gestohlenen Gel-
des in seinem Besitz brachte er es doch
fertig, nicht nur u ie ein Bettler, son
dein wirklich wie ausgehungert auszu
sehen, da? zeigte eine große ,-eldsll'e
herrichniig.
Ant nöchNen Morgen erschien wicd
er
d.-r Crtcpolizist mit der brühwar e
Neuigkeit, dar: Müller mit Wiit Kind
und Reisewagen verschwunden sei; wie
es schien, hatte er am Abend vorher ei
Pferd gemiethet und bei Nacht sich da
von gemacht, seinen wüthenden Glüu
bigern daö Nachsehen überlassend. Auch
ich war ärgerlich, daß er uns durch di
Finger geschlüpft war, obwohl ich mir
sagen mußte, daß ich selbst die meiste
schuld trug. Aber diese Flucht hatte
nun meine Scrnpel gegen eine Verhaf
tling vollständig über den Hausen ge
morsen. Ihn zu erwischen, tonnte keine
Schwierigkeiten bieten, da ein Reise
wagen weder unter die unauffälligen.
noch unter die schwer einzuholenden Ge
geiistänbe zählt, und dann sollte aber
auch das Unterste zu oderst gekehrt wer
den, um die Beweise des Einbruchs zu
erlangen.
Während ich dies dem Polizisten
sagte, trat der Arzt bei mir ein, dem
ich nun die letzten Begegnungen mit
Müller berichtete und bei ber Erzählung
ber Vorgange in Müller s Zelt auch die
mißlungene Platte vorwies.
Sobald der Arzt die Photographie
erblickte, äußerte sich auf seinem Gesicht
die größte Verwunderung. Er prüfte
sie sorgfältig, und nd gab endlich sei-
nein Erstaunen Ausdruck.
Das ist merkwürdig, sehr merkwür-
big! Der Mann ist einer meiner Patten-
ten, er hat die Pocken im gefährlichsten
Grade, verschlimmert durch unregel
mäßiges Leben und Vernachlässigung
Ich zweifle, ob er mit bem Leben ba-
vollkommen wird. Die Photographie
zeigt genau das Gesicht, wie es jetzt tn
der Krankheit aussieht."
..Aber," rief ich. sein Gesicht war
fleckenlos am Montag!"
TaS kann sein. Dann giebt es da
für mich nur die Erklärung, daß die
Chemikalien deö Photographen em
pfindlicher find gegen das Licht, als der
menschliche Sehnerv. Die Flecken, die
te am Montag noch nicht sehen könn-
ten, wurden gesehen von dieser Platte.
Beachten Sie nur diesen großen Fleck
inmitten der Stirne, und den anderen
am Kinn, die können Sie jetzt sehen in
meines Patienten Gesicht."
Wann wurden Sie gerufen?"
Mittwoch morgens."
Sie sagten mir nicht, daß die Pocken
hier herrschen."
Dies ist der einzige Fall in der qan-
zen Gegend. Ich kann mir nicht den-
ken. wie er dazu kam!"
Eine scltianie Idee blitzte in mir
auf.
Wollen Ste mich zu Ihrem Patien-
ten führen?" fragte ich eifrig.
Nach einigem Widerstreben wurde
meine Begleitung angenommen.
Wir betraten ein kleines ärmliches
Haus. Das Zimmer, das der Kranke
da gemiethet hatte, lag im Paterre,
und enthielt außer feinem dürftigen
Mobiliar nur einen Koffer. An dem
Unglücklichen, ber ba im Bette lag.
war wenig mehr wahrzunehmen vom
Panther, als der er mir zuerst erschie
nen war. Sein Körper war hinfällig,
sein Gesicht entsetzlich entstellt, und die
Flecken befanden sich genau an den-
elben Stellen, wie auf der Photo-
graphie. Er sah mich aus stumpfen.
theilnahmslosen Augen an, als ich ihn
ansprach.
Der Arzt erklärt mir, daß keine
Hoffnung für Ihr Leben vorhanden
ei. Trum sagen Sie mir offen, was
wissen sie von dem Einbruch, der
vor vierzehn Tagen bei mir verübt
wurde?"
Er gab ein schwaches Zeichen von
Ueberraschung, offenbar hatte er mich
bisher für einen Arzt gehalten. Eine
Weile schien er zu kämpfen, dann griff
er mühsam unter fein Kopfkissen und
zeigte, mit einem Schlüssel in der
Hand, nach dem Koffer. Ich öffnete
diesen und fand darin nicht allein den
größeren Theil des gestohlenen Geldes,
fondern auch das von dem zweiten
Einbruch herrührenden Silber.
So hatten wir den wirklichen Dieb
gefangen. Vor seinem Ende gestand
er, als professioneller Einbrecher be
traft zu sein und kürzlich erst wieder
rei geworden, zuerst bei mir, dann in
einer Villa und bei Müller sein Hand
werk wieder aufgenommen zu haben.
Für den ungerechten Verdacht gegen
den armen Photographen leistete ich
Ersatz, indem ich ihn durch Bezahlung
feiner kleinen Schulden vor den Ver
folgungen seiner Gläubiger rettete.
lvarum ich Arrest bekam.
Der bekannte französische General
Mardot erzahlt aus seiner Jugendzeit
das folgende, buchstäblich wahre und
überaus lustige Geschichtchen:
Ich war Cavallerie-Untcrleutnant in
Toulouse, und die Generalinspektion
des Regimentes durch den als besonbers
streng ' bekannten General Bourcier
stand vor der Thür. Ich wurde dem
General mit einem Piket von dreißig
Mann entgegengeschickt. Trotz dem
freundlichen Empfange, der mir von
ihm als altem guten Bekannten meines
BatcrS zutheil wurde, schickte er mich
doch Tags darauf in Arrest. Den An.
laß hierzu will ich Euch erzählen; er ist
heiterer Natur.
Der Rittmeister B. im Regiments
war unstreitig einer der schönsten Män
ner im ganzen Heere; nur seine Waden
standen leider nicht im Einklang ba
nnt, dein siine Beine waren die rein
steil' 5 leiten, was bei den engt 11, soge
nannte!! ungarischen Beinkleider der
damaligen Iämnisotm sehr flötend
war. Um dieiem Schönheitsfehler ab
znhelsen, ließ sich nun der Rittmeister
falsche 'Waden von sehr beträchtlichem
Umsange anfertigen. Und diese falschen
Waden waren eS. die mich in Arrest
brachlen-cllerdingS kam noch Weiteres
batu.
Nach der Vorschrift sollten die Ossi
zierSpserde lange Schweife haben,
ebenso wie dic der Mannschaft. Unser
Oberst hatte nun zwar sehr schöne
Pferde, aber laute Stntzschwünze. Um
sich daher keiner tadelnden Bemerkung
seitens des Inspekteurs auszusetzen,
hatte er seinen sämmtlichen Pferden
für die Zeit der Besichtigung falsche
Schwänze ansetzen lassen, und zwar so
kunstvoll, daß man es wissen mußte,
um es zu bemerken. Die Sache klappte
also vollkommen. Wir rückten zu der
Besichtigung aus. wozu der Inspekteur
noch zwei andere Generale mit ihrem
zahlreichen glänzenden Stäbe eilige-
laden hatte.
Die Sache dauerte sehr lange, und
es ging immer im Galopp. Fast nach
jeder Bewegung mußte zum Schluß
das Regiment in vollem Laufe zum
Angriff vorstürmen. Die Abtheilung,
die ich unter mir hatte, stand im Cen
trum und gehörte zur Schwadron des
Rittmeisters B., neben welcher der
Oberst Aufstellung nahm. Wie nun
die Generale heranritten, um den
Letzteren zu dem schönen Verlaufe der
Uebung zu beglückwünschen, befanden
sich dieselben kaum ein paar Schritte
weit vor mir. Doch, was erblicke ich
jetzt. In Folge der raschen Gangart
waren sowohl bei dem Rittmeister als
beim Oberst bie künstlichen Anhängsel
in Unordnung gerathen. Bei dem
Letzteren hatte sich der falsche Schweif
seines Pferdes zum Theil abgelöst. Die
aus einem Knäuel Flachs hergestellte
Rübe desselben schleppte beinahe am
Boden und sah aus wie ein Spinn-
rocken, während die falschen Haare ein
paar Schuh weiter oben sich wie ein
riesiger Pfauenschwanz über das Hin
tertbeil des Pferdes fächerförmig ans
breiteten! Die falschen Waden des Ritt
Meisters hingegen waren ohne dessen
Wissen durch den Druck der Sattel-
tafchen seitwärts gerutscht und wölbten
sich nun in kühnem Bogen auf dessen
Schienbeinen, was einen höchst adson
dcrlichen Anblick bot. Und dabei warf
ich der Besitzer dieser Waden auf seinem
Pferde in dic Brust mit einer Miene,
die zusagen schien: Schaut nur her.
wie schön ich bin!"
Mit zwanzig Jahren fehlt es Einem
oft an dem nöthigen Ernste. Der mci
nige wenigstens war dem mcrkwürdi
gen Schauspiel, das ich vor Augen ge
habt, nicht gewachsen; und so brach
ch denn trotz der ebrsurchterweckenden
Anwesenheit dreier Generale rniwider.
stehlich in ein lautes, unbändiges Ge
lächter ans. Ich wand mich iin Sat-'
tel hin und her. ich klemmte den Aermel
meines Dolmans zwischen die 3stfrni
es half Alles nichts. Ich lachte in
einem fort weiter, daß mir die Seiten
weh thaten. Darauf ließ mich der In-
pekteur, der natürlich von der Ursache
meiner Heiterkeit keine Abnnna hatte.
vor die Front herausreiten, um mir da-
für strengen Arrest zu dictiren. Als
ich jedoch hierbei zwischen den Pferden
des Obersten und des Rittmeisters hin
durchreiten mußte, richteten sich meine
Augen wieder unwillkürlich auf den
vermaledeiten Pfauenschwanz und die
neumodischen Waden, sodaß ich aber
mals meiner unbezähmbaren Lachlust
nachgeben mußte. Die Generale könn
ten nicht anders glauben, als ich sei
verrückt geworden! Nachdem sich die
selben jedoch verabschiedet hatten, kamen
die Offiziere des Regiments bald hinter
die Sache und lachten nun nicht wem
ger als ich, aber freilich kam es sie nicht
so theuer zu stehen.
Am selben Abend trafen sich sammt
liche Offiziere in einer Privatgesellschaft.
Hier erfuhr General Bourcier den
Grund meines albernen Streiches, wie
er mein Verhalten bezeichnete. Er mußte
nun selbst gleich wie die ganze übrige
Gesellschaft darüber so herzlich lachen,
daß er meine unwiderstehliche Heiterkeit
unter solchen Umständen bei einem jun
gen Unterleutnant begreiflich fand.
Er hob deshalb meine Strafe auf und
ließ mich auf der Stelle holen. Mein
Erscheinen entfesselte eine neue Lachsalve
bei dem General und der ganzen Ge.
sellschaft; und ich selbst stimmte in der
Erinnerung an den Anblick von Vor.
mittag aus vollem Halse dabei mit ein
Als nun der gleichfalls anwesende Ritt,
meister B., der allein nicht wußte
worüber man lachte, von Einem zum
Andern ging, um sich nach der Ursache
zu erkundigen und ihm dabei jeder auf
die Waden schaute, bemächtigte sich der
Gesellschaft vollends eine wahrhaft tolle
Lustigkeit.
Zu viel verlangt.
A: An der Sache trauen e;;
nen Theil der Schuld selber; hätten
mcme Frau damals auf dem
Marktplatz, als sie Jhncn Anfklärun
gen geben wollte, ausreden lassen "
B: Ausreden lassen, was glauben
sie benn. mein 5,err. ick,
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nicht Zett, acht Tage lang auf dem
Marktplatz stehen zu bleiben!
Sorgen kehren wie Zuqvkgel gern
ihr altes Nest zurück. " 9 "
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