Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 15, 1900, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Die Ictjtc ,$abrt.
Tan 2?. tu;a.
i nii
ha!.
ich von
Vor langen Jahren, jarocchl, mein
Herr, vor langen Jahren bin ich
ZUM itptcit Male auszahlen: doch
die Erinnerung werde ich bis zur
Stuildk meines TodcS bewahren,
ttrmer Ja.!! Wie ost habe ich mir die
Ereignisse jenes Tage? zum Borwurf
gemacht! Indeisen wie konnte ich es
toiflen, wie hatte ich auch nur ahnen
können ?
Wenn Sie sich fejje wollen, will ich
Ihnen erzählen, wie die .Schichte sich
abgespielt hat; wir haben ein wenig
Zeit für uns. und ich glaube, mein
Herz fühlt sich erleichtert, wenn ich
jemand die Sache erzählen kann.
Ich war nicht viel über zwanzig
Jahre, als ich Geschmack an der Lust3
schifsfahrt bekam; bis dahin hatte ich die
Welt durchstreift, mich in vielen Be
rufen versucht, doch nie hatte ich daran
gedacht, die Wolken zu durchziehen, vor
dem Tage, da ich einem öffentlichen
Feste beiwohnte, in dessen Programm
auch das Aufsteigen eines Luftballons
miteinbegriffen war.
Ich besaß zu jener Zeit einige Er
svarniffe, und da ich, als ich auf dem
Platze angelangt war, fand, daß ich die
Vuftschiffer gegen Bezahlung einer ge
missen Summe begleiten konnte, so be
schloß ich. es zu thun. Diese Laune
entschied über meine Zukunft; es war
ein vollständiger Rausch; die Empfin
dung war so verschieden von allem,
was ich bis dahin durchgemacht, daß sie
für mich zu einem unwiderstehlichen
Zauber wurde. Ich faßte den Ent
schluß, um jeden Preis Luftschiffer zu
werden, und schon am nächsten Tage
suchte ich den Mann auf. der den Auf
stieg gemacht, und verließ ihn erst,
nachdem er mir das Versprechen ge
geben, mich als Gehülfen anzunehmen.
Ich blieb ungefähr vier Jahre bis zu
seinem Tode bei ihm. dann machte
ich auf eigene Rechnung Auffahrten;
kurze Zeit darauf lernte ich Jack Peyton
können.
Er war ein Akrobat, der wunderbare
Trapezübungen machte. Wir fanden
von Anfang an Gefallen an einander,
und niemals in der ganzen Welt lieb
ten sich zwei Männer mehr und waren
inniger verbunden als wir. Die
ffreundschaft wurde auch zu einer ge
schäftlichcn Verbindung, und lange
Monate hindurch suchten wir zusammen
die Hauptstädte Englands auf. Jack
ließ sich auf dem unter der Gondel
hängenden Trapez hochziehen und
machte Exerziticn im leeren Raum;
diese damals neuen Tricks hatten den
größten Erfolg. Wir hatten so unqe-
führ zwei Jahre zusammen gelebt, al.
wir in einer Stadt der Grafschaft Mid
land die Bekanntschaft von Kitty Ware
machten. Ich will Ihnen nicht ihr
Porträt entwerfen: sie war für mich die
Vollkommenheit selbst, und ich verliebte
mich in sie auf der Stelle. Jack that
dasselbe, und in kurzer Zeit hatte ein
Jeder von uns daß Geheimniß des
Ändern entdeckt.
Doch wir waren zu befreundet, als
daß die Liebe zu derselben Frau uns
Hütte trennen können; daber ging ich.
als ich den Zustand unserer Herzen be
merkte, geradeswegs zu Jack und be
kannte ihm meine Gefühle.
Natürlich dachte einer von uns
daran nachzugeben, ohne sein Glück zu
versuchen, und wir fanden schließlich
folgendes Auskunftsmittel: ein Jeder
sollte in ehrenhafter, offener Weise ver
suchen, die Gunst Kitty's zu gewinnen,
und der unterliegende sollte gegen den
glücklichen Nebenbuhler weder Groll
noch Haß empfinden.
So standen die Dinge bereits wäh
rend eines Jahres, als unsere Engage
ments in die Stadt führten, in der
Kitty lebte. Sie kam uns auf dem
Bahnhof entgegen, hübscher als je. und
behandelte uns alle beide gleichmäßig,
ohne einem den geringsten Vorzug zu
geben, sodatz für uns kein Grund vor
Handen war, einer auf den andern eifer
süchtig zu sein.
Indessen faßte ich den Entschluß,
nicht mehr länger zu warten, und noch
an demselben Abend, da ich Gelegen
heit hatte, eine halbe Stunde mit Kitty
allein zu sein, erklärte ich mich, und sie
willigte ein, meine Frau zu werden.
Ich glaube, daß Jack wohl aus mei
nem Benehmen etwas ahnen mußte,
doch er ließ seinen Verdacht nicht mer
ken. und am nächsten Tage nahmen
unS die Beschäftigungen unseres Be
rufes dermaßen in Anspruch, daß wir
von etwas Anderem gar nicht sprechen
konnten. Dennoch verlor ich ihn am
Abend einige Augenblicke aus dem Ge
ficht, und als ich zu Kitty ging, um ihr
Lebewohl zu sagen, denn wir mußten
uns am nächsten Tage frühzeitig auf
den Weg machen, fand ich sie ganz
traurig und verstört. Es gelang
mir. ihr das Geständniß zu ent
reißen, daß sie Jack gesehen, doch sie
wollte mir durchaus nicht sagen, was
ihr so großen Kummer verursacht hatte.
Als ich sie verließ und in unser Logis
zurückkehrte, fand ich Jack zu Hause.
Er war sehr düfter und zerstreut, fodaß
ich bald auf jeden Versuch verzichtete,
eine Unterhaltung anzuknüpfen, und
mich mit der Absicht schlafen legte, ihm
am nächsten Morgen von meiner Per
lobung mit Kitty Mittheilung zu
machen, obwohl es mir immer klarer
wurde, er müsse es bereits wissen. Doch
am Morgen war er wieder so zurück-
feinern BentV.iier. so I
rauun. da ich meine i'eitthti'. :n'.a.
v.l'.) einmal ivini.ob. mo al4 wir das
;vcl un'ftct Aei't erreicht hatten. nalV
nun tJ vtt-l filtmiiitetun mich in ?n
füruch, ba; ir.it waar die Zit fehlte,
ihm mein liehu,:!it) mitzutheilen.
2
Sand Bat), wo wir unseren Ausstieg
unternehmen sollten, izt eine kleine
Stadt in Devonshire; das Honorar,
das wir erhalten sollten, war betracht
lich: dennoch hallen wir wegen des
Meeres zuerst gezögert, die Ausfahrt zu
unternehmen, doch nach längerer Be
rathung hatten wir uns schließlich dazu
entschlossen, denn wir waren überzeugt,
wenn wir die geivöhnlichen Borsichts
maßregeln zur Anwendung krackten,
so würden wir uns keiner Gefahr aus
fetzen. Dennoch war. als der Moment zur
Auffahrt gekommen, da? Wetter sehr
stürmisch.
Das Unwetter war meiner Ansicht
nach wirklich zu stark; so lange eS nur
nach dieser Seite blies, war allerdings
keine Gefahr, in's Meer geschleudert zu
werden, doch die Richtung konnte sich
ändern, und wir konnten beim Aufstieg
mit einer entgegengesetzten Strömung
zu thun bekommen, und in diesem
Falle war unsere Lage eine äußerst ge
fährliche. Ich machte Jack von meinen Zweifeln
und Befürchtungen Mittheilung, doch
er wollte nichts davon hören, die Auf
fahrt zu unterlassen: mehr brauchte es
nicht, um meine schlechte Laune hervor
zurufen, und ich gab schnell die
nöthigen Befehle zur Vollendung un
serer Vorbereitungen; das war schnell
geschehen.
Als Alles bereit war. gab ich den
Befehl, die Stricke loszulassen, und
wir schössen wie ein Pfeil in den leeren
Raum.
Während des Anfalls von schlechter
Laune, den die Bemerkungen Jack's
hervorgerufen, hatte ich die Wolken
vergessen, die auf der Seite des Meeres
den Horizont verdüsterten und einen
Sturm vorhersagten; ich richtete von
Neuem die Blicke dorthin, sie waren
noch immer dort, düster und drohender
als je, und um meine Furcht zu er
höhen, wurde ein ähnliches Schauspiel
noch am entgegengesetzten Horizont
sichtbar, mit dem Unterschiede, daß die
anderen Wolken einen noch düsteren
Anblick gewährten und eine höhere
Region der Atmosphäre einzunehmen
schienen.
Ich wußte nur zu gut, was das be
deutete: zwei Unwetter zu gleicher Zeit
Das hatte ich gerade gefürchtet. Wenn
wir nicht hinuilterkonnten, bevor wir
von dem vom Meere kommenden Sturm
erreicht wurden, so mußten wir aufstei
gen: doch dieses Manöver würde uns
der Gefahr aussetzen, dem anderen Un
weiter zu begegnen und von ihm nach
der Richtung des Oceans fortgeweht zu
werden, in welchen! alle mir nichts
anderes als den Tod zu erwarten hat-
ten.
Ich rief schnell Jack, der eben seine
Exercitien beendet hatte und nachlässig
auf seinem Trapez saß. und forderte
ihn auf, so schnell wie möglich herein
zukommen. Der aufgeregte Ton meiner
timme machte ihm begreiflich, da
irgend etwas Ernstliches vorging, und
nach einigen Augenblicken schwang er
ich zu mir m die Gondel
Jede Erklärung war überflüssig; er
folgte der Richtung meiner Blicke,
wurde sich auf der Stelle über unsere
Situation klar und gab mir durch ein
Kopfnicken zu erkennen, daß er mich
verstanden hatte.
Wohin sollten wir uns hinunter-
lassen? Das war die Frage, und es war
nicht leicht, sie zu lösen. Wir flogen
mit furchtbarer Schnelligkeit, und bei
der Beschaffenheit des unter uns gele-
genen Terrains war es äußerst jchwleng
für uns. darauf zu landen: dennoch
mutzten wir es versuchen, denn die bei
den Wolkenmassen rückten jetzt mit
größerer Geschwindigkeit aufeinander
zu. Ich zog an dem Strick, um das
Ventil zu öffnen, und wir fingen an
hmunterzufliegen. während wir unter
uns blickten, um einen günstigen Ort
zum Abstieg ausfindig zu machen. Ich
bemerkte einen solchen in einiger Ent
fernung vor uns und ivandte mich zu
Jack, um ihn darauf aufmerksam zu
machen, als mir ein Schrei des Ent-
sctzens entfuhr.
Wir hatten keinen Enterhaken an
Bord!
Wer je das Gefühl empfunden hat.
daß unser Leben von der Verwirk
lichung einer Hoffnung abhängt und
daß diese Hoffnung verschwunden ist.
der wird begreifen, was in mir vor-
ging, als ich diese Entdeckung machte.
Wie hatten wir unsere Rettunasmittel
nur vergessen können? Das ist für mich
ein Geheimniß; stets bewahrten wir es
mit seinem Strick an demselben Platz,
und nun war es nicht mehr da; wer
hatte eS fortgenommen? Das konnten
wir nicht sagen und hatten auch gar
keine Zeit, darüber nachzudenken, denn
in demiklben Augenblick, da wir uns
darüber klar geworden waren, daß un
ser Untergang sicher war, war der Bai-
lon wie eine Feder im Wirbelwind des
Sturmes davongeführt worden und
raste mit entsetzlicher Geschwindigkeit
durch den leeren Raum.
3.
Wir blieben stumm. Uebrigens wäre
es auch ganz nutzlos gewesen, unter
dem betäubenden Lärm der wüthenden
Elemente sprechen zu wollen. Doch wir
lUiUi'.D l.üO Ui
bauen i sicher
Ziit öennlben icwar da; Schauspiel, oem ich eben bei
,ch mechaui'ch einen I gcucchnt. Der cdcl. der Innen tüten
danke,
luaüveuö
Sack nut Ballast ergrii un) c.njllden
,., k. Uttoi vi&um i.fciin.-tf. lab ich
ack dieselbe Operation anvi'meii.
Wir erkannten, daß nur noch hö'uer frei
a.e:i maßten, denn abgesehen von dein
entsetzlichen Winde, der unser lustiges
,adr,eug wie einen streifet hin und her
drehte, wurm die Blitze, die uns um
gaben, eine beständige Cuelle von l e
fahren. Wir erhoben uns al'o ziemlich schnell,
doch gelang es uns nicht, aus den stür
mischen Wolken herauszukommen, und
das Einzige, was wir erreichten, war.
daß wir nach einiger Zeit in eine andere
Zone entführt wurden, wo die Tunke!
heit so ties war. daß man sie sozusagen
mit Händen greifen konnle.
Der Regen fiel in Strömen, der
Wind war noch sehr heftig, doch wir
waren von den Blitzen befreit.
Es blieb uns jetzt nichts weiter übrig,
als die Ereignisse abzuwarten, und ich
hatte mich stillschweigend gesetzt, als ich
fühlte, wie Jack's HaNd sich auf meine
Tchnlter legte; sie suchte die meine,
drückte sie heftig, und ich hörte, wie
er mir mit rauher Stimme in's Ohr
schrie:
Wir segeln auf's Meer zu!"
Ich wußte es bereits, denn ich hatte
bemerkt, daß unsere Richtung verändert
war, als wir das Lager der unten ge
legenen Wolken passirt hatten. Doch
ich hatte es Jack nicht sagen wollen;
jetzt aber war jede Zurückhaltung un
nütz. Da wir wohl wußten, daß wir unser
Schicksal abwarten mußten, so bewahr
ten wir von Neuem Schweigen. Nach
einigen Stunden sahen wir, daß die
Dunkelheit geringer zu werden anfing.
Ich wurde mir darüber klar, daß wir.
wenn wir hinunterfuhren, in eine
hellere Umgebung kommen würden,
und begann in diesem Sinne zu manö
veriren. Beim Abstieg machte die schwarze
Atmosphäre einer Art geldlichem Nebel
Platz, der, obwohl etwas undurchdring
lich, doch weniger drückend war als die
Luft der höheren Regionen; bald wur
den unsere Ohren von einem zuerst
leichten Geräusch betroffen, das an
Stärke zunahm und, je näher wir vor
rückten, immer deutlicher wurde.
..Welch' seltsames Geräusch!" sagte
Jack zu mir.
Für mich war es das nicht. Wie oft
hatte ich im Laufe meines Lebens,
wenn ich auf dem Verdeck eines Schiffes
auf und ab spazierte, dieses Geräusch
schon vernommen! Ich konnte mich
nicht irren; es war das Geräusch der
Wellen, die sich an den Felsen brachen,
wir mußten in der Nähe der Küste
sein.
Aber wo? Befanden wir uns noch
über der Erde denn der Wind hatte
sich von Neuem gedreht oder schwebten
wir über dem Meere? So lange dieser
dichte Nebel dauerte, war es unmöglich,
das zu ergründen.
Ich faßte den Entschluß, noch einmal
aufzusteigen, als ich über meinem Haupte
ein heftiges Krachen vernahm, dem ein
Zischen folgte. Ein einziger Blick tu
die Luft erfüllte mich mit Schrecken; ein
schmacher Punkt des Ballons hatte nach
gegeben, und durch den Riß. der lang-
sam größer wurde, entströme das Gas
vt ilualion wuroe en: egucy; oun-
mächtig, zu sehen, wo wir uns befan
den, stand nun nichts welter als der
Tod bevor; wir konnten wohl den Rest
unseres Ballastes noch auswerfen, doch
das hätte den kritischen Augenblick nur
ein wenig verzögert, denn wir waren
verdammt, hinunter zu fliegen, und
dann harrte unser den Tod auf den
Felsen oder in deu Wellen.
Ich glaube, es vergingen keine zehn
eeunoen, ou yanen wir oie sonoei
schon von allem Ballast, den sie ent-
v v . i- - ii i- v : . er v. t
hielt, befreit. Nun sah ich, wie Jack
seine Jacke auszog und in die Luft
blickte. Ich erneth, was er thun
wollte; er wollte sich mit Hülfe des
Netzes hochschwingen und das Loch aus
bessern, wenn das überhaupt möglich
war.
Doch obwohl das unsere einzige Hoff
nung war und der Versuch sich bei der
Gcschicklichkeit des Akrobaten wohl
wagen ließ, konnte ich ihn doch dieser
Gefahr nicht aussetzen, ohne nicht
wenigstens mit einem Worte dagegen
zu protejtnen.
Das ist eine gefährliche Arbeit,
Jack, laß sie mich ausführen!"
Ich hatte keine Zelt, auszuiprechen.
Zurück!" versetzte er heftig nnd
machte sich aus der Umschlingung mei
ner Hand los.
Tann fügte er mit tiefbewegter
Stimme hinzu:
Es ist besser, daß ich es ausführe!"
Jetzt erkannte ich den Grund seines
veränderten Benehmens mir gegenüber;
Kitty hatte ihm von unserer Verlobung
erzählt.
Armer Jack! Selbst damals, trotz der
chrecklichen Gefahr, in der wir uns be
anden, floß mein Herz vor Schmerz
und Traurigkeit über, und ich vergoß
Thränen, denn ich liebte ihn wie einen
Freund, wie einen Bruder!
Ohne ein Wort zu sprechen, ergriff
er die Stricke, sprang auf den Rand
der Gondel, während ich mich auf der
entgegengesetzten Seite hielt, um das
Schwanken so viel wie möglich zu ver-
meiden; schon hatte er angefangen, an
dem Netze emporzukriechen, als ein
Schrei meinem Munde entschlüpfte und
ihn veranlaßte, auf der Stelle Halt zu
machen.
Was diesen Schrei hervorgerufen,
! Aage::blck vorder nicht geNättete. auch
' nur incn Wetei irnt zu sehen, war N'ie
mit . , , ?.iuh,',i.fcl i in ri.Vni:i?vn
III, t 11111 1, I U.Mt h . I tt, . vw.,
und ich hatte ein Bild vor A igltt. bei
dem auch das He:z des mu!tzitt,u
Mannes gededt halle.
Kaum eine Binlclmeile von uns ent
serul erhoben sich steile Klippen von
drei- bis vierh tudetl Meier Höhe. An
ihrem Ende walzte die Strömung eine
Masse kochenden Schaumes hin und
her. und auf diesen Abgrund schoß
der Ballon kaum fünfzig, Meter ent
lernt mit verzweifelnder Regelmäßig
keit zu.
Es war um uns geschehen! Der Ver
such, den Lustballon auszubessern, war
jetzt unnütz gcivordcn. Wir durfien
nicht hoffen, an den schrecklichen Hip
pen vorbei zu kommen, die jetzt vor uns
lagen. Wir fuhren langsam, doch in
höchstens drei Minuten mußten wir
zerschmettert auf den Felsen liegen.
4.
Jack war wieder in die Gondel ge
stiegen, ich wandte mich nach ihm um
und unsere Augen begegneten sich.
Es ist aus, mein alter Kamerad,
sagte ich zu ihm, wir sind verloren!
Ich konnte nicht mehr sprechen, ein
Schluchzen drang aus meiner Kehle
als ich an Kitty dachte, au meinen ver
nichteten Traum, an das Glück, das ich
fast mit der Hand berührt und das mir
jetzt gerandt wurde.
Sehen Sie, noch in diesem Augen
blick steigen mtr die Thränen in die
Augen.
Plötzlich rief Jack:
Tick, es giebt noch eine Möglich-
seit, dan Euter von uns nch retten
kann!"
Einer von uns?" fragte ich.
Ein seltsames Gefühl des Schreckens
erfaßte mich, als ich diese Frage stellte;
ich weil; nicht, ob Jack die Spuren auf
meinem Gesicht bemerkte, doch er ver
setzte lebhaft:
Fürchte nichts, Dick, doch versprich
mir, Kitty mein letztes Lebewohl zu
bringen!
Was willst Tu thun. Jack?"
stotterte ich
Ich weiß, daß sie Dir versprochen
hat. Dem Weib zu werden." versetzt.
er mit traurigem Lächeln, und seine
Stimme klang milder, als er fott-
uhr
Nun denn, alter Junge, es ist
meine Pflicht, mich zu opfern Der.
den ie gewühlt hat. muß leben
Tu wirst ihr sagen, daß ich sie auch
sehr lieb hatte und von Herzen wün
sche, sie möge glücklich werden."
Jack!"
Lebe wohl!"
Nach einem furchtbaren Schwanken
der Gondel, als Jack sich in den leeren
Raum stürzte und sein ganzes Gewicht
auf den Rand drückte, fühlte ich, wie
der Ballon sich wte unter einem wun
derbaren Stoße in die Höhe erhob. Ich
klammerte mich wankend an die Gondel
und blickte hinaus. Ich bemerkte nichts;
doch trotz des Brüllens der Wogen und
der Schnelligkeit des durch die Luft da
hinfliegenden Ballons glaubte ich noch
ein letztes Lebewohl zu vernehmen, dann
ward ich ohnmächtig
Als ich wieder zu mir kam. lag ich in
dein Bett eines Hotelzimmers. Man
hatte den Ballon an einem Baume
hängend gefunden und mich aus der
Gondel gezogen, in der ich bewußtlos,
aber heil und gesund, lag.
Von Jack's Gewicht befreit, hatte der
Luftballon wie mein Kamerad vor
ausgesehen, als er ausgerufen hatte:
Einer von uns kann sich noch retten!"
eine ziemlich lange Zeit seine Reise
fortsetzen können; auf diese Weise hatte
er die Klippen vermieden, und in Folge
des beständigen Ausströmens des Gases
war er langsam bis zu der Gegend
heruntergestiegen, wo man ihn gefun
den hatte.
So war s, mein Herr!
Doch Sie wollen die Fortsetzung die-
ser Geschichte kennen lernen?
Nun dann, ja, ich habe Kitty gehei-
rathet. Schon am Tage nach der
schrecklichen Auffahrt besuchte ich sie
und wiederholte ihr die letzten Worte
Jack's, und während unsere Hände den
ewigen Bund schlössen, sah ich, daß sie
weinte: das war ihre Antwort auf das
letzte Lebewohl des Mannes, der sich für
uns Beide geopfert hatte.
Brauche ich Ihnen zu sagen, daß ich
feit jener Zeit sür immer auf die Luft-
schifffahrt verzichtet habe? Der Körper
Jack's wurde am nächsten Tage am
Rande des Meeres ausgetunden; er
liegt auf dem Kirchhof begraben, den
Sie von hier aus sehen.
Ich bin etzt alt und für Alles gleich-
gültig geworden; doch nie habe ich den
Jahrestag vorübergehen lasten, an dem
mein Freund sich für mich geopfert
ohne in Begleitung Kitty s nach dem
Kirchhof zu gehen und Blumen auf sein
Grad zu streuen
Sein Rind.
Sin Bild aus dem Verbrechelleben.
l?on
M. Flieh.
Von den Kirchthürmen des Berliner
Centrums erklang die achte Morgen
stunde. In dem dort gelegenen alters
grauen Polizcigebäude rüsteten sich die
Beamten vom Nachtdienst für den
Heimweg. Eden hüllte nq ttrlmliial
tommissür W. in feinen Mantel, alseine
Schutzmaimsordonnanz eiligen Schrit-
tcs das kleine Dienstzimmer betrat.
daß 2ic n.'ch ilx si.,d. H."
ommtiiar.,
iti! Henn
.Ich datie A
Jaia Wo';;
.. iic nuw,e'i uMi.ii
i'rli u-.r jt'j kont.nen
.r.'.ag, Sie ii:tt.all aus
iüig zu i'outi.
j Bai, stand der (tiileue vor I.tnem
lvulaesiNten De.er.iea.e... b.IHit frühes
Erscheinen auf einen au'jerc
ähnlich,
Fall beulete.
Wie ich höre, hatten Sie acht
dienst, lieber W." begann der Polizei
rakd um so iiutit bedaare ich
sUnnn nicht die uolhweiidige Ruhe
gönnen zu dürfen.... Sie sollen
soit atneisen. Geliern Vormittag
?.1.,iNi'l a,!s dem .!,iN!.,!le ausge
brechen und hat aus der Wohnung d,
Anstultsgei'.tlichet! einen Anzug gestvh
leu. nachdem er die oriidotthür ein
geschlagen. Man besürcktet fernere
Verbrecht in der Umgegend, weshalb
die Zuchlhausdirektiou beim Herr
Minister um einen gewiegten Beamte
der die Fahrte deS Ausreißers aufneh
tuen soll, erhicht Hat. Ich bin vom
Herrn Ehef brevi manu der vor
liegende Fall ist ein eiliger direkt be
nachrichtigt worden, daher schern an
wesend Nehmen Sie gleich hun
dert Mark Diäten bei der Haupitass
ras hier die Anweisung und
Legitimation neun Uhr geht der
Zug die Sache ist in bester
Hand Adieu. Ueber W glück
liche Reise!"
Kommissar W. setzte die meinen in
Kenntniß, um sie durch seilte Abwesen
heit nicht zu beunruhigen und fuh
nach dem Bahnhof. Bald bestieg
den Zug, der ihn seinem nicht allzu
entfernten Ziele zuführte. Die Kern
natur des stattlichen, pflichttreuen
Mannes hatte die Nachtstrapazen bald
besiegt. Er überdachte den Fall, seine
Aufgabe. Dieselbe war auch eine
psychologisch interessante, soweit sie die
Person des Verbrechers betraf. Er
stammte aus einer guten, in der Haupt
stadt alteingesessenen Familie. Schaf
sei, welcher im Alter von sechsund
dreißig Jahren stand, wurde im sech
zehnten Jahre für den Kanfinannsstand
bestimmt und einem Eilenwaarenhänd
ler in die Lehre gegeben. Er befaß ein
wunderbares Geschick für die Mechanik
seiner Branche, erfand Vorrichtungen
an Schlössern, die seinem Prinzipale
logar patennrt wurden, lovan er es
nach einer kurzen Zeit zn einer bevor
zuqten Stellung brachte. Nach Be
enöigung der Lehrjahre wurde ihm die
Theilhaberichasi des li Aufschwun
begriffenen Geschäftes in baldige Aue
sicht gestellt, vorläufig erhielt er ein bt
nächtliches Wcytut. Liese, dem zungen
Manne zufließenden Geldmittel wurden
sein Unglück. Wte dtes oft geschieht
gerieth er in immer schlechtere Gesell
schuft, bestabl die Firma unter er
schwerenden Umständen um eine beden
tende Summe, und aus dem früher
braven Burschen, den die Familie ver
stieß, wurde der gefürchtetste Einbrecher
das Haupt der schweren Jungen. Kein
Keldspind. kein Schloß schien vor ihm
sicher, ohne daß er te das Schlosser
Handwerk erlernt hatte. Nur wenige
Jahre hindurch schien er sich zu einem
besseren Leben belehren zu wollen, und
zu dieser Einkehr trug ein Frauenherz
bei, vor welchem der wilde Verbrecher
sich beugte. Einem armen, um seine
Ehre betrogenen Dienstmädchen, welches
verzweifelnd in das Wasser gesprungen
und von ihm gerettet worden war
reichte Schaffe! die Hand zum Ehe
bnnde. Ein Jugendfreund beschäftigte
ihn auf seinem Speicher, und aus dem
gefürchteten Verbrecher wurde ein bra
ver. ehrlicher Arbeiter. Bor sechs Iah-
ren war die Gatlin, als sie einem
Knaben das Leben gegeben, gestorben
Die Zerstörung seines Famtlienglückk!
nach verhültnißmäßig kurzer Zeit
konnte der im Grunde des Herzens
nicht schlechte Mann nicht verschmer-
zen er trank, bis er wieder zum
Verbrecher gesunken war. Sein Kind
hatte er einer alten, ordentlichen Frau
in Pflege gegeben. Tleie Pflegerin
starb, als der Knabe zwet Jahre zählte
Dann übergab er ihn, an dem er mit
fast abgöttischer Liebe hing, seiner Ge
liebten. Er erklärte ihr, daß sie den
Himmel auf Erden haben solle, so lange
sie den Knaben gut hielte, sonst hätte sie
seine Rache zu fürchten. Das Weib
gehorchte Aber Gustav Schaffe!
ließ mit ich auch Nicht spaßen da
vor fürchteie sich das nichtsnutzige Weib!
Für den Fall, daß längere Strafe ihn
von seiner Geliebten und dem Kinde
fern hielt, hatte Schaffe!, um beider
Leben sorglos zu gestalten, eine größere
Zumute an sicherem Orte depontrt.
Dies alles war der Polizei bekannt.
Und nun hatte sich Gustav Schaffe!
zwei Jabre schon hinter den Mauern
des Zuchthauses befunden und so gut
geführt, daß man ihn mit Rücksicht auf
leine Korperträste zu gewissen Arbeiten
innerhalb der Höfe vertrauensvoll ver
wendete. Ebenfalls dies wußte Kom
missar W. und vermuthete, daß Schaf
fel bei dieser Gelegenheit entflohen sei.
Die Vermuthung des erfahrenen Be
amten war. wie er nach seiner Ankunft
im Zuchthause erfuhr, richtig gewesen.
Schaffe! hatte beim Abladen von Eisen
Materialien eine sonst nicht benutzte
Seitenpforte des inneren Hofes ver
mittilst eines aus einem Nagel geboge
neu Dietrichs geöffnet, erst zwei Stun-
den später beim Wasserhosen aus dem
äußersten Hofe das Weite gesucht und
aus der dort befindlichen Wohnung des
Anstaltsgeistlichen die Kleidungsstücke.
die er unbedingt angezogen, mitge-nominen.
.'!!.
Dem citiieglcn
schien Ulint auftauend, das; c.: ,
der nur nc-ch sechs Woch.-n v. i.
brauchte, gerade j.tzt .,:i t:::.
Flacht und Tüdpahl tnc
schwelte. Hierin suchte w-;:::i .
W. auch den Schluss! zind;;,;;
regeln. Er forderte svgliich di, : .
des Flüchtlings, die an Jnteu.,
nur wenig tin'aiig'.eichen Btuv
an ihn hierher gelangt ttutitn,
hielten. Der letzte, ungefähr at-.i l
alte, keinen Absender ütn.:::
Brief lautete: .Lieber Gustav' ! ,
Tir mit. daß Deine Liebste
Jungen doch sehr schlecht hall. c
bat das ganze Geld durchgebnut!
schlägt Deinen armen Jungui. o,:
Abend für Abend an der .König. l',!
bis in die Nacht hinein Sird.U,Ua
verkaufen muß. Das Kind ist in t :
Kälte stets blau gefroren. Sieb' .
daß Tu eS von dort ans äudeln
kannst.-
Seit Ankunft deS Briefes hatte, m?
man W. millheilte. Schaffet ein tx:
änderteZ. sehr gedrücktes Wesen ge.
zeigt. Durch den Gedankengang d ö
Beamten blitzte plötzlich die Erie
rnng. Er besann sich auf die letzte
Ergreifung Schaffel's. die am Bette
seines schwer kranken Kinde geschab,
chaffel Hütte sich damals durch die
Flucht retten können, aber die Schutze
lente. denen er sich willig ergab. fa,',
den ihn in Thränen Über den kleinen
Knaben gebeugt. Auch anderer That
sachen dieser Liebe zum Kinde et in
nerte sich der Kommissar, der sich nur
kurze Zeit in der Strafanstalt ans
hielt, um den nächsten Zug. der ihn
Abends 7 Uhr an seinen Dienstoit zu
rückdrachte, zu benutzen. Vorher sandle
er an zwei seiner Kriminalleute ein
Telegramm, ihn am Bahnhof zu er
warten. Daß Schaffe! bis zn einer
dem Zuchthause nicht zu entfernte-,
kleinen Eisenbahnstation gegangen sei
und von dort ans die Bahn bennkt
habe, um sein Kind zu rächen, wär
dem Kommissar unzweifelhaft. Schaf
fel war sicher seit heute Morgen am
Bestimmungsort, aber er mußte
Schleichwege benutzen, um Geliebte
und Kind zu finden. Ob ihm dies
während dieser Zeit gelungen, blieb
dahingestellt; jedenfalls nahm Kom.
missür W. an, daß der Flüchtling be
reits auf einer Station vor der Stadt
den Zug verlassen hatte, um unentdeckt
zu bleiben. Dadurch war der Zeitver
liist entstanden, der ihn vor Einteilt
des Abends nicht zum Kinde gelangen
ließ.
Die Schutzleute erwarten ihren
Vorgesetzten. Dem einen derselben trug
er auf, sich an der Königsbrücke zi,
posttren und die Streichhölzer anbieten
den Knaben zu beobachten, instruirte
ihn auch genau in Betreff Schaffel's.
Mit dem anderen Schutzmann fuhr W.
sofort nach der Fischer Straße, wo
Schaffel's Geliebte wohnte. Die Beam
ten trafen das Hans in Alarm .... Die
Geliebte Schaffel's. der wegen des ab
lvesenden Kindes vor Zeugen Rechen
schaft von dem Mädchen gefordert hatte,
schwamm iin Blut.
Sie hatte von dem getäuschten
Vater zwei Stiche in die Lunge erhalten.
Der Krankenwagen, der die Schwer
verletzte nach einem Krankenhause
bringen sollte, wartete iinr hr csnns.
thüre.
Von drei Stellen ans henhnfaM
W. und die beiden Schutzleute bald
darauf die Königsbrücke.
Den zarten, blond?,, ssik.
Knaben behielten sie im Auge. Ver
schiedene Vorübergehende kauften von
dem Kleinen oder warfen ihm Geld
stücke zn. Jetzt schritt ein niinetlMM,r
roßer kräftiger Herr auf den Kleinen
zn. Er sprach anscheinend gleichgiltia
mit ihm, der ihm Streichhölzer' ent
gegenhielt. Als ob er es eilig hätte
ging Kommissär W. an Beiden vorüber
und stellte sich unbemerkt hinter dem
Denkmal des aroßen Knrfili-fw m,f
Mein armer finnne r;w
fV w . . , ' r- 'n-ni iiiuiu
And, schluchzte der große kräftige
Mann und nahm den Knaben auf den
Dann küßte er ibn. a.i&
güngerwurden aufmerksam und machten
Halt. Der Kommissar trat an Schasse!
heran, denen Arm fassend.
chanel. sind K!? ivn
, f. nj, ' ' IIUUII HU
lassen?" fragte er freundlich.
viut wenige Auaenblies, Mmni.
das Gefühl des gehetzten Verbrechers.
Im linken Arm den .(Mein tr,hrt
er mit dem rechten gegen den Beamten
einen so mächtigen Stoß, daß derselbe
bts an das Denkmal taumelte. Jetzt
packten die Schutzleute den zur Flucht
Bereiten, der feine Hülflosigkeit über-
uy uno ruyig wurde.
Das war nickt lefirm ff..i&vs l.
eh vergebe Ihnen." rehetc 9 ih'
ich weiß Alles."
Herr Kommissar, ich hade feit beute
einen Mord auf dem Gewissen, was
soll aus meinem armen i,,,,
den?" schluchzte der Gefangene.
Nun ganz so schlimm i's ik
geworden. . . .sie lebt," antwortete der
Beamte; wenn Sie mildernd, l!m.
uunuc oeroienien. n li,ihn
r.. r. , '
sie sie
es mal ur icö .... la,in
v-r.'i r ... .
le mich
lZu fifi- U"d auch ihr Kind
behalte ich im Auge. Bis das Waisen.
UllUs
tyn aufnimmt, bleibt der une,?
vei mtr."
Schaffe! Zeugte sich über die Hand
de
s ommi ars. die er fiib. x...
t r i "D"f vUiiJl
bestieg er mit dem Kinde und den drei
.cuirnui eine rv edke. ht ihn
nach
m Hauptpolizeiamte brachte.