i I Die Zollmaschine. Q.nt hilmlos kU'iniäi,!ch,' ch Jjtt VZI! lmit Webki. Ter friedlichste Bünet der Stadt war der Tischlermeister Schmidt. Still unk, zufrieden verbrachte er bei seiner Arbeit einen Tag wie den andern. Da er schüchterner, sehr schüchterner Natur war, hielt er sich am liebsten in seinen vier Wänden auf. Nun. wenn die Liebe emeS holden Weibchens.... Bitte sehr: Meister Schmidt war unbe weiht, obgleich er Meister war und be reitS im Begriff stand, in diZ fünfte Jahrzehnt seines löblichen vedenZ hin einzuschreiten. Mit dreißig Jahren hatte er den festen Entschluß gefaßt. nicht zu heirathen. Von jeher hatte er das andere Ge chlecht gemieden, seine Schüchternheit machte eZ ihm in feiner Gesellschaft höchst ungemüthlich, und da er in jeder Hinsicht äußerst genügsam war, so glaubte er, da? Weid auch ent. Kehren zu können. AlS die Mutter unseres braven Tisch. lerS starb und dadurch fein HauS der für Ordnung und Gemüthlichkeit for genden weiblichen Hand beraubt wurde. . ivnnie er naz niazi eniianiepen, eme Haushälterin inS HauZ zu nehmen. Dann könne er ja lieber gleich hei- rathen! In den zehn Jahren, in denen unser Meister den Weg vom dreißigsten bis zum vierzigsten Jahre zurücklegte, wuchs in demselben Hause, wo er Wohnung und Werkstatt hatte, ein kleine? Mäd. chen heran. daS auf den schönen Namen Lottchen hörte. AIS sie kaum 16 Jahre alt war, starb ihre Mutter, und das Mädchen mußte nun sein Brot als Näherin verdienen. Da sie geschickt und fleißig war, hatte sie bald Kundschaft genug, so daß sie Tag für Tag sie nähte im Hause der Herrschaften MorgenS ging und Abends wiederkam. So bekam Meister Schmidt sie, obgleich sie in seinem Hause wohnte, nur selten und dann nur flüchtig zu sehen. Den noch war sie immerhin dasselbe weibliche Wesen, dem er am häufigsten begegnete. ' abgesehen von der dicken Frau Wirthin, bei der er zu Mittag speiste. Trafen sie sich, so tauschten sie ein Guten, Morgen". War das Wetter besonder schön, so sagte sie vielleicht noch: Schö neS Wetter, nicht wahr, Meister?" und er brummte: Ja." War eS schlechte Wetter, so sagte er vielleicht: Schlech tes Wetter heute!" und sie sagte: Ja." DaS war dann aber auch ihre längste Unterhaltung. Daß sich Lottchen mit ihren achtzehn Jahren im Uebrigen ebenso wenig um den trockenen Jung' gesellen kümmerte, wie er sich um sie, ist leicht zu verstehen. Meister Schmidt war daher auch sehr erstaunt, als eines TageS. frisch und schön wie der erwachende Frühling, Fräulein Lottchen in seine staubige Werkstatt trat. Guten Tag, Meister," sagte sie. Guten Tag," brummte er. Meister," fuhr sie fort, könnten Sie mir nicht auch so eine Zollmaschine machen?" Ja," sagte er, das kann ich. Das heißt, eigentlich ist das ja nicht aller Tischler Arbeit...." Aber nicht wahr," siel ihm Lottchen ins Wort, Sie thun's mir zu Liebe." Ja," sagte er. Da aber übersiel ihn plößlich wieder seine alte Schüchternheit in ihrer ganzen Gewalt. Er hatte nämlich bemerkt, daß daS kleine Lottchen ja beinahe schon ein ordentliches Weib" geworden war. Eine Schönheit war sie wohl gerade nicht, aber aber ja. da fiel ihm ein: In den Jahren sind sie mit am ge fährlichsten," hatte ihm einmal ein guter Freund gesagt, und er hatte sich daS wohl gemerkt. Aber er sagte Ja" und Lottchen ging grüßend, wie sie gekommen. Mir zu Liebe!" hatte sie gesagt. Er sollte eS ihr zu Liebe thun! Als wenn er mit ihr eine Ausnahm: machen sollte ! Aber gewiß, machen wollte er die Zollmaschine. So weit ging sein Wei berhaß nun denn doch nicht, daß er keine Aufträge von Weibern an nähme. Also ging er daran, die Zollmaschine herzustellen. Er hatte schon eine ge macht, für die Frau Lcutnant näm lich. ES war ein kleiner praktischer Ap- parat zur Herstellung zierlicher gältchen an Kleidern, Schürzen und dergleichen; auf einen Zoll kam eine Falte, daher Zollmaschine. - Meister Schmidt war ein gewissen hafter Ardeiter. WaS er ablieferte, war immer gut. Bei der Zollmaschine für Fräulein Lottchen aber gab er sich er wußte selbst nicht warum ganz besondere Mühe. Er nahm dazu daS beste Material und arbeitete Stück für Stück mit der allergrößten Sorgfalt und Peinlichkeit. Und während er daran arbeitete, stand ihm immer das Lottchm vor Augen. Und immer hörte er ihre Worte in feinen Ohren klingen: Mn zu Liebe!" Ihm war dabei ganz merkwürdig zu Muthe. Sein Weiberhaß. in den er sich im Laufe der Zeit hineingeredet, schmolz dahin. Es kamen ihm allerlei Gedanken. . . . Mit einem Male fand er es ,n seiner Werkstatt furchtbar öde; auch das Essen in der Speisewirthschaft kam ihm plötz lich außerordentlich ungemüthlich vor. AIS er an einem der nächsten Tage Lottchen McrgenZ herunterkommen Jahrgang 21. hörte, schaute er ihr .ich. Zufällig drehte sie sich herum und als sie ihn am Fenster sah. rief sie: Morgen Meister! Was macht die Zollmaschine? Kann ich sie mir heute Abend holen?" Gewiß. Fräulein Lottchen." sagte er merkwürdig freundlich, kommen Sie nur!" Aber duz. da lag ihm die Schüch ternheit auch schon wieder in der Kehle. Mehr hätte er auf keinen Fall heraus bringen können. Er ging an die Arbeit, nahm so gleich die Zollmaschine vor. obgleich s eigentlich schon fertig war. Am Abend kam Lottchen in die Werk statt. Ist die Zollmaschine fertig. Mei ster?" Der Meister reichte sie ihr. Lottchen fand sie wunderschön, viel besser, als die der Frau Leutnant. Meister Schmidt fühlte sein Herz klopfen. Sa gen konnte er nichts. , Endlich fragte Lottchen: Wie viel machts denn. Meister?" Ach. das. das macht gar nichts." Wie?" Na. das lassen Sie man erstmal. Lottchen." Aber. Meister. Sie denken doch nicht, ich will sie umsonst haben?" Nein ja ganz recht. Aber lassen Sie man erftmal. Ich kann Ihnen ja die Rechnung schicken." Na. wie Sie wollen." lachte Lott chen und schaute den ihr heute merkwür big vorkommenden Meister verwundert an. Dann wünschte sie Guten Abend" und ging. Der Meister athmete auf. Geld sollte er von ihr dafür nehmen? Nein, das konnte er nicht. Aber sagen hatte er's auch nicht können! Und was sollte er ihr denn sagen? Es war nur gut. daß er ihr noch nichts gesagt hatte. Um Gottes Willen, nichts übereilen. Sorgfältig überlegte er sichs an dem nächsten Tage noch einmal. Aber er konnte nicht loskommen" von dem Ge danken, daß es ganz angenehm sein müsse, allen seinen Grundsätzen ent gegen das kleine Lottchen zu seinem kleinen Weibe zu machen. Doch wie sollte er sie von seinen reellen Absichten in Kenntniß setzen? Sollte er sie eines Abends in ihrer Wohnung aufsuchen? Nein, nein. Das ging nicht! Dazu hatte er nicht den Muth, sollte er warten, bis er ihr zufällig begegnete? Das war auch nichts. Denn er wußte, welche Wirkung ein plötzliches Erschei nen auf ihn ausübte. Ein Redner war er nun einmal nicht. Aber schreiben: ja, freilich, schrei- ben konnte er es ihr. Schreiben ließ sich alles viel besser! Also setzte er sich nieder und schrieb ihr einen schönen, ruhigen, bescheidenen Brief Im Allgemeinen sehen iunge Mäd chen einen Heirathsantrag ganz gern. Aber so ein ganz klein wenig müssen sie ihn doch wenigstens erwartet haben. Sonst sind sie einfach baff". So ging es Lottchen. Sie wußte, wie man so sagt, gar nicht, was sie sagen sollte. Das hatte sie ihm nicht zugetraut! Daran hatte sie auch nicht im Geringsten gedacht! Er machte ihr einen Antrag! Die lumpige Zollmaschine sollte sie mit ihrer Liebe und Freiheit bezahlen! O!! Nem. das hatte sie gottlob noch nicht nöthig, solch einen Alten. Lang weiligen. Vertrockneten sie fand dieser Ausdrücke ein Dutzend zu nehmen! Der Fall, daß von gern gesehener Seite ganz unerwartet, unverhofft ein Antrag kommt, ist vollkommen ausge schlössen. Dennoch wird der unerwar tet hervortretende Freier durchaus nicht in allen Fällen abgewiesen: Einer ist immer noch besser als Keiner. Ader dies einzusehen, dazu gehört schon ein wenig Verstand, und der ist bekanntlich bei jungem Blute nicht zu finden. Hatte Lottchens Mutter noch gelebt, so wäre sie höchst wahrscheinlich dal digst Frau Tischlermeister Schmidt ge Wesen. Nun aber bekam der brave Tischlermeister einen regelrechten Korb. Lottchen ging zu ihm hinunter und erklirrte ihm sehr energisch, mit solchen Sachen möge er sie in Ruhe lassen. Außerdem erwarte sie die Rechnung. Der brave Meister glich einer gcknick ten Lilie, soweit der Vergleich einer Lilie überhaupt angängig ist. Nach einer Stunde dumpfen Vorsich brüten? erhob er plötzlich energisch sein Haupt und seinem Munde entquoll das Wort: Esel!" Hatte sein Verstand denn geschlafen? Seinen alten Grundsätzen hatte er untreu werden wollen? In feinen al ten Tagen hatte er sich unglücklich ma chen wollen. j g - niimsTiKiisrli sdS V VjyWHl' Beilage zum Nebraska Ztaats-An;eiger. Noch einmal schüttelte er fein würdi aes Haupt und sagte: Esel!" Am anderen Tage erhielt Lottchen die Rechnung: Eine Zollmaschine .... Mark G. " Kaum hatte sie sie gelesen, da stürzte sie hinunter: Ob er sich verschrieben hatte oder ob er verrückt geworden wäre? Meister Schmidt wurde dunkelroth. Einige Male bewegten sich seine Lippen, ohne einen Laut hervorzubringen. Dann erklärte er ihr: Sie möge bedenken, in wessen Wohnung ne wäre. Mit der Rechnung aber hätte es seine, Richtigkeit. So." schrie Lottchen, das werden wir feher.! Frau Leutnant hat nur 3 Mark bezahlt und ich soll das Dop pelte geben i Die 6 Mark bezahle ich Ihnen nicht, und wenn Sie n?ich ver klagen !" Gewaltig schlug sie die Thür hinter sich zu. Die hatte er zu seiner Frau machen wollen! heiliger Himmel! Sie dünkte ihn jetzt das hassenswürdigfte Geschöpf auf der Erde. v Unser Meister war nicht der Mann, andern Leuten etwas zu schenken. So kam's, daß er eines Tages mit Jräu lein Lottchen zusammen vor Gericht stand. Beide hatten einen Sachverstansigen mitgebracht. Der Sachverständige des Meisters legte überzeugend dar. daß die in Frage stehende Zollmaschine mir besonderer Sorgfalt und aus ganz besonders gu tem Material gearbeitet und daher ivohl ihre 6 Mark werth märe. Sagen Sie uns nur. Fräulein." wandte sich der Vorsigende an Lottchen. was veranlaßte Sie denn eigentlich, nicht bezahlen zu wollen?" Da legte Lottchen los. Nichts wollte sie jetzt verschweigen, und zum großen Ergötzen des hohen Gerichtshofes er zählte sie nun die Geschichte, wie sie war. iia- dort nicdt dlerüer!" riet Meister Schmidt mit einer Stimme, in der sich deutlich Empörung und Schüchternheit miteinander stritten. ..Das aebört nickt bierber " Aber der Vorsitzende erklärte, auch das müßte man wissen. Wüthend ging Meister Schmidt nach Haus. Das sollte ihm wieder einfallen, sick mit dem weiblicken Geickleckt eimu lassen! Die Blamage! Aber in dem ihm entgegenweüenden kalten Winde schwand sein Zorn allmählich, und er fand Trost in der einen Tbatsacke: Sie mußte be- zahlen! Denn er hatte natürlich Recht bekommen. In den nächsten Tagen war Lotschen i'e&r aeickästia. Der Meister bemerkte, daß sie nicht zum Nähen ausgegangen war. Denn sie lief aus und ein. Das machte ihn unruhig. Hatte sie etwas gegen ihn vor? Gern hätte er es ausgekundschaftet; denn er war ebenso neugierig, wie miß trauisch. Aber er wagte sich gar nicht binaus. Das Essen ließ er sieb soaar ins Haus bringen. Denn daß die Leute die Gkichiqte riesig amusirte, konnte er aus den Gesichtern lesen. Lottchen lief indeß von Haus zu Haus. Sie hatte einen Weg gefunden, auf dem sie erstens der Aufforderung des Gerichts zu baldiger Zahlung nachkam, zweitens sich keinen Pfennig Kosten be reitete. und drittens dem Meister doch noch den letzten Stich versetzte. Lottchen war gar nicht so dumm! Am dritten Tage trat ein Bote in Meister Schmidts Werkstatt und über reichte ihm mit unverschämt vergnügtem Gesichte ein pralles Beutelchen nicht ge ringen Gewichts. , Was ist daS?" schrie Meister Schmidt auf. denn eine Ahnung zog ihm durchs Gehirn. Die Ihnen vom Gericht zuerkannte Summe für " Weiter kam er nicht. Meister Schmidt hatte den Beutel zur Erde fallen lassen. An allen Gliedern nt terte er. Der Bote bat um seine den Empfang bestätigende Unterschrift und überreichte ihm den ihm zukommenden Abicknitt mit der Adresse deS Absenders. Mit Müde entzifferte er auf der Rück seite desselben: Da ich nicht so viel Geld besitze, um t v : . im a .f. . r.'. t .iunen Die ineuere .sonrna CDine 1U De zahlen, so habe ich es mir in der Stadt Mammengevettelt. ..." Der Bote wünschte Guten Abend" und war schon bei der Tbüre anae- langt, als Meister Schmidt plötzlich wie aus einem Traum erwachend mit heiserer Stimme schrie: Bleiben Sie hier, ich will nackliäb len!" Er öffnete mit zitternden bänden den Beutel und zählte lange Reihen her stellend, nach: 000 einzelne Kupfer pfennige gleich C Mark. Es stimmte auffallend. Schmidt soll niemals wieder einen Heirathsantrag gemacht haben und seinen Grundsätzen getreu! al? alter Zunggeselle gestorben sein. Das letzte Glück. Etienne Rsussel lief feit vier Mona ten stellungslos in Paris umher. Sein letzter Patron, ein Rechtsanwalt, flott lebend, unverheirathet und in steter Sorge um ein Tausendfrancsbillet, war in der Wahl seiner Mittel nie sehr skrupulös gewesen. AlZ eines Morgens Etienm in die Kanzlei kam, die neben der Garonnire des Advokaten lag. fand die er Esncierfrau in aufgeregter Unterhaltung mit einigen Polizeibeam ten. Man hatte vor einer Stunde den Rechtsanwalt erschossen in seinemSchlaf Zimmer gefunden. Seit jenem Tage war Etienne stellungslos. Anfangs ging er regelmäßig auS feinem kleinen Hotel in der Rue Montorgueil fort, um sich in den Kanzleien vorzustellen, aber regelmüßig wurde er abgewiesen. Dann stumpfte ihn der stete Mißerfolg ab. Er verließ nur noch manchmal Nachmittags fein Zimmer, um in die Museen zu gehen, oder er hielt sich in den großen Modemaaren Magazinen, im Louvre oder im Bon MarchS auf, wo er in den Lesesälen stundenlang die Zeitungen studirte. Heute halte er für einen Franken in einem Restaurant ..Prix fixe" dejeunirt. Jedoch ein langer Spaziergang im Bois hatte ihn wieder hungrig und müde ge macht, und als er heimkehrte, kaufte er sich für seine letzten fünf Sous ein Brot. Sorgfältig knöpfte er es unter lein Jaquet und stieg die fünf treppen zu feinem Zimmer empor. Nachdem er die Hälfte des langen, schmalen Weig brotes verzehrt hatte, legte er sich zu Bett und schlief ein. Als er am anderen Morgen erwachte, verzehrte er den Brotrest und blieb im Bett liegen. Er fühlte keinen Hunger mehr und er (reute sich darüber so, daß er vergnügt einige Melodien vor sich hinsummte. Dann überkam ihn eine vollkommene Apathie. Mit auseinandergespreizten Armen und Beinen lag er im Bett da, vollkommen horizontal, das Auge in gedankenloser Starre zur Decke gerich tet. Um 11 Uhr erhob er sich. Ohne sich zu waschen, kleidete er sich an. Um den unsauberen Kragen zu verdecken, schlang er ein altes seidenes Tuch um den Hals. Er verließ das Zimmer und schlenderte an den Hallen vorbei die Rue Montmartre hinab. An der Rue Röaumur gewahrte er die Baracke der Soupe populaire. Hunderte von Elen den, jedes Alter, jedes Geschlecht war vertreten, warteten auf die Vertheilung der Mahlzeit. Einen Augenblick hielt Etienne an. -ollte er sich auch anfiel len? Unschlüssig sab er sich um. aus Furcht, von einem Bekannten bemerkt zu werden, dann schritt er über den Fahrdamm, um sich hinter der warten den Menge zu verbergen. Aber drüben angekommen, bog er ab. es konnte doch zufällig Jemand, der ihn kennt, vor vergehen. Er stieg weiter die Rue Montmartre hinauf; 'auf den großen Boulevards angekommen, blieb er stehen. Die Strahlen der Märzsonne ver- wandelten die Fenfterreihen der gegen überliegenden Häuserfront in unzählige goldblinkende, glitzernde Platten, deren lebhafte Reflexe dem Auge weh thaten. Es war kurz nach der Faschingswoche und von den Bäumen herab, aus denen schüchtern die ersten grünen Sprossen hervorsahen, hinge in bunter Mär chenpracht die langen farbigen Bänder der hinaufgeschleuderten Serpentinen. Die Boulevards wimmelten von Fuß gängern und Fuhrwerken. Etienne wollte die Straße überschreiten, als er in der Ferne einen eleganten Dog-cart, von einer Dame gelenkt, herannahen sah. Blitzschnell durchfuhr ihn eine Idee. Er wollte wie unabsichtlich kurz vor dem leichten Wagen hinfallen. Das Geführt würde ihm über die Beine gehen, sehr schmerzhaft oder gar geführ lich konnte das bei dem leichten Ding nicht fein. Man würde ihn aufheben und in ein Krankenhaus bringen. Dort wäre er der ersten Sorge überhoben. Der Dog-cart nahte heran. Etienne schickte sich an, den Fahrdamm zu Über schreiten. Plötzlich sah er dicht neben sich einen Fiaker auftauchen, dessen Kutscher ihn anschrie. Erschreckt sprang er auf das Trottoir zurück, und als er wieder aufblickte, war der Dog-cart schon weit weg. Gleichgiltig schlenderte er weiter, als sich plötzlich der Hunger wieder einstellte, fürchterlicher als "je vorher. lir malte ihm m den Einqe weiden, er schnürte ihm den Magen zu- lammen, umsonst zog er die Holen schnalle fester zusammen, umsonst drückte er die Hände in die Hosentaschen, um sie unbemerkt gegen den Leib drücken zu S!o. 22. können. Er wurde diese? zerrende, reißende Gefühl nicht los. Einen Au gendlick blieb er sieben, dann drehte er sich um und stürmte zurück, der Volts küche zu. Und wenn alle B.'kaninen der Welt ihm zusehen würden, er mußte enen. Ermattet kam er bei der Küche an. Sie war geschlossen, die Verthei lung war schon vorüber. Verzweifelt lehnte er sich an die Mauer. Ein Strom von Thränen floß ihm über das ungewaschene Gesicht. Um nicht de merkt zu werden, wandle er sich der Mauer zu. und scheinbar die Affichen lesend, wischte er sich die Thränen ad. Tann begann er zu laufen. Ziellos, zwecklos, seiner Sinne nicht mächtig, rannte er ohne bestimmte Richtung wei ter. Als er auf die Rue Rivoli hin austrar. erblickte er gegenüber das große Schild einer Filiale d?s Credit Lvonnais. Ein wahnsinniger Gedanke durchzuckte ihn. Wenn er dort hineinging, dem ersten Boten, der an der Kasse Geld in Em pfang nahm oder ablieferte, ein paar Scheine entriß und davonlief? Ter Gedanke gefiel ihm. Aber, halt! Das mußte überlegt sein. Er kon struirte sich einen regelrechten Flucht plan; denn man würde ihn sofort ver folgen, das war sicher. Er könnte durch die Anlagen um den St. Jaaues Thurm herum nach der Rue St. War tin hinüderfliehen. Dann das Seine ufer entlang in die Notre Tame hinein. Die Kirche würde er in aller Ruhe durchschreiten, durch ein Nebenportal verladen, einen geschlosienen Fiaker de steigen und nach der Porte Maillot fahren. Entschlossen. Alles zu wagen, schritt er dem Bankgeschäft zu. denen Thüren weit offen standen. Er wollte gerade hineingehen, als ein Herr, der die Bank verließ, ihn anstieß. Aerger lich drehte sich Etienne um und be merkte, wie unter dem Rock des An deren ein Cigarrenetui auf das Pflaster hinabglitt, während dessen Besitzer sich ohne Entschuldigung entfern:. Etienne hob vas Etui auf und trat in einen Hausflur hinein, wo er es öffnete. Die eine Seite war vollgestopft mit Cigaret ten. Gedankenlos steckte er sich eine in den Mund und trat hinaus, um einen der Vorübergehenden um Feuer zu bit ten. Plötzlich fiel ihm ein, daß ihn die Cigarette bei der Ausführung seines Planes hindern könnte, und schnell trat er in das Haus zurück, um die Cigarette in das Etui zu stecken. Es gelang ihm nicht sofort, sie hineinzuschieben, und ungeduldig fuhr er mit der Hand in das Etui, um es zu blähen, als er mit der Spitze mnes Fingers Papier fühlte. Neugierig zog er es hervor es waren zwei zusammengefaltete Hundertfrancs noten. Starr vor freudiger Ueberraschung stand er da. dann die linke Faust, die die Scheine krampfhaft umschloß, in die Hosentasche versenkend, stürmte er hin- aus. seiner Wohnung zu. In wahnsinniger Eile rannte er die Straßen entlang, wand er sich durch oas Gewimmel der Wagen hindurch. Da, plötzlich ein furchtbarer Schrei, Die Deichsel eines herannahenden Om nibus hatte ihn erfaßt, zu Boden ae- schleudert und im nächsten Moment gingen die Rader. gedrückt von der schwere des bis aus den letzten Platz gefüllten Wagens. Über den Leib des Unglücklichen hinweg. Ein Polizei beamter stürzte herbei, das Publikum staute sich und umgab einen engen Kreis bildend, wie eine lebende Mauer das Opfer, das eine unkenntliche Masse, besinnungslos dalag. Nur einige Zuckungen der blutigen, zerquetschten Brust verriethen, daß noch Leben in dem zertrümmerten Körper wohnte. Man nahm ihn auf, legte ihn in einen Wagen und brachte ihn in ein Krankenhaus. Als man ihn aus dem Wagen heraushob, war er todt. Die Hand des linken Armes war noch in der Hosentasche vergraben. Nach dem man sie hervorgezogen hatte, fand man eingeschlossen zwischen den kalten, starren Fingern zwei Hundert francsscheine. De ni Gemtendevörstther. De Gemeendevörsteber Klebn hnr twee Amtstieden achter sick. He wull nich mehr, besonrers wiel Dirk Peters em ummer Steen twitcken dp SW smeet. Dirk Meer so dumm as Grütt. kunn awer so klok snaken as dar K, Weisheit mit Lopeln eten. Un merk würdi genog. de Dörvslüd wußten, dat he en Schapskovv weer. un dock aem, fe wat op sien Gekwassel. Manche ae- meennützlge Sak. de allerdings eenige Opfer kosten de. keem nicht to Stande, wiel Dörk de Lüd op sien Sied to krie gen wußt. Dat keem also in uns Dort) to Nie- Wahl. Dirk war wablt aeaen rn Stimm, sien natürlich. Dat keem so: Dnk bar nen foünd'n ebr Stimm sicher, un sien fytzr.tt traisn ent ut Siaberr.es; d?in Dir? kunn so tbtn für. Saren schrieben un fireben Scfcnft nich gud lesen. Na. ss Ut Wuh im bekannt makt war. So oeriebr Dirk sick nich wenig. .Na, kZinners. dat zeiht nich. mien armen -tewel. dat kann nich anzahn; ick kann de Geschäfte nich hewen. 20a kann ick Gcmeendevorfteher sien. ick ick ick hem wirklich keen Zid." Ja. dat seggt garnicks. Dirk PeterZ. wie annern möt of annehmen, wenn mi wäült ward'n. Na, kort unn gus to vertelln. Dirk war graiulirt. mußt düchtig wat utge wen un ver'prok schließlich, dat he düt Wohl von de Gemeen nah alle Kanten tru wahren wull. Wa:! Dirk. Du kommst nur erst? Wo kommst Tu ko spat her? Un an'cha ten bist Tu ok. schient mi." ..Ja. Moder, sühn Tu mi nick? an V' JU, Du heft noch d.:t fülwize dumme Gesichr as sonst, blois en beten rother." Denk Ti. Moder, wie sind hüt fte gen. Ick bin wählt as Gemeendevör stand, eenstimmig wablt. Wat segzft Tu darto?" Du bist noch besappner as ick dacht. Gab hin un slav." Dirk wull en wiedere Unnerhollung vermeöen. denn sien Fru weer schänd lich anzüglich un em wiet öwerlegen. He slep ut un weer am annern Mor gen gar nich so fröhlich to sien Arf schöpf , Moder, matt fchall ick anfanz'n? Segg mi doch, wat schall ich arm Mensch maken?" Tat weet ick nich. Lat Heine vor Di de Schriewerien maken. He iS nu all twölf Jahr, geit jeden Tag to School un möt dat doch könn'n. wovör gewt wi sonst dat vele Schoolgeld ut." Ja. so möt wi dat all maken, sonst weet ick nich wat ward'n schall." Heine war herin ropen, kreeg Feder, Tinte un Papier un mußt hinschrie wen, wat sien Vader em vörsad. He schrew: Lider Landrad! Ich thu ihnen hiermit freundliche? ivißen, daß ich Gestern zum Gemeinde verstand gewühlt wurden bin. Da ich mit das Schreiben nicht gut bemannert bin, weil ich in meinen Jungensjahren das Vieh hüten gemußt habe, so mach: sie sreundlichs den Vorschlag, ob mein Sohn das Schreiben besorgen kann, wenn ich es ihm dicketire. Mein Sohn hat diesen Brief nach vorsagen hinge fchriewen. Grüßend bitt um Antwort Dirk Peters. De Antwurd keem bald, awer nich an Dirk, ne. an de ole Gemeendevörfteher mit de Befched, he schul von nien de Wahl vörnehmen. wenn sick dat so ver holen de, dat de Hufner Dirk Peters nich fchriewen kunn. Fürst Btsmarck über Beredtsamkeit. Wir lesen in den Hamb. Nachr.": Uns gegenüber hat sich Fürst Bismarck über den Werth 'der Beredtsamkeit fol gendermaßen ausgesprochen: Große Redner, die dazu befähigt sind, Eindruck zu machen, brauchen so wenig wie große Dichter politische Be gabung zu besitzen. Der Redner be darf vor allen Dingen de Schwunges. Er darf nicht von Aengstlichkeit oder Scheu betreffs dessen, was er sagt, und der Richtigkeit seiner Darstellung er füllt sein, er muß die Sprache in allen ihren Ausdrucksmitteln beherrschen. Eine solche wirksame Beredtsamkeit ist zwar bei einem Staatsmanne eine er wünschte Zugabe und namentlich im Parlamente unentbehrlich, aber für die Angehörigen eines Staates ist es nütz licher. wenn sie von Schweigern wie Moltke. als von Rednern" regiert werden. Die Beredtsamkeit ist nicht das Maßgebende bei der Sache und es kommt bei dem Regieren nicht darauf an. ob der Kutscher des Staatswagens elegant fährt, sondern vor allen Dingen darauf, daß er genau die Wege kennt, die dem Ziele zuführen, das erreicht werden soll." Napoleon auf Kreta. Man schreibt aus Athen: Die auf der befreiten Insel des Minos jetzt eifrig sich regende Geschichtsforschung hat fest gestellt, daß Kreta Anfang Juni 1793. den Besuch Napoleons auf dessen Fahrt nach Egypten erhalten hat. Der fran zösische Feldherr wurde damals von der Menge, die in ihm den Messias der Freiheit erblickte, mit Begeisterung be grüßt. Die ihrer Schießkunst wegen stets berühmt gewesenen Sphakier leg- ten auch vor ihm Proben ihrer Fertig keit nach einem von Napoleon selbst aufgestellten Ziele ab. Er war von ihren Leistungen so entzückt, daß er die Tüchtigsten unter ihnen aufforderte, mit ihm nach Egypten zu gehen. Ein Korps von 30 Mann schloß sich ihm an und begleitete ihn nach Egypten. Von den Schicksalen dieser schießkundiaen Schaar hat man nichts vernommen. In Mar feille ist 1839 ein Sphakier als Fechtleh rer gestorben. Derplppert. Richter: Angeklagter, der sicherste Beweis für den DieSstahl ist der. daß man den Schlüsse! zum Kellerschloß bei Ihnen fand." Angeklagter: Reiner Zufall das. Herr Richter. Ich öffne jedes Keller schloß mit einem einfachen Nagel."