Die Waise. .ZioseUtne ron iniiiJ fesch lau. Seit ein paar Wochen begegneten sie sich fast tätlich im Flur oder auf den Treppen dcZ großen ZinShauseZ, gerade als od Eins von den AuSgängen deS Andern gewußt hätte. Sie glühten sich und dann sprachen sie auch mitun ter, aber nie mehr als ein paar gleich aültiae Worte. Vom Wetter, von einer Tagesneuigkeit oder auch, wie es der Frau Wanjck gehe. Tann eines Morgens als sie wieder recht bleich und mit blauen RlMen unter den Aiiaen vom vierten Stocke hcrabkam da faßte er Muth und sagte ihr. sie sollte sich doch nicht gar zu ,eyr ansiren oen. Tie Leute im öause sprachen auch ja längst darüber, daß es zu viel sei für ein ,unges Mädchen. 4.ag uno '.'caa,i eine kranke Frau zu Pflegen, den Haus, halt zu besorgen und daneben noch mit der Nadel zu verdienen, feie Dirnen das nicht länaer so forttreiben. Frän lein." schloß er mit merkwürdiger Wärme. ..nein Sie dürfen es nicht sonst richten Sie sich zu Grunde." Sie schüttelte darauf nur lächelnd den Kopf und wollte an thu, vorüber Er aber faßte sie an der Hand und hielt sie fest, und nun sahen sie sich ein paar Sekunden lang m die Augen. Tann, während das Blut in ihren Wangen wieder zurückwich, sagte sie leise: Es geht ja nicht anders, Herr Geb hardt. Wer sollte für die Mutter for gen, wenn ich's nicht thue? Frau Wan jek hat mich aufgezogen sein meinem zweiten Jahre Niemand hat ihr's ge lohnt kann eS denn anders sein, als daß ich ihr's jetzt vergelte? Ich bin auch gar nicht so schwach, als ich aussehe und dann ist viel Arbeit immer etwas KuteS das verscheucht nur die trüben Gedanken" Also doch trübe Gedanken-? un. terbrach er sie. O so mein' ich's nicht," erwiderte sie rasch. ES geht unS nichts ab und die Mutter ist so.gut nur an meine Eltern muß ich oft denken es ist doch traurig, nichts von ihnen zu wissen nichts...." Ihre sanften blauen Augen starrten nachdenklich in die Ferne da kamen Schritte die Treppe herab und nun faßte sie rasch ihren Kohleneimer und huschte mit einem schüchternen Gruß an ihm vorüber. Er blieb stehen und sah der feinen Gestalt nach, bis sie ver schwunden war, und dann seufzte er und folgte ihr langsam. An demselben Tage erhielt er eine Depesche, die ihn nach Frankfurt be rief. Er hatte dort eine Stelle in einem Bauamt erhalten, die er aber sofort antreten mußte. Mit feuchten Augen las er die kurzen Zeilen wieder und wieder und dabei jubelte fein Herz. Dann packte er seinen Koffer, trieb allerlei Unsinn, verschüttete die Tinte über ftmen Hemdkragen, sang dazwl schen alte Studentenlieder, er lachte, weinte, faltete die Hände mit einem Blick nach oben, und endlich verließ er sein Stübchen, ging zwei Treppen hin auf und klopste leise, schüchtern an die Thür der Frau Waniek. Das blonde Mädchen öffnete, als sie aber ihn erblickte, schrak sie heftig zurück. Nur ein Wort. Fräulein Ern.i" stammelte er, ein einziges Wort zum Abschied." Da trat sie aus der kleinen Küche heraus auf den Vorplatz und reichte ihm die Hand. Sie reisen doch fort, Herr Geb hardt?" . Ja heute noch mit dem näch sten Zug. , Ich habe eine Stelle er halten in Frankfurt ich bin ver sorgt," Ich wünsche Ihnen viel Glück leben Sie wohl!" Aber ich komme wieder Fräulein Erni " Wirklich? Im nächsten Augenblick hatte er sie umfangen und ihre Lippen geküßt. Blutroth, zitternd lag sie an feiner Brust, dann riß sie sich los und eilte in die Küche zurück die Thür so rasch verschließend, als würde sie von einem Räuber verfolgt. Leb' wohl, Erni ich komme bald!" Er rief es in einem jauchzenden fröhlichen Ton unbekümmert um das neugierige Gesicht, das schon auS einer Nachbarthüre lugte und dann sprang er luftig trällernd die Treppe hinab. ' Vierzehn Tage lang mußte Gebhardt warten, bis er eine Antwort auf den Britf erhielt, den er von Frankfurt aus an Erni geschickt hatte. Warum schrieb sie nicht? War was geschehen? Hatte er sie doch nicht verstanden? Da kam end lich der Brief. Mit Fieberhast zerriß er den Umschlag begann zu lesen und letzt letzt war freilich alles er Härt, Ein Stein sank ihm vom Herzen und er drückte das Blatt an die Lippen. Daß sie seine Gefühle nicht erwiderte daran hatte er doch nicht geglaubt ihr Benehmen hatte zu deutlich gesprochen. Was er ernstlich fürchtete, war nur die Ziehmutter und Frau Wanjek war vor einer Woche gestorben. Mit dieser Mittheilung begann der Brief., in schmerzlichen Worten die der nehmlich genug zu ihm sprachen... aber er empfand doch ein Gefühl der Erleichterung, und als er jetzt, das Blatt in der Hand haltend, heftig er regt durch's Zimmer schritt, war fast eben so vicle Freude in ihm cls Mit' leid.. .. Endlich blieb er stehen und fing von Neuein zu lesen an. Jetzt aber las er weiter und weiter und plöß lich erbleichte er. DaS Blatt in seiner Hand zitterte, die Buchstaben verwirr tcn sich vor seinen Augen. Er saßte den Brief mit beiden Händen las nochmals und nochmals aber er hatte sich nicht getäuscht und nichts mißver standen die Worte, die -er zuerst gelesen, standen wirklich auf dem Papier. Und nun sank er auf einen Stuhl, seufzte tief auf und starrte hin aus in den schönen Sommertag, ohne etwas anderes zu schen, als die kranken Gebilde seiner erregten Phantasie. Sie hatte seine Werbung mit einem entschiedenen Nein" beantwortet. Und dazu fügte sie noch die Bitte. Alles zu vergessen, ihr nicht mehr zu schreiben und keinen weiteren Annähcrungsver such zu machen. Unsere Bekanntschaft war so oberflächlich." fuhr sie fort, daß Ihnen das kaum schwer fallen wird. In ein paar Monaten haben Sie ein stilles ärmliches Geschöpf wie ich es bin. gewiß vergessen. Ich bin keine Schönheit, bin nicht gebildet, bin nur eine arme Näherin Sie werden leicht hundert Mädchen finden, die Ihnen mehr bieten als ich und Ihnen gern die Hand reichen. Also über winden Sie nur ein paar Wochen und dann werden Sie sehen, wie gut eS geht ohne mich. Und wenn Sie sich doch mir näherten in mich dringen woll ten Sie würden mir entsetzlich wehe thun. Ich werde nie heirathen nie. Herr Gebhardt weder Sie noch einen Andern! Die Verhältnisse, die ich bei dem Tod meiner armen Ziehmutter er fahren habe, zwingen mich dazu ich werde aber nie Jemandem ein Wort davon sagen begnügen Sie sich also mit dieser Erklärung und versuchen Sie nicht, mich zu quälen. Einen Erfolg würde der Versuch ohnehin nicht haben." ES las diese Stelle nach einer Weile wieder schüttelte den Kopf, starrte minutenlang vor sich hin und dann sprang er auf und schritt durch's Zim mer und wieder zurück. Was kann es sein?" sagte er end lich, am Fenster stehend, was kann es sein? Eine Thorheit ein Hirn - Ge spinst ! Und wenn auch mehr wenn auch das Schlimmste Sie wird eben erfahren haben, daß ihre Mutter, ihre wirkliche Mutter.... Nun ja, ich kann ihre Empfindungen begreifen, auch ihren Entschluß. daß sie eine feinfühlige Natur ist. hab ich ja gleich gemerkt. Aber sollte cZ kein Mittel geben, sie zu bezwingen? Denn im Grunde genommen, ist doch auch das nicht mehr als eine Thorheit. Hirn gespinst! Wenn ihre Mutter lebte nun ja. Aber ihre Eltern sind todt. WaS kümmern sie mich! Ich werde es mit diesen Schatten schon aufnehmen seitdem ich eine Stelle habe, nehm ich's überhaupt mit irgend Einem auf. Du wirst mein, Erni, Du wirst trotz Allem mein! Dann setzte er seine Wanderung durch das Zimmer fort und das liebe Bild stieg vor seinen Augen auf. als dürfte er es nur umfangen. Wie thöricht, kleines Madchen, daß Du dich so so herabsetzt I Keine Schön heit, nicht gebildet, nur eine arme Näherin! Kann ein Weib ihrem Manne größeren Reichthum mitbringen als diese Hingebung, diese Opferfreudig- keit all das, was Du dem alten Waschweib schon ohne Liebe geschenkt hast?! Und hast Du nicht oft genug die höchste Bildung verrathen jene Bil dung, die sich kaum erlernen läßt die Du von der Mutter hast, oder wohl kaum vom Vater? Du. kannst nicht Französisch und nicht Klavierspielen freilich na. ich danke dafür. Erni Erni und schön willst Du auch nicht sein? Warum dann diese Sehnsucht,! Dein blasses Gesicht zu küssen warum habe ich gerade Dich so lieb? Du mutzt mein sein und Du wirst mein sein trotz Allem!" Oder könnte es irgend etwas geben, was einen Mann zurückweichen läßt von einem Mädchen, das er liebt, wie ich Dich liebe....?" Er lachte auf. streckte die Arme aus, als könnte er die Geliebte wirklich an feide Brust schließen rief wieder ihren Namen und endlich faßte er Hut und Stock und ging mit dem heitersten w sicht der Welt, in der Stimmung eines von zähem Glück llederraschten zu dem Hause hinaus. Und dann that er etwas, was er in seinem ganzen Leben noch nicht gethan hatte er kaufte sich eine Flasche Wein, eine ganze Flasche Rheinwein und während er sie leerte, entwarf er feine Pläne. Erni sollte ganz aus dem Spiele bleiben, aber der Notar, der die Verlassenschaft geordnet hatte, mußte die bösen Verhältnisse" kennen, nur von ihm oder einer der sonst betheülg ten Gerichtsperfonen konnte das Mäd chen Einblick in der Vergangenheit er halten haben. Ein solcher Mann ist niin freilich in der Regel verschwiegen aber die Sache würde sich schon machen lassen. Wenn man etwas ge- beimnißvoll auftrat, sich für einen Ver wandten der Mutter oder des VaterS ausaab. für einen Wissenden", konnte man mit einiger Klugheit dem Mann des Gesetzes schon so viel entlocken, um damit ganz klug zu werden. Auf den Kopf gefallen bin ich ja nicht," fuhr er in seinen Phantasien fort, und wenn ich nur erst klar sehe, wenn! ich alleS weiß, dann wird auch Erni bald bezwungen fein. Und dann wird Hochzeit gemacht in ein paar Wochen schon hab' ich wohl auch eine so nette Frau wie mein Kollege Zur! nein, nein, eine tausendmal nettere ach Erni. ich seh' Dich ja wohl schon mit frischen, gefunden fangen, ohne die blauen Ringe unter den Augen, immer lächelnd und dasselbe Kleid wie die Frau Zurt mußt Du haben ticsrolh und dazu ein ganz kleines Hütchen von demselben Roth vorn mit drei hohen rothen Federn na ja. wozu wären wir denn Ingenieur Assistent zweiter Klasse!" Da kam er wieder auf seine Pläne zurück, überlegte hin und her und end lich war sein Entschluß gefaßt. Er hatte gar nicht nöthig. Urlaub zu neh mcn wenn er am Samstag einen der Abendzüge benutzte, kam er in der Nacht in seiner Heimath an und dann hatte er den ganzen Sonntag vor sich. Tcn Vormittag für den Notar den Nach mittag für Erni." Und jetzt er hatte die Wirthschaft inzwischen verlassen und schlenderte in Den mondhellen, von sommerlichem Blumendust erfüllten Promenaden" dahin jetzt dachte er nur mehr an den Nachmittag für Erni. Am nächsten Sonntag führte er sei nen Plan auS und er gelang bis auf den Nachmittag für Erni. Als er das HauS des Notars verließ, war all seine Heiterkeit geschwunden, und in der schmerzlichsten Seelenstimmung kehrte er zurück nach dem Bahnhof. Er be griff sie, jetzt ganz, er wußte, daß keine Thorheit, kein Hirngespinst sich seinen Wünschen entgegengestellt hatte, er empfand ihr Weh so lebhaft, als sie es nur selbst empfinden konnte, und er sah kein Licht, das in dieses Dunkel zu leuchten vermochte. Tie einzige Hoff nung, die ihm noch blieb, war die Zu kunft. Vielleicht, daß im Laufe der Jahre sich ihr Gemüth von diesem Schlag wieder erholte und das dann seine Treue sie rührte, daß sie allmäh lich wieder Muth und Vertrauen faßte. Auf dem Bahnhof angelangt, ließ er jedoch den nächsten Zug vorbeifahren, ohne einzusteigen. Wenn er auch hier nichts zu thun hatte in Frankfurt war es nicht besser als hier. Er hatte ein Gefühl, als könnte er sich nicht los reißen von dieser Erde, als dürfteer nicht fort, als müßte er wenigstens in der Stadt bleiben, in der Erni wohnte. Und dann kamen auch allerlei tolle Ge danken, die er aber bald wieder ver warf. Mit einem brutalen Ueberfall war nichts erzielt die glühendste Beredtsamkeit konnte hier nicht helfen. Auch wuchs das Mitleid immer mäch tiger in ihm empor und er dachte end lich nicht mehr dran, das geliebte Mäd chen in seine Arme zu schließen, all das heiße Wünschen in seiner Seele hatte nur ein Ziel sie von diesem entsetz lichen Schaden zu befreien, die furcht bare Last von ihrem Gemüth zu neh men, ihr wieder die Lebenslust, den Glauben an da? Glück zu geben. Und trotzdem that es ihm wohl, wenigstens hier zu sein, die Luft mit ihr zu theilen, und der Schienenweg, der vor ihm im heißen Sonnenschein glänzte, berührte ihn plötzlich schmerzlich. Er sprang auf und schritt den Perron hinab, ent schlössen, den Bahnhof zu verlassen und sich in den nahen Anlagen ein einsames Pläkchen znm Weitergrübeln zu suchen. Als er aber an dem Gepäckraum vor überkam, rief ihn der Portier an und fragte, ob er den Zug versäumt habe. ' Ja. ja," stammelte er, stillhaltend und den Mann mit einem Blick betrach tend. wie man ihn in solch tiefster Er regung oft für das gleichgültigste Wesen hat als könnte von diesem die Ret tung kommen. In zehn Minuten fährt der Schnell zug durch," entgegnete der Portier, da wird es besser sein, Sie gehen nicht fort. , Aufenthalt giebt's nur eine knappe Minute. Sie fahren doch nach Frank furt nicht wahr?" Nach Frankfurt allerdings nach Frank furt " Und während er das sagte, fuhr es ihm durch den Sinn, daß ja auch das Drama der Jugend Erni's sich in Frankfurt abgespielt hatte. Er kannte nur die Katastrophe der Tragödie, aber wenn er sich über die Einzelheiten besser unterrichtete, wenn er die Vorgeschichte und alle einschlägigen Verhältnisse durchforschte vielleicht fand sich dann ein Lichtstrahl, der zur Versöhnung führte Nach Frankfurt nach Front furt ", stammelte er erregt, und dabei machte er eine Bewegung, als wollte er dem Porner die Hand etwas drücken. Dann besann er sich, griff in die Tasche nnd gab dem Mann ein Trinkgeld, das diesen über die geistige Beschaffen heit deS seltsamen Reisenden wieder be ruhigte. Nach Frankfurt das ist das Beste." Und so erwartete er den Schnellzug, während bereits neue Pläne in fiebert schein Hin und Her sein Hirn durch kreuzten. Drei Tage später wurde um die Mit tagsstunde an die Thür deS Dachftüb chenS geklopft, daS Erni bewohnte. Die Nachbarin stand davor, in blauen Kat tunkleid und grober Shürze, und neben ihr stand Gebhardt. Wer ist draußen?" hörte man die timme Erni's. Ich bin's, Fräulein," antwortete die Frau. Bitte, machen ie do aus. 2iiiD Sie allein, Frau Weder?' Nur einen Augenblick -bitte" ' Ta trat Gebhardt näher und gzd sich zu erkennen. Ich will mir nicht dnich List Ein tritt verschaffen," sagte er. ich bin hier vollen sie mir ettiien r Erni schwieg man hörte ihr erregte? Athmen durch die Thür Erni!" rief er nach einer kleinen Weile Herr Gebhardt," antwortete sie jetzt. gehen Sie fort. Ich kann Sie nicht sprechen ich will sie nicht sprechen. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen als in meinem Brief stand. gehen Sie. und quälen sie mich nicht." Nun dann was ich Ihnen sagen will, kann ich Ihnen auch durch die Thür sagen nein, nein. Sie sollen 's lesen, Erni, lesen." Er öffnete seinen Rock und zog ein Zeltungsdlatt aus der Brusttafche Tann bückte er sich und schob da? Blatt durch den Spalt zwischen die Thür und Fußboden Es ist eine Zeitung, Erni," sagte er, eine alte Zeitung, gerade achtzehn .zaure alt. Bitte nehmen sie sie werden leicht finden, was Sie angebt und dann bitte lesen Sie auf merksam Wort für Wort und wenn's Ihnen auch schwer fällt wenn's auch traurig ist Sie erkäm pfen sich doch das Leben wieder. Sie müssen lesen, Erni, es ist eine Zei tuna, die vor achtzehn Jahren gcschrie den wurde, in Frankfurt der Stadt, in der Ihre Eltern starben vor achtzehn Jahren." Ein leiser Schritt kam näher da Zeitungsdlatt wurde durch den Spalt gezogen. Tann ein Rascheln und plötzlich hörte man heftiges Weinen dem Mann vor der Thür flössen die Thränen aus den Augen herab tn den Bart Kommen Sie einstweilen zu mir herein." sagte die Frau Er lehnte ab und nun brachte sie ihm emen stuhl Danke und bitte lassen Sie mich letzt allein." Sie ging und Gebhardt lehnte sich schmerzlich erregt an die Thür. Er lauschte auf jeden Athemzug da drin nen und es war ihm. als ob er durch das Holz hindurch das liebe Gesicht sähe, blaß und elend, ein Spiegel der von dem grausen Gespenst zermarterten Seele. Vor achtzehn Jahren hatte der Vater Erni's in einem Vcrzweiflungsanfall seinem Familienglück" ein Ende ge macht. Eines Morgens fand man Eltern und Kinder vergiftet in der klei nen Wohnung. Nur der Vater nnd die zweijährige Erna wurden gerettet, der Mörder freilich nur. um vor Ge richt gestellt zu werden. Tie Verhand lung fand statt, aber während man zu erst nur mit Grausen auf den Unseligen sah, empfand zuletzt Alles das tiefste Mitleid. Die Mutter Erni's war eine jener lieblosen, hartherzigen Frauen gewesen, die nicht des geringsten Opfers fähig sind und durch ihre ewige Ver drosscnhcit, ihre Zanksucht, ihre unauf hörlich wiederholten Vorwürfe und Klagen ihre Männer in die Flucht trei ben, oder wenn diese zu gut dazu sind, in die Verzweiflung, in den Wahnsinn. Die Zeugenaussagen enthüllten ein er schütterndcs Bild des Unglückes, das der Charakter einer solchen Frau schaf fen muß, und der Angeklagte, der fast nichts zu seiner Vertheidigung gesagt hatte, brach endlich schluchzend mit den Worten zusammen: Ja, ja so ist es die Frau, das ist der Sonnenschein, der auch die bitterste Noth noch vergol det und eine Frau ohne Herz ver nichtct das blühendste Leben, daß es Nacht werden muß, Wahnsinn, Ver- zwciflung." Das Gericht verurtheilte den Unglücklichen zu der mildesten Strafe, welche das Gesetz zuläßt, aber er erlag schon wenige Tage nach der Verhandlung den Folgen der Seelen quälen. Gebhardt dachte das Alles wieder. während er mit nassen Augen und sie berisch pochendem Herzen an der Thür lehnte er las im Geist mit Erni den Zeitungsbericht, er weinte mit ihr und er sagte sich, daß sie jetzt dasselbe empfin- den mußte, was er empfand. Und plötz lich vernahm er auch wieder ihren Schritt, der Riegel wurde zurückgescho ben, die Thür geöffnet und jetzt stand sie vor ihm, am ganzen Körper bebend, mit tief in den Höhlen liegenden Au gen, ein Bild des Jammers. Sie reichte ihm schweigend die Hand, die kalt war, wie Eis und er zog sie sanft an seine Lippen. Erni." stammelte er. Du haft Alles gelesen auch die Worte Deines Vaters. Glaubst Du. daß eS für ein Herz wie das Deine je eine so Unglück liche Ehe geben kann? Und wenn Dein Mann auch mehr Laster als Tugenden hätte, und die Noth und die Sorge kämen was ich bisher nur dunkel empfunden habe, das weiß ich jetzt: die rechte Frau das ist der Sonnenschein über Allem ein Herz, das nur der rechten Liebe fähig ist, muß glücklich fein und glücklich machen. Oder hab' ich unrecht. Erni ?" Da hob sie die Hände bittend zu ihm auf und er zog sie an feine Brust. viel verlangt. Dorfschullehrer: Kinder! Wenn der Wagen deS Fürsten in die Straße ein biegt, dann stellet Euch nebeneinander kerzengerade auf und enthauptet Euch." IU? syiratbjwci?. 2lvj dem '.islki'm'ckmi vi, .1, X. Im Jnicratenthcil einer große Zei tung las mau eins 3 Tages unter der Spd''iarke: Reiche Hciraty' soigcnoe verlockende Anzeige: Als Vormund wünsche ich für mein Mündel, iunac Waise von 20 Jahren anmuthig, fcin gebildet, im Besitze von 1v Millionen, ciraly ni einem oi,ii auirten Herrn von 254: Jahren Vermögen nicht beansprucht. Anfragen unter W. 30 in der Expedition. Unter bändler verbeten. ES ist wohl llniibthig, zn sagen, daß es andern Tags rn der Zeitungsexpe dition einen Regen von Briefen gab mit der Chiffre W. 30. Im Au war ei halbes Tausend beisammen. Wenige Zage später empfing der Graf Eastello. einer jener fünfhundert Aspiranten um die Hand der jungen Waise, nachstehendes Antwortschreiben Herr Graf! Die Mittheilungen, welche Sie mir über Ihre gesellschaftliche Stellung über Ihre Geschmacksrichtungen u.f.w zu machen die Güte gehabt haben, be friedigen mich durchaus. Was mein Mündel anbelangt, muß ich Ihnen sagen, daß sie. reich genug, sich diesen Lurus zn gestatten, nur eine Ncigungs Hcirath zu schließen wünscht, somit bleibt abzuwarten, ob Sie ihr gefallen doch verhehle ich Ihnen nicht, daß Ihre Photographie keinen unvorteilhaften Eindruck auf sie gemacht im Gegen theil! Ties bestimmt mich, Ihnen eine Zusammenkunft mit ihr vorzuschlagen Möchten Sie sich Mittwoch, den 15 d. M.. im Theater einfinden; wir mein Mündel und ich, sitzen in der Loge No. 13 und werden uns freuen, Sie in der Pause zwischen dem ersten und zweiten Akt dort zu empfangen Genehmigen Sie u. s. m. .. W. 30. Das lesen nnd in's Theater eilen. war für den,Grafen eins. Athemlos am Kassenschalter anlangend, fordert er ein Billet: Parket, erste Reihe!" Zu heute Abend?" Nein, zum Fünfzehnten!" Ta giebt's keins mehr!" Wie?!" Für den Abend ist völlig ausver- kaust!" Welch ein Mißgeschick! Ter Graf be harrt auf seiner Forderung ver- gcbens. Ausverkauft das ganze Haus bis zum letzten Platz! Klirrend fällt das Fenster zu. Graf liasleuo geht dc turzt von bannen: da, an der Pforte nähert sich ihm ein Individuum der Hut s,t ihm schief auf dem Kopfe, er sieht nicht sonderlich vertrauenerweckend aus: Wünschen Sie ein Theatcrbillet. Herr?" Geht zum Henker!" Ein Billet zur Vorstellung am günszchnten? ' Was?" Das Individuum wendet sich der gegenüberliegenden Weinstube zu, mäh rend ein mephistophelisches Lächeln über seine Züge gleitet, in den Augen des Grafen aber leuchtet ein Strahl der Hoffnung aus. und er folgt ihm in das Zimmer hinter der Schenke. Em chöner Platz. Herr, nummerir- tes Parket, erste Reihe!" Was verlangt Ihr dafür?" Hundert Mark!" Das ist unverschämt!" Nicht mehr, nicht weniger." erklärt kalt lächelnd der Unbekannte; und wenn auch mit saurer Miene bezahlt der Gras, bedenkend, da er das Zusam mentreffen mit diesem Gauner ja im Hierhin als ein Glück betrachten müsse. Der Abend icnes Fünfzehnten lebt unvergessen in den Annalen des Schau fpielhauscs. Ter kleine Raum war gefüllt wie ein Ei. Ueberall - schwarze Fracks mit dlumengeschmücktem Knopfloch, schwarze graas in icoem Winiet. chwarze Fracks. wohin das Auge sah. Nicht einmal für die Feuerw-Hr war ein Plätzchen übrig geblieben an diesem Abend. Eine Loge nur blieb leer die Loge Nr. 13. auf die mit Beharrlichkeit sich die Opern gucker sämmtlicher Schwalbenschwänze richteten, bis diese sich während der Pause m den Wandclqänqen verloren Da sah man ein Gewimmel von Fracks und Zwickern in der Nähe der Loge or .. i c t v ii. ct ti 'jir. io, aoer ver ziveire Air oegann, und sie blieb hermetisch verschlossen, blieb unverändert, öde und leer. Im Theater-Eass aber that sich wäb rend dieses Zwischenaktes eine Gesell- schast von Schaulpielern gütlich. Bev lingotto der dicke Bonvivant", der an dem Abend seine Beneftzvorstellung hatte, präsidirte natürlich dem fröh lichen Eonvivium: Seid vergnügt, Kinder, laßt's Euch schmecken, füllt Eure Taschen dazu ich bezahle Alles!" Ja, Du kannst wohl zahlen!" rie fen die Kameraden solch ein Bene fiz! Du bist ein Glückspilz, Berlin gotto." In diesem Augenblick trat ganz der stört Fräulein Angiolina, die eben ihre Rolle im zweiten Akte beendet hatte, zu den Uebrigen. Geht doch schnell und seht." rief sie, sie schlagen sich im Zuschauer räum!" Sie schlagen sich?" Ja. Herren im Frack und bläuen einander durch. Niemand weiß, wes halb!" 0, ich weiß eS," sagte Berlingotto ruhig, daö ist wegen der Loe mer dreizehn." Aber die Loge ist ja leer," nu'i.itc Angiolina erstaunt. Gerade deshalb!" Und der schlaue Bonvivant. iv gnttgt mit den Augen zwinkernd. n. hüllte das Geheimniß: Daß Ihr's nur wißt, die .:e Nummer dreizehn ist eine kleine Falle, kunstreich von mir aufgestellt, um ein volles Haus zu bekommen." Ter Brief an den Grafen Easteüo war nur ein Cirkular gewesen. Wieder ein Wunderkind. In dem Kongresse der Psycholon, der kürzlich in Paris tagte, stellte Pn sessor Charles Richet dem zahlreich ini sammelten Publikum ein Wiuidakino vor, welches durch seine außergewolm liche musikalische Begabung llqnneine Aufsehen erregt. Es ist dies ein kleiner Junge von vierthalb Jahre von eber zarter als kräftiger Konstitution. Seine Erscheinung wie seine Intelligenz m ganz die von Kindern seines Alters: nur in seiner Liebe zur Musik und in seinem Verständniß dafür unterscheidet er sich von seinen Altersgenossen, 'lai ungewöhnliche Genie dieses Kleinen offenbarte sich schon vor einem Jahre also im Alter von dritthalb Jahren und zwar bei Gelegenheit eines Klavier vortrage? seiner Muttei. Diese halle eine Sonate gespielt und sich soeben in ein anderes Zimmer zurückgezogen, als sie plötzlich dieselbe Sonate auf den, Klavier wiederspielen hörte, mit unge übter Hand und einiger Phantasie im Baß, aber in der Tonart. Als sie nachsah, wer spielte, war es ihr Kind, welches den Klavierstuhl erkletterte. Das trug sich in Spanien zu. Ter Kleine heißt Pepito Rodriguez Ariola und ist in Ferroll geboren. Nach der unverniutheten Offenbarung seiner musikalischen Anlagen ließ die Mutter ihn weiter spielen, und bald wiederholte er nicht nur Gehörtes, sondern er im provisirte. Einige seiner eigenen Coin Positionen trug Pepito, für den man noch zwei Pariser Adreb-Bücher auf den Klavierstuhl gelegt hatte, dem Congreß vor, außerdem.auch Musilstücke und Arien, die er gehört hatte. Noten lesen kann er nicht, ebenso wenig hört er auf wohlgemeinte Rathschlüge. Als Jemand wegen des Fingersatzes einiger maßen in den jungen Künstler drang, fing er zu heulen an. lief vom Klavier weg und umarmte schluchzend seinen Hampelmann. Man mußte ihn wieder spielen lassen, was und wie er wollte, auch die Marseillaise mit zahlreichen Variationen. Sein Instrument ans einem anderen will der Kleine nicht spielen ist übrigens scheußlich und bringt die Kunst des kleinen Wunders nicht zur Geltung. Pepito versteht sich schon auf alle Finessen des Pianissimo, und für das Fortissimo entwickelt er eine staunenswerthe Kraft. Da er die ' Oktave mit feinen Händchen noch nicht zu spannen vermag, so behilft er sich mit Arpeggien. Manchmal scheint das arme Kind so erschöpft zu sein, daß es weiter spielt, ohne zu wissen, was es thut, aber dann erholt es sich rasch wie der, andere Male scheint Pepito nur halb dei der Sache zu sein. Und nun streitet man darüber, od Pepito ein Mozart oder einer der Klavier-Tromm- ler werden wird, die nach zurückgeleg tem Kindesalter aufhören, ein Wunder zu fein. Muflker.Anekdoten. Von berühmten Musikern erzählt die Neue Musik-.cituna" in ihrer lekten Nummer eine Anzahl von Anekdoten. von oenen oie folgenden besonders sehr hübsch sind: Der Comnmiist iintVrntT traf einmal Cherubini in einem furcht- oaren Platzregen auf der Straße; der alte 5err battc dabei nur rlnxn tVhnn bedenklich durchlöcherten Regenschirm. Pn,eron veeitte sich, ihn aufzufordern, in seinem Waaen Blak in n?kn,? während er selbst zu Fuß nach Hause geyen wourc. um aber nicht gänzlich durchnäßt ZU werden, bat er ßfWnhim ihm dazu seinen Regenschirm zu leihen; oie,er aver sagte nun: Unmöglich, mein Theuerster: denn es itt eine alt? ?k,it- fache, daß man verliehene Regenschirme niemals zurnaoeiommt!" sprachs und fuhr in Panseron's Wagen von bannen. Von Gluck wird erzählt, daß er ein wahrer Tyrann gewesen ist; manche Stellen ließ er Manna Mal niw. holen, ehe sie ihm paßten. Die Wiener Hof-Kapelle beschwerte sich darüber beim Kaiser oscvb II.. der die TOufif. i. doch beschwichtigte und ihnen stets, wenn wiua oirignte. zwei statt einen Du- tuen auszamen lieg. . Als Rubinstein in Svaniett f rmi.rirf hatte, wurde er von Jemand gefragt: Können Sie denn spanisch?" Nein!" Also haben Sie sraniäsisk ihr,, müssen?" .Das versteht man dort nicht überall." Also womit bniw ka denn fortgeholfen?" Mit dem Piano!" r...i.. 1 . t . ri . ' ugie iiuoinsieln lächelnd. verfehlter Z5emf. Examinator: .Und was wissen mir über das Ebereckt ,u faan fvrr Kandidat?" " ' ' " Referendar (schon verbeiratb Z habe ich bisher auS Zartgefühl "noch nickt ftudirt. Herr Professor, um meine ,unge Frau nicht zu kränken." Examinator: So. so. Wissen Sie hätten lieber Maurermeister werden sollen. Sie bauen stets so ntüe wände!!"