Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 04, 1900, Image 14

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Ein rntctJ4.
rhlimz ?. 1 1 i n i i.
Cabe August ttar'S und so sin tich
tizet Emtetsz. Bit ihn die lieb! gern
manchmal besingen und die Maler n
leuchtenden Farben auf die Leinwand
zaudern. Unendlich für daS suchende
Buge wölbte sich in leichter Blaue ein
wolkenloser Himmel über der Erde, die
nnitr K,m ktnaenden Kusse der Tonne
matt und schwer athmend dalag. Kein
Windhauch rührte nq; leivti oie rcaio
bedeckten Höhen, welche in weitem
M,ri das LandickastSdild umzirlten.
entsandten beute leine erfrischende
Kühle und starrten wie traumend hin
in in die sckmüle Sommervracht. Still
ftaud die Luft, gan, ftill. aber die
luth deZ Tage Ichus ein 8iimn uno
Flimmern im Acther und wob ein
weiße, schleierartigeS Tunftzewebe.
iai sich zwischen Sonne . und Erde
drängte und alles Freiliegende wie das
ZageSgestirn selbst in Form und Elan,
unsicherer und matter erscheinen liefe.
Wer droben am Waldessäume der
Hügel entlang schritt, den muthete eS
an wie ein erster leiser Gruß deS nahen
den HerbfteS. Millionen röthlicher
Blüthchen deS HaidekrauteS decken be
reitS zwischen Moosz und Pflanzen den
Waldesboden: die Beeren der Ebereschen
am Wege leuchteten wie Korallen durch
daS zierliche Blattergezweig: hin und
wieder segelte ein Stück weißes Spinn
gespinnft durch die stille Sonnenluft,
bis es. fcstgenestelt an einem wilden
Tornbufch. nun flatterte, wie ein Ban
ncr. daS den Einzug deS heranziehen
den Herbstes verkündet.
TaS Land, auf welches man von der
Saumstrafze der HUgelgelände nieder
blickte, sah so unendlich müde aus. als
sehne eZ sich nach Schlaf und Aus
ruhen. Toch auf den Feldern und
Wiesen, längs der Raine und über den
Straßen und Wegen hin. die. sich der
üftelnd. zu den Törfern leiteten, welche
hier und dort mit roher Tächerschaar
aus Obstgarten freundlich heraufgrüß
ten. da regte eS sich, im scharfen Gegen
fae zu dem dumpfen Hinbrüten der
Natur, um so lebendiger heute und lieh
dem Gesammtbilde erst Glanz, Leben
und tiefere Bedeutung. Erntewagen,
hochbcpackt oder noch ungefüllt, schwank
ten und klapperten einher; Peitschen
knall. Pusten der Pferde, und dazwt
schen fröhlicher Anruf. Gruß und kurze
Wechselrede. Hier banden und häuften
bemdsärmelize Tirnen Garbe zu Garbe;
dort schritten Mäher im langsamen
Vordringen über eine buntblumige Klee
wiese. Schrägstreifen niedriger grüner
Hügelketten hinter sich lastend. Wo hier
ein Pflug schollenaufwerfend vorwärts
Ächzte, vertraute man dort die Winter
frucht der rastlos sorgenden Erde an,
und wo gelbschimmerndeS. schnittreifes
Korn sich müde niederneigte. da schien
xS wie ein dankbaregs letztes Ausrauschen
zu gehen, wenn die Sense endlich leis
schwirrend die schweren Halme sanft zur
Erde gleiten ließ.
Zwischen zwei noch ungemähtcn Jel
dern zog sich ein schmaler Rain hinab.
GraS und niederes Buschwerk bedeckten
ihn. und wo er die Rockenfelder streifte,
da standen Klatschmohn. Rade, Ritter
Iporn. Kornblume und Kamille und
wisperten geschäftig und wichtig mit
einander. Ungefähr in der Mitte deS
RainS. ein kaum erkenntlicher Fußpfad
mündete aus dem einen Felde hier ein.
da erhob sich, weithin sichtbar, ein wil
der Birnbaum.
ES war um die Vesperftunde. Tie
Eonne stand schon über dem dunklen
Waldkranz der Berge. Aus den Fel
dern ruhte zur Zeit die Arbeit. Grup
penweise saß man trinkend, schmausend
und plaudernd zusammen. Lerchen
fangen hoch in der Luft und hin und
wieder klang ein Heller Ton herüber,
wenn ein Müher die stumpf gewordene
Sense eifrig dengelte. Unter dem
Birnbaum am Rain saß eine junge
Bauerndirne. Sie hatte ihr kärgliches
Mahl bereits beendet und blickte, das
eine Knie zwischen den gefalteten Hän
den hoch gezogen, mit heiterem Gesichts
ansdruck über Rain und Felder hin.
Tie entblößten, gebräunten Arme, das
straff gespannte schwarze Sammtmin
der. zeigten eine kräftige Gestalt. Tcr
breitrandige Strohhut beschattete ein
auffallend hübsches Gesicht, aus dem
rin paar dunkelbraune Augen warm
strahlten.
Jetzt wandte die einsam Sitzende
plötzlich den Kopf seitwärts, wo soeben
ein hochgeschoffener Bursche aus dem
hinter ihm zusammenrauschenden Felde
trat.
.Kommst Tu doch noch?" Sie reichte
!,, hi imh tau ihn dann an
MUy l tt V vtv g-n - -7 - - -
ihre Seite.
Meine Sense bat 'nen Schaden.
Und dann stand der Inspektor dabei.
Ter bat scharfe Augen. Kaum, daß
tr fort war. bin ich bierber gerannt.
Eine Biertelftund' können wir ja immer
noch verschwartz , eronua:-
-Hrmer Sckak!" Sie berübrte leicht
feine Schulter, dann blickte sie wieder
wie vorhin in die, blaue sommertust.
3,,! miA dauern. Unedel! Schon
um Teinctwillen wünscht' ich. wir
Beid' wären erst zusammen und Tu
roffli. wofür Teine Hände schafften.
Ader ich denk', mein Vater wird bald
in Einsehen haben und die Einwilli
gung geben. Von einander lassen wir
doch nicht! Gelt. Fnedel k" Äie sah ihn
treuherzig an.
.Nimmer, Veronika, nimmer!"
Für einen fremden Herrn schaffen
ich möcht's nicht, und wenn's auch die
.gnädige Herrschaft' heißt."
.Jz. gnädig sind sie Alle droben.
Alle! Tcr Herr Baron sind gnädig, die
ran Baronin find gnädig aber der
Junker da. ha! der ist am aller
gnädigsten!" Ter Bursche lachte kurz
und bitter auf.
.Friede!, du thust ihm wohl Un
recht, gelt? Er ist doch freundlich auch
zu mir!"
TaS Gesicht deS Burschen nahm einen
eigenen Ausdruck an.
.Er waat'S. auch u Tir?" rief er.
.Brauchst nicht eifersüchtig fern
darum! Als er mich neulich traf und
von allerlei Tinaen konfus redete, mir
auch eine schöne Halskette versprach
da lachte ich ihn au und HfB ton
sieben "
Ter Bursche knirschte fast unhörbar
mit den Zähnen. Sein Gesicht ward
um einen Schein blaffer. als er jetzt
mühsam hervorhaftete:
9m ine Halskette?' Sahaba'. so
fina'S auch bei ihr an. Und dann er
würgt er ihnen damit den Verstand
Ehre Leben!" Ter Buricoe umiagie
heftig die eine Hand deS Mädchens.
.Haft Tu die Kette gesehen? Gesteh' eS.
Mädchen!"
Veronika schüttelte den Kopf und sah
ihn größ und fragend an.
Hüte Tich!" fuhr der Bursche fort,
.sie glitzert und funkelt, daß Tir die
Augen übergehen. Hüte Tich! So
fing'S auch damals an. Mit Gold
fing'S an und süßen Worten an der
Mauer deS GotteSackerS hat'S geendet."
Er ballte die Fäuste. .Veronika!" fuhr
er fort, .hör mich an! Tu bist die erste,
der ich'S deicht! Eh ich Tich kannte,
hatt' ich nur ein Wesen. daS ich außer
meiner Mutter so recht liebte daS war
meine Schwester. Sie war schön wie
Tu. aber anders wieder. Als sie aus
der Schule kam. ging sie auf'S Schloß
in den Tienst zur gnädigen Herrschaft.
Gnädig aber war ihr doch nur Einer,
der feine Junker. Ihr Sinn stand
nach Putz, und sie ward geblendet, als
er ihr die funkelnde Halskette anbot.
Ein halbes Jahr später zog man die
arme Gertrud aus dem Teiche im
Schloßpark. Andere Mädchen, die er
auch bethörte, haben'S ihm nicht fo
leicht gemacht. Ich bin damals zum
Herrn Baron gegangen und habe
Rechenschaft gefordert. Ter gnädige
Herr jagte mich wie einen Hund fort,
meine Mutter bekam eine kleine Ab
findungssumme und der liebe Junker
ward ein paar Wochen auf Reisen ge
schickt, um sich von dem Aerger über
diese fatale Geschichte zu erholen. An
einem Samstag spät Abends begruben
wir die arme Gertrud.
Ter Bursche war aufgesprungen und
stand für ein paar Augenblicke stumm
da, das von tiefstem Grimme bewegte
Gesicht nach der Richtung gekehrt, wo
unweit eines TorfeS ein weißer Her
rensitz mit Thurm aus einer Gruppe
alter Laubdäume hervorgrüßte.
Mein Vater war ein Höriger, und
ich bin eS wieder geworden um meiner
alten Mutter willen. Wär' die nicht
und Tu. Veronika, ich wär' weit fort
in die Welt gegangen. TaS Häuschen,
m dem wir wohnen, das Tach, das
unS schützt, daS Brot, das wir effen
eS gehört dem gnädigen Herrn. Wir
sind verkauft mit Leib und Seele,
Menschen ohne Besitz ohne Ehre und
Glück!"
Er ballte wild die Faust und hob sie
dräuend. Toch schon hatte Veronika
ihre Arme um seinen Nacken geschlungen
und küßte ihn und sah ihn innig an.
.Geduld. Friedel. s hat am läng
sten gedauert, und dann bist Tu frei.
Teine alte Mutter kommt dann zu
uns. Laß die trüben Gedanken heut.
Tu machst's nicht wieder gut nicht
beffer. Komm sieh mich an! So ist's
recht! Und was mich anbetrifft nun,
brauchst kein Angst zu haben auch
ohne Teme traurige beschicht' lacht ich
den Junker doch wieder aus, wenn er
noch einmal käme. So, noch dielen
Kuß! Uud nun geh. sie haben drüben
schon wieder angefangen." Sie schlug
ihn auf die Schulter und ließ ihn dann
frei. Ter Bursche blieb für einen
Augenblick noch stehen, ftill sie an
schauend; dann wandte er sich um und
schritt langsam durch das zurückweichende
Korn.
.Armer Friedel!" flüsterte die Zu
rückbleibende, indem sie sich gegen den
Birnbaum lehnte und sinnend vor sich
binblickte. .Wie traurig!" murmelte
sie. und Alles mußt' er bis heut still
für sich hinunterwürgen." Tief in Ge
danken blieb sie verharrend stehen, den
gedämpften Hufschlag eines Pferdes
gänzlich überhörend.
Von der Waldhöhe den Rain hinab
kam jetzt im langsamen Schritt ein
Reiter gerade auf den Birnbaum zu.
ES war eine jugendlich elastische, blonde
Erscheinung. Unter dem geradckrempi
gen grauen Hütchen blitzten ein Paar
keck verlangende, blaue Augen in die
Welt. Es war ein hübsches Gesicht,
aber der hochmüthig blasirte Ausdruck,
welcher es beherrschte, lieh ihm keine ge
winnendcn Züge. Tie Rechte Hand
habte mit Eleganz eine Reitgerte, deren
kurzer Stil einen schweren Silberknopf
zeigte, während die andere Hand des
Reiters, als er sich letzt dem Mädchen
näherte, spielend über daS wohlge
pflegte Schnurrbärtchcn glitt. Und jetzt
haue auch Veronika lern ommen de
merkt.
AIS sie sich umwandte und ihn er
blickte, flog es. ihr selbst unerklärlich,
wie ein leichter Schauer über den Leid.
Tann aber zwam sie sich, ruhig zu er
scheinen, und gelassen war auch die
Antwort auf den Gruß, den er soeben
an sie richtete. Ter Funker, denn der
selbe war eZ. Halle sich leicht auS dem
Sattel geschwungen, den Zügellose um
einen niedrig hängenden Zweig des
Birnbaumes aeknüpit und trat nun auf
Veronika zu. die bei seiner Annäherung
scheu zurückwich.
.Sieh da. die schöne Veronika!"
sagte er lächelnd und hielt ihr die Hand
hin; doch als sie nicht einschlug, fuhr er
fort: Nun. brauchst nicht furchttam zu
thun und scheu... Tu weißt, ich mein'S
gut mit Tir. Willst mir nicht die
Hand geben?"
Sie schüttelte energisch den Kopf und
sah ihn fest und groß an.
..Sieh, sieh! Tie kleine Hexe hat
Eharakter! Ah! TaS ist pikant! Nun.
Veronika, wenn ich Tich nun aber recht
schön bitte, ich. der Junker vom
Schlosse. thätft'S auch dann nicht?"
Wieder bewegte sie den Kopf abweh
rend. .Ab. Tu bist stolz?! Nun. auch
Stolze weiß ich zu bezwingen!" Er
lachte kurz auf. aber eS klang böse hin
durch. Ein vertraulicher Blick traf sie.
dann war er plötzlich noch einen Schritt
näher getreten und hatte seine Rechte
um ihren Rücken gelegt, während die
andere Hand ihr Kinn erfaßt hatte und
nun das zornig aufflammende Gesicht
deS Mädchen? emporhob.
.Blitz!" rief er. wie Tir die bösen,
braunen Augen gut stehen! Wehr' Tich
nicht. eS ist vergebens! TaS muß man
sagen: hübsch bist Tu. Veronika!"
.Haft Tir'S überlegt. Veronika, was
ich Tir von dem schönen Halsbande er
zählte? Es würde Tich gut kleiden! Tu
solltest vernünftig sein und es anneh
men. Es macht mir Freude, eS Tir zu
schenken."
Ta riß sie sich mit einem jähen Rucke
los. Ihre Augen blitzten voll Haß
und Verachtung, als sie ;ihm jetzt ent
gegenschrie:
Behaltet Euren Tand! Schande und
Mord klebt d'ran!"
ES flog blaß über fein erschreckendes
Gesicht. Toch die? währte nur einen
flüchtigen Augenblick. Tann hielt er
sie wieder fest und wie Nattcrzischen
klang's ihr in's Ohr:
Veronika! Sei kem Narr, nimm s
an! Ich liebe Tich, und waö ich will,
daS hab' ich noch immer durchgesetzt!"
Laß mich los!" schrie sie, sich unter
dem Drucke feiner Hände windend.
loS oder "
Oder?" ES funkelte unheimlich in
seinen Augen auf, als er sich jetzt zum
Kusse niederbeugte.
In diesem Augenblick rauschte eS
hinter Beiden. Wie auS den Tschun
geln ein Panther mit mächtigem
Sprunge fliegt, so brach jetzt Friedel
mit kurzem, heiserem Schrei hervor.
Zurück, elender Bube!" donnerte er.
Laß das Mädchen loS, wenn Tir Tein
Leben noch etwas gilt!"
Tie Gruppe löste sich. Aufathmcnd.
dankbar blickte Veronika zu ihrem Ret
ter empor, während der Junker sich nie
derbeugte, die zu Boden gefallene Reit
gerte aufzuheben. Sein Gesicht sah
aschfahl ans. Aber ein spöttisches
Lächeln lag trotzdem auf demselben.
Er faßte die Reitgerte fester, dann
maß er den Burschen vom Kopf bis zum
Fuß.
Wir werden daheim uns sprechen!
Jetzt marsch hinüber an die Arbeit!"
Nicht eher, als bis Ihr die en Platz
verlassen habt!" ,
Tu wagst? Hinüber, sag ich noch
einmal!"
Fort! sag' ich! Oder mit diesen
Fäusten werde ich heut Abrechnung hal
ten. wonach mich schon lang durstet,
Tied und Mörder mit eins! Fort,
wenn Euch am Leben noch liegt!" Er
trat vor daS bang erzitternde Mädchen.
Tiefe ist mein, und wer sie anrührt.
der ist mir verfallen."
Ter Junker stieß ein hartes Lachen
aus. ,
Ausgezeichnet, famos! Romeo und
Julia vom Torfe! Nun das ist
meine Antwort! Ta haft Tu sie!"
Tie Reitgerte sauste nieder und zog
einen rothen Strich über das todtblasse
Antlitz deS Burschen. AuS seiner Brust
rang sich ein unartikulirter Ton,
bebend, furchtbar. Zwei Arme hoben
sich mächtig, ein kurzes Handgemenge,
die Rechte deS Burschen, die Reit
gerte umgekehrt haltend, reckte sich
zum Schlage empor dann sauste
der schwere Silberknopf gegen den
Kopf des Gegners. Und dann ein
schriller, kurzer Aufschrei, ein Taften
und Wanken und wie ein gefäll
ter Baum bricht der junge Schloß
Herr zusammen. Noch ein paar zuckende,
krampfartige Bewegungen, ein letztes
Schütteln dann ift Alles vorbei.
Aus Ohr und Nase rieselt eine zarte
rothe Schlangenlinie, die linke Schläfe
hebt sich blau und rünftig von dem
Fahlschein des ftummen Antlitzes ab.
So vergehen ein paar Minuten.
In der Ferne schlägt eine Wachtel im
Korn. Keiner wagt das furchtbare
Schweigen zu brechen, das wie eine
Centnerlaft Sinn und Sprache im
Bann hält. Und dann kommt es wie
eine entsetzliche Erkenntniß über Beide.
Todt!" haucht es von ihren Lippen.
Er nickt ftumm und Dßt die Arme
schlaff niederfallen.
Wieder vergehen lange Minuten.
Ta weckt sie das traurige Wichern des
Pferde?, das schnuppernd den Kopf zu
seinem todten Herrn nicdersenkt.
Vielleicht war es GotteS Gericht!"
murmeln tonlos die Lippen des Bur
schen. Er ist gerecht!" Er wendet sich
hilfesuchend seitwärts zu Veronika und
tastet nach ihrer Hand. Schon will sie
ihm dieselbe reichen, da streift ihr Blick
den Todten im Gra'e und schauernd
zieht sie die Hand zurück. Was ihre
Lippen nicht künden, das lieft er auf
ihrem zuckende Antlitz: Mörder! Eine
Handbewcgung heißt sie gehen. Ohne
Grß, wankenden Schrittes, wendet sie
sich ad. Er schaut ihr nicht nach, er
blickt den Todten an. Aller Haß ift
tmtr Zügen geschwunden.
.Ich wollt' eS nicht das nicht! Gott
im Himmel droben. Tu weißt es,
Vergied mir die Missethat, die ge,
schah. als er die Hand auf'S Neue
gegen mein Glück ausstreckte. Vergied
mir. Gott wie ich ihm vergeben
habe."
Knisternd rauschen die Halme hinter
dem sich Entfernenden zusammen.
Still ist's am Rain, ganz ftill. Tie
Abendsonne wirft Purpurftreifen
darüber hin. Zuweilen geht es wie
ein bebender Hauch durch den einsamen
Baum und wie Klageton tönt der
Wachtel Ruf herüber. Ein Erntctag
neigt Nch zur Rüste, seierlicki. groß.
Nacht lag über dem Torfe. Ader
nicht der Sterne heller Glanz war dem
schwülen, erschlaffenden Sommertage
gesolgt. AuS den feuchten Bruchwiefen.
welche die Siedelung umzogen, war es
heraufzcdrodclt. erst in leisen Tunst
fchleiern. dann immer stärker. Und
jetzt wallte eS in dickflüssigen, grauen,
naßfchwcrcn Nebeln darüber hin. ballte
sich und wogte, zog und zerrte, eine
unheimliche, undurchdringliche Masse.
Irrlichtern gleich blitzte hier und dort
ein Lichtschein aus den Hütten, noch
geisterhafter aber schwebte eS im alten
Schlosse hinter den dichten Parkbäumen
Trepp auf. Trepp ab. Licht. Licht da
fast in jedem Raum, aber das Leben
selbst schlich auf den Zehen und ge
dämpft und ängstlich flüsternd gingS
von Mund zu Mund. Tenn in dem
einen Thurmzimmcr, da lag der todte
Junier, den man noch kurz vor An
bruch der Tunkelheit am Rain gefun
den hatte.
Was war dort vorgegangen? Wer
trug die furchtbare Schuld?'
Still auch war's in einer der letzten
Hütten am Parkrande. Auf einem
ärmlichen Lager kauerte ein armes.
altes Weib und vor ihm. daS zuckende
Geficht in dem Pfühl begraben, da
kniete ein Mann und stöhnte leise.
Mutter, ich hab's nicht gewollt und
nun ist's doch geschehen. Ich ward
zum Richter an dem, dcrmir die Schwc
fter in Schande und Tod jagte."
Tie dünnen Lippen der Greifin be
egtcn sich im Gebete. Ter. am Boden
Knieendc aber fuhr fort:
Meines Bleibens ift hier nicht.
Wenn eine böse Zeit für Tich kommt,
geh zur Veronika. Ich weiß, fie wird
für Tich sorgen. Ich war vorhin
bei der Todten auf dem Gottesacker,
nun nehme ich von Tir Abschied.
Segne mich. Mutter, denn Dunkel liegt
hinter und vor mir.
Tie dürre Hand der Kranken legte
sich zitternd auf das Haupt des Soh
nes. und wieder bewegten sich lautlos
die Lippen Tann sprang der Bursche
auf, ein kleines Bündel ergreifend.
Noch ein Kuß, ein Händedruck, noch ein
letzter Scheideblick dann schloß sich
hinter ihm die Thür.
Wenige Minuten später klopfte es
leise an das Fenster des Stäbchens, in
dem Veronika allein in schweren Ge
danken saß. Sie schrak zusammen,
denn sie wußte, wer draußen stand.
Haftig verließ sie das Haus, schritt über
den Hof und durch eine Scheuer und
trat in den Obstgarten, in dessen Schat
ten Friedel ihrer jetzt wartete.
Veronika." sagte er traurig, viel
leicht giebst Tu mir jetzt die Hand, die
Tu mir vor ein paar Stunden der
weigertest."
Statt aller Antwort schlang sie ihre
Arme um feinen Hals, und wie sich jetzt
die Lippen in langem Kusse fanden, so
mischten sich auch Beider Thränen, die
ihren Augen still entströmten.
Tu willst fort, Friedel?"
Ja. ja! Ich muß ja ich muß ja!
Jede Minute ift kostbar!"
.Und wohin?"
Weit fort 'über das große Was
ser !"
Ein Jammerton entfloh ihr. .Und
Tu kommst nie zurück?"
Niemals, Veronika, niemals!" Er
konnte sich kaum der innersten Be
wegung erwehren. Veronika! Was
geschehen ift. wird nicht ungeschehen.
Ich that's für Tich! Es war eine un
glückselige Stunde. Gott wird ver
zeihen, was Schuld an mir ist. Und
wenn er eS thut, wenn eS mir gelingt,
drüben festen Fuß zu fassen, eine neue
Heimath mir zu gründen, und ich schrieb
eines Tages: komm herüber! Veronika,
kämst Tu zu mir?"
Er schwieg ftill und lauschte mit
pochendem Herzen auf Antwort.
Nun ergriff sie seine beiden Hände
und sah ihn groß und fest an.
Ja, Friedel. ich käm'! Tenn wir
Zwei gehören jetzt noch mehr zusammen
denn je!"
Es jauchzte etwas in ihm auf. Toch
er bezwäng sich und zog nur still die
Geliebte an sich.
Gott segne Tich für dieses Wort.
Veronika! Ich hab's gebraucht!"
Ein paar Herzschlüge lang standen
sie ftumm Bruft an Bruft. Tann riß
er sich loS. Toch sie hing sich an feinen
Arm und schritt mit ihm außerhalb des
Gartens, bis wo der Feldweg in die
Eguptftraße einbog. Tort schloß sie
n noch einmal in ihre Arme.
.Leb' wohl. Frjedel! Ich bleib' Tir
treu bis die Stunde kommt!"
.Veronika!" Er schluchzte laut auf.
seine ganze Gestalt zitterte. Ein letzter
Hündedruck und der Geächtete wandte
sich um.
Sie sah. wie er noch einmal zurück
schaute, dann in den Nebel tauchte, der
ihn verschlang.
Lange ftand sie noch am Wege und
blickte starr hinaus über die dampfen
den Wieien, in den auf und nieder
wogenden, gespenftifchgrauen Nebel:
öde. undurchsichtdar und traurig, wie
das Leben, das sich vor ihr erschreckend
aufhat.
n gcden Rath.
Von Jochen 6 naak.
.Ick will hüt Abend in'n Kegelclub
gähn, ToriS; kannst mi minnen griefen
Antog en böten awböstcn!" süd Johann
Blank dör en paar Tag to sien leiw
jung Früh, mit de he noch gor nich so
lang verfliegt iS. .
Toris makt en lang Gesicht un dunn
treckt se ehr lütt Näs hoch un fegt: Ick
will Tl mal wat feggen. John, mi ge
fallt det nich, hüt Abend geihst Tu
in'n Kegelclub, gestern Abend warft Tu
in n Gesangverein, vörgistern m n
Scatclub, den Tag vörhcr güngft Tu
to de Loge un so gciht dat jeden Abend
und alle Abend, un ick kann hier allein
to HauS filten un mi langweilen. Woto
hew ich mi denn verfliegt? Um alle
Abend up miencn Mann to luern un
em to Bett to dringen, wenn he befapen
nah HuuS kömmt? IS dat en
Wirthschaft bi'n jung verheirathetes
Ehepaar?"
, Jehann kiekt ehr von de Siet an
he müßt nich, wat dit heten füll fe harr
wol am un an ens brummt, wenn he
utgahn wull, wer eigentlich rebell'sch
was se noch nich worden un so müßt he
toirst nich. wat he seggen füll. Eigent
lich so'n richtigen Striet harr he noch
nich hat't mit Toris, wenn se fies 00k
wol aw un an en beten kawwelt harrn.
Endlich segt he: Mien leiw Toris,
dat verstcihst Tu nich. Kiek, wi
Mannslüd hebben Verpflichtungen, von
de Ji Frugcnslüd kein Ahnung nich
hcwt Tenkst Tu am End, mi makt
dat Spaß mi da mit dat Kegeln aw to
marachen? Du kannst froh sien, dat
Du Die schön in't warme Bett legen
kannst, wieldeß mi de Sweit von de
Backen löppt!"
I. wo Tu nu wedder red'st segt
Toris wenn Ti dat kein Spaß nich
makcn dcd. denn würdst Tu doch sicher
mch hengahn; kumm. Hannmg. dliew
to Huus bi mi!"
Ach. mien leiw Tierning segt Je
hann dato ick würd jo so girn di Ti
bliewen awer bedenk doch. Kind.
ick yew mien Geschäft un wat de Mit
glieders von den Kegelklub sünd, dat
fund all mien Kostümers ick doh dat
wirklich blos för Tienetwegen, Toris,
kannst mi to glömen, wenn dat nich för
mien Familie wesen ded, würd ick sicher
nich in den Kegelclub gähn!"
O. ick kann mt dat denken segt
Toris mit den Gesangverein un de
Loge un den Skatclub un wo bat Tüchs
all heit. da iS dat wol eben fo? Ne,
mien Jung, mi makst Tu nicks nich för
un ick feg Ti hüt Abend, wenn Tu nah
dissem nich bi mi to Huus bliwft, denn
gah ick 00k ut to mienem Vergnügen, un
dat feg ick Ti, denn kam ich gradfo spät
nah HuuS as Tu!"
Nu würd Jehann denn awer süchtig:
Tu büst wol rein von Sinnen fegt
he dat würd jomol noch schöner ne.
mien Töchting, Tu bliwst mi schön to
Huus!" Un damit stünn he up, halt
sick sienen qriesen Antog fülwsten rut
un as he sick antrocken het, dunn geiht
he nah Toris un segt: Na kumm.
Toris, will'n unZ wedder verdragen!"
Tons awer harr kein Lust dato; heim
ich wischt se sick de Thränen, de ehr de
Backen dahllopen wiren, aw. un dreiht
den Kopp nah de anner Siet un segt:
Ach gah man. ick seih dat wol in. Tu
hcst mi gor nich mehr leiw; wer weit,
am End heft Tu irgendwo en anner
gruzenszimmer, wat Tu nachlopen
dcihst!"
Hör mal. Toris segt Jehann
nu geihst Tu awer to tutet; so lang
hew ick mt Ümmcr freut, dat Tu so n
vernünftig lütt Fru bist un mi nich mit
Eifersucht quälst wer nu fängst Tu
00k all domit an!"
Well, John meint Toris Tu
gimst mi ok alle Ursak dato!".
So. doh ick? Well. Toris, denn
heft Tu kein Vertrugen in mi. denn hcst
Tu mi nich mehr leiw. Süh. mi künn
so wat mal gor nich Passiren ick würd
up Ti nich eifersüchtig, denn ick hew Ti
leiw un ick hew Vertrugen in Ti
No, mien Töchting, dat.is nich schön
von ?,!"
Un domit nimmt Jehann sienen
Hoih un stürmt to'm Huus herut,
ohne sien lütt Fru 00k blos 'n Kuß to
gewen.
Toris sei t nck denn in de Eck un
fangt an to huhlen. as wull ehr dat
Hart breken, awer lang harr se nich so
seien, dunn köm, ehr Mudder an to
gähn.
Na. mien lütt Töchting segt se. as
se Toris ehr Thränen füht wo iS't
möglich, Tu huhlft jo wol?"
Ach ja. Mudding, Jehann löt mi
jeden Abend allein to Huus; alle Abend
het he en annern Platz, wo he hengahn
mütt!"
Ja, mien Töchting. warüm kurirft
Tu em denn nich davon?"
Ach. Mudding. wo kann ick denn?
Wat fall ick dohn? He fegt, he mütt da
hengahn. dat iS wegen sien Geschüft un
wegen sien Familie!"
O. mit den Tröhnensnack füll he mi
bloS kamen awer Kindting bat'S
betet, wenn Tu em in'n Gooden kurirft
ick weiten goodeS Mittel; seg mal.
is he eifersüchtig?"
.Ne. Mudding. wo denkst Tu hen. h
slccht iS he denn doch nich he weit doch,
dat he mi vertrugen kann!"
Well, mien Töchting. denn mußt
Tu em eifersüchtig maken!"
.Huching noch' Mal ne. Mudding.
bat'S doch wol nich Tien Ernst?"
.Natürlich doch. ToriS!"
.Awer. Mudding. Tu kannst doch
wol nich verlangen, dat ick mi mit an
nere KirlS awgewen fall? Ne, Mudding.
dat geiht würllich nich am End let he
sick gor von mi scheiden!"
O. Tu oll lütte GanS ne. mien
Töchting. so hew ick dat nich meint; dat
let sick 00k up anner Art maken!"
Un damit flüstert de Ollsch lütt Toris .
allerhand in die Ohren un wenn de jung
Fru toirst 00k nich recht anbieten wull,
mit de Wiel kriegt de Ollsch ehr doch rüm
un bald waS se Füet un Flamm föt
den Plan.
Mudding blew noch en Tied lang da
un aS fe eht Töchting schön Tröft harr,
dunn schöm se wedder nah HuuS.
Twei Tag darup segt Jehann wedder
to Toris: Tat dciht mi würklich leid.
Kindting awer ick mütt hüt Abend
wedder in'n Gesangverein: wi hebben
nächstens grootcS Konzert un da mütten
wi jetzt flictig singen!"
To siene Berwunnerung waS Toris
gor nich bös. Mit dat fründlichste Ge
sicht von de Welt fegt se: .Man to.
John, gah man, wat sien mütt. dat
mütt sien; ick ward mi 00k mal amc
firen!"
Jehann säd nicks nich, awer he harr
doch so siene Gedanken. Ten ganzen
Abend müßt he an nah HuuS un an
sien ToriS denken; bi dat Singen da
paßte he gor nich up. un mihrmals
müßte em de Herr Dirigent to Ordnung
ropen un aS dat Singen vörbi was,
dunn töwte Jehann gor nich up den
Ladetrunk", sondern makte. dat he so
fix aS möglich nah Huus kamen ded.
All von Fern künn he seihn, dat
Doris noch Licht brennen harr, awer so
aS he an de HuuSdöhr kamen ded, dunn
würd dat Licht utpuhst, dat gew noch
so'n Gepulter in'n Huus un dann waS
AllcnS ftill.
Jehann stürmte in't Huus rin un
kum is he in de Stuw, dunn löppt he
gegen twei Stöhl, de mitten in de Stuw
stünden, un stött fick de Schienbeinen
inzmei. He röppt: Toris, wo büst
Tu?" kriegt awer kein Antwurt. un
aS he darup Licht anmalt, dunn füht
he da einen Mann-Handfchob uv'n
Tisch liggen, 00k einen Cigarrenstum
mel un Cigarrenasch was üwerall up'n
Carpet henftreut.
Herrieh noch mal, wo waS Jehann
upgeregt. He löppt also in de Slap
ftuw rin, wo sien leiw lütt Doris so
sanft slapen ded aS fo'n Engel.
Toris," röppt he. wakst Tu?"
Worüm?" frögt ToriS.
Heft Tu Befök hier hat?"
O, lat mi in Ruh fühst Tu niö.
dat ick slap?"
Tat ,s mi ganz egal ick will wci-
ten, wer hier bi Ti west is!"
Lat mi in Ruh ick slap!"
Un ganz egal, wat Jehann feggen
ded he treg kein anner Antwurt von
Tiris as: Ick slap!"
O. he was wüthend wüthend fchöw
he in't Bett, un wüthend ftünn he an'n
annern Morgen up un dunn güng he
nah Schwiegermudder hen. vertcllte ehr
de gräßliche Gcfchicht un wieste ehe ock
den Manns-Handschoh.
Swiegermudder würd awer bös un
makte Jehann de Maag rein un säd, he
füll sick wat schämen, eifersüchtig up sien
Fru to sien. He füll nah diffen des
Awends to Huus bliewen. denn würd
sien Fru 00t nich uv dumme Gedanken
kamen. Un wat den Handschoh anbe
langt, dat wär Swiegervaddern sien.
awer dat mit de Cigarrenasch un den
Stummel, dat künn se nich erklären.
Well. Jehann is den awschawen as
so'n begaten Pudel. Halw schämt he
fick. dat he eifersüchtig worden is. un
halw denkt he so bi sick. da mag doch
am End wat nich recht in Ordnung
sien. un he bliwt nu jeden Abend
schön 0 Huus un kein Minsch is glück
licher as lütt Toris.
Jo, gegen Frugenslist. da können de
Mannslüd doch nich recht gegen an.
Ti, Tief der Meer.
Tie "Revue scientifique" bringt
nach einer Berechnung Von Sir John
Murray einige Angaben über die neue
sten Messungen der Tiefe des Meere.
Von der Gesammtfläche der Ozeane ent
fallen 7 Prozent auf Tiefen bis zu 180
Meter, 10 Prozent auf Tiefen von 180
bis 1800 Meter, auf 1800 3(38 Me
ter 21 Prozent, auf 36,005400 Me
ter 55 Prozent und auf Tiefen über
öiOO Meter 7 Prozent. Mehr als die
Hälfte hat also eine Tiefe über 3600
Meter. Auf den Karten der Challen
ger" sind die größten Tiefen, welche
5400 Meter übersteigen, angegeben und
mit besonderen Namen bezeichnet. Im
Stillen Ozean giebt eZ 43 solcher tiefen
Stellen, im Indischen Ozean 3. im At
lantischen Ozean 15. im Antarktischen
Meere I. Tie tiefste Stelle mit 9420
Meter wurde im südlichen Stillen
Ozean gefunden.
E giebt Leute, die eS ärgert, zu
geben zu müssen, daß zweimal rei
vier ist.