Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 14, 1900, Image 12

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    Heuer Frichlina
von L. :Kt?cmtitö
JuMid) rühlinz!'
Wie ein Seufzer der Erlösung drang
ti Q-.-3 ihrer Brust. Ueber ihre schina.
len. blaffen Wangen zog ein rosiger
Schein, ih:e schwerulMhigen Augen
blickten schwärmerisch in das klare üm
mclsblau. um ihren (leinen, feinen
bleichen i'Iunö juckte ein frohes Lächeln
und ließ einen Augenblick den Zug der
Kümmerniß. der Sorge verschwinden,
der sonst darauf lag.
Sonnenstrahlen huschten über die
qök.l. über den Teppich, desien matte
Farben hier und da etwas aufleuchteten,
wo ihre geschickte Hand mit großer JJlüt)
seligteit ihn auSgebcffer, hatte. Son
nenstäubchen tanzten lustig im hellen
riiblinaslicht. das all die kleinen
Schäden aufdeckte, die der dämmerige
Wintertag barmherzig verhüllt hatte,
Die Vlükchvolfter waren schon recht ver
schoffcn. eine schäbige Pracht überall;
doch glitt zärtlich ihre Hand darüber,
die trauten, alten Stücke waren ihr lieb,
die einst die gute Stube' im Eltern
baus geschmückt hatten. Wie die Sonnen
stäubchen so zart und duftig stiegen die
Erinnerungen auf und ihr frohes
Lächeln schwand, um der alten Schwer,
muth Plaß zu machen in Gedanken an
das. was sie verloren.
Beinah' gewaltsam schüttelte sie all
die schmerzlichen Erinnerungen von sich,
die sie gefangen nehmen wollten.
Sie überzählte den Inhalt eines Käst,
chens. der kleine Münzen enthielt. ES
war ihre Vergnügungskaffe".
Einen Tag im Grünen, dazu langte
es bei ihren bescheidenen Ansprüchen.
Den Sonntag draußen im Freien der
bracht, das gab Lust und Muth zur
Arbeit in der Woche. Nun holte sie ihr
Staatsgewand aus dem alten Eichen
schrank mit den 'blanken Beschlägen,
ihrem größten Prachtmöbel, breitete es
auf dem Tische aus und fand, daß eS
sehr gut aussah. Sie machte Toilette.
Schwarze Seide schmiegte sich an ihre
schlanke Gestalt, schwer, ein bischen alt
modisch, aber mit dem chiken schwarzen
Jäckchen darüber und dem weißen
Spißenjabot sah sie sehr fein aus. Es
stammte noch aus besseren Tagen.
Nun noch den Veilchenhut. den sie
selbst sich ausgeputzt, weiße Handschuhe,
hellen Sonnenschirm, und der Spiegel
warf ein sehr hübsches Bild einfächer
Vornehmheit zurück.
Mit ihrer feinen Gestalt, ihrer bis
creten Haltung sah sie aus wie eine
Dame der guten Gesellschaft. Das wollte
sie auch, trotzdem sie eine Arbeiterin
war. die mit ihrer Hände Arbeit sich
ihr Brot erwerben mußte. Acußerlich
standesgemäß, wie sie es von Kind auf
gewohnt war als höhere Beamtentochter.
Wie sie jetzt, so zierlich angethan, da
hinschritt, die sonnige Straße entlang,
zum Bahnhof, da gehörte sie immer
noch zu den Beneideten: denn manche
andere drehte sich um und musterte sie
und dachte bei sich: .Hei, die hat'S gut,
die fährt schon in aller .Frühe in den
Sonntag hinaus."
Mächtig zog es sie in die freie Natur,
unter den blauen Himmel, auf Wald
boden unter alten dunklen Fichten, Dir
kengeäst und dünnlaubigen Eichen; da
faltete sie die Hände in stummem Dank
gebet, da feierte sie den neuen Früh
ling. den Vogelstimmen lauschend, die
in allen Tonarten ihr Lied anstimmten,'
in hellem Jubel sich ihres kleinen Le
bens freuend.
Da überkam auch sie die Verein
famte neuer LebenSmuth. neue Daseins
lust. Ihre Brust weitete sich, ihr Auge
blickte groß und frei in die Weite, über
glitzernde Seen mit dunkelbewaldeten
Ufern. Radler huschten an ihr vorüber,
einzeln oder Pärchen, oft ganze Caval
caden von Reitern, auch Sonntagsrei
ter darunter mit lächerlichem Sitz, halb
stolz, halb ängstlich, so hoch zu Roß,
die anderen Menschlein zu überstrahlen.
Sie beneidete keinen von ihnen, auch
nicht die Insassen der Sonntagsequi
Pagen. Sie fühlte sich sehr wohl, so
ausschreiten zu können bis zur vollftän
digen Ermüdung. Das Regen ihrer
Glieder that ihr wohl.
Nur umflorte sich ihr Blick, wenn sie
auf Familiengruppen stieß. Lachende,
jubelnde Kinder, die im Uebermuth sich
mit dem Vater haschten, hinter ihnen
her die Mutter mit stolzem, zufriede.
nem Blick.
Das war Glück, das war das, was
sie beneidete.
Oft beengte eS ihr die Brust, raubte
ihr den Athem, bis endlich heiße, erlö
sende Tropfen ihren Augen entquollen
und über die Wangen stürzten, bitter,
brennend, schmerzhaft. Thränen einer
Einsamen, einer Getäuschten. Im
Frühling, sie wußte es, da war es im
mer besonders schlimm. Da mußte sie
immer ankämpfen gegen ihre Empfin
düngen. Neues Grünen. neueS Wer
den. neues Hoffen überall, nur sie, sie
hoffte nichts.
Auch hcue überkam es si: wi der.
jenes trostlose Gefühl der Hoffnungslo.
sigkeit, der Verlassenheit in einer Welt
voll Menschen, die alle an ihr vorüber
gingen, theilnahmsloS, fremd, keinen
gab eS, der zu ihr gehörte.
Freunde! Sie hatte keine.
In dem ganzen großen Berlin, in
der Millionenstadt, gab eS Niemand,
der ihr nahe stand.
Thränen, so heiß wie je entströmten
ihren Augen, wie sie jetzt dasaß in dem
sonnigen Garten, und tropften herab
auf ihre Hand, welche die Speisekarte
hielt, die der Kellner ihr vorlegte.
.Ich bie noch Zcit VM: si?
den Dienstbeflissenen ed.
.Kellner, hier!" rief am Ncdenltt'ch
eine Männerstimme.
Nun drehte sie sich um.
.Ad. wie komün ck dcnn hkrher
nack Berlin?"
Ihr thränenfeuchtes Gesicht lächelte
ihm zu. wie ein Sonnenstrahl ging es
darüber, als der flatluaze wann oanig
auf sie zutrat und sie herzlich begrüßte.
.Sie gestatten doch r sprach er
nach kräftigem Händedruck und setzte sich
ihr gegenüber.
.Zwei Landsleute vom fernen Rhein
treffen sich hier im Grunemald!'
.Seit fünf Jahren haben wir uns
nicht gesehen, o wie freue ich mich."
sprach sie.
5bre Auaen leuchteten, in denen noch
die Thränen der Hoffnungslosigkeit
blinkten.
.Und so allein, wo ist denn Ihr
Mann? Sie hatten sich doch verhe,
rathet!"
.Ich ich bin geschieden."
Eine Pause.
Tann räusperte er sich und sah sie
genauer an musternd, fragend.
So hatten Sie kein Glück in der
Ehe?"
.Nein!"
Natürlich ist er Schuld?" kam es
lachend von seinen Lippen.
.Wir beide."
.So nun müssen Sie mir er
zählen. Sie liebten Ihren Mann doch,"
fragte er in einem etwas burschikosen
Tone mit der Uebcrlegenheit des Jung
gesellen.
Er blickte sie wieder an, als sie schwieg.
.Herr Gott, wenn ich denke, welch
reizender BacksischVie waren! Ich sehe
Sie noch, wenn Sie aus der höheren
Töchterschule kamen, die Bücher im
Arm, den Hut immer ein wenig schief,
mit kecken, lustigen Augen. Die hellen
Kattunkleidchen immer blitzsauber, so
ein Mädel zum Anbeißen mit den
frischen, rothen Backen. Herr Gott, wo
ist denn das alleS geblieben?"
Wissen Sie dann noch auf den Ea
sinobällen. wie haben wir da zusammen
getanzt und die Scherze zu Fastnacht?"
Sie lächelte im Erinnern. Ein
Lächeln, das ihr Antlitz wunderbar ver
schönte.
.Dann mußte ich fort. Wissen Sie
noch wir sagten .Auf Wiedersehen"
und heute heute erst sehen wir uns
wieder."
Er blickte ihr in die Augen so ernst,
so lang, beinahe vorwurfsvoll.
Sie senkte unwillkürlich den Blick.
So hatte sie lange, lange kein Mann
mehr ankeschaut.
Ich bin eine ganz Andere geworden,
von dem lustigen, übermüthigen Mäd
chen ist nichts geblieben. Das hat die
Ehe alle? hinweggewischt."
Na na das glaube ich nicht.
So ein rechtes rheinisches Blut, das
läßt sich nicht ganz unterkriegen. Passen
Sie mal auf, so ein wenig Sonnen
schein im Leben, und alles ist wieder da.
Sehen Sie, nun lächeln Sie schon ganz
anders, und" in die Augen tritt wieder
der Schelm. Warum haben Sie denn
eben geweint?"
Weil ich so verlassen bin, so allein."
Heimweh ist das. Glauben Sie
mir, daS hatte ich auch erst hier in Ber
lin. DaS gibt sich. Nicht abschließen,
unter Menschen gehen, Freunde suchen."
Sie schüttelte den Kopf.
Ich gehöre zu den Armen, zu denen,
die ihr täglich Brod sich verdienen müs
sen. Wo soll ich da Freunde sinden,
die sonst zu mir passen?"
Ho ho Ihr Mann? " '
Was ich in die Ehe brachte, hat er
verbraucht. Ein paar alte Möbel war
alles, was ich behielt, dann machte ich
eine kleine Erbschaft. Nicht viel, die
Zinsen deckten eben die Miethe aber
ich nähe nähe bessere Kinderkleidchen
für ein Geschäft."
Mit Ihrer Erziehung konnten Sie
nichts anderes sinden?"
.Ich habe gar nicht gesucht. Es
machte mir Spaß, so hübsche, kleine
Gewänder zusammenzubauen, man
lobt meinen Geschmack, und man bezahlt
mich gut. Ich arbeite zu Hause, die
fertige Arbeit wird abgeholt. Mir ist
jedes Stück lieb geworden, das durch
meine Hände ging. Ich sehe das Blond
köpfchen darüber prangen, sehe weiße
Schultern und runde, rosige Aermchen
und dicke Patschhändchen, die zärtlich,
stolz über mein Werk streichen. Duf
tige Spitzen und weiße Seide, mir ist
nichts zu kostbar für so ein kleines Men
schenkind. Ich möchte sie alle wie Blu
men kleiden. Ich hatte ein so süßes
Geschöpfchen, st eine kleine Blume
aber " .
Thränen erstickten ihre Stimme, un
vergossene Thränen, die sie hinunter
würgte mit zuckenden Lippen.
.Ihr Kind starb?"
Diphtheritis " nickte sie.
Sie schmiegen beide eine Weile. Sie
dachten beide an die Vergangenheit.
Ich kenne Ihren Mann ja nicht,
aber ich meine doch, er ist Schuld."
Jetzt sprach er eS anders, im Tone
ernster Ueberzeugung.
.Wir paßten nicht zusammen.' Ich
war vielleicht zu empfindlich, zu leicht
gekränkt, zu stolz. Er täuschte sich auch
über meine Mitgift. Dieses war der
Hauptgrund."
Aha, ja dann, eine solche Täuschung
vergiebt kein Mann so leicht."
Er rechnete zu sehr mit dem, was ich
von meinem Vater mitdekonmen habe.
ES genügte nicht, um feine Zärtlichkeit
lange zu. erhalten," sprach sie. Verächt
lich setzte sie hinzu: .ES war ja die
Liebe, die ve juhU sein will."
Wie bitter dai lUna. Er horchte
lauf. cSä ja. sie war eine andere zcwor.
den. nichts von dem sonnigen Z.'dchtn
mehr.
Voll Zom dachte er an den Mann,
der sie auf dem Gewissen hatte.
Es gab eine Zeit, da hätte er e als
sein höchstes Glück betrachtet, s zu
erringen. Aber er war doch nicht so
weit. Er gehörte zu denen, die nicht
sprechen zur rechten Stunde, die sich
ein Lebensglück entgehen lassen und
bann resignirt sagen: .Es sollte wohl
nicht sein!"
Warmes Mitgefühl ersüllte ihn jetzt,
als sie mit halblauter Stimme, kaum
verständlich ihm ein Bild gab von alle
dem, was sie gelitten an der Seite des
brutalen ManneS.
.So lange da? Kind lebte, ertrug ich
alle seine Brutalitäten, feine Herzens
rohheit kannte keineErenzen.er verhöhnte
und er schlug mich "
Jetzt erstickte ein Schluchzen ihre
Stimme.
Wieder schwiegen sie. Er blickte in
die Weite, seine Zähne b)en sich zu
sammen. seine Hände ballten sich zu
Fäusten, dann gab er seiner Empfing
dung in draftllcher Weift Ausdruck:
Pfui. Teufel, ein Weib schlagen
den Feigling möchte ich einmal unter
die Finger bekommen."
Er spuckte aus in tiefster Verachtung.
Nun stieg es warm wieder auf in
feiner Brust. Ein großes, schönes Er
barmen erfüllte ihn,, unwillkürlich er
griff er ihre Hand und drückte sie innig.
Lassen Sie den Muth nicht sinken,
halten sie den Kopf hoch. Sie sind noch
jung genug, um noch Glück zu haben
in Ihrem Leben."
' Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
Ach wenn Sie wüßten, wie alt. wie
uralt ich mich jetzt fühle. So schwere
Jahre zählen nicht nur doppelt, sie zäh
len dreifach."
Er sah sie jetzt wieder an voll war
mer Zuneigung.
Glauben Sie mir. ein Jahr des
Glücks wischt all das Leid hinweg. Neu
aufleben, neu erblühen müßten Sie
zu dem sonnigen Wesen, wie Sie es
damals waren damals als ich Sie
liebte."
Und ich. ich dachte immer, Sie lieb
ten mich nicht," erwiderte sie zaghaft.
Nun war es ausgesprochen.
Erglühend senkte sich ihr Haupt auf
die Brust, als er sie ansah in heller
Glückseligkeit.
Wieder rannen Thränen aus ihren
Augen.
Aber nun weine ich nicht mehr, ich
kann das nicht sehen. Er legte tröstend
den Arm um ihre Schultern, gleichsam
sie schützend vor allen Gefahren des
Lebens.
Da lächelte sie ihm zu. sie fühlte, daß
ein neuer Frühling gekommen war, ein
Herzensfruhling für sie und ihn.
Der verlorene Sohn.
Humoreske von I. Knopf.
Eines Tages erhielt der reiche Fa
brikant Wolgemut in Königsbsrg von
seinem alten Freunde Leberecht aus
Beilin, den er seit vielen Jahren nicht
gesehen, einen Brief folgenden Jnhal
tes:
Mein lieber Freund!
Um einen großen Liebesdienst flehe
ich Dich heute an in tiefstem Schmerz.
Du weißt, nach jahrelanger kinderloser
Ehe beschenkte mich der Himmel mit
einem Sohn, der sich prächtig entwickelte
und mir große Freude bereitete. Da
machte ihn das Schicksal mit einer jun
gen, blutarmen Klavierlehrerin bekannt,
in die er sich verliebte. Nun, wir sind
ja in unserer Jugend auch keine Tu
gendathleten gewesen, und daher drückte
ich ein Auge zu. hoffend, daß der Junge
bald wieder zur Vernunft kommen und
sich nach Abwechselung sehnen würde.
Aber die Hoffnung ging nicht in Erfül
lung. Im Gegentheil, vor einigen Ta
gen trat er mit dem Ansinnen an mich
heran, meine Einwilligung zur Heirath
mit dieser abgefeimten Perion zu geben.
Ich weigerte mich natürlich sprach
von Enterbung, wie man eS gewöhn
lich bei derlei Fällen sagt, ohne sich
etwas zu denken, und verbot ihm jegli
chen Verkehr mit diesem Weibe, an das
er sich, wie er sagte, mit feinem Ehren
Worte gebunden hätte. Ich fluchte ihm
und seine Antwort? Am anderen
Tage war er mit der Dirne verfchmun
den. Ich ließ Nachforschungen anfiel
len, die Spuren wiesen nach Königs
berg, und heute meldet mir das Detek
tiv-Bureau, daS Pärchen fei dort im
Gasthof zur Sonne abgestiegen.
Nun zu meiner Bitte. Ich bin seit
einigen Wochen stark rheumatisch lei
dend, weshalb ich auch diesen Brief
durch meinen Geheimsekretär mit der
Schreibmaschine schreiben lasse, und
kann daher nicht selbst nach dort kom
men, um meinen Sohn zurückzuführen.
Daher appellire ich an Deine Freund
schaft. Suche das Paar auf, rede mei
nen irregeleiteten Kinde in'S Gewis
sen und finde jene jene Dame ab.
Ich bin bereit, bis zu 10,000 in
Worten: Zehntausend Mark zu
opfern.
Bitte, arrangire die Sache sofort und
verpflichte zu ewigem Dank zu Gegen
diensten gern bereit
Deinen freund Lcberecht.
P. S. Die Pbotoaravbie meines
SohneS und der Klavierdame liegt bei j
Als Wolgemut diesen Brief gelesen
hatte, überkam ihn ein Gefühl der
Rührung. Wie vuitf.t sein lieber
Freund noch auf keine alten !ie luden!
Er machte sich daher sofort an'i
Wert und ging nach dem Easthof pr
Sonne. Tort kannte man keinen
Herrn Lcberecht aus Berlin, aber ein
junger Herr sei mit seiner Frau gestern
angekommen: er nenne sich Günther,
sei aus Berlin und wohne Zimmer
Nr. 7.
Herr Wolgemut lächelte schlau, man
war nicht umsonst in der Stadt der
reinen Vernunft geboren. Er eilte nach
Zimmer Nr. 7 und klopfte leise an.
Ein schüchternes Herein." und vor
ihm stand das junge Paar, der Aus
rcißer mit seiner Angebeteten. Die
Photographien waren sprechend ähnlich.
Nun war Herr Wolgemut Herr der
Situation. Wohlwollend klopfte er
dem jungen Mann auf die Schulter.
Guten Tag. Herr Leberecht, wie geht eS
Papa?"
Ter Angeredete verfärbte sich und
wurde blaß bis an die Lippen.
.Sie irren, mein Herr." sagte er
stockend, .meine Name ist: "
.Weiß schon, weiß schon." unterbrach
ihn der Königsbergcr nnd wand sich
ivvial zu der Dame
.Na. und Sie, mein Fräulein,
maS wollen Sie hier? Klavierftunden
geben? Beherzigen Sie meinen Rath.
reisen Sie schnell wieder ad. von der
Sorte gibtS genug Lehrerinnen in unse
rer Stadt."
Mein Herr!" brauste jetzt der junge
Mann auf.
Wolgemut," stellte sich der Königs
berger vor. .Mein Freund Lederecht,
Ihr guter Vater hat mir alles grschne
den." Und dabei präsent.rte er den
erhaltenen Brief und die Bilder deZ
Paares, das sich erkannt sah und nicht
mehr leugnete,
Ich sehe." sagte der junge Mann,
.Sie wissen Alles. Doch wenn Sie
denken, uns beide auseinander zu
dringen, so irren Sie sich gewaltig
Wir lieben uns. und keine Macht der
Erde soll unS trennen." Er umarmte
das hübsche, junge Mädchen, das, in
Thränen ausgelöst, keines Wortes mäch'
tig war.
Nun hielt Herr Wolgemut seit Zeit
für gekommen. Er warf sich in die
Brust, räusperte sich stark und sprach
mit welcher, milder Stimme von Vatev
liebe und Kindesgehorsam; von dem
alten kranken Herrn, der dem Grabe
nahe sich in Sehnsucht nach seinem
Einzigen verzehre; von der Eltern
Segen, der den Kindern Häuser baue;
von des Vaters Fluch, welcher den
Sohn ewig verfolgen und ihm jedes
Glück und zede Freude nehmen werde.
Es war sehr rührend. Dem jungen
Manne standen die Thränen in den
Augen, das Mädchen weinte und
schluchzte herzzerbrechend und rief mit
gebrochener Stimme: Nein nein
nachdem ich das gehört, will ich nicht
mehr zwischen Dir und Deinem Vater
stehen: ich gebe Dich frei."
Der junge Mann schüttelte den Kopf.
DaS kann ich nicht annehmen, will's
auch nichi. Was sollst Du denn ohne
mich anfangen. Mir zu Liebe hast
Du Deine Klavierftunden aufgegeben
und Berlin verlassen. Dem Elend und
der Noth würdest Du verfallen!"
Herr Wolgemut zog seine Brief
laiche. Auq das yal Ihr ater in
seiner unendlichen Liebe vorgesehen
Hier, mein Fräulein, unterzeichnen
sie diesen Schein, daß Sie Herrn
Leberecht freigeben und aller Ansprüche
an ihn entsagen und diese fünftau
send Mark gehören Ihnen." Als ge
diegener Geschäftsmann bot er zuerst
fünfzig Prozent.
Ta kam er aber schön an. In stol
zer Entrüstung trat die Dame auf ihn
zu. Wofür er sie denn eigentlich hielte,
fragte sie zornentflammt. Ein anstän
diges Mädchen wäre sie!
Herr Wolgemut entschuldigte sich
stotternd, es wäre doch nicht so sehr
schlimm gemeint gewesen und auch der
junge Leberecht legte sich in's Mittel.
Liebes Kind," sagte er, Du mußt
doch leben; zwar ist mir der Gedanke
an Trennung noch zu ungeheuerlich,
aber wenn sie doch eintritt waS sind
da diese paar Tausend Mark!" Und
vorwurfsvoll sah er Herrn Wolgemut
an, der sich schnell bemüßigt fand, die
Summe zu verdoppeln.
Er steckte der Dame die Feder in die
Hand sie unterschrieb dann zwang
er ihr die zehn Tausendmark-Scheine
auf und schob den jungen Mann und
sich zur Thüre hinaus; die Dame starrte
ihm mit entsetzten Blicken nach.
Man hörte einen gellenden Schrei
sie schien in Ohnmacht gefallen zu fein,
doch willenlos ließ sich ihr Liebhaber
fortführen. Wolgemut schleppte ihn
direkt zum Bahnhof, steckte ihm noch
hundert Mark als Wegzehrung zu, löste
ein Billet nach Berlin und verließ ihn
nicht, bis der Zug abgegangen.
Tann stolzirte er erhobenen Haup
tes nach Hause, im frohen Bewußtsein,
eine gute That vollbracht zu haben,
und schrieb ausführlich an seinen
Freund Leberecht nach Berlin, um Er
stattung seiner Auslagen, wie folgt
bittend:
Abstandssumme 10,000.00 M.
Billet nach Berlin. 1.
Klasse 53.50 M.
Wegzehrung 100.00 M.
Total 10,153.50 M.
Am andern Morgen erhielt er ein
Telegramm, das er schnell öffnete;.wahr
scheinlich die Nachricht von der glück
lichen Ankunft des jungen Leberecht und
die Danksagung. Er laS:
Brief unocrsta.-.dlich. Mein Sohn
hat Bann seit einem Äonat nicht ver
jljven. Vielleicht Muüi'ikZlion oder
uUierurcis
' Lcdcrccht."
Herrn Wolgemut flimmerte ti vor
den Augen. Er tastete sich nach dem
Sopha und ließ sich stöhnend darauf
nieder. WaS sollte das bedeuten? Er
war doch ein Königsberg und lein
Potsdamer!
Ta klingelte eS nochmals ein
Tienstmann erschien. Er hätte eine
mündliche Bestellung von einem Herrn
und einer Tame gestern Abend bekam
men. um sie heute auszuführen. Ter
Herr wäre gestern Nachmittag von See
pothcn. der nächsten Station hinter
Königsberg, zurückgekommen, ließe sich
empfehlen und für alleS danken. Herr
Wolgemut möchte sie Beide in freund
licher Erinnerung behalten; eS sei' AlleS
gesund und sie wären in Sicherheit.
Hier diesen Brief habe er auch noch ab
zugeben.
Haftig riß ihn Herr Wolgemut auf.
Ein kleiner Zettel nur. Tarauf stand:
Oller Tummkopp!"
Heiteres aus dem yerichtssaalt.
Ein Gerichtsadjunkt, der als Bei
sitzer bei einer Verhandlung fungirte,
hielt einem angeklagten Hochstapler vor,
daß er sich ungerechtfertigt Baron ge
nannt habe.
Angekl.: Ich bitte. Herr Landes
gerichtsrath. es ist eine menschliche
schwäche, wenn man für mehr gelten
will, als man ist."
Beif.: Ja. aber sie hatten kein
Recht dazu, sich Baron zu nennen."
Angekl.: Gewiß. Herr LandeSge
richtsrath, aber ich habe daS nur auS
Eitelkeit gethan."
BM.: sie wollten dadurch nur
Ihr fchmindelhaftes Gebühren unter
stützen."
Angekl.: Aber ich bitte Sie. Herr
Landesgerichtsrath. fassen sie daS nich
so strenge auf. Sehen Sie. ich habe
Sie ja i?tzt auch schon dreimal Landes
gerichtsrath genannt, ohne daß Sie da,
gegen Protestiren, und Sie sind doch
nur Genchtsadjunkt! "
Auf den Leim gegang. ,
Der Wiesbadener Generalanzeiger
der das kWiesvadener Tageblatt" lm
Verdacht hatte, ihm die Concert Pro
gramme nachzudrucken, fügte, um das
feindliche Blatt endgültig zu Lberfüh
ren, einem Concert-Programm folgende
Nummer ein:
6. Tschechische Weisen:
Grebnellehcs. . . . Emmargorp
Ella Regiezna Lareneg
Moo nekcurd Riw
Richtig war am nächsten Tage die
Einlage Wort für Wort nachgedruckt.
Man kann sich die Heiterkeitsmirkung
vorstellen, als der Generalanzeiger" in
der folgenden Nummer die Bedeutung
Dieses selt amen Tschechisch erklärte
Vom letzten Worte aus, von rechts nach
links gelesen, heißt es nämlich: Wir
drucken vom Generalanzeiger" alle
Programme ab. Schellenberg."
' , Heimkehr.
Ihr Lieblinasvläke meines Lebens.
Ich grüß euch wieder; doch vergebens
such ich vergang ner Tage Spur
Und anders leuchten Berg und Flur.
Du schöner Wold. bist du derselbe?
In deinem hohen Laubgewölbe
Die stolzen Bäume kenn' ich nicht.
Und Alles hat ein fremd' Gesicht.
i
Kaum glaub' ich in des WaldeS Chören
Den Gruß der Heimath noch zu
hören
Da flüstert mir die Quelle zu:
Wer anders worden, bist nur Du!
Wilhelm Buchholz,
Zweierlei.
Tochter: Ein prächtiger Mensch, der
junge Prosenor er weiß Alles o
hübich zu erklären."
Mutter: Ja nur sich selbst nicht.
Zu verführerisch.
Hausfrau: Malt der Fritz auch
noch an seinem Stillleben?
Dienstmädchen: Nee, er ißt schon
wieder daran!"
Aus einem Liebesbriefe.
Und weil ich Deinen Geschmack kenne.
schicke ich Dir eine gespickte Gansbrust
und hoffe. Dich bald an die meine
drücken zu können."
So meint 's.
A: Wenn Sie eine reiche Erbin
beiratben wollen, warum machen Sie
Fräulein Aeltlich keinen Antrag? Sie
ist doch reich!
B: ..?!. aber ihre Bergangenheit
gefällt mir nicht."
A: Na. erlauben Sie mal. die ist
doch über jeden Zweifel erhaben."
B:Ja. aoernelu mir zu lang."
Die bösen Fremdwörter.
Ricke: Ick hab' janz die Tempera
tur (Statur) von meine Mutter, blos
die Haare sind anders."
Immer Geschäftsmann.
Lerr Commerzienrath haben
den
Adel bekommen?"
Jawohl, ich hab' mer als Stamm
vater etablirt."
Der Weg zur Vernunft ist einsam
und ungepflegt, denn er wird nur sel
ten beschritten.
eäcksches ?mpfschilied.
t.: ti 54 , 9 x ttat. Fr s , i,
las Schiff schwimmt uf der Elwc. sehn
Se wodl!
Ich steige in daöselwe. sehn Sc wohl!
Te Zcphirlislgen wehn.
In der Ferne
Hinder Barne
Winkt Bastei und Keenigfteen!
Sehn Se nur. wie wundcrscheen!
Leb' wohl, o Elb.Terasse. schn Sl
wohl!
Ich fahre erschdcr Klasse, sehn Se
wohl!
Un seife mer dabei
Aenne leise '
Grien un-weiße
Wundersame Melodei
Sehn Se wohl, ich bin so frei.
Wie schnell daS geht vom Flecke, sehn
Se wohl!
Ich sitze uf en Tccke. sehn Se wohl!
Mei Schülchen in der Hand;
Ach. wie friedlich
Un gemiethlich
Bist du doch, mei Sachsenland,
Sehn Se wohl, un wie scharmant!
Ta, schauderhaftermeise, sehn Se wobl!
Summt wer: Ich bin 0 Preiste, sehn
Se wohl!
Mir gingt'S dorch Mark un Bein.
'S war als biß' mich
Was un schmiß' mich
Midden in de Elwe 'nein.
Sehn Se wohl. ja. jaa. nein nein!
Edwin Bormann.
praris.
Sag' mir. Toltor,' Austern sind
doch gesund?!"
Ich hab' wenigstens noch keine be
Handel,!"
Eine praktische Mutter.
Tochter: Mama, ich habe nur noch
Physiologie. Psychologie und Biologie
zu studiren."
Mutter: Nein, mein Kind, jetzt
wirst Tu zunächst Kochologie. Wascho
logie, Abstaubologie und Strickologie
studiren!"
kogik.
Denken Sie. da ist wieder Jemand
verhaftet worden, der falsche lO.Cents
stücke gemacht hat." -
Familienvater (nachdenklich): Der
Mann muß unverheirathet gewesen
sein."
Woraus schließen Sie denn das?"
Familienvater: Sonst hätte er
20-Tollarstücke gemacht."
Galant ausgedrückt.
Sie machen aber ein ernstes Gesicht,
mein Fräulein! Was ist Ihnen denn,
wenn man fragen darf, über Ihre rei
zende Leber gelaufen?"
Lrkanntes Uebel,
Erster Studio: Du warft gestern
nicht mit auf der Landparthie?"
Zweiter: Nein, ich konnte nicht
marfchiren. ein Fußleiden weißt
Du "
Erster: Ach. verstehe. Deine Stie
fel waren beim Schuster!"
Furchtbare Drohung.
Das sage ich Dir, Emma, wenn
Du mich "noch lanae äraerst. lasse ick
mich nie von Dir scheiden!"
Frauenlogik.
Gatte: ,Wozu willst Du denn noch
ein zweites Rad? Das eine ist ja noch
fast neu!"
Die iunge Frau: ..Ach. blos damit
ich's besser schonen kann!"
Reflexion.
(Aus dem Tagebuche des praktischen
Arztes Dr. Wünscher.) Nichts Ge
sunderes giebt's für den Menschen, als
dann und wann eine kleine Krankheit."
Gründlich im Thran.
Bezechter Student (Zeitung lesend):
Na, jetzt scheint's nicht nur lebende
Photographien sondern auch schon tan
zende Buchstaben zu geben."
Galant.
Das Fräulein: Immer, wenn meine
Mutter an dem Verhalten unseres Zim
merherrn etwas auszusetzen hat, läßt
sie es ihm durch mich sagen."
Ihr Verehrer: Also gleichsam durch
die Blume!"
Geistesgegenwart,
ftnrn (mm Mann, der um dr NKr
Nachts nach Hause kommt): Nun. wie
spät ist es denn?"
Mann: Ich alaube ein Ubr" lindem
schlägt es drei).
Frau: Du irrst Dich, es chläat
drei."
Mann: Ach Unsinn! Die
Uhr
stottert."
Ach so!
Frau zur Köchin: Marie wie kam
es, daß gestern Abend ein Soldat in
der Küche war. als wir vom Theater
nach Haufe kümen?"
Köcdin: TaS kam wohl daher, daß
daS Theater früher endigte, als in der
Zeitung angegeben war."
Lm Trost.
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rigen Mann zu 20 Jahren Zuangs-
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dankbar, daß i no so lang z'lebe hab'."