illte Erinncrumjcn. Mich trieb tl mit unwiderstehlicher Gewalt noch einmal jene blutigen Stätten vor Paris wieder aufzusuchen, w ich vor 29 Jahren so manchen blu tigen Strauß niit den Franzosen aus gefochten habe. Ich sah zu meiner Freude, daß die Halbinsel von Gene dillierS noch gerade so aussieht, wie vor 29 Jahren: tine Ebene von grünen Pappelreihen am Ufer umsäumt, zwi schen denen hier und da ein Landhaus oder auch eine Fabrik mit Schornstein hervorschaute. Auf diese Ebene hatten wir im An fang der Belagerung, als die Franzo sen noch nicht frech geworden waren, einft eine kühne und fesselnde Expedi tion veranstaltet. E ines Abends führte der Hauptmann unser Sechzig an den Strom, den ich jetzt wieder so dicht vor mir sah; eine PionierAbtheilung hatte acht große Kähne bereit gemacht und besetzt. Er hielt uns hier etwa folgende Anspracke: Wir wollen eine kleine Spazierfahrt machen an'S feindliche Ufer. Tie große Pappel da drüben wird umgehauen, weil sie Richtungs Punkt für die feindliche Artillerie ist, die Reihe Bäume dort ebenfalls. Die vier kleinen Häuser, die dazwischen lie gen, werden niedergebrannt. Vier Pa trouillen gehen ins Vorterrain. Zeigen sich größere Abtheilungen, wird schnell geschossen und zurückgegangen, kleinere Abtheilungen werden, ohne zu schießen, gefangen genommen oder mafsakrirt." Diese? Maffakrirt" klang mir wieder in den Ohren mit dem ganzen blutigen Ernste seines Inhaltes, als hätte ich eS gestern gehört. Nun bestiegen wir die Kähne und fuhren an den gespenstisch aufragenden Pfeilern neben dieser Brücke, auf der ich jetzt stand, vorüber. Die Gewehre lagen im Anschlag, aber nichts zeigte sich. Leise stiegen wir auS. Ich war der einen Patrouille zugetheilt, deren Führer unser Offizier Schmidt war. Er mochte der Mei nung sein, daß wir Angst hätten, und sagte uns, während wir unter den Bäumen hervor aufs freie Feld traten, gleichsam zum Troste: Seid nur im besorgt, eS wird keine Seele kommen, aber paßt hübsch auf." Es war stock dunkel, und wir schlichen geduckt, die Gewehre schutzfertig, durch Dick und Dünn. Ich war der Vorderste und Male den Boden Ich hatte im Vor. Abhang vor mir stürzte einige Fuß verlor mit einem unter den Füßen, würtsspöhen einen nicht bemerkt und tief mit lautem Gepolter hinab. Ein Glück, daß mein Gewehr nicht loSging! .Du scheeler Rekrut, hast Du keine Augen im Kopf?" flüsterte mir ein Kölnischer Landwehrmann liebenswür big zu, ,aber der Unteroffizier hat ge meint, wir könnten in diesem geschütz. im Hohlweg stehen bleiben. Nun erhob sich hinter uns ein Hauen und Sägen, Bäume krachten zur Erde, die Fensterscheiben klirrten, vier Feuer fäulen lohten zum nächtlichen Himmel empor. .Gehen Sie mal nach links." sagte da der Unteroffizier zu mir, bis Sie auf die nächste Seitenpatrouille treffen, und stellen Sie Fühlung mit diesen her, aber laufen Sie den Franzosen nicht in die Hände." Ich kroch aus meinem Loche heraus und, machte mich auf den Weg. Dabei wandelte ich nicht auf Rosen, sondern auf Sturzacker mitten in der Finsterniß. Denn die brennen Häuser waren zu weit ab, als daß sie das Terrain hätten erhellen können. Da blitzte es vom Feinde her auf, ein Projektil fauste nach dem Feuerbrand zu, und gleich darauf kam der Glanz eines elektrischen Scheinwerfers wie von einer riesigen Laterna magica über das Feld, langsam von rechts nach links alles absuchend. Neben diesen Schein Werfern standen häusig Scharfschützen bereit und unsere Instruktion ging da hin, wenn wir in dieses elektrische Licht geriethen, uns sofort hinzuwerfen. So that ich denn auch und ließ den kal ten, feindlichen Glanz über mich hin gleiten, der mich so blendete, daß ich -imi einige Minuten nachher nur grüne Flecke vor den Augen hatte. Tie Ein samkeit hier zwischen den beiden Heeren fing an mir unheimlich zu werden, ich eilte, so rasch es möglich war, weiter nach links. Wieder näherte sich der blendende Glanz, und wieder warf ich mich zur Erde, stand von Neuem auf und merkte nun, daß ich nicht mehr recht die Richtung gewußt habe. Ich wünschte, der Feind hätte noch einmal einen Kanonenschuß abgegeben, nach dem ich mich dann hätte zurechtfinden können, aber er that mir nicht den Ge fallen. So tappte ich allein weiter, merkte aber bald, daß ich mich von dem Arbeitslärm und den Feuersbrünften hinter mir immer weiter entfernte und also dem Feinde näherte; daher machte ta) eine Wendung nach yaibtinis, um wieder zu den Unseligen zu gelangen. Ich war noch nicht weit gegangen, da hörte ich ungefähr zehn Schritte von mir vom Erdboden her ein leichtes Knacken, und dann die leisen Worte: .Nicht schieß:, massakriren!" Um GotteS Willen, sagte ich stehen bleibend, .macht blos keine schlechten Witze; ich komme von der Patrouille Nummer drei und soll Fühlung mit Euch nehmen." .Tonnerwetter", sagte da eine von der Erde sich erhebende Gestalt, .fast hätte ich Dir EinS aufgebrannt, wenn der Unteroffizier mir'S nicht verboten hätte, aber erstechen wollten wir Dich eben. Warum Kommst Du auch von vorn?" hatte mich ein bischen verirrt." .Aber sehr," sagte der führende Unter osfizier. .Wir hielten 2ie für einen Franzosen; übrigens habe ich den Ge freiten Jmroth schon zu Ihrer Pa trouille herübergcschickt. der ist auch noch nicht zurück." Indem hörten wir von hinten her den Triller der Signalpfeife des Haupt manns und zwar dreimal rasch hin tereinander. was bedeutete: .schnell zurück." Im Laufschritte durcheilten wir die Strecke bis zum Fluß an den gestürzten Bäumen und niederge brannten Häusern vorbei; von rechts und links kamen die anderen Pa trouillen. AlleS saß schon wieder in den Kähnen, die Pioniere mit den Rudern im Wasser. Rasch sprangen auch wir hinein und bald stiegen wir an unserem Ufer wieder aus und stelle ten unS in Reih und Glied. Wir meinten nun nichts anderes, al daß wir nach diesem wohlgelungenen Handstreich nach Hause marschiren und unser altes Hammelfleisch kochen könn ten. aber der Hauptmann sagte: Wer Luft hat. noch einmal hinüber zu sah ren, vortreten!" Etwa dreißig Füsiliere traten vor die Front, darunter auch ich Wieder bestiegen wir zwei Kähne, und die Pioniere ruderten unS etwa eine Viertelstunde abwärts bis zu einer In sel, die vom feindlichen Ufer nur durch einen schmalen Arm, von dem unsrigen durch den Hauptstrom getrennt war Um nicht bemerkt zu werden, waren wir so dicht wie möglich unter dem Gebüsch des feindlichen Ufers dahingefahren und der Hauptmann hatte uns dabei minie theilt, daß er einen Gebäudekomplex anzuzünden wünsche, von dem aus schon öfter auf unsere Pioniere geschossen worden sei. ES fei möglich, daß auch heute Franzosen drin wären, wir teiir den daher vorher aussteigen und das Gehöft umstellen. Dann vertheilte er die Rollen. Einige erhielten Stroh bündel und Lichter. Andere Hacken und Beile, ich wurde mit drei Anderen de stimmt, als Posten nach außen hin das Unternehmen zu sichern. Wir stiegen darauf aus, schlichen uns im Ufergebüsch heran, überkletterten die niedrige und zum Theil eingerissene Hosmauer und umstellten von hinten die Häuser. Es war ein seitwärts lie gendes Fabrikgebäude, dessen Schorn stein sich vom Nachthimmel deutlich ab zeichnete, ein kleiner Stall und ein Wohnhaus, welches wie der Haupt mann sagte, zuerst in Angriff aenorn men werden sollte. Dunkel und räth selvoll wie ein Geheimniß laq es vor uns. Ich glaube. Aller Herzen klopften Wird der Feind drin stehen und wie stark?" Das war die stumme Frage, die durch unsere kleine Schaar ging. Ich trat dem Befehl gemäß mit drei Käme raden an die Hofmauer, um nach außen zu spähen; sowie sich etwas zeigte, soll ten wir schießen. Nun ging? los, Thü ren und Fenster wurden eingeschlagen und mit fieberhafter Spannung sahen wir von unseren Außenposten aus un scre Leute in das verwunschene Schloß eindringen. Kein Schuß fiel. Es wurden Lichter augczündet. welche erst im Erdgeschoß, dann im Treppenhause, dann im oberen Stockwerk umherwan derten. Plötzlich lief von der Vorder front des Haufes her eine dunkle Gestalt seitwärts über den Hof und sprang dicht neben dem Seitengebäude über die niedrige Mauer. Gleichzeitig kamen aus der mir zugewandten Hinterthür zwei von unseren Leuten herausgefturzt und riefen: Einer ist zum Fenster 'rausge,prungen, haltet ihn." Ich riß inftiktiv mein Gewehr an die Backe und schoß hinter dem in der Dunkelheit der schwindendeu Schatten her natürlich vergeblich. Nun wurden die mitgebrachten Stroh- bunde in das Haus getragen und ange zündet, und bald schlug die helle Flamme zu den Fenstern hinaus und leckte am Dache in 'die Höhe. Gleich darauf flammten auch das Fabrikgebäude und der Stall auf. Ich war so versunken in den Anblick dieses grausig'schönen Schauspiels, daß ich es versäumte, nach vorn hinaus in die dunkle Nacht zu spähen. Da rief plötzlich der einige ' Schritte von mir stehende Gefreite Zabel: Paß auf. es giebt was." Als ich herumfuhr, blitz ten auch schon Schüsse aus dem Dunkel auf und Kugeln pfiffen über uns weg, wie mit magischer Gewalt von den Flammen angezogen. Sie kommen näher." rief Zabel, und deutlich hörten wir französische Kommandos und ein Geräusch, wie es marschirende Truppen auf unebenem Gelände klirrend und stolpernd hervor bringen. Ta müssen wir einmal man pfef fern," sagte der Gefreite und fchotz in der Richtung des Geräusche, wir drei Andern auch. In diesem Augenblick stürzte der Hauptmann, von den bren nenden Gebäuden her heran, den Säbel in der Faust, und gefolgt von etwa sechs Mann. .Feuern, bis von hinten gepfiffen wird, dann aber laufen!" Die Leute sprangen neben und zwischen uns an die Mauer, und wir schössen nun Alle zusammen. Nicht zu -schnell. mahnte der Hauptmann. Der Feind antwortete.ihütete sich aber wohl, in den Glanz des FeuerS zu kommen und uns sichtbar zu werden. Durch das Knat tcrn hindurch schrillte jetzt der scharfe Signaltriller. Nun noch einmal feste Schnellfeuer," rief der Hauptmann, dann mir nach!" Wir knatterten also los. so viel zehn Mann das eben kön nen, dann rannte der Hauptmann zu rück, wir alle nach, nur Zabel nicht; der rief noch hinter uns her: Ich decke den Rücken. Herr Hauptmann," und schoß von Neuem. Auf dem Hofe, über den wir weg rannten, lagen eine Menge langer Bretter, Planten und starke Balken. Am Ufer waren die Kähne von unseren übrigen Leuten be reitS besetzt; wir sprangen hinein und sahen in dem einen beim Scheine deS Feuers zwei fremde Gäste. Franzosen, wie eS schien Mobilgarden. blutjunge Burschen, deren einer sich bereits am deutschen Kommißbrod delcktirte, wel cheS ihm Einer von uns gereicht hatte. Sie waren beim Einbruch der Unsrigen ruhig im oberen Stockmerk geblieben und waren klug genug gewesen, au lyre nächtlichen Besucher nicht zu schießen. 'Lacapoialestechanjpe sagte der Eine. TaS war also die Schattengestalt gewesen, hinter der ich hergeschonen hatte. Die übrigen Kähne schwammen schon ab, unser lag noch am Ufer. Wir mußten auf Zabel warten, dem der Hauptmann unausgesetzt pfiff. ES werden wohl nur wenige Minuten ge Wesen sein, unS erschien aber die Zeit des Wartens eme halbe Ewigkeit; denn deutlich hörten wir aus der Ferne das heftige Schießen deS Feindes, welches sich zu nähern schien. Endlich kam Zabel angelaufen: Nun aber fort, die KerlS kommen heran." Damit sprang er in's Boot, die Ruder der Pioniere setzten ein und hinaus ging's in den Strom. Aufpassen," rief der Haupt mann, sowie Ihr etwas am User seht. gut Visiren.- Zabel, eigentlich war's eine Dummheit, daß Sie unsern Rück zug deckten, aber ein braver Kerl find e doch. Ich werde sie zum Eisernen Kreuz eingeben." Der Füsilier strahlte natürlich vor Freude. Zu unserem Erstaunen verlief die Rückfahrt ruhig; der Feind traute dem Frieden wohl nicht recht. Es war übrigens die chünste Kahnpartie, die ich je in meinem Leben gemacht habe. Tie eine rauschte leise, die Ufer lagen dunkel und still da, und nur der mächtige Brand leuchtete weithin und spiegelte sich prachtvoll im Wasser. Ter Reihe nach stürzten die Tücher krachend zusammen, und es stieg dann jedesmal eine gewaltige feurige Rauchsäule zum Himmel. Ter Reiz dieses wundervollen Schauspiels wurde noch erhöht durch das Hochgefühl, ein immerhin nicht ganz ungefährliches Unternehmen tapfer und glücklich durch geführt und sogar zwei Gefangene er beutet zu haben. Der Hauptmann, der mit mir in demselben Kahne saß. agte noch zu uns: Merkwürdig, was die Kerle für Holzwerk dort auf dem Hofe aufgeschichtet haben; das sieht ja tast so aus, al wollten sie über die Insel weg eine Brücke zu uns bauen. Na, sie sollen nur kommen!" Wie recht der erfahrene Krieosmann mit dieser! Vermuthung hatte, das sollte sich später zeigen. Die Begebenheiten und Gestalten jener Nacht gingen im Laufe weniger Minuten an meinem inneren ' Sinne vorüber, während ich da auf der Brücke in der Mittagssonne stand, und zwar in fast greifbarer Deutlichkeit. Solche eigenartigen Lebensverhältnisse prägen ich ja mit allen Einzelnhelten für immer unauslöschlich in die Seele ein. Jetzt war dort der Jniel gegenüber wieder ein Fabnkschornsteln zu sehen. Davor aber spannte sich eine neue steinerne Bruae über den Strom, während au der andern Seite die eiserne Eisenbahn drücke, gerade jetzt der Schnellzug von Paris her passirte. Damals hing die wie ein in der Mitte durchgeüssene Strick mit den beiden Enden im Wa ser. Ta also die Heiden vorhandenen Brücken unbrauchbar waren, so schlu gen unS unsere Pioniere nach der Kapi tulation zwischen beiden eine Schiff brücke, welche wir dann am 30. Januar mit klingendem spiel und unter don nerndem Hurrah hinüberzogen auf das feindliche Gebiet, um die verlassenen Schanzen und Ortschaften zu besetzen Später wurde ich dann noch einmal mit ewigen Kameraden nach Pontolse' ge schickt, um von dort Stroh zu holen Ta war diese Schiffbrücke schon wieder abgebrochen, die steinerne dagegen, au d:r ich gegenwärtig stand, war von un seien Pionieren mittels Böcken un überlegten Balken wieder passirbar ge macht. Wie anders sah sie damals am Februar 1871 aus. als heute! An beiden Enden erhoben sich hohe Ehren Pforten mit grünen Guirlanden, Krün zen und bunten Flaggen in preußi schen. bayerischen und den damals noch als etwas Neues angestaunten deutschen Farben. Von diesen Ehrenpforten hingen an Laubgewinden große be kränzte weiße Schilder herunter mit der Aufschrift : Kai er Wilhelmsbrücke" Tag war das erste Mal, daß ich die neue Würde deS alten Wilhelm schriftlich sah. welche damals noch ein anderer Zauberglanz umschimmerte, als heut zutage, wo sie ebenso wie die anderen Errungenschaften jener großen Zeit etwas Gewohntes geworden find und deswegen nicht mehr die volle Würdi gung finden. Als ich mich wandte, um zur Stadt zurückzugehen, sah ich. daß der grau bärtige Brückengelderheber mich be obachtete; er war ersichtlich verwundert über mein langes Herumstehen und noch mehr, daß ich sein Häuschen und die Stadt mit den Höhen dahinter des Pho tographirenS für würdig hielt. Als ich an ihm vorbei wollte, hielt er mich an, ich müsse noch einmal einen Eou erlegen, und fragte mich, ob mir Ar genteuil denn so gefallen habe; es sei selten, daß ein Fremder hierher komme. Wir sprachen dann wieder über einige Einzeluheiten in Stadt und Gegend und er meinte: .sie und hier sehr gut be kannt, find Sie denn schon früher hier gewesen k" Ich zauderte einen Augenblick und schaute dem Alten prüfend in's Gesicht, aber ich fand darin keinen verschmitzten. lauernden Zug. fondern nur offenhcr zige Jovialität. Ta trieb mich plötz lich ein unwiderstehlicher Trang. die Wahrheit zu sagen und: 0ui rnos sieur", kam eS heraus, .11 y a rnain tenant virnrt neuf ans." Einen Augenblick fuhr eS wie ein Weiterleuch ten über das Gesicht deS Brückenwär terS. Tann fragte er kurz: Soldat?' Oui." Ici?" Oui." Moi aussi soldat", fuhr er fort, worauf ich: Pendant la nierre:1" Oui? Ici?" .Non, garde mobile a St. Denis et Aubervilliors." Fest sahen wir uns in'S Auge. Tann streckte ich ihm die Hand hin und sagte laut: iion iour, camerade! Ja guerre malheur pour nous et pouis aussi pour von. Er lachte 00 dieser da zumal täglich zu Tode gerittenen Re densart. schlug kräftig ein und sprach: Attendez un mornent! , worauf er in seinem Häuschen verschwand und nach wenigen Augenblicken mit seiner Medaille zurückkehrte, die er mir voll tolz in die Hand gab. Ich hatte lei der die meine nicht bei mir, weil ich ge glaubt hatte, daß sie in Frankreich das allerunnützeste Ding von oer Welt wäre, unter Umständen sogar gefährlich wer den könnte man weiß doch nie. wozu eine Sache gut sein kann! Revanchi ren konnte ich mich also nicht, ich griff aber in die Tasche und reichte ihm einen Franken mit den Worten: Tenez rnon brave, et prenez un petit coup a la sante de votre carna rade d'autrefois." 'Merci, merci bien." Damit trennten wir uns. Denn zwei Blusenmänner kamen herbei, die seine dienstliche Thätigkeit in An pruch nahmen und ihn dabei offenbar nach mir fragten. Der Wackere hat mich aber nicht verrathen, sondern wahr chemllch nur gesagt: II est bon garcon" oder etwas AehnücheS. Das chließe ich daraus, daß die Blufenmän ner sich weiter nicht um mich bekümmer ten, sondern ruhig ihreS WegeS über die Brücke gingen. Ich meinerseits strebte nun quer durch die Anlagen dem .Hotel soleil d'or" zu und saß bald unter den schat tigen Nutzbäumen des Gartens an weiß gedecktem Tische. Vor mir sah ich durch das Gitter auf die Brücke und den Strand. Hier war es gewesen, wo mein Blut in einer stürmischen Regen nacht in den Sand geflossen war. Wir hatten schwere Karren mit Balken zur Herstellung eines gedeckten Weges durch die Stadt hierher gezogen, beim Auf fahren des einen Wagens auf den anderen waren mir die Hand bis auf den Knochen gequetscht worden, sö daß ich vier Wochen keinen Dienst thun konnte und ein Finger für immer ftei geblieben ist. Toch fort mit den Ge danken an die stille Leidenszeit in der einsamen Stadt und im einsamen Hause, wenn die Kameraden ausgerückt waren und ich mit einer Hand mir Holz zu spalten und meine Suppe zu kochen versuchte. Es ist immer noch gnädig abgegangen und hätte viel schlimmer kommen können. Darum laßt uns heute leben, so lange es noch Zeit ist. Das Alutterherz. Novellelte von A. von Plankenberg. Das Unglück war über die Familie hereingebrochen wie ein Dieb in der Nacht. Der Gatte und Vater fand nicht die Kraft, fein Schicksal zu tragen; er erschoß sich kurz nach Eintritt der Kata strophe. Nun stand die Frau allein mit der Sorge um den einzigen Sohn Aber die Frage um seine Zukunft kam vorläufig noch gar nicht in Betracht, Vor Allem galt es die Verbindlichkeiten ordnen, welche an dem Namen des Ver ftorbenen hasteten. Das war keine kleine Aufgabe. , Die Familie hatte gelebt wie eben Leute von Vermögen und modernen Schlages zu leben Pflegen; neben nicht miteinander. Robert der Sohn hatte früh gelernt. sich als Erbe zu fühlen. Nun hatte ein Augenblick Geld und Gut und den Vater dahingerafft. Er sah die Mutter nicht zusammenbrechen unter diesem Doppclschlag, sah wieder Thränen noch Jammer. , Sie schien nicht zu leiden. Von früh bis spät faß sie am Schreib tische, ordnete Papiere, rechnete, schrieb. Stundenlang weilte der Advokat bei hr, dann wieder fuhr sie aus, hierhin. dorthin ohne Ueberstürzung, aber auch ohne Ruhe. Bei ihr war wohl ür ihn kein Trost zu hoffen so ging und suchte ihn anderswo, unter Fremden, und die Mutter ließ ihn gehen. Das Erste, was die Wittwe an ordnete, war der Verkauf des Land Hauses, das der Gatte ihr zum Hoch zeitS Geschenk gemacht. Vergebens wandte der Advokat ein, die Villa sei ihr Eigenthum, auf ihren Namen ge schrieben. Sie bewegte abwehrend den Kopf. Verkaufen" war ihre ganze Antwort. Ein Käufer fand sich bald, doch nur ür das leere HauS. Das Angebot war ein reelles sie erklärte sich bedingungs los damit einverstanden. Und was soll mit der Einrichtung geschehen?" fragte der Advokat, der sich in diese Frau, die ehedem nur sich sel er bcr. der aronen Welt zu leben schien und deren ieniae Tdatkrait einem Manne Ehre gemacht hatte, nicht zu finden ver mochte. Verkaufen, auch verkaufen" und nach kurzer Ucderlegung: .Eine Licita tion führt jedenfalls am schnellsten zum Resultat also eine Licitation. Senden Sie mir einen verläßlichen Menschen, einen Schätzmcistcr zu." Am Mittagstliche warf die tfiau zwei Worte hin. die Robert in schmerz licher Betroffenheit entgegennahm .Wie. Tu willst unser Landhaus verkaufen? Tie Möbel auch? Aber Mama!" .Es wird unS ein anständiger Preis für d,e Villa geboten." .Aber sie gehört ja Tir kein Mensch kann daran rühren. Ter Blick der Mutter wurde so ernst. daß Robert die Augen senkte. Du weißt doch Papa bat Schulden hinter lagen." Ich war so gerne draußen, bm dort geboren worden." klang's wie ein Vorwurf aus den Worten dcS jungen Mannes wollte die Mutter ihn nicht verstehen? Eben darum soll Dir die Ennne runq daran ungetrübt erhalten bleiben. Verstehe mich doch. Mama denke auch ein bischen an mich." Ueber ihre Züge flog ein schmerzliches Lächeln. Thäte ich das weniger, würde ich anders handeln." Nein. nein. Mama! ,zch gebe es nicht zu. wir wollen nicht Alles ver lieren." Nein, das wollen wir nicht. Wir haben aber auch die Pflicht, den Vater vor jeder Nachrede zu behüten." Sie erhob sich von ihrem Platze. Uebri ns, Robert, bist Tu noch minorenn. Borläufig laß mich handeln und füge Tich meinen Bestimmungen." Und so hatte der Sohn sich fügen müssen. Als der Tag der Licitatiou kam, zeigte die Hrau ihrer Umgebung die gewohnte regungslose Miene, aber es gelang ihr nicht, eine gewisse Unruhe zu verbergen, welche sich in Wesen und Haltung aussprach und selbst Robert auffiel. Tu wirft heute doch nicht aus geyen, utamoi" wart er yin, eye er den Hut nahm und sich zum Fortgehen anschickte. "ein ich dleioe zu Vaue. sie wandte den Kopf, nach dem Fenster, sie fragte nicht einmal, wohin er ging. ob er nicht vielleicht bei ihr bleiben wollte?".... Tiefe kühle Zurückhaltung verdroß ihn. rasch loandte er sich der Thüre zu Sie war aufgestanden, gleichsam um das Gespräch abzuschneiden. So 'war sie seit jeher gewesen. Robert zuckte die Achseln und ging. Die Frau blieb allein, wie sie eS gewollt. Eine Zeit lang stand sie unbeweglich mitten im Zimmer, vornübergcneigt, mit gefurch ter Stirne, als lausche ihr Ohr dem Sekundenschlag der Uhr Dann be gann sie rastlos auf und abzuschreiten. bis endlich die Dämmerung kam. End lich! Nun hatte sie Mant-l, Hut und Handschuhe. Es war ihr unmöglich. dem inneren Dränge zu widerstehen, sie mußte selber sehen, was da draußen vorging. Hoffentlich war es schon vorbei. Aber als sie nach kaum viertelstün diger Bahnfahrt und einem raschen Durchqueren der Allee und einiger Wie sen und Felder durch eine Nebenpforte den Garten ihres bisherigen Besitz thums betrat, zeigte ihr der erste Blick. daß die Licitation noch in vollem Gange war. Durch Gebüschgruppen verdeckt. schlich sie sich unbemerkt in's Haus, in eines der ruawarngen, bereits aus räumten Zimmer. Tort, in eine Fen sternische gedrückt, an dem schmalen Fensterbrett einen Stutzpunkt suchend. folgten ihre Blicke Stück für Stück den Sachen, welche weggetragen, in den Hofraum geschleppt und da verladen wurden der Stimme des Ausrufers. die Alle und Alles übertönte, auch das Hämmern ihres Herzens . . . . Wie im Wieder rann das Blut ihr durch die Adern. Zorn, Ingrimm. Verzweiflung packte sie, und mehr als einmal war es ihr, als müsse sie hin überstürzen, mitten unter diese Men chen. welche sich um die willkommene Beute stritten, und um ihr Eigenthum eilschten. mit der Ungeduld, der Hab gier und der ganzen Wollust der Scha denfreude an fremdem Verlust. Aber nein, nein! Sie wollte ja den Namen des Gatten freimachen von der Nachrede der Welt, wollte dem Sohn den Weg ebnen aus der Vergangenheit in eine Zukunft sie mutzte stark sein Sie wollte aufstehen, aber die Füße waren wie gelähmt vielleicht von der Bewegungslosigkeit des langen Still sitzenS. Eine große Müdigkeit überfiel sie, ein Taumel, der den Körper mit Gewalt zu Boden drückte, ihr Denken verwirrte Aus diesem Zustande zwischen Schlaf und Befinnungsiosiglelt weckte sie plötz lich die stimme ihres Sohnes. WaS treibst Du denn, Mama? Mich fo zu erschrecken." Das klang ärgerlich, verdrossen, und doch lag noch etwas Anderes darin. Das Mutterherz hörte nichts als diesen Ton verhaltener Zärtlichkeit und, ohne eine Antwort zu suchen, lehnte sie. nur diesem lauschend, ihr Haupt an die Brust des Sohnes, der in unsicherem Umhertappen auf sie zugetreten war. 1 Alles ver Frage ven .Ich dachte e mir doch gleich u:b nahm mir auf alle Fälle den Toppl. schlüssel mit. der noch neben Trinein Schreibtisch hing. Weißt Tu auch, daß sie Tich eingesperrt hatten? Wenn ich Tir nicht nachgetom,"?,! wäre!" Er wollte sie mit Gewalt vertrau;. ziehen, aber tie widerstrebte. Weißt Tu nicht - ist kauft?" Zaghaft löste sich die ihren Kippen. .Alles. Hörst Tu nicht, wie meine Schritte in dem leeren Haufe wieder hallen? Ter Toktor war schon bei uns um Tir mitzutheilen, daß er mit dem Resultat sehr zufrieden sei." .Gott sei Tank!" Sie preßte die Hand ihreS Sohnes. Tu sagtest ihm doch nicht, daß ich ?" .Aber Mama, ich bin doch lein Kind. Wo ich Tich zu suchen hatte, war mein Geheimniß." Sie verließen langsamen Schriltes das Zimmer.. Im Vorderhaus, blieb die Mutter stehen. Einen Augenblick noch, Robert." Sie nahm seine Hand und fübrle ihn durch den Saal in die Nebenzim nur. Er folgte willig, fast ohne es iti wissen, auf den Zehenspitzen, den Hut in der Hand, als wandle er unter dcr Kuppel einer Kirche. Tort am Fenster war der Plad ven Papa tausendmal,' immer, immer bat er dort gesessen und seine Zeitungen ge lesen." Rege Tich nicht auf. Mama, b. denke " In diesem Zimmer wurdest geboren mein liebes Kind! 2Mi Robert!" Wir werden ein anderes ficim finden. Ich will mir schon Milbe geben, weide arbeiten sei nur ruhig, Mama." Hier starb meine Mutter. Teine Großmama" ihre Stimme brach fast. sie haben auch das Veit, in dem sie gestorben ist, weggetragen." . Ete rast der ffrau war zu Ende Sie warf sich in die Arme deS SobneS umklammerte ihn in leidenschaftliche Schmerze und weinte, so fassungslos. tief und bitterlich, wie sie seit ihren Kinderjahren nicht mehr geweint Robert stand unbeweglich und streichelte das Haar der Weinenden. Auch am seinen Augen rannen die Thränen. Arme Mama! Was mukt Du oe. litten haben!" und er beuate sich nieder und küßte ihre Stirne, ihre Wangen, ihren Mund, als wollte und könnte er wcgküssen. was das Herzleid eines ganzen Lebens in diese Züge gegraben hatten. Nun standen sie vor der Tbür des Hauses. Robert drehte den Schlüssel um. Komm, Mama, gehen wir." Und sie gingen. Mutter und Sobn einander gegenseitig unterstützend, ohne auch nur einen Blick mehr zurückzu wersen. dem Lichtpunkte zu. der matt durch den Nebel des Herbstabends ibnen den Weg zeigte, den sie gehen mußten. Vin chinesischer Schildbürgerstreich. Die Unruhen in Schantung haiM auch ihre humoristischen Seiten. Es m bekannt, daß der Bau der Eisenbahn in der Provinz Schantuna. welcher von deutschen Ingenieuren geleitet wird, zu allerhand Wirrnissen Anlak aeaehen hat, und dabei ereignete sich auch fol gendes Vorkommniß: Tie Bahnlinie war vermessen und. wie üblich, durch Eintreiben von Pflöcken in den Boden bezeichnet worden. Nun war es fchiedentlich vorgekommen, daß die an wefendcn Chinesen, um den Fremdlin gen einen Schabernack zu spielen, die Pflöcke aus der Erde gezogen und fort genommen hatten, so daß die Strecke mehrere Male neu abgesteckt werden mußte. Der Ehef.Jngenieur beschwerte sich bei dem Taotai der Vrovin,. und dieser versprach, daß dieses Stehlen der Pflöcke verhindert werden solle: er werde der Sache persönlich seine Aufmerksam keit widmen. Die Vcrmcsscr eckten die Linie also nochmals mit neuen Pflöcken ab. Als jedoch die Vermcsser einige Wochen später wieder hinkamen, fanden sie zu ihrem großen Aerger. daß meilenweit kein Vflorf ,u sk,n mnr. Der Chefingenieur eilte sofort zum Taotai und machte seinem 3n ihrr die Wiederholung des Streiches Luft; der Beamte aber suchte ihn m beickmick. gen, inoem er mit verbindlichem Lüchelnn sagte: Oh. die pflöcke finb gut aufgehoben: ich habe meine Leute ausgeschickt und sie beraus,iekn ux,- damit sie nicht wieder geftoblen würden. Ich habe sie hier alle in Bündel für Tie zusammenbinden lassen!" h Schwäbische emüthlichkeit. Ter 1864 verstorbene König Wil Helm I. von Württemberg hatte laut Frkf. Ztg." in Stuttgart einen Top pelgänger. der ihm täuschend ähnlich sah und sich darin acfiel. hm nni,i in Kleidung, Haar, und Barttracht und! auch im Gang nachzuahmen. Ob auf) Befehl des Königs oder aus eiaenem l Eifer beschäftigte sich eines Tages die Polizei mit diesem Manne. Er leua) nete durchaus. Haare und Bart un? Kleidung absichtlich so ,u traaen wie dcs König. Nach längerem Parlamentirc:! verlor endlich der Polizeichcf die Gedul? und schrie den vorgeladenen Toppcl ganger des Monarchen an: Es mag ein. daß sie recht baben. aber aewö nen sie sich doch wenigstens den sa,: oummen Gang ab!" i