Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 24, 1900, Image 10
Der LiscnbahnrZubcr. Humolttke vsn Franz W i ch m a n Der Zug näherte sich einer Station dtt rasselnde Tonner der Rüder wurde leiser, und Frau von Eiscndurg konnte sich in Folge dessen wieder verflandna, machen. .der beruhige Tich doch endlich, Zllma. und mach' wieder ein freund lickeS Ee icht!" .Wenn man wie ein arme? Opfer im Schlachtbank geführt wnd. Mama. rief daZ junge Mädchen mit untev drücktem Schluchzen, 10 kann man doch nicht luftig sein und vergnügt aus, sehen!" Tie alte Tame schlug die Hände zu sammen; sie wußte nicht, ob sie sich ür aern oder lachen sollte. .TaS ift doch zu toll, solch' ein AuS, druck, wenn man aus dem Wege ist seinen künstigen Gatten kennen zu lev nen!" .Aber ich will ihn ja gar nicht. Mama." Eben weil Tu ihn noch nicht kennst, Nachher wirft Tu anders sprechen Einen Mann mußt Tu doch einma haben." .Aber keinen solchen von bürger licher Abkunft, der ftudirt hat und nicht einmal Reserveoffizier ist. .Tu weißt, wie Tein guter Vater über diese Tinge dachte. Ter alte Eschenmüller übrigens einer der reich ften Fabrikanten im Lande war PapaS bester Freund und hat ihm mit Selbstaufopferung einmal aus einer schlimmen Lage geholfen. Und da sie Beide nur je ein Kind hatten, so war der Wunsch wohl begreiflich, daß diese einmal ein Paar werden möchten. Tie Tochter schwieg einen Augen blick, dann aber begann sie von neuem mit weinerlicher Stimme: Aber wer weiß denn, ob er mich überhaupt mag!" .Um das zu erfahren, sollst Du ja 4en Herbst über zur Tante und m w sellschaft ihn kennen lernen. Tu weißt eS war der feste Wille der Bäter. daß keinS der Kinder gegen seine Neigung zu einer Heirath gezwungen werden sollte. . .Nun dann mag ich ihn eben nicht und darum brauche ich auch nicht in die Stadt." .Du bist unverbesserlich ereiferte sich Frau von Eisenburg, aber in Dd nen Jahren spricht man viel in den Wind, und ich für meinen Theil zweifle gar nicht, daß Hans Dir gefallen wird. Man hat la nur Gutes über ihn ge hört. Ein in jeder Beziehung braver, tüchtiger und hübscher junger Mensch, der nach einem paar fröhlichen Univer fitätsjahren sein Examen glänzend be standen hat und nun in die Stadt zu, rückkehrt, um demnächst daS ganze Ge, schüft seines VaterS zu übernehmen ich kann mir wahrhaftig keinen besseren Mann für Dich denken." Auf dem kleinen Bahnhof, vor dem der Zug jetzt hielt, herrschte großes Le- den und Getümmel. Ein Gesangvev -ein mit Musik und Fahne in Begleit tung zahlreicher Damen wartete "aus dem Perron, um von einem Ausflug in die Stadt zurückzufahren, 'Soldaten, die in Urlaub heim kamen, und Bauern die wegen deö nahen Festes in die .Stadt wollten, bildeten eine dicht ge staute Masse und begannen, ehe der' Zug noch recht hielt, einen Sturmlaus auf sämmtliche Wagen. In einem Augenblick hatten sie alle CoupeS at füllt, und als von der Kasse her noch ein Nachzügler, ein bestaubter schmutz. ger, junger Mensch schwitzend und keuchend eintraf, war guter Rath theuer. Wohin wollen Sie denn?" schrie ihn der Schaffner an. .In die Stadt nach Lcuchtenfels." Er rannte auf einen der letzten Wa gen zu. Welcher Klasse?" fragte der Schaff er von neuem. .Vierter'.' Halten Sie, da stehen die Leute schon auf der Plattform, da darf Nie mand mehr hinauf. Warten Sie ein- mal. vielleicht in der dritten." Der Uebriggebliebene lief mit dem 'Schaffner die ganze Waaenreihe ent lang. . Ter Beamte guckte in jedes Abtheil. aber überall blickten spöttisch lächelnde oder ärgerliche Gesichter her aus. und überall wurde der Fremde abgewiesen. .Rücken's noch ein bischen zusam men!" .Fällt uns nicht ein." Wir sitzen so fchon wie Heringe drin." , Auf jede Ban! zehn, mehr ist vev boten, mehr lassen wir nicht herein." Der Schaffner wurde wüthend. Himmel Herrgott, es ift ja schon lange Zeit zur Adsayrr. Mitnehmen müssen Sie mich; ich habe bezahlt und bestehe auf meinem Schein," sagte der Fremde energisch. Der Beamte schaute einen Augen blick verzweifelt umher. Dann sagte er entschlossen: Kommen Sie nach vorn. In der zweiten Klasse muß eS noch gehen; ich kann mir nicht anders helfen. Ah, da ift ja noch ein fast leeres Coups!" Fräulein Alma, die bei dem Lärmen und der tragikomischen Scene neugierig binausgeschaut hatte, fuhr mit dunkel, rothem Kopfe vom Fenster zurück: Mama, um GottcS Willen, der Mensch kommt hierher!" r. . Auch die alte Tame erhob sich ein wenig entrüstet, als der Kopf des Schaff, ers in der geöffneten Thür erschien. .Sie wellen doch nicht hier den den " .Bedaure. aber es geht nicht anders Sie haben kein TamencoupS. und hier ist noch Pla." .Mama, das ift ja entsetzlich!" ftü fterte Alma ganz uußer sich und nahe an die Mutter hindrängend, .ich fürchte mich zu Tod; ein Mensch aus der vier ten Klaffe!" .Still, um Gotteswillen, es ist doch auch ein Mensch, und wenn er Tich hört, können wir erst recht Unannehm lichZeiten haben," beschwichtigte' Frau von Eisenburg, die Stadt ift ja nicht mehr weit, und eS wird doch nicht ge rade ein Betrunkener oder Spitzbude fein." Tod), doch, Mama, ganz schrecklich sieht er aus. als ob er die Nacht im Freien geschlafen Hütte. Kein anftün diger Mensch fähtt doch in vierter Klasse." Sie kam nicht weiter, denn inzwischen hatte der schreckliche Mensch auf den Wink des Schaffners keuchend den bt zeichneten Wagen erreicht. Schon gellte von der Maschine her ein schrilles Psci fen, eine dunkle Masse flog herein, sie schwer auf die weichen Polster nieder, die Thür wurde dröhnend zugeschla gen, und fort rasselte und donnerte der Zug. Alma war ängstlich bis an das ent gegengcsctzte Ende deS CoupS gerückt und ihre Blicke hingen mit schreckhaftem Ausdruck an dem Fremden. Um sich gegen die von dem Proletarier verun reinigte Luft zu schützen, zog sie ihr seines nach Feau d .Lsoagne duften deS Batisttaschentuch hervor und preßte es krampfhaft ans Gesicht. Ihre Phan taste spielte mit den schrecklichsten Bil dern.; Dieser grüßliche Mensch, der sich den Schweiß von der Stirn wischte und ganz außer Athem keuchte und stöhnte, war gewiß ein Verbrecher, der soeben eine schwarze That begangen oder aus dem Zuchthaus entsprungen war. Richtig, letzt ließ er schon den Blick feiner tiefschwarzen Augen von der Mutter zu ihr herübergleiten. Eine fürchterliche Angst befiel sie. Wenn sie nur die Mama warnen könnte! Konnte der Unheimliche nicht einen tückischen Ueberfau auf die beiden einzelnen schutzlosen Damen planen? Aber sie saß zu weit entfernt von der Mama ur.d wagte sich wie gelähmt nicht von der telle zu rühren. In den Zeitungen stand so oft von Eisenbahnattentaten. Und hier war ja die Gelegenheit so günstig. Eme halbe stunde lang gab eS keine Station mehr, und gerade hier führte die Bahn durch öde, unbebaute Strecken flachen Landes, das mit feinen weiten Heiden, den düsteren Föhren waldern und mit trüben, moorigen Wasserlachen einen grenzenlos traun gen und einsamen Eindruck machte. Plötzlich wurden Almas Augen groß und starr vor schrecken. Auch Frau von Elsenburg rückte em wenig deun ruhigt zur Seite. Ohne den bereits gefaßten Argwohn wäre den Damen die verdächtige Be wegung vielleicht entgangen, denn chembar achtlos zog der Fremde, in dessen Gesicht sich eine hochgradige Un ruhe ausprägte, ein winzig kleines, geschliffenes Fläschchen aus der Tasche. uchte es mit der Hand'zu verdecken und entfernte heimlich den Glasstöpsel ba von. sofort verbreitete sich ein widerwär tig durchdringender Geruch in dem CoupS, und der unheimliche Mensch machte eine hastig heftige Bewegung. wie wenn er sich aus die Insassen stür zen wollte, als der laute Schrei der jungen Tame an sein Ohr schlug Mama, Mama, um Gottes Willen ein Räuber!" Auch die alte Dame sprang kreischend auf und flüchtete sich nach der anderen eite zu ihrer Tochter. Mit blitzschneller Geistesgegenwart aber hatte Alma schon die Nothleine er aßt und riß aus Leibeskräften daran. Im selbenMomente ertönten drei scharfe, chrille Pfiffe, die Bremsen fetzten ein, und mit einem harten Stog nach rück wärts stand der Zug. Ter überraschte Verbrecher war blaß geworden. Aber Sie werden doch nicht ich habe ja nur " stammelte er; aber ehe er den Satz vollenden konnte, rissen schon Schaffner und Zug führer mit bestürzten Gesichtern die Wagenthür aus. Hier ist das Nothfignal gegeben! Was ift passtrt ?" Ohne zu antworten, sprangen Wut ter und Tochter, sobald sie den Ausgang offen sahen, mit lautem Aufschrei ins Freie. Em Verbrecher, ein Räuber, ein Mörder!" rief Alma. Er hat uns narkotifiren wollen." Da sehen Sie noch das Fläschchen. fügte Frau von Eisenburg hinzu. f Die Beamten, die m der That das Corpus delicti in der Hand des Fremden erblickten, warfen sich, ehe der Unhold sich zur Wehr fetzen konnte, über ihn und rissen ihn aus dem Wagen. Meine Herren, Sie werden doch einem ehrlichen Menschen glauben, der " Aber das entrüstete Personal, das sich jetzt vollzählig vor dem Wagen ein fand, ließ ihn nicht zu Worte kommen. Unter den drohenden Blicken, dem zor nigen Gemurmel der in Schrecken und Neugier ebenfalls ausgestiegenen Pas. agiere schrie der Zugführer ,hn an: Man wird Sie bis zur Stadt isoll ren und telegraphisch die Bahnhofs. Polizei in Kenntniß setzen. Marsch, fort mit Ihnen!" Ter Verbrecher wurde unter den Flüchen und Verwünschungen der Menge inS ArreftantencoupS geschleppt und nur mit Müde ließen sich die zu Tod erschrockenen Tomen bewegen, ihre Plätze wieder einzunehmen. Erst bei der Ankunft in der Haupt ftadt hatte sich Alma so weit erholt, daß sie eS wagte, wieder aus. dem Fenster zu schauen. Sich nur. Mama, da steht schon die Polizei und erwartet ihn." .Wahrhaftig! Aber weißt Tu. Kind beinahe thut er mir leid. .Ter schändliche Räuber?" ,O. er machte doch einen so guten Eindruck. Tu ftecktcft mich ja an mit Tciner Angst; aber ich kann mir gar nicht recht denken, daß er wirklich ein Verbrechen vorhatte. TaS werden wir ja gleich erfahren Mama. Ta haben sie ihn schon und führen ihn auf daS Bahnhofswacht lokal." .Vielleicht braucht man gleich jetzt unser Zeugniß. Wir wollen wenig ftenS warten, bis der Polizist wieder herauskommt," meinte Frau von El senburg. Ja, ja, wissen müssen wir, was mi dem Menschen geschieht." AIS sich daS Getümmel aus dem Bahnsteig ein wenig verlaufen hatte, faßten die beiden Damen vor der Pou zeiwache Pofto. jeden Augenblick ge wärtig. dag man heraustreten und nach ihnen uchen werde. Jetzt öffnete sich wirklich die Thür, und der Polizist, der vorher den Arre stanten in Empfang genommen hatte, trat kopfschüttelnd und mit , ärgerlicher Miene heraus. SiehstTu.Mama," flüsterte Alma er ift ganz wüthend über den abscheu lichcn Räuber." Und sich schnell ein Herz fassend, trat sie auf den Beamten zu und fragte: UmS Hlmmelswillen mein Herr, sagen Sie, ift es ein schlim mer Verbrecher, dem wir noch glücklich entronnen sind ?" Ter Polizist schaute noch ärgerlicher auf: Ah so, sie sind es. die die Fest, nähme dieses Herrn veranlaßten ?" Dieses Herrn Spitzbuben, m." bt merkte Frau von Eisenburg, indignir über die sonderbare Bemerkung. Was für eine Strafe erwartet den Schände lichen ?" strafe erwartet nur sie, er widerte der Beamte in keineswegs freundlichem Tone, weil Sie unbe sonnen und ohne Grnnd auf offener Strecke einen Zug zum Halten gebrach! haben." Die beiden Damen standen mit offe nein Munde da, ohne sich fassen zu Im nen. Was? Ist denn der Mensch kein Verbrecher?" kam es endlich tonlos und leinlaut von ihren Lippen. Herr Eschenmüller ift der Sohn eines der angesehensten Bürger unserer Stadt und wurde bei seinem Eintritt von dem wachthabenden Polizeiofsizier ofort erkannt. Eben erzahlt er lachend den Hergang der Sache. Wenn Sie sich nicht geniren, meine ,Tamen, kön nen Sie ja eintreten; man wird sich ohnehin Ihre Adresse notiren wollen." Hans Eschenmüller?" schrie Frau von Eisenburg auf. als ob sie auf glü- hende Kohlen getreten wäre. Und der führt vierter Klasse '."ffrief Alma, die Hände in fassungslosem Er staunen ringend. Ter Polizist, der mehr zu thun hatte. als den verblüfften Damen Rede zu liehen, hatte sich inzwischen mürrisch und ohne Gruß entfernt. Die Auf lärung aber kam von einer anderen Seite. Erscheint Ihnen das so schrecklich, mein Fräulein?" sagte die wohlklm gende Stimme eines Mannes hinter ihnen. Es ist zwar sonst nicht meine Gewohnheit, in dieser Klgsse zu fahren; heute aber hatte ich einen besonderen Grund, der vielleicht auch Ihre Bil. Iigung finden dürfte." Frau von Eisenburg suchte sich zu a en: O bitte, entschuldigen Sie nur. es ift uns ja schrecklich, daß gerade wir aber wie konnten wir ahnen " Hans Eschenmüller verbeugte sich mit dem vollendeten Anstand eines Welt mannes. Pardon, meine Damen, die Pflicht, Verzeihung zu erbitten, ist ja durchaus auf meiner Seite. Ich habe Ihnen einen natürlich gänzlich imbe absichtlgten Schrecken eingeflößt. .Hät ten Sie mich nur einen Augenblick zu Worte kommen lassen " Sie wollten uns also nicht narkotl siren?" fragte Alma, die plötzlich Muth gewann und den jungen Mann zum ersten Mal mit anderen Augen, wenn auch immer noch em wenig mißtrauisch, betrachtete. Er brach in helles Lachen aus und richtete den aufleuchtenden Blick seiner dunklen Augen mit offenbarem Wohl gefallen auf die schöne Fragerin. Nein, mein Fräulein, viel eher Hütte mir diese Gefahr gedroht durch Ihre Nähe. Ich leide bisweilen an Herz. lopfen, und die Aufregung, in der ich auf den Bahnhof kam. sowie Ihr An blick riefen das alte Uebel wieder hervor. Darum griff ich nach dem Aetherfläsch. chen, das ich für solche Fälle immer bei mir trage." - Frau von Eisenburg wollte ihn mit euerrothem Kopfe unterbrechen, aber er machte eine bittende Bewegung, ihn ausfprechen zu lassen: Ich bin Ihnen volle Aufklärung über den seltsamen Vorfall schuldig; vor allem bezüglich der vierten Klasse," wendete er sich mit etwas spöttischem Lächeln an das junge Mädchen. Sie sind wohl noch nie in die unglückliche Lage gekommen, kein Geld mehr zu besitzen, meine Damen? Tie Beiden sahen ihn mit ungläudi gem Staunen an. Wie konnte der Sohn des reichen Fabrikanten Eschen Müller in Geldverlegenheit gerathen? Sie müssen wissen, meine Damen heute ift mir beim Radfahren ein Mal henr pasflrt. Kurz vor der Station Weißkirchen, wo ich den Zug erreichen wollte, überfuhr ich auf der steil adsal lenden Straße einen zu spät bemerkten armen, alten Mann. Mein Rad ging in Trümmern, und meine Kleidung gewann durch den Sturz auch nicht ge rade. Tas schwerhörige, bedauern- werthe Opfer deS Zusammenstoßes, daS zum Glück nur unbedeutend verletzt war. erfüllte mich mit solchem Mitleid daß ich den ganzen Inhalt meiner Bör in seine Tasche entleerte. Zu spät siel eS mir ein. daß ich mich damit auch der Möglichkeit zur Heimfahrt beraubt hatte. Doch nein, kurz vor dem Bahn, Hof machte ich die freudige Entdeckung, daß ich noch so viel hatte, um mir ein Billet vierter Klasse löfen zu können TaS Ucbnge wlgen Sie." Auch auf Fraulein Alma's Wangen brannte letzt eine helle Röthe; ohne es recht zu wissen, streckte sie dem jungen Manne die Hand hin: Sie haben schön und edel gehandelt. Können ie mir meine Thorheit verzeihen?" Wenn sie mir zur Erinnerung an den komischen Vorfall die Ehre Ihrer Bekanntschaft schenken wollen. D alte Dame nannte einen Namen der ihn betroffen zurückfahren ließ Wie. S sind Frau von Elsenburg die Wittwe deS besten Freundes meines VaterS. von dem mir dieser so oft er zählte r Und das ist meine Tochter Alma die schon lange darauf gefreut hatte, im Laufe des Winters Ihre Bekanntschaft zumachen" Aber Mama!" TaS ist ja köstlich. " rief Hans Eschen müller, schneller, besser und amüsanter hätte eS sich jedenfalls nicht machen lassen!" TaS glaube ich auch," flüsterte Alma ihrer Mutter zu. und Tu hattest ganz recht vermuthet. Herr Eschenmüller ist wirklich ein sehr liebenswürdiger Mensch." Und letzt gestatten die Damen, daß ich sie sofort meinem Vater zuführe, Also wirklich das Weib deS Räu bers?" sagte ein Jahr später der alte Herr belustigt, als Alma am Arm des jungen Gatten freudestrahlend vom AI tare zurückkehrte. Die lunqe Frau nickte mit schelmi schem Lächeln. Ich hatte doch recht geahnt, Schwiegerpapa, ein Räuber war er, aber ein Herzensräuber!" Grauenhaft. Eine kvIode ant dem deutlch!ranzdsilchen firieg. Aus dem Nachlaß uy de Mauvastant'i, Ueber setzt von Xlice Kern, Langsam senkte sich die laue Nacht herab. Die Damen waren im salon zurück geblieben; die Herren, rücklings auf Gartenstühlen sitzend, rauchten vor der Thüre und bildeten einen Kreis um einen runden Tisch, der mit Tassen und kleinen Gläsern beladen war. Man hatte eben von einem schreck lichen Unfall gesprochen, der sich gestern zugetragen hat. Zwei Männer und drei Frauen waren vor den Augen der Gäste im Flusse ertrunken. General G. bemerkte: Ja, solche Ereignisse sind erschüt ternd, aber sie find nicht grauenhaft Grauenhaft, dies alte Wort will viel mehr sagen als schrecklich, entsetzlich Ein fürchterliches Ereigniß wie dieses erschüttert, verwirrt, bestürzt, es ist nicht grauenhast. Um das Wort Grauenhaft" zu tx offen, bedarf es mehr als einer Ge mütherschütterung, mehr als des An blicks eines schrecklichen TodeS; es ge- hört dazu ein geheimnißvoller Schauer, oder die Empfindung von etwas Un natürlichem, etwas Gräßlichem, das plötzlich und unvermuthet vor die Seele ritt. Ein Mensch, der stirbt, und wenn auch unter den tragischsten Ver Hältnissen, erweckt kein Grauen. Ein Schlachtfeld ist nicht grauenhaft, Blut st nicht grauenhaft, die scheußlichsten Verbrechen sind selten Grauen erregend. Ich will em Beispiel aus meinem eigenen Leben anführen, daS mir den Begriff dieses Wortes unauslöschlich in die Seele schrieb. Es war während des Krieges von 870. Wir zogen uns gegen Pont Aude nier zurück, nachdem wir kurz vorher Rouen verlassen hatten. D,e Armee. ungefähr 20.000 Mann stark 20.000 Mann im Rückzüge begriffen, dcmorali- !irt, aufgelöst, erschöpft, sollte sich bei Havre wieder sammeln. Die Erde war mit Schnee bedeckt. Die Nacht brach herein. Man hatte seit gestern nichts gegessen. Man flüchtete in Eile die Preußen waren nicht weit entfernt. Ueber der weiten eintönigen Land chaft der Normandie, unterbrochen nur hie und da von den Schatten der Bäume, die die einzelnen Bauernhöfe umgaben, wölbte sich ein schwarzer, schwerer. unheimlicher Himmel. Man hörte im trüben Schimmer der Dämmerung nichts als das verworrene, dumpfe und doch über alle Maßen laute Getöse der marschirenden Truppen: ein endloses Gestampfe, vermischt mit dem Geklapper der Blechdosen und dem Ge- i rassel der Säbel. Tie Mannschaft ge. beugt, gebückt, schmukiig. oft sogar ur lumpt, schleppte sich fort im Schnee mit langen, müden chritten. Tie Haut der Hände fror an die Ko den der Gewehre, denn es war entsetzlich kalt in jener Nacht. Oft sah ich. wie ein armer Teuf.'l seine schuhe auszog um barfuß zu gehen, so sehr schmerzte daS schuhwerk: und m jedem Fußstap. fen ließ er Blutfpuren zurück. Tann nach kurzer Zeit, fetzte er sich, um für einige Minute auszuruhen er erhob sich nie wieder! Jeder, der sich fetzte war ein dem Tode geweihter Mann. Wie viele dieser armen, erschöpften Soldaten haben wir hinter uns zurück gelassen! Sie hofften Alle, wieder nach zukommen, sie wollten nur ihre steifen Glieder etwas ausruhen! Doch kaum hörten sie auf. sich zu bewegen, schien auch daS beinahe erfrorene Blut in ihren Adern zu stocken und eine unüberwind liche Müdigkeit nagelte sie an die Erde fest,' schloß ihnen die Augen, lähmte in einer Secunde dielen uverarveneten menschlichen Mechanismus. Und sie sanken m sich'zusammen, die Stirn au den Knieen, ohne jedoch zur Erde fallen zu können, denn ihre Rücken, ihre Glie der wurden bewegungslos, hart wie Holz, unmöglich, sich zu biegen oder zu strecken. Und wir Anderen, widerstandSsäh ger, wir gingen weiter. Obgleich gefro ren bis in'S Mark, niedergebeugt von Gram und Verzweiflung, und gelähm insbesondere von dem abscheulichen G? fühl der Hülflosigkeit, deS Elendes, des Todes, deS Nichts, trieb unS eine gehklmnißvolle Macht weiter, welter hinaus in diese Nacht, diesen Schnee, in dieses kalte, todtbringende Eisfeld Ta bemerkte ich zwei Gendarmen welcheeinen kleinen, sonderbar aussehen den Mann am Arme hielten alt, ohne Bart, von wirklich befremdendem Aussehen, sie suchten einen Offizier, da sie glaubten, einen Spion gefaßt zu haben. Tas Wort Spion" verbreitete sich wie 'ein Lauffeuer unter den Leuten und man umringte sofort den Gefangenen. Eine tlmme rief: Schießt ihn nieder!" Und diese Soldaten, welche vor 6r mattung beinahe umfielen, welche sich nur aufrecht halten konnten, indem sie sich auf ihre Gewehre stutzten, überkam plötzlich jene unbändige, bestialische Wuth, die, die Menge zum Gemetzel treibt. Ich wollte sprechen, ich war damals Bataillonschef. aber man hörte nich mehr auf den Vorgesetzten, -t man hätte mich selbst erschofien. Einer der Gendarmen sagte mir Schon seit drei Tagen folgt er uns, Er fragt Jedermann um Auskunft über die Artillerie." . J Ich versuchte dieses Wesen auszufra gen: Was macht Ihr? Was wollt Ihr? Warum folgt Ihr der Armee?" , Er stotterte einige Worte in einem unverständlichen PatoiS. ES war wirklich eine seltsame Erschei nung mit den geraden Schultern, tücki chen Augen, und so verwirrt, daß ich in der That selbst nicht mehr zweifelte, daß s ein Spion sei. Er schien sehr alt und chwächlich zu sein. Er konnte mir nicht gerade in die Augen sehen, zeigte eine untcrwurngeMlene. mit halb dummem. halb listigem Ausdruck. Die Leute um uns riefen: An die Mauer! An die Mauer!" Ich fragte die Gendarmen: Bürgen Sie für , den Gefangen nen , 7 Ich hatte noch nicht ausgesprochen, als ein fürchterlicher stoß miai niederwarf. und einen Augenblick später sah ich. wie die Wüthenden den Mann erfaßten, zu oven warfen, wie fie aus ihm herum traten, ihn auf dem Wege hin und her rrtcn und an einen Baum warfen. Mehr todt als lebendig fiel er in den Schnee. Und sofort wurde er erschossen. Die Soldaten feuerten, luden von Neuem und schössen wieder und wieder mit thierischer Wuth. Sie schlugen auf em ander los, um zuerst an die Reihe zu lommen, gingen um die eiche herum. wie man um einen Sarg geht, den man mit geheiligtem Wasser besprengt, und chosscn immer und immer wieder. Aber plötzlich ertönte der Ruf: Tie Preußen! Tie Preußen!" , Von allen Richtungen hörte ich das ungeheure Getöse einer vom Schrecken erfaßten Armee in wilder, verzweifelter Flucht. Die Furcht hatte auch die Schießenden gepackt und auch sie versuchten sich zu ret ten und verschwanden im Dunkel der Nacht. Ich allein blieb bei der Leiche und den zwei Gendarmen, die ihr Pflichtgefühl zurückhalten schien. Sie hoben dies zerschlagene, zerfetzte. blutende Stück Fleisch auf. Man niuß ihn untersuchen." befahl ich und gab ihnen eine Schachtel Streich Hölzer, die ich in dcrTasche hatte. Eincr der Soldaten leuchtete dem andern. Ich and zwischen Beiden. Ter Gendarm, der den Körper unter uchte, sagte: Bekleidet mu blauer Blouse, weißem Hemd. Hosen und Schuhen." Tas erste Stretchholz war erloschen. Man zündete ein zweites an. Ter Mann fuhr fort, indem er die Taschen ausleerte: ..Ein Messer, ein karrirtcs Taschen tuch. eine Tabaksdose. Bindfaden, ein Stück Brot." Tas zweite Streichholz erlosch. Man zündete das dritte an. Ter Gendarm, nachdem er lange die Kleider uutcrsucht halte, erklärte: .TaS ift Alles." .Zieht ihn aus." erwiderte ich. Wir finden vielleicht etwas am nackten Körper." Und damit beide Gendarmen zu glei cher Zeit Hand anlegen tonnten, keuch tett ich ihnen selbst. Ich sah im flackernden, rasch wieder erlöschenden Licht der Streichhölzer ein Kleidungsstück nach dem anderen aus ziehen und diese blutende, todte, aber noch warme Masse entblößen: Und plötzlich hörte ich Einen der Zwei stammeln: .Mein Gott, Major. es ist eine Frau!" Ich vermag Ihnen nicht zu beschrci den. welch unheimliches Gefühl mein Herz durchbohrte. Ich konnte es nicht glauben und kniete nieder in dem Schnee vor dieser formlosen Gestalt, um zu sehen eS war eine Frau! Tie zwei Gendarmen, ganz betroffen, warteten, daß ich etwas äußere. Aber ich wußte nicht, was zu sagen, was zu vermuthen. Ta sprach der Eine langsam: .Vielleicht suchte sie ihr Kind. daS bei der Artillerie diente, und von welchem sie keine Nachricht hatte." Und der Andere antwortete: Vielleicht ja schon möglich." Und ich. der ich gewiß schon entsed liche Tinge gesehen hatte ich weinte! Ur,d fühlte ange ichtS dieser Todten, in dieser eiskalten Nacht, in Mitten dieser öden, dunklen, endlosen Ebene, vor ' diesem Geheimniß, vor dieser ermorde ten Unbekannten die Bedeutung des' Wortes :.Grauenhaft". TaS ist, was uns neulich General G. erzählte. Die That eines Bernhardiner Hundes. Ansän Avril wütbete in maritim Gegenden Böhmens heftiges Schnee treiben. In einem solchen bat sich nun folgender Vorfall abaesvielt: Der Be. zirksarzt auf dem Hradschin zu Prag Tr. B. Blusilcek kaufte vor etwa eben Monaten einen reinblütigen jungen ernyarvlnervund. In der Nacht vom Freitag zum Samstag wüthete in Prag ein furchtbarer Schneesturm. -Der Hund, der zwar erst neun Monate alt. . aber ungewöhnlich groß und entwickelt ift. äußerte in den Abendstunden große Unruhe, und ie bektiaer der Sturm wüthete, desto größer wurde die Unruhe des Hundes, der sich nicht von der Thür rührte. Tr. Klufäcek glaubte, der öund warte auf den amIShnttthen Abendspaziergang, und ging daher mit ihm gegen öz Uhr Abends auf die Gasse. Kaum hatten sie die Thür chweue überschritten, so ri firf, her Hund los und lief sammt der Leine in oer, Aicvtung gegen das ehemalige Strahöwer Thor. Alles Rufen und Pfeifen blieb vergebens, der Sunh rnnr und blieb verschwunden. Herr Tr. Klusäcek konnte sich das Beginnen des onsl so folgsamen Thieres nicht erklü ren. In Begleitung dreier Personen begab er sich dann auf die Suche nach dem Hunde. Im dem sckrecklicken Schneesturm wateten sie mehr als eine Stunde lana durch die Sckrncemassen hinter dem Strahöwer Thore, kehrten dann aber ermüdet und obne Krkola zurück. Als sie zur neuen Landwehr kaserne kamen, vernahmen sie hinter sich Hundeaebell. und bald haraui zeigte sich auch der Bernhardiner, der auf Tr. Klusücek Zueilte, sieb aber wieder umwandte und heftig bellend in oer Richtung gegen den ehemaligen Militärfriedhof lief. Zeitweise blieb er stehen und- wartete, bis ibn ?v Klusäce! und dessen Begleiter einhol ' ren. scgiiefziich blieo der Lund bei treschowiti neben der Strake stkbn. vrana dort in die aan, ,ermiblt?n Schneewehen und bellte heftig. Als i. luiacek und dessen Begleiter zur Stelle kamen, bot kick ibn?n ! w, raschendeS Sckausviel. inmitten her Schneewehen lag ein Mensch halb der cyunei. er unglückliche wurde so ort auS seiner schrecklichen Laae hefreit UNd in das Nächste ras netmnen mn er von Klusücek nach halbstündiger Be muyung zum Belvubtsem gebracht wurde. In dem Manne wurde der Musikant B. Zelenka aus der PAartn erkannt, der. des Nachts aus Prag oeimicyrend, unterwegs von der Straße abgeirrt und in die tiefen Schneewehen gestürzt war. wo er sicherlich ,u rund. gegangen wäre, wenn ihn der Hund nicyi aufgefunden hätte. Fleischbeschau d,tT Wilden. Ein enalischcö Ebevaar unternimm in einer ercentriscken Laune in, Ris- nach dem Innern Afrika's. Sie ge rathen zu den Menschenfressern, werden gefangen, 'isolirt und scharf beobachtet. Ter Häuptling läkt kick tüalick 9Wit erstatten und erführt dabei merkwür. dige Tinge. Der schlichte Sinn deö Kannibalen empört sich bei der Mitthci lung. daß die Frau Abends ihre Zähne, ihre Haare fortlege und daß ihre ganze Erscheinung überhaupt auf Täuschung berechnet sei. .Am ackt,, der Häuptling die Fremden und eröff nct ihnen: Ihr wißt, daß Ihr dazu bestimmt ward, uns al Nakr ,.. dienen. Aber ich will Gnade iwf, lassen, Ihr sollt nicht aufaeoessen wr. den. Tu. Mann, bist hei nnh rnrtrtft wandern, wohin Du willst. Tie Frau nvcr oicivr vier und wird nach den sitcnacn Gcsckcir' niifr Pmitvs w, Nahrungsmittcl.Verfälfchuna bestraft werden."