Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 10, 1900, Image 9
itn Lurenweib. l haiskikibild o Zh V-1 1 1 fc. Viele Meilen nördlich von Pretoria lieat bis Zarm. meilensern auch von der nächsten kleinen Torflirchk. in dkr einst vor Dreißig Jahren dem Burgher sein Sib angetraut wurde, in der er vor . sechs Monaten ,um letzten viait mii Frau und Söhnen gemeinsam da heilige Abendmahl empnng. T.iti war vor dem Ausbruch in Feld. Vier von den Söhnen ritten mit dem Dater gegen den ffeind; nur der ' jüngste, der ttjähnge Pieter. blieb bei der Mutter dageim. In Trauerkleidung fitzt die Frau vor der Zhür ihre einfachen Wovngau,es - ii hn SAt htt niedriaen ffachwerk baue kräuseln blau auchmölkchen in die wunderbar klare Lust. Die Augen der Frau sind düsteren Blicke nach Westen gerichtet, wo der ronnoau in Kr den Bergen blutroth erglühend nie. versinkt. Tir Runkrau bat ibre Abendaw dacht beendet. Der Psalm Davids, der feit dem Auöbruch de Kriege thr lieb irt l,K,t ist. dessen Verse wiederklan gen. al Ohm Krüger im VolkSraad die Buren zum Kampfe aufrief, ver. firtsn nnf hrtn Livven. Sie bat Gott gepriesen al Schild und Wehr ihre Volke, al den starken Heiser, der die Feinde zu Schanden acht; sie hat Gott gedankt für den Siez, den er ihrem , Volke bisher verliehen. Die Klagen 7 über die schmerzenden Wunden, die der furchtbare Krieg schnell hinter einander ihrem eigenen Herzen gezogen, ver IA oli n in ihm Brun. Alls vier Söhne, die mit dem Vater durch die DrakenSberge na wann zogen, sind in den furchtbaren Kämpfen um den Besitz von Ladyfmith gefallen: nur ihren Mayn weiß sie noch am Leben. Sein letzter Brief meldete ihr. er sei im Begriff, mit seinem Kom mando dem bedrängten Cronje im Westen de Freistaat zu Hülfe zu eilen. Dort im Westen - sucht ihn jetzt ihre Seele. Ueber die weite grasbewachsene Hoch ebene, auf der die groben Heerden der Farm in der Hut ihrer schwarzen Hirten weiden, sprengt mit Windeseile ein Reiter. Von Farm zu Farm des ent legenen Distrikts trägt er die bittere Kunde von Cronje' Schicksal, von der Feinde stegreichem Vordringen trägt er den Befehl de Feldkornet zur Stel lung de letzten Aufgebot. . . . Außer der eigenen Büchse, die ihm auf dem Rücken ruht, hat er vor sich auf dem Pferde noch mehrere andere. Ernst und traurig find die wetterharten Züge ' des Mannes, die der breitkrämpige Filzhut beschattet. Die schweigenden Lippen sind zusammengepreßt, und jetzt sattet nch au lerne snrn,' als er in den Akazienbusch einlenkt, der sich in die Thalmulde mit dem FarmerhauS hin abzieht: unheilvolle Kunde hat er dort hinzubringen, wo eine Mutter schon vier ihrer Söhne betrauert. Ein paar Wildtauben, die im Laube der Bäume eben noch gegurrt, verftum men über dem Reiter und flattern mit ängstlichem Fluge davon. Es ist wie der ganz still. ES ist so still in dieser einsamen Welt und die Luft so rein, daß die träumende Frau vor dem Hause den Hufschlag de ReiterS ver nimmt, noch ehe fein Nahen ihr fichtbar wird. Ihr feines Gehör unterscheidet ge nau. daß eS keiner ihrer Leute, daß eS ein Fremder ist. der zu ihr kommt. Sie erhebt sich, mit der Hand die Augen be schattend. um den Nahenden besser zu sehen. WaS kann der Bote ihr bringen? Der Reiter ist wieder im offenen Ge lände. Die Frau erkennt jetzt feine Gestali. Ein Gefühl, als griffe ihr ine kalte Hand an die Kehle, macht sie erbeben. Derselbe Mann brachte ihr auS Pretoria die amtliche Nach -richt vom Tod ihres Aelteften im mör derischen Treffen bei - Elandslaagte. Doch sie überwindet den Schreck. Ruhig und gefaßt tritt sie dem Boten entge gen. der. bei ihr angelangt, vom Pferde springt, das er frei in seiner Mhe grasen läßt. Mit kurzen, stockenden Sätzen be ginnt er fich seines Auftrags zu ent. ledigen. Er spricht von der Hiobspost vom Modderftrom. von Cronje's Nie derlage. die das ganze Land in Trauer versetzthat. Er erzählt von Krüger'S und Steijn'S Friedensangebot und der "höhnischen Antwort Englands. Und nun muß sie heraus, die Antwort auf die fragenden, ungeduldigen Blicke der Frau: er hat ihr den Abschiedsgruß ihre ManneS zu bringen, den bei Ver theidigung der Höhen vor Bloemfontein ine platzende Lydditbombe dem Helden kämpfe entriß. Ihm krampst sich das Herz zusammen, als er der nun auch zur Wittwe Gewordenen daS Furcht bare mitgetheilt hat. ' Die Frau aber bewahrt ihre Ruhe. Nur in den Augen, in die große Thrä nen treten, die langsam niederrinnen, sann der Bote den tiefen Schmerz lesen, den seine Botschaft erregt hat. Und die thränenfeuchten Augen wendet die Trauernde der Stelle am fernen Hori zonte zu, wo vorhin die Sonne so blut roth unterging und da gleitet eS plötzlich wie der Schatten eines Lächelns über die starren Züge: dort auf dem nächsten Hügel, zwischen dem dunklen Euphorbiengefträuch, erscheint 'eine jugendlich schlanke Gestalt und ein lau ter Jubelruf durchschneidet gleichzeitig - Don dorther die Luft. Der- Smutagsgast. Jahrgang 2. .Euer Sohn?" fragt theilnehmend der Bote. .Unser Biet! Mein Einzig!" er widert sie. und ihr Geficht verfinstert fich wieder. .Ein strammer Bursch ! Den hat ge wiß sein Vater schon ftüh auf die Jagd mitgenommen. .Wohl, wohl!" sagte die Frau, wie ,u fich selbst. ' .Mit fünf Jahren that er den ersten Schuß in' Schwarze, mit sieben erlegte er den ersten Schakal. let kommt berangelprungen, die Büchse über der Schulter und schwingt einen Raubvogel hoch im Arm. Roch vor Sonnenuntergang hat er den Adler erlegt, der seine Schafe den ganzen Tag über bedrobte. Als er nayer komm:. winkt die Mutter ihm zur Mäßigung seines Schrittes und weift ernst auf den Fremden. Dieter ist an sein Pferd herangetrkl ten und löst eine der am Sattel fest gebundenen Gewehre loZ. Er reicht e der Frau: .Eure Manne Gewehr! Al er seinen Wunden erlag, deutete er auf die treue Waffe und murmelte: .Meinem Sohn!" Der Kommandant sandte eS mit den leichter Verwundeten nach Pretoria, damit man es Euch über bringe!" .Sein Gewehr!" Die Wittwe des Tapfern greift nach der Büchse und preßt sie an S Herz. Jetzt i der hoch ausge,chonene Knabe bei ihr angelangt, und in der Aufwallung ihre Gefühl ruft fie ihm zu : .Hier Piet. das Gewehr Deines VaterS! Er schickt eS Dir als letzten Gruß .... Im Kampfe für unsere Frei heit ist er gefallen!" - Der große Knabe laßt bin erlegten Raubvogel, den er so triumphirend her beigebracht, achtlos aus der Hand glei ten und faßt die Büchse deS VaterS, dies heilige Erbe, mit süßer Inbrunst. Die Traaik deS Verlustes, den er erlit ten, ersaßt sein kindliches Gemüth nicht; er beneidet den Vater und die Brüder um den ruhmvollen Tod, wie er sie be neidet hat,- als sie in's Feld aufbrachen und er zurückbleiben mußte. Aber er liebte den Vater von ganzer Seele! Er Niet nuder und hebt die Waffe vor nch empor, drückt die kindlichen Lippen in nig darauf und ruft: .Wie viele Feinde mag er getroffen haben, ehe fie ihn trafen! O, Gott lohn' eS Dir, Vater, im Himmel droben, daß Du so liebevoll an mich gedacht haft!" Dann pnngt er auf: Und letzt tret ich an eine Stelle!" Die Frau erbleicht. .DaS thust Du mir nicht an!" fagt fie langsam, jede Silbe qualvoll ihrer Stimme abrin gend. .Er wird wollt munen, rannt ivr der Bote deS FeldkometS leise im Tone deS Erbarmens zu. Ich habe noch eine Sendung!" Und wieder gelingt es dem geprut ten Weibe, ihre Selbstbeherrschung zu wahren. Piet, geh hinein." sagte sie mild, aber fest zu dem Knaben, der vor ihrem verzweiflungsvollen Auöruf ver ftummt war. Nimm Deine Jagdbeute mit und verwahre Dein Gewehr und daS Deines Vaters! Dann aber bringe gleich unserem Gast einen Trunk und einen Imbiß." Doch der unterbricht ne. Betten Dank, liebe Frau: ich bin mit allem zur Stärkung versehen! Hab' heute noch weit zu reiten bis zu Jan Burgers Farm!" So rüste für uns das Nachtmahl. Piet! Zuvor aber danke dem Herrn und wünsch' ihm glückliche Reise!" Piet gehorcht. Er drückt dem Frem den die Hand, in der vorhin VaterS Waffe geruht hat. und stammelt seinn Dank. .Auf Wiedersehen." schließt bedeu tungSvoll der Bote feine freundliche Antwort. Der Knabe geht mit den Büchsen und dem todten Adler in's Haus. Nun spricht der Bote: Der Landes feind ist in furchtbarer Ueberzahl in den Freistaat gedrungen! DaS Vaterland ruft ' jetzt alle Waffenfähigen zum großen VertbeidiaungSkampfe! Wer ein Gewehr noch halten und abschießen kann, soll sich nächsten Sonntag Mit tag auf dem großen Kirchplatz in Pretoria zum letzten Aufgebot stellen! Euer Sohn muß dem Rufe folgen. Er ist kräftig und tapfer! Erinnert Euch: Durch den kleinen David fällte Gott der Herr einst Goliath den Rie en!" Ueber da? bleiche Antlitz der Mutter fliegt ein ftolzer Schimmer. .Mutb. liebe Frau, und Gonver trauen!" führt der Mann mit freund licher Mahnung fort. ES war auch gewiß deS VaterS Meinung, als er dem überlebenden Sohn fein Gewehr als heiligstes Vermächtniß sandte. Und Ihr! We? solchen Gatten gehabt. wer ihm solche Söhne geschenkt hat, der weiß, der fühlt, was jetzt die Pflicht Beilage zum Nebraska Ttaats-Anzeiger. gebietet! Lebt' wohl! ES dunkelt schon. Gott mög' Euch Euren Piet er halten!" Er schwingt sich schnell auf'S Pferd. Dann ftiezt er mit ernst freundlichem Gruß über die Halde davon, weiter nach Norden. Tief in Gedanken steht die Frau, im innersten Wesen erschüttert. Sit sieht im Geiste den jungen Hirtensohn David. wie er da tödtliche Wurfgeschoß auf die Stirn de Riesen Goliath schleudert. und dieser David, der keine Furcht kennt, trägt die Züge ihre Piet. Aber da Bild wird verdrängt durch ein andere, em furchtbares, warnendes Sie sieht den sterbenden Gatten mit todtem Angesicht, der Körper ist furcht. bar verstümmelt. Wofür fiel er. wo für haben Piet' Brüder gekämpft? Doch, damit ihr Land, ihr von den Vätern schwer erkämpfter Besitz vor der Gier der Bedränger bewahrt bleibe Soll ihr Geschlecht auSfterben auf dem Boden, für deffen Freiheit solche Opfer gebracht wurden? Darf sie nun auch den letzten der Söhne bei seiner zarten Jugend in' Feld schicken? Darf fie auch die längste Kind dem grausamen Landesfeind opfern, dessen höllische Sprenggeschosse die Gefallenen nicht nur tödten. sondern zuvor zerfleischen? War die? wirklich der letzte Wille ihres Mannes? Wer ihr rathen könnte! Da füllt da Auge der Frau auf die Bibel, die fie vorhin bei Ankunft de Reiter auf.dem Tisch der offenen Vev anda niedergelegt hat. Die Bibel! Ja, Gotte Wort soll ihren GewissenSfragen die Antwort geben! Sie tntt mit feierlicher Bewegung an den Tisch, schlügt das große Buch auf, und während ihr Auge zum Hlm mel blickt, wo bereits das Licht der Sterne erwacht, gleitet der Zeigefinger der rechten Hand über die offenen Sei ten und hält an einer Stelle. Ein Orakel frommgläubiger Ein fält. Und nun fetzt sie sich wieder, wie fie vorhin faß, und lieft im Halbdunkel der hereinbrechenden südafrikanischen Nacht in dem Buche, das ihre Geistes dudung Hort und Quelle ist. Sie hat im zweiten Buch der Mak kabäer das siebente Kapitel aufgeschla gen, das da handelt vom Opfertode der sieben Brüder und dem hohen Muth ihrer Mutter. Und sie ließ die Mah. nung dieser tapferen Frau an ihre Söhne: Ich bin Eure Mutter und habe Euch geboren, aber den Odem und das Leben habe ich Euch nicht ge geben, noch Eure Gliedmaßen also ge macht! Darum so wird der, der die Welt und alle Menschen geschaffen hat, Euch den Odem und das Leben gnädig lich wiedergeben, die Ihr jetzt um sei neS Gesetzes willen wagt und fahren lasset!" Ihr Herz schlägt hoch. Doch ihr Auge lieft begierig weiter, als wäre der Text ihr ganz neu: fie liest, wie die Mutter jener Brüder, dem mächtigen Feind ihreS Volkes zum Hohn ihren Jüng ften ermähnte: Du mein liebes Kind. daS ich unter meinem Herzen getragen und mit großer Mühe auserzogen habe.... fürchte Dich nicht vor dem Henker, sondern stirb gern, wie Deine Brüder!" Immer straffer, immer energischer wird die Haltung der Burenftau, mäh rend sie die erschütternden Borgänge aus der Makkabüerzeit lieft. Und ein ftolzer Ausdruck verklärt ihr ernstes Antlitz, als sie am Schluß des Kapitels die kurze Angabe lieft, daß. wie ihre Söhne auch die Mutter gestorben fei für die Freiheit und den Glauben ihres Volkes. Dann 'erhebt sie fich. klaren Auges und klar sich bewußt, was sie zu thun hat in dieser Zeit schwerster Heim suchung ihres Landes und ihres Volkes. Festen Schrittes tritt sie auf die Schwelle ihres HauseS. und mit fester Stimme ruft sie: Piet!" Da kracht em Schuß. Gleich darauf ertönt das heisere Wuthgeheul eines zu Tode getroffenen Schakals durch die Stille. . .Piet!" ruft die Mutter aufs neue mit erhobener Stimme und tritt in die Wohnstube. Da kommt ihr der Sohn vom Fenster entgegengestürzt. Mutteer Mutter! Das war der erste Schuß von mir aus des VaterS Gewehr! Ein Schakal um chlich unsern Hühnerhof; ich fah sein gieriges Auge, mit grünlichem Glänze aufblitzen. Da erprobte ich das Ge wehr und traf auf den Kopf den Halunken." Doch die Mutter erwidert ihm feier lich: Gott hat Dir höhere Aufgaben gestellt, mein Kind, als der Vater Dir im Sterben diese Waffe sandte! Du hattest vorhin ganz Recht." Dann zieht sie den Knaben mit weihevoller Innigkeit an ihre Brust und küßt ihm i die Stirn. .Mein David!" flüstert sie leise. .Mutter, ich darf ins Feld?" ruft aufjauchzend der Knabe, sich stürmisch der Umarmung entziehend. Es ist Deine Pflicht, mein Sohn! Ziehe hin mit Deine? Vaters Gewehr! Und ich ziehe mit Dir gegen den Feind. Du giebst mir die Büchse, mit der Du heute den Adler erlegtest!" Die Nomaden. Humoreske au! dkm Ungarischen von Arthur Richter. Die biederen Einwohner der weit und breit berühmten Gemeinde Balint schwärmten für den vom Erzherzog Jo seph mit Hingabe verfolgten Plan, die in Ungarn noch vielfach dem Nomaden leben ergebenen Zigeuner zu koloni firen". d. h. sie seßhaft zu machen, DaS ganze Dorf strömte an einem Sonntag Nachmittag zusammen, hielt großen Rath, und beschloß, etwas zu dielen humanen Werke beizutragen. und wenigstens einer Zigeunerfamilie Gelegenheit zu einem geregelten, der modernen Civilisation entsprechenden Da em zu bieten. Am Dorfende stand seit Jahren ein immer noch stattliches Wohnhaus, leer und verlassen. Kein Bettler tnoiie tl beziehen; die Leute glaubten, die (i&o lera wohne darin, seitdem diese schreck liche Krankheit sämmtliche Eigenthümer und Erbberechtigten blS aufS letzte Glied ausgerottet hatte. Nun, klügelte der weise Valinter Ge meinderath, den Zigeunern wird dieses HauS schon recht sein, diefind nicht so empfindlich. Der Notar deS Dorfes meinte übev dieS, der Kolonisationsgedanke würde der Gemeinde viel Ruhm und Ehre bringen. Die Sache käme möglicher weise in die Zeitungen, die Welt würde auf diesem Wege erfahren, wie eifrig die Gemeinde Valint an der Verwirk. lidjung dieser Ideen arbeite, ja, dem Erzherzog selbst käme eS zu Ohren, und eS fei nicht ausgeschlossen, daß er dann seiner Anerkennung durch ein Geschenk vielleicht in Form einer Feuerspritze für die spritzenlose Gemeinde Aus druck verleihen würde. Die Feuerspritze fand allgemeinen Beifall. Die Valinter blickten sehn süchtig nach den braunen Nomaden auS, um das Kolonisationswerk begin nen zu können. Der Wunsch fand bald Erfüllung. Nach kaum vier Tagen erschien eine wohl auS fünfunddreißig Köpfen be stehende Zigeunerkarawane, mit Kind und Kegel, Wagen und Zelten. Kaum da die braune Schaar auf der Gemeindewiefe diesmal ohne je den Einspruch seitens der Behörden die Zelte aufgeschlagen hatte, zog der Gemelnberath ValintS, mit dem Orts Vorsteher an der Spitze, hinaus und ließ vor dem Zelte deS Zigeuner-Woiwoden die Trommel rühren. Selbst die erfahrensten Veteranen der Bande vergingen schier vor Neugier, was diese feierliche Ceremonie zu bedeu ten hätte. Der Ortsnchter erklärte dann in schön gesetzter Rede, die Gemeinde Va lint wünsche, eine anständige, ehrliche Zigeunerfamilie zu kolonifiren" und sei entschlossen, zu diesem Zwecke daS am Ende des Dorfes stehende Saus sammt angrenzendem Grundstück völlig kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die betreffende Zigeumrfamilie müsse sich lediglich verpflichtn, dem Nomaden leben zu entsagen und fortan ein civili sirtes, feßhafteS Dasein zu führen. Die Zigeuner sahen sich gegenielttg erstaunt an. Dann hielten sie großen Rath, natürlich in ihrem Uridiom. daS Niemand verstand. Nach einer Weile trat der alte Woi wode vor und begann die Unterhand lung mit den Vätern ValintS. Wir danken recht schön für den gütigen Willen," sprach der Alte, und stützte sich schwer auf daS dicke, filber beschlagene Abzeichen seiner Würde , aber die Sache hat doch viel Bedenk licheS." Und das wäre?" Also erstens: WaS zahlt die Ge meinde?" .Die Gemeinde bezahlt die Arbeit. die geleistet wird." Die wird anderwärts auch nicht um onft gefordert. Ist eS denn nicht genug, daß wir Euch ein schönes HauS und ein großes Grundnua tchenken?" HauS ist HauS, ganz recht; davon ann der Mensch aber nicht leben. Sind denn im Hause auch Möbel?" Die Gemeinderäthe blickten fich ver egen an. Richtig, daran hatte Nie mand gedacht. WaS wird die Welt agen. wenn eS bekannt wird, daß Va lint die Zigeuner in einem unmöblir ten Hause" civilifiren will. Ns. 51. Nach kurzem Wortwechsel wurde be schloffen, auf Kosten der Gemeinde einiae alte Möbelstücke anzuschalten. Die Einrichtungsfrage machte aber mehr Schmierigkeiten, als man ver muthet hatte. Der Woiwode forderte nämlich fünfunddreißig Betten und fünkunddreikia Stüble. denn, so be hauptete er. die Familie bestehe auS fünfunddreißig Mitgliedern und die aan Karawane bilde eine Kamilie. Schließlich einigte man fich doch da hin, daß tn dem Hause nur ein Ehe paar wohnen solle mit seinen Kindern. Da erwählte Ehepaar war Balaton Feri und Kekere Maria. Feri, ein schöner, vollbärtiger, kräftiger Mann. Maria, ein schwarzäugiges Zigeuner weib, das sogar vom Spinnen etwas verstand, aber auch auf dem Rücken eines Pferdes Bescheid wukte. Drei kleine Zigeunerkinder vervollständigten den engeren Kreis der Familie . UebrigenS konnte daS Paar sogar einen behördlichen Trauschein vorzeigen und wurde daher einstimmig als würdig befunden, von der Gemeinde Valint kolonlnrt" zu werden. Nun ergriff der AuSerwäblte Fer das Wort. Auch er hatte spezielle Wünsche. Vor allem brauche ich ein Pferd, svrack er in KeKimmt,m tnnr. Die Gemeinderäthe waren fichtlich betroffen. DaS ist natürlich." erklärte Feri. irgend eine Beschäftigung muß ich doch wählen, wenn ich hier bleibe." . Welche Beschäftigung soll Dir denn das Pterd ermöglichen?" Ich will Pferdehandel treiben," er widerte der ?Ziaeuner. Der Rath fcknd gegen den Pferde Handel nichts einzuwenden, und man beschloß, dem Zigeuner ein Pferd zu leiyen. Denen Preis er in Raten zu rückerstatten müsse. Der Ortsrichter wurde ausersehen, dem Feri emen Gaul feines Stalles zur Verfügung zu stellen. Noch am selben Tag begann die Ein richtuna des HauseS. Das Ebevaar gefiel den Dorfbewohnern. Man lieh ihnen nicht nur das verlangte Pferd, sondern auch. Schweine, Gänse, Hüh ner, HauSgeräthe, Brennholz und sonst noch alles in Hülle und Fülle, was nur eine anständig kolonisirte Zigeuner familie für die erste 5Zeit ibrer Civili. fation gut gebrauchen kann. Die Sache ging überhaupt sehr ord nungSmäßig vor sich. Der neue Bür ger leistete vor dem versammelten Ge meinderatbe den feierlichsten Eid. da er die Gesetze deS Dorfes respektiren und als ehrlicher Bürger leben volle. Die Zigeuner weinten vor Rührung. Auch der Ortsrichter vergoß einige Thränen. Der Notar nickte dem Balaton Feri freundschaftlichst die bei den Hände. Der im Urzustand verbliebene Rest der Ziaeunerkarawane strick Kar dem Hause deS .Kolonifirten" und im Dorfe yerum. So viel Dlebftähle an Geflügel und Wäschestücken kamen in Valint in zehn Jahren nickt vor. wie an diesem einen Taae. Schließlich, als dem Herrn Notar oer Tavaisveutel aus der eigenen Tasche entwendet wurde, bekam man die Wirthschaft satt, und der Ortsrich ter liefe vor dem Aiaeunerbaus den 9V fehl publiziren, daß die Karawane aiint innerhalb zwölf Stunden zu verlassen lj.be, bei sonstiger Zwangs verjagung. Um die Mitternacktsieit backte , mächtig am Fenster deS Ortsrichters. Wer ist'S?" frug der Gestrenge, in dem er fich von seinem Lauer erbnken hatte. Ich bm's. Feri, der Zigeuner." Was willst Du mein Sohn?" Meine Sippschaft ist abgezogen." .So ist's recht. DaS war i'a uns?? Wunsch. .Aber es ist nickt reckt, anttdia? Herr, einer von ihnen hat mein Pferd mitgenommen." WaS! Den Falben! Da foll doch gleich...." Der Ortsrichter war in furchtbarer Wuth und geberdcte sich auf wahrhaft schrecklicher Weife. .Keine Sorae. anädiaer fSr ripf Feri, keinen unnutzen Äerger, ich weiß guten Rath. Geben Sie mir rasch ein anderes Pferd, ich kenne den Weg, den die Diebskerle aezoaen. in einer Ktunk, holte ich fie ein, und in zwei Stun oen neyl Jyr Gaul wieder in meinem Stalle." .Sebr aut. ZVeri! ?ck fofi 5i, fcist ein findiger, brauchbarer Kerl!" Der Richter beeilte sich, seinen Stall zu öffnen. .Hier, fferi nimm den Sckimm?t einen solchen Renner giebt es im gan zen omliaie nicyr, er rennt mit der Eisenbahn um die Wette. Nicht um tausend Gulden aäbe ick ibn b?r. Nun rasch, mach', daß Du fortkommst, und hole mir die Galgenvögel ein. Da foll morgen einen Tanz geben. Aufknüpfen lasse ich den Dieb." Feri schwang fich auf den Rücken de sich stolz bäumenden Schimmel und war bald zum Thor hinauSgaloppirt. Auf der Straße hielt er nochmals an drehte sich im Sattel um und rief zu rück: .Herr Richter.' he. Herr Richter!" ' .Na. was denn noch Feri?" .Wa ich sagen wollte.... Wissen Sie auch, wer auf Ihrem Falben da vongeritten ift?" Nun, wer denn?" .Mein Weid, die Maria!" Der Richter wäre beinahe vor Schreck umgesunken. Blitzartig kam ei ihm zum Bewußtsein, in welche Falle er ge rathen. Feri aber gab dem Schimmel die Sporen, und von Roß und Reiter war bald keine Spur mehr zu entdecken. Aber auch da Hau am Torfende barg keinen Zigeuner mehr, keine Möbel, keine Geräthe alle hatten fie mitge schleppt, die braunen Söhne der Steppe, al fie. ihrem inneren Dränge folgend, wieder auf die Wanderschaft zogen, nicht achtend Wind und Wetter, ruhe loS. ziellos von Ort zu Ort Da Cholerahau in Valint steht immer noch verlassen da. DaS Dach ift morsch, die Wände ftürzen ein. und nur Fledermäuse wohnen in den Ritzen.... Wohl hat die Gemeinde Valint noch immer keine Feuerspritze, aber die Idee der ZigeunerKolonisa tion haben feine Bewohner definitiv aufgegeben. W htiratdet man m eiste? ES ift daS eine für die Frauenwelt sicher auf das höchste intereffirende Frage, auf welche das vierte Viertel jahresheft zur Statistik des Deutschen Reichs für Deutschland wenigstens. Antwort giebt. ES finden fich dort Daten über die HeirathShäufigkeit in den Jahren 1894 bis 189. nachgewie fen nach kleineren Verwaltungsbezirken auS denen wir ersehen, daß Berlin mit Bezug auf die HeirathShäufigkeit unter den vielen aufgeführten Orten au ganz Deutschland den dritten Platz ein nimmt. ES kamen nämlich auf 1000 Einwohner in Berlin im Durchschnitt der Iah 189496 10.47 be schließungkn. Uebertrumpft wird die Hauptstadt des Deutschen Reichs von Nürnberg und Delmenhorst in Olden bürg mit 16.34 bezw. 10.79 Ehen aus 1000 Einwohner 189496. sodak Nürnberg den Ruhm für sich in An spruch nehmen darf, die meisten Ehe schließungen zu haben. Wenn man er wögt, daß im Reichsdurchfchnitt auf 1000 Einwohner 1894-96 3 Ehe schließungen kommen, so wird man die Thatfache umsomehr würdigen, daß gerade in den Großstädten am häufig ften Eben einaeaanaen werden. K kommen auf 1000 Einwohner 1894 , im) an Ehen tn Frankfurt a. M Stadt 10.19 und Land 10.21. in München 10.15. in Ludwigshafen 10.35. in Mannheim 10,22. in Altona 10.71. in Heidelberg 10.16. in Offen bach 10.19. in Höchst 10.16. sodann in Süderdithmarschen 10.43. Wo aber ist die HeirathShäufigkeit am geringsten? In Schleiden in der Rheinprovinz, auf ivw mmoyner kamen vier nur 5.11 Eheschließungen. Ueberhaupt gibt e recht viele Orte in der Rheinprovinz lEifelaebiet) und in Badern mit nie drigerer Heirathsziffer als 6. das find 'S. VYttfir ilVotSMTfA intH VVVIV4; VV14fcU-JUllllW Was ud wie wer raucht. Was und wie Einer raucht, kann. wie der bekannte Kriminalist Professor Hans Groß in Gränz im Archiv für Kriminalanthropologie" in sehr interes sanier Weise erörtert, kriminalistisch von hoher Bedeutung sein. Abgesehen davon, da ein am Thatorte eines Ver brechens weggeworfener Cigarrenftum mel durch die Qualität der Cigarre einen Schluß gestattet, ob der Thäter zu den gut. oder minder gut gestellten . Klassen gehört, giebt auch die Art, wie die Spitze beseitigt wurde, einen guten Fingerzeig. Ist dieselbe mit einem besonderen Instrument keilförmig her ausgezwickt, so wird man bei dem Thäter dieses Instrument vermuth lich finden. War die Spitze schärfer oder , minder scharf abgebissen, so hat der Thäter mehr oder minder gut erhaltene Schneidezähne; war fie mit den Fingernägeln abgekneipt, so bestätigt dieser Umstand allein die An nähme, daß der Thäter lange Finger, nägel, aber keine guten Vorderzähne besitzt. Ferner zeigt der Cigarrenftum mel, ob der Betreffende die Gewohnheit hat, ohne Spitze zu rauchen. Dann ift er häufig genug so zerkaut, daß ange nommen werden kann, daß der Raucher gelbe Vorderzähne hat. Benutzte er eine Papierfpitze, so wurde fie vielleicht zurückgelassen, und durch fie ist unter Umständen der Verkäufer, oder gar der Käufer zu entdecken. Gleichgiltig ift es auch nicht, ob der Thäter häufig Asche abstreifte, weil daraus auf die Länge der Anwesenheit geschlossen werden ann. Sehr häufige? Abstreifen der Asche deutet daneben auch auf Nervofi tät. Nicht zu vergessen find auch die benutzten und weggeworfenen Zünd Hölzchen, ihre Beschaffenheit spricht von den Finanzen deS Thäters, vielleicht auch vom Verkäufer, ihre Zahl von der Länge deS Aufenthalts. Kurz, der weggeworfene Cigarrenftummel, und waS mit demselben in Verbindung steht, kann unter Umständen wichtige Andeutungen geben, vielleicht sogar ein gutes Stück von der Personalbeschrei bung des Thäters liefern.