Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 10, 1900, Image 9

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    itn Lurenweib.
l haiskikibild o Zh V-1 1 1 fc.
Viele Meilen nördlich von Pretoria
lieat bis Zarm. meilensern auch von der
nächsten kleinen Torflirchk. in dkr einst
vor Dreißig Jahren dem Burgher sein
Sib angetraut wurde, in der er vor
. sechs Monaten ,um letzten viait mii
Frau und Söhnen gemeinsam da
heilige Abendmahl empnng.
T.iti war vor dem Ausbruch in
Feld. Vier von den Söhnen ritten mit
dem Dater gegen den ffeind; nur der
' jüngste, der ttjähnge Pieter. blieb bei
der Mutter dageim.
In Trauerkleidung fitzt die Frau vor
der Zhür ihre einfachen Wovngau,es
- ii hn SAt htt niedriaen ffachwerk
baue kräuseln blau auchmölkchen in
die wunderbar klare Lust. Die Augen
der Frau sind düsteren Blicke nach
Westen gerichtet, wo der ronnoau in
Kr den Bergen blutroth erglühend nie.
versinkt.
Tir Runkrau bat ibre Abendaw
dacht beendet. Der Psalm Davids, der
feit dem Auöbruch de Kriege thr lieb
irt l,K,t ist. dessen Verse wiederklan
gen. al Ohm Krüger im VolkSraad
die Buren zum Kampfe aufrief, ver.
firtsn nnf hrtn Livven. Sie bat Gott
gepriesen al Schild und Wehr ihre
Volke, al den starken Heiser, der die
Feinde zu Schanden acht; sie hat Gott
gedankt für den Siez, den er ihrem
, Volke bisher verliehen. Die Klagen
7 über die schmerzenden Wunden, die der
furchtbare Krieg schnell hinter einander
ihrem eigenen Herzen gezogen, ver
IA oli n in ihm Brun.
Alls vier Söhne, die mit dem Vater
durch die DrakenSberge na wann
zogen, sind in den furchtbaren Kämpfen
um den Besitz von Ladyfmith gefallen:
nur ihren Mayn weiß sie noch am
Leben. Sein letzter Brief meldete ihr.
er sei im Begriff, mit seinem Kom
mando dem bedrängten Cronje im
Westen de Freistaat zu Hülfe zu eilen.
Dort im Westen - sucht ihn jetzt ihre
Seele.
Ueber die weite grasbewachsene Hoch
ebene, auf der die groben Heerden der
Farm in der Hut ihrer schwarzen Hirten
weiden, sprengt mit Windeseile ein
Reiter. Von Farm zu Farm des ent
legenen Distrikts trägt er die bittere
Kunde von Cronje' Schicksal, von der
Feinde stegreichem Vordringen trägt er
den Befehl de Feldkornet zur Stel
lung de letzten Aufgebot. . . . Außer
der eigenen Büchse, die ihm auf dem
Rücken ruht, hat er vor sich auf dem
Pferde noch mehrere andere. Ernst
und traurig find die wetterharten Züge
' des Mannes, die der breitkrämpige
Filzhut beschattet. Die schweigenden
Lippen sind zusammengepreßt, und jetzt
sattet nch au lerne snrn,' als er in
den Akazienbusch einlenkt, der sich in die
Thalmulde mit dem FarmerhauS hin
abzieht: unheilvolle Kunde hat er dort
hinzubringen, wo eine Mutter schon
vier ihrer Söhne betrauert.
Ein paar Wildtauben, die im Laube
der Bäume eben noch gegurrt, verftum
men über dem Reiter und flattern mit
ängstlichem Fluge davon. Es ist wie
der ganz still. ES ist so still in dieser
einsamen Welt und die Luft so rein,
daß die träumende Frau vor dem
Hause den Hufschlag de ReiterS ver
nimmt, noch ehe fein Nahen ihr fichtbar
wird.
Ihr feines Gehör unterscheidet ge
nau. daß eS keiner ihrer Leute, daß eS
ein Fremder ist. der zu ihr kommt. Sie
erhebt sich, mit der Hand die Augen be
schattend. um den Nahenden besser zu
sehen.
WaS kann der Bote ihr bringen?
Der Reiter ist wieder im offenen Ge
lände. Die Frau erkennt jetzt feine
Gestali. Ein Gefühl, als griffe ihr
ine kalte Hand an die Kehle, macht
sie erbeben. Derselbe Mann brachte
ihr auS Pretoria die amtliche Nach
-richt vom Tod ihres Aelteften im mör
derischen Treffen bei - Elandslaagte.
Doch sie überwindet den Schreck. Ruhig
und gefaßt tritt sie dem Boten entge
gen. der. bei ihr angelangt, vom
Pferde springt, das er frei in seiner
Mhe grasen läßt.
Mit kurzen, stockenden Sätzen be
ginnt er fich seines Auftrags zu ent.
ledigen. Er spricht von der Hiobspost
vom Modderftrom. von Cronje's Nie
derlage. die das ganze Land in Trauer
versetzthat. Er erzählt von Krüger'S
und Steijn'S Friedensangebot und der
"höhnischen Antwort Englands. Und
nun muß sie heraus, die Antwort auf
die fragenden, ungeduldigen Blicke der
Frau: er hat ihr den Abschiedsgruß
ihre ManneS zu bringen, den bei Ver
theidigung der Höhen vor Bloemfontein
ine platzende Lydditbombe dem Helden
kämpfe entriß. Ihm krampst sich das
Herz zusammen, als er der nun auch
zur Wittwe Gewordenen daS Furcht
bare mitgetheilt hat.
' Die Frau aber bewahrt ihre Ruhe.
Nur in den Augen, in die große Thrä
nen treten, die langsam niederrinnen,
sann der Bote den tiefen Schmerz lesen,
den seine Botschaft erregt hat. Und
die thränenfeuchten Augen wendet die
Trauernde der Stelle am fernen Hori
zonte zu, wo vorhin die Sonne so blut
roth unterging und da gleitet eS
plötzlich wie der Schatten eines Lächelns
über die starren Züge: dort auf dem
nächsten Hügel, zwischen dem dunklen
Euphorbiengefträuch, erscheint 'eine
jugendlich schlanke Gestalt und ein lau
ter Jubelruf durchschneidet gleichzeitig
- Don dorther die Luft.
Der- Smutagsgast.
Jahrgang 2.
.Euer Sohn?" fragt theilnehmend
der Bote.
.Unser Biet! Mein Einzig!" er
widert sie. und ihr Geficht verfinstert
fich wieder.
.Ein strammer Bursch ! Den hat ge
wiß sein Vater schon ftüh auf die Jagd
mitgenommen.
.Wohl, wohl!" sagte die Frau, wie
,u fich selbst. ' .Mit fünf Jahren that
er den ersten Schuß in' Schwarze, mit
sieben erlegte er den ersten Schakal.
let kommt berangelprungen, die
Büchse über der Schulter und schwingt
einen Raubvogel hoch im Arm. Roch
vor Sonnenuntergang hat er den Adler
erlegt, der seine Schafe den ganzen Tag
über bedrobte. Als er nayer komm:.
winkt die Mutter ihm zur Mäßigung
seines Schrittes und weift ernst auf den
Fremden.
Dieter ist an sein Pferd herangetrkl
ten und löst eine der am Sattel fest
gebundenen Gewehre loZ. Er reicht e
der Frau: .Eure Manne Gewehr!
Al er seinen Wunden erlag, deutete er
auf die treue Waffe und murmelte:
.Meinem Sohn!" Der Kommandant
sandte eS mit den leichter Verwundeten
nach Pretoria, damit man es Euch über
bringe!"
.Sein Gewehr!" Die Wittwe des
Tapfern greift nach der Büchse und
preßt sie an S Herz.
Jetzt i der hoch ausge,chonene
Knabe bei ihr angelangt, und in der
Aufwallung ihre Gefühl ruft fie ihm
zu :
.Hier Piet. das Gewehr Deines
VaterS! Er schickt eS Dir als letzten
Gruß .... Im Kampfe für unsere Frei
heit ist er gefallen!" -
Der große Knabe laßt bin erlegten
Raubvogel, den er so triumphirend her
beigebracht, achtlos aus der Hand glei
ten und faßt die Büchse deS VaterS,
dies heilige Erbe, mit süßer Inbrunst.
Die Traaik deS Verlustes, den er erlit
ten, ersaßt sein kindliches Gemüth nicht;
er beneidet den Vater und die Brüder
um den ruhmvollen Tod, wie er sie be
neidet hat,- als sie in's Feld aufbrachen
und er zurückbleiben mußte. Aber er
liebte den Vater von ganzer Seele! Er
Niet nuder und hebt die Waffe vor nch
empor, drückt die kindlichen Lippen in
nig darauf und ruft: .Wie viele
Feinde mag er getroffen haben, ehe fie
ihn trafen! O, Gott lohn' eS Dir,
Vater, im Himmel droben, daß Du so
liebevoll an mich gedacht haft!" Dann
pnngt er auf: Und letzt tret ich an
eine Stelle!"
Die Frau erbleicht. .DaS thust Du
mir nicht an!" fagt fie langsam, jede
Silbe qualvoll ihrer Stimme abrin
gend.
.Er wird wollt munen, rannt ivr
der Bote deS FeldkometS leise im Tone
deS Erbarmens zu. Ich habe noch eine
Sendung!"
Und wieder gelingt es dem geprut
ten Weibe, ihre Selbstbeherrschung zu
wahren. Piet, geh hinein." sagte sie
mild, aber fest zu dem Knaben, der vor
ihrem verzweiflungsvollen Auöruf ver
ftummt war. Nimm Deine Jagdbeute
mit und verwahre Dein Gewehr und
daS Deines Vaters! Dann aber bringe
gleich unserem Gast einen Trunk und
einen Imbiß."
Doch der unterbricht ne. Betten
Dank, liebe Frau: ich bin mit allem
zur Stärkung versehen! Hab' heute noch
weit zu reiten bis zu Jan Burgers
Farm!"
So rüste für uns das Nachtmahl.
Piet! Zuvor aber danke dem Herrn und
wünsch' ihm glückliche Reise!"
Piet gehorcht. Er drückt dem Frem
den die Hand, in der vorhin VaterS
Waffe geruht hat. und stammelt seinn
Dank.
.Auf Wiedersehen." schließt bedeu
tungSvoll der Bote feine freundliche
Antwort.
Der Knabe geht mit den Büchsen und
dem todten Adler in's Haus.
Nun spricht der Bote: Der Landes
feind ist in furchtbarer Ueberzahl in den
Freistaat gedrungen! DaS Vaterland
ruft ' jetzt alle Waffenfähigen zum
großen VertbeidiaungSkampfe! Wer
ein Gewehr noch halten und abschießen
kann, soll sich nächsten Sonntag Mit
tag auf dem großen Kirchplatz in
Pretoria zum letzten Aufgebot stellen!
Euer Sohn muß dem Rufe folgen.
Er ist kräftig und tapfer! Erinnert
Euch: Durch den kleinen David fällte
Gott der Herr einst Goliath den Rie
en!"
Ueber da? bleiche Antlitz der Mutter
fliegt ein ftolzer Schimmer.
.Mutb. liebe Frau, und Gonver
trauen!" führt der Mann mit freund
licher Mahnung fort. ES war auch
gewiß deS VaterS Meinung, als er
dem überlebenden Sohn fein Gewehr
als heiligstes Vermächtniß sandte.
Und Ihr! We? solchen Gatten gehabt.
wer ihm solche Söhne geschenkt hat,
der weiß, der fühlt, was jetzt die Pflicht
Beilage zum Nebraska Ttaats-Anzeiger.
gebietet! Lebt' wohl! ES dunkelt
schon. Gott mög' Euch Euren Piet er
halten!"
Er schwingt sich schnell auf'S Pferd.
Dann ftiezt er mit ernst freundlichem
Gruß über die Halde davon, weiter nach
Norden.
Tief in Gedanken steht die Frau, im
innersten Wesen erschüttert. Sit sieht
im Geiste den jungen Hirtensohn David.
wie er da tödtliche Wurfgeschoß auf
die Stirn de Riesen Goliath schleudert.
und dieser David, der keine Furcht
kennt, trägt die Züge ihre Piet. Aber
da Bild wird verdrängt durch ein
andere, em furchtbares, warnendes
Sie sieht den sterbenden Gatten mit
todtem Angesicht, der Körper ist furcht.
bar verstümmelt. Wofür fiel er. wo
für haben Piet' Brüder gekämpft?
Doch, damit ihr Land, ihr von den
Vätern schwer erkämpfter Besitz vor der
Gier der Bedränger bewahrt bleibe
Soll ihr Geschlecht auSfterben auf dem
Boden, für deffen Freiheit solche Opfer
gebracht wurden? Darf sie nun auch
den letzten der Söhne bei seiner zarten
Jugend in' Feld schicken? Darf fie
auch die längste Kind dem grausamen
Landesfeind opfern, dessen höllische
Sprenggeschosse die Gefallenen nicht
nur tödten. sondern zuvor zerfleischen?
War die? wirklich der letzte Wille ihres
Mannes?
Wer ihr rathen könnte!
Da füllt da Auge der Frau auf die
Bibel, die fie vorhin bei Ankunft de
Reiter auf.dem Tisch der offenen Vev
anda niedergelegt hat.
Die Bibel! Ja, Gotte Wort soll
ihren GewissenSfragen die Antwort
geben!
Sie tntt mit feierlicher Bewegung
an den Tisch, schlügt das große Buch
auf, und während ihr Auge zum Hlm
mel blickt, wo bereits das Licht der
Sterne erwacht, gleitet der Zeigefinger
der rechten Hand über die offenen Sei
ten und hält an einer Stelle.
Ein Orakel frommgläubiger Ein
fält.
Und nun fetzt sie sich wieder, wie fie
vorhin faß, und lieft im Halbdunkel
der hereinbrechenden südafrikanischen
Nacht in dem Buche, das ihre Geistes
dudung Hort und Quelle ist.
Sie hat im zweiten Buch der Mak
kabäer das siebente Kapitel aufgeschla
gen, das da handelt vom Opfertode
der sieben Brüder und dem hohen Muth
ihrer Mutter. Und sie ließ die Mah.
nung dieser tapferen Frau an ihre
Söhne: Ich bin Eure Mutter und
habe Euch geboren, aber den Odem
und das Leben habe ich Euch nicht ge
geben, noch Eure Gliedmaßen also ge
macht! Darum so wird der, der die
Welt und alle Menschen geschaffen hat,
Euch den Odem und das Leben gnädig
lich wiedergeben, die Ihr jetzt um sei
neS Gesetzes willen wagt und fahren
lasset!"
Ihr Herz schlägt hoch. Doch ihr Auge
lieft begierig weiter, als wäre der Text
ihr ganz neu: fie liest, wie die Mutter
jener Brüder, dem mächtigen Feind
ihreS Volkes zum Hohn ihren Jüng
ften ermähnte: Du mein liebes Kind.
daS ich unter meinem Herzen getragen
und mit großer Mühe auserzogen
habe.... fürchte Dich nicht vor dem
Henker, sondern stirb gern, wie Deine
Brüder!"
Immer straffer, immer energischer
wird die Haltung der Burenftau, mäh
rend sie die erschütternden Borgänge
aus der Makkabüerzeit lieft. Und ein
ftolzer Ausdruck verklärt ihr ernstes
Antlitz, als sie am Schluß des Kapitels
die kurze Angabe lieft, daß. wie ihre
Söhne auch die Mutter gestorben fei
für die Freiheit und den Glauben ihres
Volkes.
Dann 'erhebt sie fich. klaren Auges
und klar sich bewußt, was sie zu thun
hat in dieser Zeit schwerster Heim
suchung ihres Landes und ihres Volkes.
Festen Schrittes tritt sie auf die
Schwelle ihres HauseS. und mit fester
Stimme ruft sie: Piet!"
Da kracht em Schuß.
Gleich darauf ertönt das heisere
Wuthgeheul eines zu Tode getroffenen
Schakals durch die Stille. .
.Piet!" ruft die Mutter aufs neue
mit erhobener Stimme und tritt in die
Wohnstube.
Da kommt ihr der Sohn vom Fenster
entgegengestürzt. Mutteer Mutter!
Das war der erste Schuß von mir aus
des VaterS Gewehr! Ein Schakal um
chlich unsern Hühnerhof; ich fah sein
gieriges Auge, mit grünlichem Glänze
aufblitzen. Da erprobte ich das Ge
wehr und traf auf den Kopf den
Halunken."
Doch die Mutter erwidert ihm feier
lich: Gott hat Dir höhere Aufgaben
gestellt, mein Kind, als der Vater Dir
im Sterben diese Waffe sandte! Du
hattest vorhin ganz Recht." Dann
zieht sie den Knaben mit weihevoller
Innigkeit an ihre Brust und küßt ihm i
die Stirn. .Mein David!" flüstert sie
leise.
.Mutter, ich darf ins Feld?" ruft
aufjauchzend der Knabe, sich stürmisch
der Umarmung entziehend.
Es ist Deine Pflicht, mein Sohn!
Ziehe hin mit Deine? Vaters Gewehr!
Und ich ziehe mit Dir gegen den Feind.
Du giebst mir die Büchse, mit der Du
heute den Adler erlegtest!"
Die Nomaden.
Humoreske au! dkm Ungarischen von
Arthur Richter.
Die biederen Einwohner der weit und
breit berühmten Gemeinde Balint
schwärmten für den vom Erzherzog Jo
seph mit Hingabe verfolgten Plan, die
in Ungarn noch vielfach dem Nomaden
leben ergebenen Zigeuner zu koloni
firen". d. h. sie seßhaft zu machen,
DaS ganze Dorf strömte an einem
Sonntag Nachmittag zusammen, hielt
großen Rath, und beschloß, etwas zu
dielen humanen Werke beizutragen.
und wenigstens einer Zigeunerfamilie
Gelegenheit zu einem geregelten, der
modernen Civilisation entsprechenden
Da em zu bieten.
Am Dorfende stand seit Jahren ein
immer noch stattliches Wohnhaus, leer
und verlassen. Kein Bettler tnoiie tl
beziehen; die Leute glaubten, die (i&o
lera wohne darin, seitdem diese schreck
liche Krankheit sämmtliche Eigenthümer
und Erbberechtigten blS aufS letzte
Glied ausgerottet hatte.
Nun, klügelte der weise Valinter Ge
meinderath, den Zigeunern wird dieses
HauS schon recht sein, diefind nicht so
empfindlich.
Der Notar deS Dorfes meinte übev
dieS, der Kolonisationsgedanke würde
der Gemeinde viel Ruhm und Ehre
bringen. Die Sache käme möglicher
weise in die Zeitungen, die Welt würde
auf diesem Wege erfahren, wie eifrig
die Gemeinde Valint an der Verwirk.
lidjung dieser Ideen arbeite, ja, dem
Erzherzog selbst käme eS zu Ohren, und
eS fei nicht ausgeschlossen, daß er dann
seiner Anerkennung durch ein Geschenk
vielleicht in Form einer Feuerspritze
für die spritzenlose Gemeinde Aus
druck verleihen würde.
Die Feuerspritze fand allgemeinen
Beifall. Die Valinter blickten sehn
süchtig nach den braunen Nomaden
auS, um das Kolonisationswerk begin
nen zu können.
Der Wunsch fand bald Erfüllung.
Nach kaum vier Tagen erschien eine
wohl auS fünfunddreißig Köpfen be
stehende Zigeunerkarawane, mit Kind
und Kegel, Wagen und Zelten.
Kaum da die braune Schaar auf
der Gemeindewiefe diesmal ohne je
den Einspruch seitens der Behörden
die Zelte aufgeschlagen hatte, zog der
Gemelnberath ValintS, mit dem Orts
Vorsteher an der Spitze, hinaus und ließ
vor dem Zelte deS Zigeuner-Woiwoden
die Trommel rühren.
Selbst die erfahrensten Veteranen der
Bande vergingen schier vor Neugier,
was diese feierliche Ceremonie zu bedeu
ten hätte.
Der Ortsnchter erklärte dann in
schön gesetzter Rede, die Gemeinde Va
lint wünsche, eine anständige, ehrliche
Zigeunerfamilie zu kolonifiren" und
sei entschlossen, zu diesem Zwecke daS
am Ende des Dorfes stehende Saus
sammt angrenzendem Grundstück völlig
kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die
betreffende Zigeumrfamilie müsse sich
lediglich verpflichtn, dem Nomaden
leben zu entsagen und fortan ein civili
sirtes, feßhafteS Dasein zu führen.
Die Zigeuner sahen sich gegenielttg
erstaunt an. Dann hielten sie großen
Rath, natürlich in ihrem Uridiom. daS
Niemand verstand.
Nach einer Weile trat der alte Woi
wode vor und begann die Unterhand
lung mit den Vätern ValintS.
Wir danken recht schön für den
gütigen Willen," sprach der Alte, und
stützte sich schwer auf daS dicke, filber
beschlagene Abzeichen seiner Würde ,
aber die Sache hat doch viel Bedenk
licheS."
Und das wäre?"
Also erstens: WaS zahlt die Ge
meinde?"
.Die Gemeinde bezahlt die Arbeit.
die geleistet wird."
Die wird anderwärts auch nicht um
onft gefordert.
Ist eS denn nicht genug, daß wir
Euch ein schönes HauS und ein großes
Grundnua tchenken?"
HauS ist HauS, ganz recht; davon
ann der Mensch aber nicht leben. Sind
denn im Hause auch Möbel?"
Die Gemeinderäthe blickten fich ver
egen an. Richtig, daran hatte Nie
mand gedacht. WaS wird die Welt
agen. wenn eS bekannt wird, daß Va
lint die Zigeuner in einem unmöblir
ten Hause" civilifiren will.
Ns. 51.
Nach kurzem Wortwechsel wurde be
schloffen, auf Kosten der Gemeinde
einiae alte Möbelstücke anzuschalten.
Die Einrichtungsfrage machte aber
mehr Schmierigkeiten, als man ver
muthet hatte. Der Woiwode forderte
nämlich fünfunddreißig Betten und
fünkunddreikia Stüble. denn, so be
hauptete er. die Familie bestehe auS
fünfunddreißig Mitgliedern und die
aan Karawane bilde eine Kamilie.
Schließlich einigte man fich doch da
hin, daß tn dem Hause nur ein Ehe
paar wohnen solle mit seinen Kindern.
Da erwählte Ehepaar war Balaton
Feri und Kekere Maria. Feri, ein
schöner, vollbärtiger, kräftiger Mann.
Maria, ein schwarzäugiges Zigeuner
weib, das sogar vom Spinnen etwas
verstand, aber auch auf dem Rücken
eines Pferdes Bescheid wukte. Drei
kleine Zigeunerkinder vervollständigten
den engeren Kreis der Familie .
UebrigenS konnte daS Paar sogar
einen behördlichen Trauschein vorzeigen
und wurde daher einstimmig als würdig
befunden, von der Gemeinde Valint
kolonlnrt" zu werden.
Nun ergriff der AuSerwäblte Fer
das Wort. Auch er hatte spezielle
Wünsche.
Vor allem brauche ich ein Pferd,
svrack er in KeKimmt,m tnnr.
Die Gemeinderäthe waren fichtlich
betroffen.
DaS ist natürlich." erklärte Feri.
irgend eine Beschäftigung muß ich
doch wählen, wenn ich hier bleibe." .
Welche Beschäftigung soll Dir denn
das Pterd ermöglichen?"
Ich will Pferdehandel treiben," er
widerte der ?Ziaeuner.
Der Rath fcknd gegen den Pferde
Handel nichts einzuwenden, und man
beschloß, dem Zigeuner ein Pferd zu
leiyen. Denen Preis er in Raten zu
rückerstatten müsse. Der Ortsrichter
wurde ausersehen, dem Feri emen Gaul
feines Stalles zur Verfügung zu stellen.
Noch am selben Tag begann die Ein
richtuna des HauseS. Das Ebevaar
gefiel den Dorfbewohnern. Man lieh
ihnen nicht nur das verlangte Pferd,
sondern auch. Schweine, Gänse, Hüh
ner, HauSgeräthe, Brennholz und sonst
noch alles in Hülle und Fülle, was nur
eine anständig kolonisirte Zigeuner
familie für die erste 5Zeit ibrer Civili.
fation gut gebrauchen kann.
Die Sache ging überhaupt sehr ord
nungSmäßig vor sich. Der neue Bür
ger leistete vor dem versammelten Ge
meinderatbe den feierlichsten Eid. da
er die Gesetze deS Dorfes respektiren
und als ehrlicher Bürger leben volle.
Die Zigeuner weinten vor Rührung.
Auch der Ortsrichter vergoß einige
Thränen. Der Notar nickte dem
Balaton Feri freundschaftlichst die bei
den Hände.
Der im Urzustand verbliebene Rest
der Ziaeunerkarawane strick Kar dem
Hause deS .Kolonifirten" und im Dorfe
yerum. So viel Dlebftähle an Geflügel
und Wäschestücken kamen in Valint in
zehn Jahren nickt vor. wie an diesem
einen Taae.
Schließlich, als dem Herrn Notar
oer Tavaisveutel aus der eigenen
Tasche entwendet wurde, bekam man
die Wirthschaft satt, und der Ortsrich
ter liefe vor dem Aiaeunerbaus den 9V
fehl publiziren, daß die Karawane
aiint innerhalb zwölf Stunden zu
verlassen lj.be, bei sonstiger Zwangs
verjagung.
Um die Mitternacktsieit backte ,
mächtig am Fenster deS Ortsrichters.
Wer ist'S?" frug der Gestrenge, in
dem er fich von seinem Lauer erbnken
hatte.
Ich bm's. Feri, der Zigeuner."
Was willst Du mein Sohn?"
Meine Sippschaft ist abgezogen."
.So ist's recht. DaS war i'a uns??
Wunsch.
.Aber es ist nickt reckt, anttdia?
Herr, einer von ihnen hat mein Pferd
mitgenommen."
WaS! Den Falben! Da foll doch
gleich...."
Der Ortsrichter war in furchtbarer
Wuth und geberdcte sich auf wahrhaft
schrecklicher Weife.
.Keine Sorae. anädiaer fSr ripf
Feri, keinen unnutzen Äerger, ich weiß
guten Rath. Geben Sie mir rasch ein
anderes Pferd, ich kenne den Weg, den
die Diebskerle aezoaen. in einer Ktunk,
holte ich fie ein, und in zwei Stun
oen neyl Jyr Gaul wieder in meinem
Stalle."
.Sebr aut. ZVeri! ?ck fofi 5i, fcist
ein findiger, brauchbarer Kerl!"
Der Richter beeilte sich, seinen Stall
zu öffnen.
.Hier, fferi nimm den Sckimm?t
einen solchen Renner giebt es im gan
zen omliaie nicyr, er rennt mit der
Eisenbahn um die Wette. Nicht um
tausend Gulden aäbe ick ibn b?r. Nun
rasch, mach', daß Du fortkommst, und
hole mir die Galgenvögel ein. Da foll
morgen einen Tanz geben. Aufknüpfen
lasse ich den Dieb."
Feri schwang fich auf den Rücken de
sich stolz bäumenden Schimmel und
war bald zum Thor hinauSgaloppirt.
Auf der Straße hielt er nochmals an
drehte sich im Sattel um und rief zu
rück:
.Herr Richter.' he. Herr Richter!" '
.Na. was denn noch Feri?"
.Wa ich sagen wollte.... Wissen
Sie auch, wer auf Ihrem Falben da
vongeritten ift?"
Nun, wer denn?"
.Mein Weid, die Maria!"
Der Richter wäre beinahe vor Schreck
umgesunken. Blitzartig kam ei ihm
zum Bewußtsein, in welche Falle er ge
rathen. Feri aber gab dem Schimmel
die Sporen, und von Roß und Reiter
war bald keine Spur mehr zu entdecken.
Aber auch da Hau am Torfende barg
keinen Zigeuner mehr, keine Möbel,
keine Geräthe alle hatten fie mitge
schleppt, die braunen Söhne der Steppe,
al fie. ihrem inneren Dränge folgend,
wieder auf die Wanderschaft zogen,
nicht achtend Wind und Wetter, ruhe
loS. ziellos von Ort zu Ort
Da Cholerahau in Valint steht
immer noch verlassen da. DaS Dach
ift morsch, die Wände ftürzen ein. und
nur Fledermäuse wohnen in den
Ritzen.... Wohl hat die Gemeinde
Valint noch immer keine Feuerspritze,
aber die Idee der ZigeunerKolonisa
tion haben feine Bewohner definitiv
aufgegeben.
W htiratdet man m eiste?
ES ift daS eine für die Frauenwelt
sicher auf das höchste intereffirende
Frage, auf welche das vierte Viertel
jahresheft zur Statistik des Deutschen
Reichs für Deutschland wenigstens.
Antwort giebt. ES finden fich dort
Daten über die HeirathShäufigkeit in
den Jahren 1894 bis 189. nachgewie
fen nach kleineren Verwaltungsbezirken
auS denen wir ersehen, daß Berlin mit
Bezug auf die HeirathShäufigkeit unter
den vielen aufgeführten Orten au
ganz Deutschland den dritten Platz ein
nimmt. ES kamen nämlich auf 1000
Einwohner in Berlin im Durchschnitt
der Iah 189496 10.47 be
schließungkn. Uebertrumpft wird die
Hauptstadt des Deutschen Reichs von
Nürnberg und Delmenhorst in Olden
bürg mit 16.34 bezw. 10.79 Ehen aus
1000 Einwohner 189496. sodak
Nürnberg den Ruhm für sich in An
spruch nehmen darf, die meisten Ehe
schließungen zu haben. Wenn man er
wögt, daß im Reichsdurchfchnitt auf
1000 Einwohner 1894-96 3 Ehe
schließungen kommen, so wird man die
Thatfache umsomehr würdigen, daß
gerade in den Großstädten am häufig
ften Eben einaeaanaen werden. K
kommen auf 1000 Einwohner 1894 ,
im) an Ehen tn Frankfurt a. M
Stadt 10.19 und Land 10.21. in
München 10.15. in Ludwigshafen
10.35. in Mannheim 10,22. in Altona
10.71. in Heidelberg 10.16. in Offen
bach 10.19. in Höchst 10.16. sodann in
Süderdithmarschen 10.43. Wo aber ist
die HeirathShäufigkeit am geringsten?
In Schleiden in der Rheinprovinz, auf
ivw mmoyner kamen vier nur 5.11
Eheschließungen. Ueberhaupt gibt e
recht viele Orte in der Rheinprovinz
lEifelaebiet) und in Badern mit nie
drigerer Heirathsziffer als 6. das find
'S. VYttfir ilVotSMTfA intH
VVVIV4; VV14fcU-JUllllW
Was ud wie wer raucht.
Was und wie Einer raucht, kann.
wie der bekannte Kriminalist Professor
Hans Groß in Gränz im Archiv für
Kriminalanthropologie" in sehr interes
sanier Weise erörtert, kriminalistisch
von hoher Bedeutung sein. Abgesehen
davon, da ein am Thatorte eines Ver
brechens weggeworfener Cigarrenftum
mel durch die Qualität der Cigarre
einen Schluß gestattet, ob der Thäter
zu den gut. oder minder gut gestellten .
Klassen gehört, giebt auch die Art, wie
die Spitze beseitigt wurde, einen guten
Fingerzeig. Ist dieselbe mit einem
besonderen Instrument keilförmig her
ausgezwickt, so wird man bei dem
Thäter dieses Instrument vermuth
lich finden. War die Spitze schärfer
oder , minder scharf abgebissen, so
hat der Thäter mehr oder minder
gut erhaltene Schneidezähne; war fie
mit den Fingernägeln abgekneipt, so
bestätigt dieser Umstand allein die An
nähme, daß der Thäter lange Finger,
nägel, aber keine guten Vorderzähne
besitzt. Ferner zeigt der Cigarrenftum
mel, ob der Betreffende die Gewohnheit
hat, ohne Spitze zu rauchen. Dann ift
er häufig genug so zerkaut, daß ange
nommen werden kann, daß der Raucher
gelbe Vorderzähne hat. Benutzte er
eine Papierfpitze, so wurde fie vielleicht
zurückgelassen, und durch fie ist unter
Umständen der Verkäufer, oder gar der
Käufer zu entdecken. Gleichgiltig ift es
auch nicht, ob der Thäter häufig Asche
abstreifte, weil daraus auf die Länge
der Anwesenheit geschlossen werden
ann. Sehr häufige? Abstreifen der
Asche deutet daneben auch auf Nervofi
tät. Nicht zu vergessen find auch die
benutzten und weggeworfenen Zünd
Hölzchen, ihre Beschaffenheit spricht von
den Finanzen deS Thäters, vielleicht
auch vom Verkäufer, ihre Zahl von der
Länge deS Aufenthalts. Kurz, der
weggeworfene Cigarrenftummel, und
waS mit demselben in Verbindung
steht, kann unter Umständen wichtige
Andeutungen geben, vielleicht sogar ein
gutes Stück von der Personalbeschrei
bung des Thäters liefern.