Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 15, 1900, Image 10

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    Nuttcrberz.
Von amonif Snbrta.
ES tret bet stille Liedlingswun'ch der
derwittweten Frau von Kmest geirren.
daß ihr -ohn Odmart und Hertha Sei
bell, die Tochter ihrcS alten Jugend
freundes, deS -anitätsralhS. einst ein
Paar würden. Sonst schien Odmart
das freundliche, junge Müdchcn auch
zern zu sehen: seitdem er aber. alS
großer Mufttschmarmer. in den musi
Malischen Kreisen' der Frau Tvktor
BehrendS verkehrte, verhielt er sich auf.
fallend gleichgültig gegen sie.
.Wir sind Sonntag bei Keibclls zu
Tisch geladen." theilte Frau von Streit
ihm den Abend vorher mit.
.Ach wie schade. Mutter! Leider bin
ich auch diesmal anderweitig versagt. "
2o dieß es jetzt fast immer.
Hertha Keibell. die seit dem Tod der
Mutter dem Bater die Wirthschaft ge
führt, verrieth mit keiner Miene, ob sie
sich vernachlässigt fühlte. Nur als
Frau von Kweft ihren -ohn zu ent
schuldigen versuchte, sagte sie: ..Er
langweilt sich bei uns nüchternen Men
schenk
Es zitterte dabei ein ganz geheimer
Schmerz in ihrer Stimme, der der
ülteren Tame nicht entging.
.Solch ein Musiknarr, wie er jetzt
ist !" bemerkte diese, während das junge
Mädchen sich eifrig an der Fruchtschale
aus dem Büffet zu schaffen machte.
.Und er hat recht. Tie ganze Stadt
schwärmt für die fchöne. junge Konzert,
sängerin. Fräulein Klingemann." sagte
Hertha munter, obgleich die Eisersucht
sie peinigte. Haben Sie sie noch nicht
gehört, gnädige Frau?"
Frau von Kmest verneinte; aber sie
erinnerte sich, den Namen häufiger von
ihrem Sohn gehört zu haben. Seit
dem sand sie ihn fast jeden Morgen in
der Zeitung dasz sie danach suchte.
mochte sie sich nicht eingestehen. Ganze
Feuilletons voll Lobeserhebungen wur
den über Fräulein Klingemann ge
schrieben.
Man rühmte hauptsächlich ihre
Schönheit und den Zauber ihrer be
strickenden Persönlichkeit. Ihr Singen
schien Nebensache zu sein. Frau von
Kwest wurde nicht klua daraus: lobte
man ihren Gesana. oder wsllte man
ihre Kunst verblümt tadeln?"
' .Ist Fräulein Klingemann eine An
fänaerin?" fragte sie ihren Sohn.
.Bewahre. Mutter! Sie hat schon in
allen großen Städten Teutschlands ge
sungen sie ist eine Künstlerin ersten
Ranges."
Eines Morgens fand Frau von Kmest
eine ausgesprochen abfällige Kritik über
Fräulein Klmgemann. sie gab sie
ihrem Sohn zu lesen.
Empört zerriß dieser das Zeitungs.
blatt. Was der Schreiber da wohl
von Musik verstände? Tas wäre sicher,
lich von einer gehässigen Kollegin in
spizirt, um der neu aufkommenden
Künstlerin zu schaden. Außerdem,
sie ist eine anständige, junge Tame,
Mama. Sie verschmäht es, sich um
t)ie Gunst der Herren Rezensenten zu
bemühen."
Kurze Zeit darauf brachte Odivart
seiner Mutter eine Einladung zu einem
musikalischen Abend bei der Frau Tok.
tor Behrends. Sie sollte dort das
Fräulein Klingemann einmal kennen
lernen. i
Aber, lieber Sohn," rief die Tame
erschrocken, wie komme ich dazu? Ich
habe ja nie mit Frau Doktor Behrends
verkehrt."
Ta legte der junge Mann die Arme
um sie. Hast du wirklich nicht be
merkt. Mutter, wie es um deinen Jun
gen steht? Ich liebe Aldine Klinge
mann. Willst du mich nicht zeitlebens
unglücklich sehen, so mußt du sie als
Tochter an dein Herz nehmen."
Fraw von Kwest preßte die Lippen
zusammen: daß ihr nur nichts von
ihrer Enttäuschung und ihrer Angst
entschlüpfte! Sie liebte ihren Sohn
über alles. Ihn zu einem guten und
zu einem glücklichen Menschen zu
machen, war der Zweck ihres Lebens.
Tas erstere war ihr, Gott sei dank, ge
lungen; das andere hatte er jetzt unver
muthct in seine eigene Hand genom
men. Sie konnte hier nicht mehr, hel
sen, nur schaden.
Im Geiste schaute sie Herthas liebes,
freundliches Gesicht, das sie wehmüthig
anzublicken schien, als ob es Abschied
nähme.
In solchen Herzenslauten würde jene
andere nie zu ihr sprechen; das fühlte
sie. Kommt aber die Mutter in Frage,
wo es sich um das Lebensglück des
Sohnes handelt?
Sie begleitete ihren Sohn also zu
Frau Doktor BehrendS. Sie sah eine
junge, wunderschöne, verwöhnte, stolze
Dame mit blitzenden Augen und einem
berückenden Lächeln dies Lächeln aber
war ohne Seele. Sie hörte eine schmet
ternde Stimme singen in hohen und
tiefen Noten; doch diese Stimme ent
behrte jedes innerlichen Gefühls, jeder
Weichheit, jeder Vertiefung.
Frau von Kwest stand der Gesangs,
kunst völlig naiv gegenüber. Sie hatte
kein fachmännisches Urtheil darüber; sie
fühlte nur, daß dieser Gesang sie nicht
ergriff, wie es so oftmals in der Oper
und im Eonzert der Fall gewesen, wo
die Sängerin in jedem Augenblick mit
zuempsinden, mitzuerleben schien und
durch die Kraft ihreö tiefe, echten Ge
fuhls die Zuhörer mitritz. Aber dieser
glatte Gesang da erkältete sie, anstatt
sie zu erwärmen. Ihm fehlte die
Seele, wie dem Lächeln auf den rothen
Lirren. Und dicscs Äüdchen sollte
f?r:an daZ Glück ihres Sohnes sein?
A!Z sie nachher zu Hauke waren, trat
Od?art strahlend vor sie hin. .Ich
habe mit ihr sprechen können. Mutter.
Sie erwidert meine Liebe und will
meine Frau werden dies herrliche
Geschöpf, diese Künstlerin von Gottes
Gnaden. Ach. Mutter, ich bin so
glücklich'." .
Ter arme verblendete Schwärmer!
Frau von Kwest streichelte ihm die
glühende Wange: .Was frage iq da.
nach, lieber Sobn. ob sie eine Kunft
lerin ist ! Mir genügt eS. daß du sie
liebst. Wenn ,sie dich glücklich macht.
so soll das Bestreben deiner Mutter
für den Rest ihres Lebens sein, ihr
Rosenkränze um das schöne Haupt zu
binden."
Eine öffentliche Verlobung wünschte
Aldine vorläufig nicht. Um also jedes
Aussehen zu vermeiden, hielt sie auch
die beiden Konzerte, zu denyi sie noch
verpflichtet war. inne. Tann kam sie
als Gast zu Frau Kweft. während
Odwart. der sich eben als Privat
dozent habilitirt hatte, eine Reife nach
einigen Univerfitätsstudien unternahm.
Wien sollte der Endpunkt seiner Reife
sein.
..Tie übliche Prüfungs. und Probe
zeit der Liebenden!" witzelte Aldine mit
ihrem bezaubernden Lächeln. Bon!
machen wir durch. Odwart! Aber da.
sag ich Ihnen gleich, Mamachen: mit
Güte ist alleS von mir zu erreichen;
wenn man mich hingegen ärgert, dann
werde ich stachelig."
Mutter ist unfähig, überhaupt
Jemanden zu ärgern," versicherte
Odwart sie. Außerdem weiß ich. daß
alles, was sie dir thut, auch mir gethan
wird."
Lächelnd schaute die arme Mutter auf
das schöne Paar. Ihr Herz krampfte
sich zusammen: wie oft würde
Odwart wohl im Leben diese Stacheln
fühlen ?
Sie nahmen einen überschwänglichen
Abschied; Odwart war ganz erschüttert.
Aldine sanft und zärtlich. ..Täglich
inußt du mir schreiben," flüsterte sie
ihm ins Ohr. Wenn du zu einem
Brief keine Zeit hast, so schickst du eine
Postkarte oder gar ein Telegramm."
Er versprach es. Was Hütte er ihr
nicht versprochen?
Anfangs war das stille, geregelte
Leben in der einfach vornehmen, gedie
genen Häuslichkeit für Aldine etwas
Neues. Sie zeigte Jntercffe für die
Wirthschaft, ging in die Küche und
forschte nach den Geheimnisien des Ko
chens: eine tüchtige Köchin wäre wohl
das Wichtigste in einem guten Haus
qaue. uno um aucs mußte nch eine
arme, kleine Hausfrau kümmern. Das
und das käme auf den Tisch. So und
so würde es gemacht. Nur ihre schönen,
weißen Hände dürfte sie sich nicht der
darben. Tie wären Odwarts Stolz
und Freude.
Nach acht Tagen aber war nicht nur
allein ihr wirthschaftliches Jntereffe er
kaltct, sie machte sich bereits laute Bor
würfe, ihre Kunst" so lange vernach
lüssigt zu haben. Ta sie nicht länger
gezwungen war. langweilige Uebungen
zu machen und etwas Bestimmtes für
den Vortrag einzustudiren. saß sie stun
denlang am Klavier und sang alles
kraus durcheinander, meist bei offenem
Fenster, sodatz die Leute auf der Straße
stehen blieben und zuhörten.
Auch das dauerte nicht lange. Al-
dine langweilte sich bei ihrer künftigen
ivicgcrmuiier uno macvte leinen
Hehl daraus.
Aber Mama." sagte sie. ..so könnt'
ihr doch nicht immer leben! Wie hat
Odwart das nur aushalten können?
Auf mich wirkt dies eintönige Leben ge
radezu geifttödtend."
Frau von Kwest schlug vor. bei ihren
Bekannten Besuch zu machen. Aldine
war dabei. Sie lernte ia aarn aerne
..neue Menschen" kennen, selbst wenn
diese ganz außerhalb ihrer eigenen
phäre standen, wie z. B. der Sa-
nitätsrath Doktor Keibell und seine
Tochter.
Was für ein nüchternes, spießbür-
gerliches, kleines Mädchen!" sagte sie
hinterher über Hertha. Sie hatten
sich nicht für einander erwärmen kön
nen. Anders der muntere, aber etwas
derbe, alte Doktor! Mit dem hätte sie
sich prächtig unterhalten. Sie wurde
überhaupt mit Herren besser fertig als
mit Tomen.
Es ist ja ein Prachtmädel, diese
Klingemann!" äußerte sich der Sani
tätsrath gelegentlich gegen seine alte
Freundin. Und das will Frau Pro
feffor werden, will sich's in den foli
den, philiströsen Gelehrtenkreisen hei.
misch machen? Liebe Frau von Kwest,
hat Odwart sich diesen Schritt auch
überlegt ?"
Er liebt sie ," meinte Frau von
Kwest traurig. Dagegen ist nichts zu
machen."
Als Odwart am nächsten Morgen
eintraf, fand er Aldine nicht mehr bei
seiner Mutter. Sie war den Abend
vorher mitsammt ihrem Koffer zu Frau
Doktor Behrends gefahren; denn sie
wollte, daß die entscheidende Aus
spräche" mit ihm auf neutralem Bo
den" stattfände.
Noch am Tage seiner Ankunft bekam
Frau von Kwest ihren Sohn wieder.
Aldine Klingemann gab ihn ihr zurück
aber wie?
Seiner Sinne kaum mächtig stolperte
er herein. Dann zerwühlte er sein
Haar, wüthete gegen sich und die grau
same Geliebte", bis er seinem mahn
sinnigen Schmerz dadurch Luft machte,
daß er seine Mutter mit Borwürken
überhäufte: .Tu bist schuld, Mutter,
T ftA4Ct wir ftir ftittn tnfVn'
u 14 u mit mit vv" !
Tu hast ihre Eigenart nicht verstanden
es ihr nicht heimisch bei uns gemacht!
Warum mußte ich fort? Tiefe ISchev
liehe Probezeit. Geschieht mir recht,
Warum ging ich drauf ein? O. ich hasse
daS Leben ohne meine strahlende
Schönheit Aldine. Ich hasse mich selbst.
eine Kugel vor den Kopf, dann wäre
alles aus!"
In namenloser Oual, das Herz zer
rissen, ließ die Mutter eS über sich er
gehen. Seine ungerechten Vorwürfe
thaten nicht weh. Was wußte der Un
glückliche in diesem Augenblick von
Recht und Unrecht? Aber sein Haß!
Sein Haß auf sich und daS Leben, der
durchbohrte sie wieder w,e ein zweuchnel
diges Schwert. Tie Sprache raubte er
ihr. das Tenken. Nur das Herz ver
mochte er nicht zu tödten.
Mein Sohn!" sagte sie innig
Mehr vermochte sie nicht zu sprechen
Aber die Sprache des blutenden Mut
terherzenS hatte er verstanden.. Aechzend
wie ein gefällter Baum Nel er um.
Sie fing ihn auf. Sie breitete die
Arme über ihn und nahm fein Haupt
an ihre Brust.
Er wurde stiller. Sein Stöhnen
erstarb in einem letzten Seufzer. Ein
paar Thränen rollten bleischwer über
feine Wangen die in einer Stunde ihre
ganze blühende Jugend eingebüßt hat
ten.
Mutter Mutter!"
Sprich mein Sohn! häufe deinen
Schmerz auf mich. Ich trage ihn
geduldig will ich ihn tragen, hier ln
meinem starken Herzen."
Er schlug die Augen zu ihr auf.
Ihr Antlitz war über ihn geneigt.
Gott, wie alt und verfallen fah es aus
und dennoch wie verklärt !
Nein, du sollst reden, Mutter! Mir
war's, als hörte ich Engelszungen,
während ich stumm an deinem Herzen
lag."
Ich öffne mein Herz, lieber Sohn,
und ich will dich heilen mit meinen Er-
fahrungen Denn so wie du jetzt, habe
auch ich mich vor Schmerz und Jammer
einst gewunden. Mein Herz, das ich
voll Liebe und Treue hingegeben, war
verrathen, vergiftet, in den Staub ge
treten worden von dem Mann, den
ich angebetet hatte von deinem
Vater."
Mutter arme Mutter!"
..Weine nicht um mich. Ich hielt ja
dich auf meinem Schooß; an deinem
Kinderlächcln genas ich."
Odwart drückte fein Antlitz in ihre
Hände. So hörte er das verborgene
Leid dieser Frau, die er bisher für die
Glücklichste ihres Geschlechts gehalten
yane.
Ihre Ebre war ein Dornenweg ae
wesen. Still und ohne Klage war sie
ihn gewandelt. Was ein Weib von
einem gewissenlosen, leidenschaftlichen.
maßlos egoistischen Manne erdulden
kann, sie hatte es erduldet, und das
Bitterste war gewesen, daß sie diesen
Mann über das alles geliebt hatte. Ihr
Herz hatte geirrt; ihr Abgott war ein
Zerrbild gewesen.
Meine Eltern oatten mich gewarnt.
Ihr erfahrener Blick ging tiefer, mäh
rend der meine sich auf der glänzenden
Oberfläche verlor, sie wollten ein
Machtwort sprechen, riefen mir zu: Du
rennst in dein Unglück." Ta wüthete
ich wie du vorhin. Sterben wollte ich
tausendmal lieber mit ihm unqlück-
lich werden als glücklich mit jenem, den
meine Eltern gern Sohn genannt hüt
ten. Und als der junge Doktor Keibell
damals in seiner schlichten, treuherzigen
Weise um mich warb, wandte ich mich
stolz ab: Was wußt ihr nüchternen
Alltagsseelen von der Macht einer
großen Leidenschaft?" So ging ich den
Weg, den blinde Liebe mich führte,
über Dornen, an Abgründen entlang,
in die Finsterniß hinein. Ich wäre
verblutet oder gefallen und zerschmettert
wenn Gott mir nicht meinen Sohn ge
geben hätte diesen Sohn, der seine
arme Mutter nicht Haffen wird, weil sie
das Leid einer irrigen Liebe nicht von
ihm abwenden konnte.".
Odwart lehnte daS erschöpfte Haupt
der Mutter an seine Brust. Er hätte
seine Hände unter ihre Füße breiten
mögen, denn sie hatte mit ihrem
Schmerz den seinen getheilt. Wie bunte
Blätter im Herbst umflatterten ihn die
Erinnerungen an Aldine; im Glanz
ihrer Schönheit schimmerten und leuch
teten sie wie Gold und Purpurgluth.
Aber der Wind verwehte sie. welk fielen
sie zur Erde armes, modernes Laub,
ohne Duft und Samen.
Mutterherz." flüsterte er innig,
wieviel mehr hast du gelitten als ich !
Wieviel hab' ich dir noch zu danken!"
Nichts, mein Sohn ! In dieser
Stunde habe ich gelernt, meine bitteren
Erfahrungen zu segnen, da sie dir
nützen konnten. Jetzt wollen wir reisen,
Odwart, du mit deiner alten Mutter!
Nichts verwischt alle Eindrücke leichter
als neue. '"Oder möchtest du allein in's
Gebirge wandern?"
Nein, nichts ohne dich. Meine Seele
ist ein hilfloses unreifes Kind. Nimm
sie wieder in deinen Schooß, Pflege sie,
daß sie stark und reif werde! Wir reisen
zusammen fort von hier. Weißt
du, warum eigentlich? Ich möchte Kci
bellS vorläufig nicht begegnen, denn ich
schäme mich vor Hertha."
Der Doktor sagte kein Wort weiter.
Er drückte ihr nur die Hand. Sie ver
standen einander zwei so alte und
erprobte Freunde!
Odwart schrieb regelmäßig; oft kamen
an einem Tage zwei Briefe an. Aldine
nahm sie wie etwas SeldstverftandlicheS
entgegen. Ob und wieviel sie davon
dea:mortcte. erfuhr Frau von Kweft
nicht.
Ta schrieb Odwart eines ZagcS an
feine Mutter: er beunruhige sich. Und
warum er so wenig von Aldine höre?
Hältst du sie etwa so streng zu dem
Wirthschaften an, liebe Mutter, oder
machst du sie mir vielleicht sonstwie ab
spenftig? Ich bin eifersüchtig. Sie soll
nichts thun als an mich denken und
mir schreiben. Ich sterbe sonst vor
Sehnsucht nach ihr. Sage eS ihr,
Mutter!
Tie arme Frau war rathlos. Aldine,
dachte langst nicht mehr an's Wirth
schaften". Sie sang, promenirte. be
suchte ihre Bekannten aus den mufilali
schen Kreisen, und eZ fiel ihr nicht ein,
Frau von Kmest auch nur einmal auf
zufordern, sie zu begleiten.
EineS Mittags kam sie sehr animirt
nach Hause. Sie war bei Frau Toktor
Behrends gewesen und hatte dort einen
ihrer feurigsten Bewunderer von ehe
mals getroffen. In der Hand trug sie
einen prachtvollen Strauß la France"
Rosen.
Tenken Tie nur. Mamachen, wie
aufmerksam von diesem Baron nach
Jahresfrist sich zu erinnern, daß la
France" meine Lieblingsblume ist !"
Und noch häufiger und länger als
bisher ging sie in den nächsten Tagen
aus. Eines Nachmittags Aldine
war wieder fort, kam Sanitätsrath
Toktor Keibell.
Sie lassen sich ja gar nicht mehr
sehen, liebe Frau von Kwest," sagte der
alte Freund. Und wie elend sie aus
sehen! Fehlt Ihnen etwas?"
Ich vermuthe." erwiderte sie mit ei
nem müdenLächeln, daß ich mich gräme,
weil ich einen Platz im Herzen meines
Sohnes heruntergekommen bin. Aber
es ist doch natürlich, daß den ersten jetzt
Aldine einnimmt."
Verstohlen faßte Tottor Keibell ihre
Hand und küßte sie. Tie beste, opfer
freudige Mutter sind Sie," murmelte
er bewegt. Tann räusperte er sich.
Was ich noch fragen wollte, verehrte
c v:. , 1:1 .:..ts: y;. r,.i.
yuuiliHil. wu ii cigcmuiy uci mpci,
den ich verschiedentlich mit Fräulein
Kllnqemann gesehen habe?"
Wenn ich nicht irre, ein Freund von
Frau Toktor Behrends."
So so! Tie Tame war nämlich
nicht dabei."
Frau von Kwest versuchte eine Er
kläruna dafür zu geben: da faßte Tok
tor Keibell ihre Hand. Hören Sie,
liebe Freundin, ich bin eigen? gekom
men. um Ihnen zu rathen. Odwart zu
schreiben, da?z er feine Heimkehr bt
schleunigt!"
Aldine hielt sich einige Tage zu Hause
Sie klagte über Migräne, lag us,dem
sofa und las Romane. Tie sreund,
schaftliche Besorgniß der Frau von Kmest
schien ihr lästig zu fein.
Tasmußman durchmachen Mama. "
sagte sie. Offengestanden, mich Plapt
nicht zum wenigsten das Heimweh nach
meinem freien Künstlerleben. So etwas
giebt man nicht ungestraft so mir nichts
dir nichts auf."
Honentllch gereut es sie nicht, mein
Kind."
O doch das heißt, ein wenig.
Wie. schon w!eder zwei Briefe von Od-
wart ?" Tas Hausmädchen hatte die
Postsachen hereingebracht. Ter gute
Odwart beschießt mich ja förmlich da
mit!" Sie lachte. Es klang jedoch gczwun
gen. etwas gereizt sogar. Sie riß einen
der Briefe auf und überflog ihn. Tann
sprang sie empor, und während sie ei
nen heimlichen Blick auf die Uhr warf,
trat sie an's Fenster.
Was bedeutet das? Odwart schreibt,
daß er spätestens übermorgen nach Hause
kommt."
Freut es Sie nicht?"
Nein." Wie schroff das klang!
Er hätte die verabredete Zeit inne
halten sollen. Ich bin noch nicht mit
mir einig."
Ich denke, Sie waren es schon, als
Sie ihm Ihr Jawort gaben?"
Sie haben bei allem immer nur ihn
im Auge, Mama," , entgegncte sie
scharf. Versetzen Sie sich mal in
meine Lage! Man wird überrumpelt,
ist gerührt und giebt nach. Dies gute,
solide, einförmige Leben ist ja sehr
achtenswerth; aber ich gewöhne mich
nicht leicht daran. Odwart würde sich
vielleicht nicht minder schwer an das
freie, wechselvolle Kllnstlerleben gewöh
nen, das mein eigentliches Daseins
element ist. Freilich es käme auf ei
nen Kompromiß an."
Mein liebes Kind, in der Ehe giebt
es keine Kompromisse, denn es darf keine
Parteien geben. Sie und er, Sie
bilden nur ein gemeinsames Ganzes.
Und immer handelt es sich um ein
Ganzes ein ganzes Geben und Neh
men, ein ganzes Leben. Darum ist
auch eine ganze Liebe nöthig, die ihren
verklärenden Schimmer auf das All
tagseinerlei wirft und uns Sorgen
leicht und Pflichten lieb macht."
Aldine schaut esinnend aus dem Fen
ster; ihr schönes Gesicht bekam einen
milden, vertieften Ausdruck.
Gott fei Dank!" dachte Frau von
Kwest. Sie begreift sie geht in
sich."
Plötzlich grüßte Aldine hinaus, das
alte verführerische, seelenlose Lächeln
auf den Lippen. Sie hatte an ganz
etwas anderes gedacht: würde er wirk
lich um diese Zeit vorbeigehen, der
verliebte" Baron? Es wäre ein starkes
Stück. Sie würde es ihm verbieten
Ta war er. und er bekam ein
Lächeln. Lieder Himmel. eS war ihr
entschlüpft!
Sie besann sich. Pardon. Mama
chen! Es ama ein alter Bekannter von
mir vorüber. Was sagten Sie doch?
inc seltsame Rettung.
Tie Beiden. Jan Maat und Jan
Stout, saßen beim Wirth zur gerefften
Bramstenge" in ihrer gemüthlichen Ecke.
panten holländischen Knaster und tran
ken ihren Genevergrog. das es nur eine
Art hatte.
Pieter. der Wirth, der ehedem als
Bottclier eine? holländischen Kriegs
schiffe? gefahren war. fetzte sich zu ihnen
und nun ging daS Kabelgarn-Spinnen
los, daß die Balken an der schwarz ge
räucherten Tecke sich bogen und die
Lampe oft in eine schwingende Be
wegung gerieth. als wolle sie den Kopf
schütteln über die seltsamen Abenteuer,
die da von den Lippen der drei alten
seebefahrenen Maate flössen.
Eben hatte Pieter eine höchst merk
würdige Geschichte erzählt, die einstmals
auf dem Admiral de Ruytcr" passirt
lein sollte. Ta war der Rum cutsge
gangen und die Mann chatt yätte am
liebsten revoltirt. Ta habe er gcra
then. zunächst eine Tonne Salzhäringe
aufzumachen und den Leuten zu geben
und alsdann habe er aus Lalriien.
Spiritus und Pfener einen Rum destil
lirt. der die 'Leute so begeistert habe,
daß sie. als sie in Jamaica landeten.
den echten Rum als ein elendes Gesöff
verwünschten und die Sorte PieterS
wicdcrverlangt hätten. ES hätte wenig
gefehlt, und man hätte ihm die Wil
lemsincdaille dafür angeheftet. Schuld,
daß er sie nicht bekommen, fei nur der
kleine Umstand gewesen, daß er, als er
neuen schlNsrum machte, in einem
kleinen Zustande der Berauschthcit statt
des Spiritus Petroleum verwendet
habe, worauf die ganze Besatzung des
Schiffes Leibschmerzen und Kolik be
kommen habe.
Jan Maat hatte sich von der Rum
Geschichte kaum durch den Genuß eines
Glases extra steifen" erholt so sehr
sei ihm der Rum mit Petroleum in die
Nieren gefahren, behauptete er. als
Jan Ttout anhub:
Na ia. Pieter chon war das nu
nich von Tir, das mit dem Pctroljum,
aber seltsame Sachen kommen auf See
vor. Wenn ich man mehr von n schrei
den gelernt hätte, denn so fetzte ich 'mal
'n Buch auf von all dem, was ich erlebt
habe. Höllischen dick würd s werden.
sag' ich Euch! Aber einmal, da stand
mir doch eine halbe Minute der Bcr
stand still über die Fixigkeit von so'n
Leichtmatrosen!"
Ja. so'n Leichtmatros'," knurrte
Jan Maat und spukte sein Priemchen
aus, um ein frisches achter de Küsen"
zu schieben der hat's in sich!"
Heraus mit der Geschichte, Jan,"
rief Pieter. Ter Abend ist noch lang
und zu so'n Prachtgenevcr gehört ein
ordentliches Garn!"
. Erst 'mal die Lippen 'n bischen an
feuchten," meinte Jan Stout, und
trank auf einen Zug fein halbes Glas
aus er nannte das anfeuchten",
wenn er nippte, so sah er Grund und
drückte mit den Taumen den Tabak in
feinem Stummel fest. Also, wir
kreuzten da bei so 'ner heillosen Wind
stille im indischen Meere herum. Wir
hatten grausame Lageweile gehabt.
denn es kam keine Mütze voll Wind und
die Segel flappten gegen die Raaen,
wenn nicht der Cornils gewesen wäre,
der jüngste Leichtmatrose auf unserem
Schooner. Er war einem Barbier aus
der Lehre gelaufen und hatte als ein-
zige rinncrung an den alten erus
noch einen alten Pelikan, einen Zahn-
brccher. in der Tasche. Wenn er
Jemand einen Zahn ziehen konnte, so
war's sür ihn ein Festtag, und als er
einmal den Kapitän, der einen hohlen
Backenzahn hatte, bei dem der Kopen
hagener Priem, dem der alten Raute,
nicht mehr schmerzlindernd helfen wollte,
von dem Ucbelthäter befreit hatte, da
war er stolzer, als er nach der ersten
großen Fahrt als Junge angekommen
war. Ter liorrnis al0 vermev uns
die Zeit mit allerhand Döntjen und
selbst der Alte kam zu uns auf Verdeck,
um die Kapriolen des Cornils mit an
zusehen, der lief auf den Händen die
Keiling entlang, stellte fich aus dem
Klüver auf den Kopf und trieb folch
närrische Dinge mehr, bei denen es oft
an einem Haar hing, daß er hrnad
sauste in die stille See. DaS wär' nicht
schlimm gewesen, wenn nur so n alter
Bursch von Haifisch nicht gewesen wär',
der immer um unser Schiff herum
schwamm und unS schon drei Tage
lang begleitete. Aber der Cornils lachte
nur, wenn man ihn auf die Gefahr auf
merksam machte, und trieb nur noch
ärgere Possen. Da, mit einem Mal.
ein Schrei des Entsetzens hallte über
da? Deck, der Cornils war abgerutscht
und, die Fluth schoß über seinem Kopfe
zusammen. Im Nu hatten wir em
Seil losgeworten und voraus icywamm
darauf zu. Da erschien auch schon die
spitze Rückenflosse des Hais ganz in der
Nähe. Ter Kerl war verloren, wenn
der ihn packte. Wir riefen lym zu:
Der Hai, der Hai!" und warfen mit
allem, was wir hatten, nach dem Un
tbier. um eS zu verscheuchen. Was
macht der Cornils? Er hebt sich im Was
ser hoch und macht dem Hai eine lange
Nase, um dann das Seil zu ergreifen.
Aber der Hai war schneller als er, warf
sich auf den Rücken und da sahen wir
schon Krpf und Arme deS CornilZ in
seinem Rechen verschwinden. Tonne?
weiter, uns allen gingS siedendheiß
durch den ganzen Körper und der Alte
wischte sich sogar die Augen. Mit einem
Male kommt der Hai' wieder in die
Höhe, mit leerem Maul und schicst
vom Schiff weg. als hätte er zehn
Harpunen im Leid und ein Pfund sie
dendeS Pech obendrein. Und da
kommt der Cornils wieder an die Ober
fläche, heil und gesund, spukt daS Was
ser auS und im Nu haben wir ihn an
Bord geholt.
Sehr fest saß er. JungenS." rief
er. .aber habe ihn doch herausgekriegt."
und damit hielt er uns was entgegen.
Und was war'S? Ein Haisischzahn.
Hatte der Bursche, der Cornils. seinen
Pelikan auS der Tasche grhvlt und dem
Hai seinen schönsten gesunden Eckzahn
ausgezogen. Tas konnte das Bich
nicht ertragen, es spie die unbequeme
Beute aus und suchte daS Weite. Heute
trägt Cornils den Haifischzahn an der
Uhrkette."
.Tonnerwettcr." rief Pieter. dr.S
war'n Kerl!"
Ja. ja," bestätigte Jan Maat nach
dcnkiich. TaS erinnert auch mich an
eine seltsame Rettung, die ich mit an
gesehen hatte!"
Los damit!" '
Vorwärts Maat!"
'S is man 'ne einfache Geschichte,
aber wahr ist sie, so wahr, daß ich kci
nen Schluck Genever über die Zuge
bringen will, wenn auch nur ein Wort ,
darin erlogen ist. Wir kamen den Ka ' y
nal zurück und in der Nordsee gab'S
einen Sturm, wir dachten, wir würden
nie wieder nach Geestemünde 'rein tom
men. Tie Wellen schlugen llber's Tcck
und rissen alles los. wa? nicht nictfcst
war. Mit einem Mal: Hoi, Mann
über Bord!" Ein Maat war über Bord
gegangen, ein alter Seemann schon,
den wir in Singapore für die Heim-
reise angemustert hatten. Wir nann
ten ihn nur Heinrich, was in seinem
Taufschein für ein Name stand, wußten
wir nicht!"
Vorwärts." rief Pieter. was küm
mert uns sein Taufschein. Also der
Mann ging über Bord?"
Ja, und bei hchcm Seeaanae war
das keine Kleinigkeit, ein Boot herab
zulassen. Tas erste schlug voll Wasser,
ehe wir noch einen Mann darin hatten
und als wir das zweite bemannt, bat
ten wir alle Mühe, zu verhüten, daß
wir an der Schiffswand zerschmettert
wurden."
Na. inzwischen war Euer Heinrich '
natürlich untergegangen!"
Nein, vom schift aus konnte man
ihn sehen und das was man sah. war
wunderbar genug. Er lag auf dein
Rücken flach ausgestreckt und um ihn
herum waren die hohen Wogen die
unser Boot umstürmten. wie weggc
blasen. Ein immer größerer Kreis von
ruhiger See dehnte sich um in herum
aus!"
Tonnerwettcr." fiel Jan Stout ein,
war der Matros' etwa aar ein Zauber
künstler?"
Uns ward die Geschichte auch un s
heimlich. Wir kamen also mit Mühe "
und Noth heran und in den großen
Kreis ruhigen Wassers, der den
regungslos auf dem Wasser Liegenden
umgab. Es war. als habe man Ton
nen Oels auf die erregten Wogen ae
chüttet, um sie zu besänftigen. Wir
nahmen ihn also, der ganz frisch und
munter war. in's Boot und kamen mit
unsäglicher Mühe an Bord zurück. Ta
ward der Mann mit Fragen bestürmt.
wie er es angefangen habe, sich glatte
see zu machen. Ader der schüttelte
ebenso verdutzt den Kopf, wie wir An
deren und wir sahen bald ein. wir
würden auf diese Weife nichts heraus
riegen."
Potz Fockmast und Oberbram-
stenge," rief Pieter. die Sache ist in
teressant. Habt Ihr denn hcrausge
kriegt. Maat?"
Ja, nachher, als der Kapitän den
Befehl gab. die Papiere des Matrosen
zu holen, da wußten wir's."
Und was war's?"
Der Mann hieß Oelmann!"
Ja. ja, man erlebt seltsame Sachen
auf See!
Durch die Blume.
Eine kleine Herrengesellschaft kam
ausnahmsweise an einem Sonntag.
Nachmittag in ihr Stammlokal, um
ein Stündchen zu kegeln. Zu ihrem
Bedauern theilte ihnen jedoch der Wirth
mit, daß die Kegelbahn besetzt sei er
wolle aber, seinen Stammgästen zu
Liebe, versuchen, die fremden Kegler so
rasch als möglich von der Kegelbahn zu l
entfernen. W'
Es dauerte auch keine 10 Minuten,
als der Wirth mit der Meldung
kommt, daß die Kegelbahn nunmehr
frei sei.
Wie haben Sie denn das fertig ge
bracht?" frägt ein Stammgast.
Ich habe es den Leuten durch die
Blume zu verstehen gegeben, daß sie mit
dem Kegeln aufhören möchten." .
Durch die Blume? Wieso denn?"
Nun, ich habe ihnen einfach die
Kegel weggenommen."
verfehlter Beruf.
Leutnant: Einjähriger Schleichle,
Sie sind der lahmste und schwerfälligste
Mnnn in der Kompagnie! Was find
Sie eigentlich in Ihrem Civilverhält
niß?" Schleichle: Elektrotechniker".
Leutnant: Na, da haben Sie ab
Ihren Beruf nett verfehlt!"