Der westfälische Schinken. Hu!kI!tS?k VSN lUg(!l 'OlSm. .Tante Aglaja ift doch eine gu:e Tanle!" Eine famv't Frau!" So und noch mehr riefen wir auS, als der prächtige Schinken vor unZ lag. den Frau Aglaja ZidurtiuS aus dem Lande der rethen lzrde. die Zante mei ner grau. unS gesandt hatte. .Ein prächtiger Schinken, ein Icpi taler Schinken!" .Ja. wirklich ein herrlicher Schinken! Weißt Tu. den koche ich in Burgunder und lade Gäfte dazu ein!" .Ich denke nicht daran." erwiderte ich aufbrausend auf diesen Porschlag meiner Frau, .Tu hast die eigenthüm liche Manie, alleZ Gute. daS unS inS HauS hereinschneit, von fremden Leuten aufzehren zu lassen! AIS ob wir solche Banausen wären, nicht selbst daS Gute für Zunge und Gaumen auch schätzen zu können. Sei so gut, liebe Fränzel. und schneide diese Perle eines weftmil fchen -chinkenS für unSganz allein auf! Hörft Tu. für unS ganz allein! Ich bin sogar nicht einmal dasür, daß daS ,Mädchen davon bekommt. Ein Tienftbote weiß solche Telikatesse gar nicht zu schätzen! Na ja, ich weiß ja. waS Tu sagen willst: In Teinem Hause bekomme das Dienstmädchen von allem ab. waS die Herrschaft esse! TaS ift ja recht gut und schön im Prinzip. Ader jede Regel hat ihre Ausnahmen, und ich meine, daß Tu nicht gerade mit diesem kostbaren Schinken das Mädchen voll zu süttern brauchst; Tu wirft dem Mädchen gar keinen besonderen Gefallen damit thun. Solche Delikatessen ver stehen Dienstboten gar nicht zu würdi gen; die essen den ebenso wie ganz ge wöhnlichen Schinken, ohne besonderen Verstand und Vernunft!" .Na, ich dächte wohl, nun hast Tu genug geredet." unterbrach meine Frau meinen Redestrom. .Tu weißt, lieber Mann." fügte sie hinzu, daß ich in WirthschaftZangelegenheiten allein be stimme und alle Topfguckereien nicht leiden kann. Tu wirft von dem Schin- ken zu essen bekommen, so oft ich es für gut halte. Und damit basta!" Sag' mal. Fränzel." rief ich meiner Frau, die den prächtigen westfälischen Schinken beim Wickel nahm und ihn in die Speisekammer tragen wollte, noch nach, wieviel soll ich Tir da nun eigent. lich von Teinem Wirthschaftsgelde ab ziehen für diesen Schinken?" . Nichts, mein lieber Mann! Ten Schinken hat Tante Aglaja mir ge schickt, und was ich dafür am Wirth' schaftsgelde erspare, geht in mune Kasse!" Ich weiß nun nicht, lieber Leser, ob Du eben solch' ein Freund eines guten westfälischen Schinkens bist wie ich, und ob Tu es mir daher nachfühlen kannst, wie sehr ich mich schon aus den ersten Happen von dieser Delikatesse freute, und wie groß meine Enttäuschung da her war, als zum Mittagessen nicht Schinken in Burgunder, fondern Enten braten auf dem Tisch des Hauses Prangte. Ich muß wohl ein sehr verblüfftes Gesicht gemacht haben, als die Ente aufgetragen wurde, denn meine Frau fühlte sich verpflichtet, mir das Erschei nen dieser Ente mit den Worten zu er klären: Tu mußt schon Teine Schi kenbegier noch ein enig zügeln! Ich kann des Schinkens wegen doch nicht die Ente, die ich gestern gekauft, fort werfen!" Na ja, das ist ja wahr; das sah ich ja auoz ein. Jcy flurzle micy aber nun mit um so größerer Wuth auf den Entenbraten und aß, so viel ich nur irgend konnte, davon, denn ich dachte bei mir. wenn davon noch viel übrig bliebe, sehe ich sobald von dem Schin ken noch nichts auf dem Tische. Meine gute kleine Frau mochte denn auch sehr bald die Ursache meines ungewöhnlichen Entenappetits errathen haben, denn sie glaubte mich mit den Worten be ruhigen zu müssen: Heute Abend wirst Du von dem Schinken bekommen!" Endlich war der große Augenblick gekommen. Tie Perle aus Westfalen prangte auf der Abcndtafel. Meine Frau schnitt die Rinde ab und legte dann einige Scheiben auf die Schüssel! .Du, Fränzel, der sieht köstlich aus!. Deine Tante Aglaja ist doch eine vor zügliche Frau! Sag' mal, haft Tu Dich auch schon bedankt?" Nein, ich will morgen einige Kuchen Plätzchen backen und sie der Tante als Revanche schicken; ich weiß, die schmecken ihr immer so gut! Ich habe bereits alles dazu eingekauft. Der Schinken scheint wirklich prächtig zu sein; hier. ' nimm einmal diese Scheibe!" Die erste Scheibe des köstlichen Schinkens lag auf meinem Teller, zwar nur eine kleine Scheibe von der Spitze, aber doch prächtig anzusehen; so zart und gar nicht durchwachsen, vollsafti gcs, kerniges Fleisch! Ich nahm mit Behagen einen Hap- pen in den Mund, .hm. hm!" Meine grau sah aus. Nun. wie schmeckt der Schinken? Tu bist ja so stumm?" fragte sie. Hm. Fränzel, wolltest Tu nicht dem Mädchen auch etwas von dem Schinken geben? Gieb doch, bitte, die ersten Scheiben hinaus! Ter Schinken scheint an der Spitze sehr gesalzen zu sein!" Meine Frau kostete. Brrr!" machte sie und mußte das Stückchen, das sie genommen, wieder ausspcien. Deri ist h nicht zu genießen! Ter Schinken ist ja ganz versalzen'." rief sie aus. .Na. doch hoffentlich nur die Spitze!" erwiderte ich. sie und mich tröstend. . Meine Frau schnitt noch einige Schei den ad. kostete und gab mir dann mt der zu kosten. Ader der Schinken blieb so versalzen wie die erste Scheibe. Nun. eS half nichts! Die Freude über den westfälischen -chinken war nur eben ganz gründlich versalzen worden. Ich nahm mir ein paar Scheiben und aß mit Todesverachtung. Meine Frau ad einen ausgehäuften Teller voll da von hinaus in die Küche; das Mädchen mochte glauben, meine sonst so wlrth schaftliche Gattin sei plötzlich der Himmel verhüte eS! geisteskrank ge worden. Wir saßen stumm bei Tisch und spülten den verfalzencn Schinken, so gut es ging, mit Bier herunter. Meine Frau schnitt ganz dünne, durchsichtige Scheiben, das versteht sie nach der ein stimmigen Meinung aller Dienstboten. die wir jemals hatten, ganz Vortreff lich. aber auch von diesen Transparent fchkibchen brannte unS die Junge ganz entsetzlich. Nach der Abendmahlzeit wollte keine rechte Stimmung bei unS aufkommen. Mich hatte die Schinkenenttäuschung doch zu sehr mitgenommen. Dazu brannte mir noch furchtbar die Zunge, und ich machte schließlich meiner Frau zur Aufheiterung der Stimmung und zur Kühlung der Zunge den Vorschlag, noch m ein Restaurant zu gehen. DaS thaten wir denn auch, und ich muß gestchen, daß ich mich nicht er- innere, jemals vorher eine so ansedn liche Quantität Bier durch meine Kehle gegossen zu haben, als an diesem Abend, Ja, als wir in unser Heim zurückge, kehrt waren, hatte ich schon wieder Durst, und ,ch sagte zu meiner Frau: Frän- zel. ich könnte wohl noch einen Schluck Bier vertragen! Meine Frau klingelte nachdem Mäd chcn. Marie, bringen Sie noch eine Flasche B:er herem!" Es ist keines mehr da, gnädige rau:- Aber, Marie, es waren ja noch drei Flaschen Bier m der Speisekammer! Ja, gnädige Frau, der Schinken war so gesalzen, und da mußte ich " JÄ mußte mit einem Gelächter her ausplatzen, was i'caue venutzte, um möglichst schnell zu verschwinden. Am anderen age meinte meine wirthschaftliche Gattin, es würde wobl für ihre fowohl wie für meine Kasse entschieden sparsamer sein, wenn sie die Perle aus Westfalen so nicht wieder auf den Tisch bringe. ' Es sei doch besser, den Schinken in Burgunder zu lochen; da werde wohl da Salz her auskochen. Ja. Fränzel." antwortete ick. ..thue daZ. Ader Tu wolltest 1a Gäste zu uns bitten. Weißt Tu. getheilter chmcrz ist nur halber Schmerz! Tann sind wir den Schinken eher , los. Wir können ja Licgenmais einladen, die find nicht besonders wählerisch im Essen, und den kleinen Müller mit sei ner Frau, die. uns im Jahre einen alten, zähen Gänserich vorsetzten. Dann können wir vielleicht noch meinen Kolle gen Lenz bitten und den Tr. Hiller. die ja durch das Restaurationscssen auch nicht allzu verwöhnt sind!" Meine Frau war mit dieser Lifte ein verstanden; ich schickte die Einladungen aus, und da alle die Eingeladenen bei uns besser zu essen gewöhnt sind, als bei sich oder in denReftaurants. in denen sie speisen, so nahmen sie mit Vergnü gen die Einladung an. Keine einzige Absage kam. worüber ich mich übrigens sehr freute, denn erstens glaubte ich wnlilly recht gastfreundlich zu sein, und dann auch rechnete ich mir schnell aus. daß da allzu viel von dem West fälischen Schinken nicht mehr übrig bleiben würde. Ten Rest könnte ja dann meine Frau dem Dienstmädchen geben, nachdem sie freilich vorher das Bier verschlossen haben würde. Der Abend unserer Gesellschaft' rückte heran und mit ihm unsere ,Gäste. alles liebe, gemüthliche Leute, die ich sehr gern habe, und mit denen man nicht allzu viel Faxen und Komplimente zu machen braucht. Liebe Freunde, Ihr sollt uns einen prächtigen westfälischen Schinken et zehren helfen, den uns die Tante mei- ner Frau, die gute liebe Frau Aglaja Tiburtius, aus dem Lande der rothen Erde gesandt, einen prächtigen Schrn ken. Ihr liebt doch Schinken in Buv gunder?" So redete ich meine Gäste an, Kollege Lenz schnalzte laut mit der Zunge, während mir die anderen Gäste in artiluurterer Weise meine Frage zu stimmend beantworteten. Ich ziehe nämlich," fuhr ich verteil' gend fort, die westfälischen Schinken den Prager und den holsteinischen vor, Sie sind entschieden kräftiger im Pökel.' Marie, welche mit der Perle aul Westfalen hineintrat, unterbrach meine kulinarischen Ausführungen. Ich sah meine grau an; das arme Rind saß in surchlvarer Erregung da. denn kurz be vor wir Platz genommen hatten, hatte sie mir noch zugeflüstert, daß auch das Kochen im Burgunder wenig genützt habe, der Schinken fei gerade so unge meßbar wie zuvor. Ich dagegen be wahrte meine ruhige Haltung und be obachtete mit stillem Vergnügen, wie der kleine Müller, der in ganz großer Fresser ist. sich die drei umfangreichsten Scheiben heraussuchte und auf seinen Teller legte. Endlich war Marie mit der Tisch- runde fertig, und wir ßen. Ich wagte erst nicht auszublicken, und ali ich dann schüchtern zu meiner grau hinüber schielte, gabelte und schnitt diese eisriz an einem kleinen Stückchen Schinken herum, ohne einen Blick vom Teller zu wenden. Sie war ganz roth im Gesicht und schien in furchtbarer Auf regung zu fein, als ob sie jeden Augen blick eine schreckliche Explosion be fürchte. Und diese trat denn auch sehr bald ein. Tie Stille, die unwillkürlich bei jedem Eaftmal zu herrschen pflegt, wenn die ganze Tafelrunde zu esien anfängt. wurde plötzlich durch den kleinen Müller unterbrochen, der einen furchtbaren Huftenanfall bekam. Puterroth im Gesicht und mit der einen Hand das Taschentuch vor den Mund pressend, saß er da und geftikulirte mit der ande ren Hand, indem er bald auf den Teller zeigte, bald auf sich selbst. .Aber, Müller, ift Tir etwas in die unrechte Kehle gekommen? Armer Kerl, wie Du hustest!" Nun aber waren die Zungen gelöst! .Ter Schinken ist allerdings etwa? start im Pökel!" meinte Liegenmaier. .Ja. Tu mußt schon verzeihen, lie ber Freund." sagte Lenz, .ich kann den beim besten Willen nicht, essen; Tu weißt ja. ich muß vorsichtig sein: mein Magen, der Arzt hat mir verboten!" Ich auch nicht." sagte Tr. Hiller. Messer und Gabel hinlegend, die paar Haare, die ich auf dem Kop habe, möchte ich doch gern behalten Ich darf so scharf gewürzte Sachen nicht essen!" Endlich hatte der kleine Müller feine Haltung wiedergewonnen. .Ter schrei liche Husten," entschuldigte er seine Stöl rung.daßderSchinken'so scharf gesalzen sein würde, habe ich doch nicht geahnt. Ich nahm gleich ein sehr großes stuck. Vorsichtig geworden, nahm er nun ein kleineres Stück, um auch sofort von neuem wieder mit einem Huftenanfall herauszuplatzen. Tann aber gab den Widerstand gegen den Schinken auf. Tie anderen Gäste hatten schon vov her die Messer und Gabeln m den Ruhestand versetzt, während ich mit Todesverachtung weiter zu essen ge zwungen war, da meine Frau die kräftige Pökelung" des westfälischen Schinkens mit den Worten: Ja, mein Männel liebt den Schinken so gef a zen!" entschuldigt hatte, welcher En schuldigung sie die Bitte anschloß, daß sich die lieben Gäste dasür am zweiten Gange schadlos halten mögen, der lh nen hoffentlich besser munden werde Und die lieben Freunde hielten sich schadlos. Ter kleine Müller meinte er müsse nun zeigen, was er leisten könne, sonst denke die Gastgeberin am Ende, daß ihre Küche ihm nicht behage und sei verletzt." und nun asz er darauf los als wenn er dafür bezahlt bekäme, und die Anderen folgten. lediglich um uns nicht zu beleidigen nach besten Kräften seinem Beiipiele, Ich wagte kaum, mir em Stückchen aufzulegen, aus Furcht, es könnte für die Gäste nicht mehr reichen, und es war wirklich recht knapp, denn meine Frau hatte ja darauf gerechnet, die Gäste würden den ersten Hunger mit dem westfälischen Schinken stillen. So stand ich denn hungrig vom Tisch aus und hatte das Gefühl, daß es mei ner Frau ganz ähnlich gehe, denn auch sie hatte ich nicht viel essen sehen. Endlich waren die Gäste fort. Nein, wie ich mich über den Schin ken ärgere!" rief meine Frau aus, als die Gäste nocd auf der Treppe waren Fast der ganze Schinken ist noch da! Und nun bereden uns noch Liegen maiers und Müllers, daß wir ihnen versalzenen Schinken vorgesetzt haben!" sag mal, Fränzel." sagte ich. haft Du nicht noch irgend etwas in der peifekammer für mich da? Ich habe entsetzlichen Hunger! Ich will einmal nachsehen. Ja. Männel, die Kuchen, die ich für Tante Aglaja gebacken habe, ich wollte sie mor- gen abschicken!" Her damit, Fränzel! Die Kuchen kriegt sie doch nicht! Um Gottes willen chicke ihr nicht einen Kuchen! Sie könnte auf den fürchterlichen Gedanken kommen, uns wieder einen Schinken zu senden: Wir hatten gerade an einem Schin ken genug! Wie er sein Ende eigentlich erreichte, weis; ich nicht zu berichten. , Als meine Frau am anderen Tage dem Dienstmädchen davon geben wollte. drohte Marie, sofort den Dienst zu btr lassen, wenn sie kein anderes Essen be käme, da sie sich, wie sie sagte, nach dem Schinken todt trinken müßte. Ich nahm keinen Bissen mehr davon; aber verwendet wird ihn meine Frau wohl haben, denn Fränzel ist eine sehr praktische Hausfrau, und in ihrer Wirthschaft darf nichts umkommen. Gefragt habe ich auch nicht mehr nach dem Schinken, aus Furcht, er könnte in irgend einer Gestalt wieder auf den Tisch kommen. Entsetzlicher Gedanke Verkettungen. Novolletie von A. Friedman (Berlin). Im Norden , Berlins, da wo sich Acker und Berg-Straße wie zwei Flüsse in die Elfasser Straße stürzen, tobt das Kindergeschrei. Eine laute, wüste Ju gend, die den Tag über in der Schule sich abmüht, wälzt sich des Abends int Spiel und Kampf auf den staubigen Gassen im kalten Schnee und Eis, und brin:t rrisiene Kleider und all' die Bazillen mit schönen Namen in'S El trrnhauZ. Im vierten Stock eine? der wo'.ken kratzenden Zinshäuser hatte sich ein junge? Arzt ohne Praxis und Vermögen m ein spanl'ches um sich auf einem luftiren. Kostüm geworfen Maskenball zu er .Franz Korn. Tr. med.. Tu kannst Tir das wahrlich einen Abend in der Woche, ach was. im Monat, im Jahre gönnen. Von frühester Jugend au haft Tu Tich geschunden und geplagt. Kollegia gehört. Leichen sezirt. Pra parate gemacht, nichts als Noth und Elend Anderer und Teiner selbst ge sehen wozu sich in kurze Spanne Jugend verkümmern und nicht eine Stunde austoben?" Er sah sich im Spiegel wohlgefällig an. denn er war ein hübscher junger Bursche mit dem modischen, sich au märt? kräuselnden Schnurrbart, den treuen, blauen Augen, und ordnete noch an seinem einem Händler entliehe nen Anzüge. Tie Eammetkappe stand ihm vortrefflich auf den hellen Locken Jacke und Beinkleid hoben seine ge schmeidigen Formen und der Fuß saß klein und zierlich im seidenen schuh Ein wallender Mantel lag aus einem Sessel. Bah." sagte Franz Korn. eS ist noch zu zeitig. Tu kannst Teine bau äugen galten ein wellen noch .n wenig zusammenlegen." und er ergriff ein Bucy. das idin in der Frühe ein Studienfreund geliehen Eine viel aufgeführte moderne Mäv chen Komödie eines Fin-de-siecle Shakespeare. Toktor Korn begann zu lesen. Er dichtete hier und da selbst und so war er für Schönes empfäng lich. Tie Stunde floh die Stunden rollten hinab in den schooß der Ver gangcnhcit. der Vergessenheit eS schlug Mitternacht. Erstaunt klappte er daS Buch zu und erwachte wie aus einem Traum. Er rieb sich die Augen. Nein, es war kein Zweifel! In fremdem Leid und An derer Freud' hatte er fein eigen Leidens dasein vergessen. Und morgen früh wieder um 6 Uhr aufstehen' Hatte er nicht miterlebt, was er gelesen? Konnte ihm so Schönes auf dem Balle werden den man stets phantastisch ausgeschmückt besucht, und von dem man immer tnt täuscht zurückkehrt? Er beschloß, nicht mehr auszugehen. Re ignirt setzte er sich an seinen Schreibtisch und faßte feine Gedanken in ein schnell entstehen des Sonett zusammen: Ich war bereit, zum Maskenball zu geh n, Als Ton Juan, gestutzt und bunt vcv kleidet. Ich sah sie schon, vom Frauenschmarm umneidet. Tie sich mit mir im Tanze sollte drch'n! Tie 'Töne hört' ich rauschend mich umweh n. Sah Räthsel kommen, wann ein Räth s fel scheidet, In Lust versank, um was mein Herz nun 'leidet. Da blieb vor einem Buch ich sinnend steh'n. Ich schlug es auf, und vor den Blicken rollte Ein Bild sich hin. so mie's der Dichter i wollte. Umschlang mich fest und hielt mich stumm gefangen. Ich jauchzte, weinte mit den Traum -Gestalten, Zwar wollt' ich fort; doch war ich fest gehalten, Und Nacht und Maskenball war längst vergangen. Da klopfte es leise an die Thür. Er Taute seinen Ohren kaum. Wer wollte etwas von ihm, nach der Geisterstunde? Patienten hatte er keine, Liebschaften ebenso wenig, Freunde pflegten ihn zu anderer Zeit zu besuchen. An Gespen ster glaubt kein Mediziner. Herein!" fagte Franz Korn war tungsvoll. Em armes Weib stand vor ihm. Er kannte sie. Sie lebte mit einem fleißigen Arbeiter, ihrem Manne, und zwei oder drei Kindern noch eine Treppe über ihm, aus dem Boden, im fünften Stocke. Sie sah verhärmt und bekümmert aus. Em seltsames Leuchten überflog ihr Gesicht; waren es Thränen im Auge, war es ein wie über sich selbst unwilliges Lächeln um ihren Mund sie starrte den Mann in der spanischen Verkleidung an und wußte nicht Worte zu finden. Ein seltsamerer Gegensatz, als die Beiden, ließ sich auch kaum den- ken. Hier ein junger Arzt, eben noch bereit, einen Fafchingsscherz zu suchen da eine bekümmerte Mutter, die Hülfe suchte für ihr sterbendes Kind. .Ach Herr Doktor, icy seye. icy omme ungelegen. Aver l yaoe von Ihnen gehört, und wenn sie nur sür einen Augenvllci , sie oracy in Schluchzen aus und fiel vor ihm auf die Kniee nieder, sie haben sich den ganzen Abend im Staube gewälzt, die Jungens; mein Anton liegt im Fieber, der ganze Hals ist schneeweiß oh er stirbt kommen sie mit hinauf," bat sie verzweifelt. Dr. Franz Korn hatte den erus des Mitleids gewählt. Zu jeder stunde desTages und der Nacht, darauf war er vorbereitet, mußte er dem Tode in's Antlitz sehen können, fremdem Sterben j und seinem eigenen, denn die Gefahr ist I immer nahe. Er steckte rasch ein paar Phiolen und Instrumente zu sich und folgte der weinenden Mutter. Als sie hinaustraten, kamen Schritte und Stimmen die Treppe herauf. Er mußte einen Moment warten, denn man begegnete sich auf der Treppen biegung. ES waren die Leute, die ihm gegenüber wohnten, und die er nie beachtet, nie gesehen. Ter Vater, ein reich gewordener Leinenhändler. trug eine Lampe, die schwerere Mutter keuchte hinten nach: aber srisch. frei und flügge, mit abgeworfener Man Nlle. die chultern und Arme blosz. in reizender Ball-Toilette sprang LouiS chen Müller, da? Töchterlein. voran. Als sie Tr. Korn'S ansichtig wurde. schlug sie verschämt den Ballumhang wieder um den schönen Nacken, und ein schelmisches Lächeln huschte über daS noch von der Tanzfreude fanft geröthete Madchcnangefichtchen; denn, so tragisch die Situation auch noch im fünften Stock sein mochte, der Tr. tficrnz Korn. der ihr manchmal schon im Hause bt gegnct war, nahm sich als Ton Juan neben der abgehärmten Arbeiter-frau doch recht komisch aus. .Was. um Himmels Willen, ift denn so spät noch los. Frau Weber?" fragte LouiSchen Müller. .Ach. liebes Fräulein." jammerte die Frau, mein Anton stirbt uus oben unter den Händen weg, und da hab' ich unseren einzigen Toktor hier im vausund in der Strake gebeten, er möchte doch retten kommen! Hier, den Toktor Franz Korn!" Und wie vor stellend deutete sie bald auf ihn, bald auf feine Visitenkarte an der Thür, Die beiden jungen Leute verbeugten sich und sahen sich beim Scheine der Lampe und des' Weber'schen Stearin lichteö in die blitzenden Augen, dann verschwanden die Visionen, und auf der Treppe des riesigen Micthshauscs war es Nacht. Im fünften Stock in dem ärmlichen Zimmer sasz der Vater Weber, über arbeitet, schlaftrunken, am Bette seines Anton. Zwei andere Kinder schliefen fest in dem von der unheimlichen Seuche heimgesuchsen Gelaß. Ter Knabe röchelte, er lag in Schweiß gebadet, und dennoch liefen Fieberschauer überfeinen schwächlichen, fröstelnden Körper. Als er den Toktor in seinem phantastischen Maskenkostüm erblickte, fing er an zu weinen, sich zu sträuben und wollte sich nicht berühren lassen. Tann aber plötzlich, wie von Gedanken gepackt, dies sei ein überirdischer Gesandter des Himmels, gab er sich willenlos dem prüfenden, eingreifenden Mann preis. Und dann lag der Knabe da wie todt. Korn schüttelte das Haupt. Bater und Mutter athembcraubt. warteten, wie arme Sünder auf ihr letztes Ttündlein, auf das Berdikt'dcs Arztes. Indessen hatte Tr. Korn mit einem Instrumente den Hals des Knaben ge- reinigt. Mit Hülfe der Eltcrnatte er ihm Teipentin in den Mund gethan und den Bewußtlosen auf den Kopf ge stellt ein Versuch, der manchmal bei solch' verzweifelten Fällen Heilung bringt. Endlich spritzte Tr. Korn dem röchelnden Knaben noch von dem erum ein, dann ließen sie der Natur ihren Lauf und wachten alle Trci bis zum Morgen an dem Bette des Kranken. Toktor Korn dachte an seinen ersten Maskenball dieses arbeitsamen Winters. So war er nun ausgefallen Zerschlagen erwachte er im Frühgrauen aus einem wehen Halbfchlummer. Ter Knabe schlief und athmete fanft und regelmäßig. Tie Eltern küßten de Arztes Hände und weinten. Als er hinaustrat gedachte er auch der Vision von gestern Abend. Und da stand sie vor ihm: Louischen Müller. und sie fragte: Nun. Herr Doktor wie geht s dem kleinen Anton Weber?" Ich denke gut. mein Fräulein, aber bleiben Sie fort von uns und unserer Nähe, bis wir ein wenig frische Luft geathmet haben! Tie böse Krankheit ucht sich oft die schönsten Opfer aus Tarf sich denn die Frau eines Tok tors fürchten ?'' fragte Louischen Müller, nnd reichte dem Tr. gränz Korn ver heißungsvoll die Hand. Russische Tchmugglcrstückchcn. Tie Ersindungsgave der russi chen Schmuggler, den Zollbeamten! und Grenzsoldaten da, wo es geht, ein Schnippchen zu schlagen, ist sehr groß Aus prcuszi cher seile tcyt ein Wirthshaus, etwas hoch gelegen, so daß man aus leinen izen lern einen ius- blick hat auf das nahe Flüßchen. die Grenze zwischen Preußen und Rußland, und auf eine Windmühle, die sich drüben auf russischer Seite erhebt, Zahlreiche russische Schmuggler sind im Lokale um die ranntweingiü er der ammelt. Plötzlich kommt Bewequna unter die Pascher, die Windmühle be- wegt langsam ihre Flügel, sie stehen ill und bewegen sich wieder. Rasch ergreifen die Schmuggler große Packcte. die in einem Nebenraum liegen, und eilen damit der russischen Grenze zu. Sie kriechen fast am Boden, durchwaten das Flüßchen und find glücklich drüben angelangt, ohne daß sie die russischen Grenzwächtcr erwischt haben, trotzdem es heller Tag ist. Einer dieser Schmuggler war näm lich mit Pferd und Wagen auf der Landstraße dem eigentlichen Grenzübcr gange entgegengefahren. Nahe diesem Punkte veranlaßte er. daß sein Pferd in rasendem Galopp dahinflog und in entgegengesetzter Richtung von dem preußischen Wirthshaus über die Grenze ftürzik. Kaum sahen daS die Grenzde amten. als sie alle hinter dem Durch trenner herjagten. da sie auf dein Wagen zollpflichtig, Gegenstände ver muthkten. Auf diesen Augenblick hatte der Windmüller gewartet, der mit den Schmugglern im Einverftändniß war: durch daS Umdrehen der Mühlenflügel gab er das verabredete Zeichen, daß die Grenze ander betreffenden Stelle jetzt frei fei. So brachten die Schmuggler ihre Seidendallen glücklich über die Grenze. Während dieses Schmuggel ftückchen sich abspielte, brachten 'die Grenzsoldaten das durchgehende Pferd zum Stehen und sie fanden, daß der Wagen nichts Zollpflichtiges enthielt. Tem Führer des Wagens, der sich als russischer Unterthan legitimirtc und an gab. sein Pferd sei durchgedrannt, konnte man natürlich nichts anhaben. In einem anderen interessanten Fall fand im Winter an einem Grenz flüßchen. das zugefroren war. ein großer Schneeballenkampf statt. Hüben und drüben standen die Werfer, die sich nach Herzenslust bombardirten, und die russischen Grenzsoldaten und Kosaken sahen in einiger Entfernung diesem lustigen Treiben lachend zu. Sie ahn ten nicht, daß bei dieser Schneebällen schlacht für 12.000 Rubel Brüsseler Spitzen nach Rußland hinübcrgepascht wurden. Tie Schmuggler auf preußischem Boden packten nämlich die in aanz kleinen Blechdosen gelegten Spitzen in chneeballcn hinein und bewarfen da- mit die jenseits deS FlüßchcnS stehen den Schleichhändler. Tiefes scheinbar harmlose Vergnügen konnten die Pascher jedoch nicht wiederholenweil einige Tage darauf bei der russischen Zollbehörde eine Denunziation einlief, in welcher dieser Koup verrathen wurde. AIS in neuerer Zeit die russische Regierung eine hohe Prämie auf guten gereinigten Spiritus, der aus Rußland ausgeführt würde, festsetzte, um den russischen Tpiritusexport zu heben, zogen die Schmuggler auch daraus Nutzen. Sie ließen sich große Tonnen wagen bauen, wie sie zur SpirituSaus suyr benutzt werden, füllten aber die Tonnen mit Wasser, und nur oben am Spundloch war e,n kleines Reservoir mit dem besten Spiritus vorhanden, das gegen den übrigen Inhalt der Tonne gut abgeschlossen war. Beim Grenzübergang prüfte dann der russische Beamte den Spiritus, fand ihn ausac zeichnet, und den Schmuggler wurde die Exportentschädigung im Verhältniß zur Größe des Fasses anstandslos aus gezahlt. Ein rul cher Schmuggler erhielt den Auftrag, für viele tausend Rubel Edel teine und ko bare Spiken nach Ruk- land einzuschmuggeln. Dieser Pascher erschien an der Grenze und führte in dem Gepäckwagen des ZugeS eine Leiche mit sich, angeblich die Leiche feines Bruders, der in Rußland begraben werden sollte. Ein solcher Leichen transport, der ja öfters vorkommt, fiel nicht auf; die Leiche passirte anstands los die Grenze, obwohl die Zollbeamten den Sarg geöffnet und denselben unter ucht hatten. Aber die Hauptsache entdeckten sie nicht, daß nämlich der Leiche die Eingeweide herausgenommen und in die so entstandene Höhlung die Diamanten und Spitzen gelegt waren. rotz des immerhin beträchtlichen Gewinnes, den der russische Schmugg ler erlöst, ißt er doch nur ein bitteres Stück Brod, denn er liegt stets in einem gefährlichen Kampfe mit den Zoll, bcamten und Kosaken, und unaufhör lich bedrohen ihn Verfolgung, Strafe und Tod. Blinder Eifer. - Von Gcvaert. dem Leiter des Konscr vatoriums in Brüssel, erzählt man sich jetzt in dortigen Musikkreisen ein hüb sches Gcschichtchen: Die letzte General probe der Konfervatoriumskonzcrte wurde von Gevaert. dem Direktor, per sönlich geleitet. Der belgische Meister ift leicht reizbar. Plötzlich hört er im Saal ein leichtes Geräusch, das durch das Rücken eines Stuhles veranlaßt war. Mit einer heftigen Bewegung läßt er fein Orchester aufhören, dreht sich l!nt sieht einen Herrn, der sich auf den Spitzen feiner Lackstiefel zurückzieht, und schreit ihn wüthend an: Mein Herr, ich mache Sie darauf aufmcrk fam, daß die Zuhörer hier nur geduldet sind, und daß ich durchaus nicht zu gebe, daß man mich stört..... Thür sicher!" fügt er dann in seinem braban- tischen Dialekt hinzu, schreiben Sie den Namen des Herrn, der da hinaus geht, auf. damit er zukünftig nicht wie der auf die Liste der Eingeladenen ge setzt wird!" So geschieht es. und als die Probe zu Ende ist, wird der Thür sicher gerufen, um den Bericht zu er statten. Herr Direktor, die Person. die während des Konzerts hinausge gangen ift, war der Herzog von Pen dome. Monseianeur läßt sich tausend- mal entschuldigen, aber er wurde um zwölf Uhr bei Seiner Majestät dem Könige erwartet, er war zum rübstück eingeladen und konnte nicht gut aus bleiben " Gevaert befaß noch vier Haare als einzigen Hauptschmuck. Seit jenem Tage aber hat er sie nicht mehr. Böse Zungen behaupten, er habe sie sich ausgerupft .... r kent sich. Heut ist Sonnabend. Du ,iebft ia Deinen Sonntagsrock an?" .Bis ich nack Kaufe komme, ift' schon Sonntag." i O