Das Modell. ir.shluizg vv I. O. Ha!'. Jean Gillot war vor einem haldea Jahrhundert der unvndenerlichfte Strolch und Vagabund in ganz Be! gien. Zur Arbeit nicht zum Müßig gang bin ich auf dieser Erde!" So im gefähr war sein Wahlspruch, und seine Beschäftigung Kar Landftreichen. Bet. teln und gelegentlich auch Stehlen. Zwar zählte er erft dreißig Jahre, aber eh! schon mehr als dreißigmal hatten sich die Polizeibehörden seines Vater landeZ angelegentlich mit ihm besassen müssen. In saft ebensovielen Gefäng. niffen und Ttrafarbeitshäusem hatte er hinlängliche Gelegenheit gefunden, eingehende Studien über deren innee Zustände anzuftcllen. Im Winter ließ er sich daZ auch im Grunde ganz gern gefallen; da war ihm eine solche Versorgung, die ihn der Mühe überhob, sich selber nach Woh. nung und Beköstigung umzusehen, ganz recht. Kam aber der holde Lenz heran mit warmem Sonnenschein, milden Liften, lieblichem Lerchensang und dus. tender Blumen und Blüthenpracht, dann hielt er es nicht länger aus hinter den öden Kerkermauern. Vielmehr zog wie mit Zaubergewalt die Sehnsucht nach der goldene Freiheit in seine Seele ein. All seinen Witz, seinem Scharfsinn, seine Ersahrun in Liften und Kniffen bot er auf. um zu ent. wischen. Und gelang eS ihm. so er freute er sich während einiger Wochen oder gar Monate des Genusses der un beschränkten Freiheit auf seine besondere Art und Weise, bis er wiederum wegen Betteln und Herumftreichens. wegen Feld oder Wilddiedftahls erwischt und eingesteckt wurde. Im Februar, März und April des Jahres 1850 hatte das StrafarbeitS Haus zu Namur die Ehre, ihn bcher bergen und beköstigen zu dürfen. Man hätte ihn eigentlich auch gerne von Rechts wegen noch drei Monate länger dort behalten, denn das strafrechtliche Urtheil, welches gegen ihn ergangen war, lautete auf sechs Monate Arbeits Haus, und man hatte ja gewiß höheren Orts geglaubt, daß eine so lange Zeit dauer zu feiner heilsamen Besserung unumgänglich ilöthig fei. Doch mit 'dem ersten Tage des Wonnemonats war, wie gewöhnlich, der unwiderfteh liche Freiheitsdrang in Jean Gillot er wacht und hatte ihn alsbald vcran laßt, mit Erfolg eine seiner gelungen, ften Entweichungen in's Werk zu setzen, deren finnreiche Art von den Beamten deS Strafarbeitshauscs und der Polizei von Namur zwar nach Gebühr bewun dert wurde, was diese Herren aber frei, tick nickt verbinderte. mit allem Eifer nack dem Flüchtling fahnden zu lassen. Denn so sind solche Polizeileute und Kriminalmenschen ja: sie sühlen sich schwer aekränkt. wenn ein undankbarer Häftling auf ihre fernere Gastfreund, schaft verzichte, sie vor der ihm fürforg. lich zugemessenen Zeit verläßt. Nach seiner nächtlichen Flucht zog Jean nach nordwestlicher Richtung, dem schönen Brüssel zu, der reichen Haupt ftadt feines Paterlandes. Vor dem Landgendarmen und sonstigen Häschern nahm er sich so in acht daß er unter. Wegs in der That nicht gefaßt wurde. Am Abend des dritten Mai gelangte er ganz in die Nähe der Hauptstadt, bis zu dem im Südosten derselben belege, nen kleinen Gehölz, welches später Park Leopold" genannt wurde. Er hätte gewichtige Gründe, sich nicht vor Anbruch der Dunkelheit in die Stadt zu wagen, wo die aufmerksame Polizei ihn nur gar zu genau kannte. Erst spät in der Nacht wollte er er sich zu einem aemütblichen. vorurthcilslosen Keller. Wirth in der Güdulstraße schleichen, wo er einige befreundete Genogen zu finden hoffen durfte und durch deren Groß muth einige Labung an Speise und Trank.' Denn er hatte keinen einzigen Centime in der Tasche und den ganzen lebten Taa nichts weiter gegessen, als ein großes, käsebelegtes Butterbrot, welches ihm eine mitleidige alte Bäuerin in dem weltberühmten Dorfe Waterloo verabreicht hatte. In einem dichten Gebüsch zwischen hohen Bäumen suchte und fand er eine lauschige Stelle, die ihm fehr geeignet schien zum vorläufigen Ausruhen nach dem langen Wandern. i er lieg aver niederleäte. stieß er mit dem Kopfe an einen Gcaenstand. der seine Aufmerk lamkeit erregte. Ein Säckchen war's, welches irgend jemand dort im Dickicht verborgen hatte. Jean hob neugierig das eaaajen am uno immieue , ., v . . . r ..w i j.:iii.u. Es klana metallisch klnrend, ehr ver- ! hcißungsvoll. Das Glück läßt mich hier einen Schatz finden," murmelte er vergnügt. Sieh da sieh da, jetzt bin ick aus aller Noth! Er öffnete den Sack nnd musterte deffen Inhalt im, abendlichen Zwielicht In der Hoffnung, Geld gesunden zu haben, sah er sich jedoch zu seinem Leid, trafen aründlich getäuscht. Das Sä& eben enthielt nur ein zusammenllapp- n l.(.s U L . L . 3 oares, aus oqiem oimji grulvcitrics Brecheisen, ein Bündel Dietriche, eine Rleckschacktel mit Talg oder einer ähnlichen weichen Substanz, eine kleine Blendlaterne mit einem Lichtstumpf darin und eine Schachtel Zündhölzer, also so ziemlich alles das, was ein er. fahren Einbrecher zu seinem Geschäft bedarf, wenn es nicht gar zu sehr in's Große und Schwierige geht. Ein fol chzr mochft 'wohl zu irgend welchem Zwecke oder aus irgend einem Grunde den Sack x hier im Gehölz verborgen. haben; vielleicht saß er jetzt irgendwo in einem Gefängnisse und freute sich, daß er sein Handwerkszeug so gut verwahrt hatte. Jean, dessen Gewissen überhaupt ungeheuer weit war. trug unter solche Umständen natürlich gar lein Bedenken, sich deS Fundes zu bemächtigen. Zuerst erwachte ein merkantiler, Instinkt in ihm; er dachte : .Wenn ich in Brüssel einen sachverständigen Liebhabe? und Käufer für diese nützlichen Artikel finde, so könnte mir das schon etliche Franken einbringen." Dann aber kam ihm die freilich nicht grundlose Besorgniß: .Wenn mich die Polizei aufgriffe und diese Sachen bei mir fände was dann? Jedenfalls würde sie glauben, daß ich ein Einbrecher geworden sei. Tann geht mir'S schlecht, und ich komme in's Gefängniß, wohl gar in's Zuchthaus, denn die Unschuld muß diel leiden!" TaS verdiente wohl reifliche und sorg, liche Erwägung. Bisher war Jean Gillot nur ein ar deitsfcheuer Landstreicher und gelcgent. lich kleiner Dieb gewesen, der allenfalls die Wüsche, die er brauchte, von den TrockenzSuncn stahl, oder NahrungS. Mittel, wenn sich ihm günstige Gelegen heit dazu bot. und der Hunger ihm Muth zu solchen Thaten verlieh. Nur mit Kleinigkeiten hatte er sich also seit her abgegeben, an Größeres sich noch nicht gewagt. Jetzt aber, im Besitze des geeigneten Wertzeugs, erwachte in ihm je länger er darüber nachsann, der Be. ruf zu Höherem. . Warum sollte ich das nicht auch fertig bringen können ?" dachte er über legend. Dieser Fund, den ich mächte, ist ja gewissermaßen ein Wink deS Schicksal's. Ein gutes nächtliches Ein druchsgeschäft könnte einem armen Schelm, wie ich einer bin. sofort auf die Strümpfe helfen. DaS kann doch auch gar nicht so schwierig sein. So oft schon habe ich meine Kunst als Ausbrecher be. wiesen, warum sollte ich denn nicht 'mal zur Veränderung als Einbrecher arbei ten ? ' Hier nahebei sind schöne Land. Häuser, in welchen sicherlich reiche Leute wohnen. Wenn ich da m irgend emem Hause eine gute Beute machen könnte, dann würde ich als ein ganz anderer Kerl in Brüssel erscheinen und meinen guten Freunden viel willkommener lern als wenn ich ohne einen Pfennig in der Tasche ankomme. Vielleicht ist mir gar das Glück hold, und ich finde eine großl Summe. Tann kann ich nach Amerika gehen und herrlich und in Freuden leben- Wie viele reiche Leute giebt es die ihr Geld auf keine ehrliche Weise erworben haben und doch angesehen und geachtet sind! Also nur Muth!" Unter solchen spekulativen Gedanken und Plänen verstrich ihm die Zeit. Die Dämmerung brach herein, dann die Nacht mit klarem Himmel und prächtig schimmerndem Sterngcfunkel. Er hörte wie die Thurmuhr der Gudulakirche und dann die der näheren Bonifazkirch die Mitternachtsstunde schlugen. Br nach ein Uhr Nachts wartete er geduld big; dann aber erhob er sich von seinem Lager und schlich behutsam aus dem Gehölz in's Freie. Er gerieth auf die Landstraße und nach zehn Minuten kam er bei einem schönen einsamen Landhause an; er stieg über das niedrige Gitter deS .Vorgärt chens, nachdem er durch sorgiames Um hcrfpähen sich vergewissert, daß Niemand auf der Landstraße fei, der ihn und sein Treiben beobachten könne. Niemand war zu sehen, alles still und ruhig. Als er aber seine Dietriche in dem Schloß der Hausthüre problrte, was nur ein ganz leises Geräusch verursachte, erscholl plötzlich drinnen das wüthende Gekläff eines kleinen Hundes. Eiligst wich der Einbrecherdebütant zurück und sprang über das Gitter, sich hinter einem nahen Bretterzaun verbergend. Es war auch die höchste Zeit gewesen. Im Hause öffnete oben jemand geräuschvoll ein Fenster und spähte hinaus. Verwünschtes Hundevieh !"' mur melte Jean. In diesen! Haufe ist heute kein Geschäft mehr zu machen." Unter dem Schutz des Bretterzaunes schlich er davon, trat dann auf die Landstraße hinaus und bekam bald, westlich von dem Gehölz, ein anderes, noch größeres Landhaus in Sicht, das etwas versteckt lag zwischen hübschen Gartenanlagen und malerischen Baumgruppen. ' Hier versuchte er wieder sein Glück, indem er das Elnsnedigungsgitter über stieg und zur Hausthüre hinschlich Allein hier versagten seine Dietriche; er verstand es wohl nicht, sich derselben richtig zu bedienen. Doch im und beim Hause war alles todtenstill, es schien wie ausgestorben zu fein; und so auch im kleineren Nebengebäude, das wahv fcheinlich eine Gärtmrswohnung enfc hielt. Jean beschloß also, die Sache anders anzufangen. An einer Stelle konnte er auf einen großen Oleander kübcl steigen und bis zu einem Fenster des Hochparterres hmaufgelangen. Das that er. Den kleinen Sack hatte er mit der talqähnlichen Maffe auö der Blech schachte! bestrichen; nun drückte er damit eine große Glasscheibe des Fensters ein, fast ganz geräuschlos, weil die Scherben an der klebrigen Masse haften blieben Es gelang ihm, die untere Haspe mit der Hand und dann die obere mit Zu Hilfenahme des aufgeklappten Brech eisens aufzuftoßen; darauf zog er den Fensterflügel sachte auf und stieg in's Zimmer, nachdem er ein niederhängen- des Rouleaux zurückgeschoben. Er -befand sichln einem so dunklen Raum, daß er gar nichts deutlich zu unterscheiden vermochte. Einen, eigen- thümlichen. doch nicht unangenehmen Firnisgeruch verspürte er. Unverweilt zündete er feine Blend latcrne an und hob sie hoch. Umschau zu halten. ES war ein sehr großes, prächtig und phantastisch ausgestattetes Ge mach, halb Kunftsalon. halb Maler, atelier. An der einen Seite, nach Ror den zu. befand sich ein ungeheuer großes Fenster, verhüllt m,t einem neflgen Vorhang. Auf einer Staffelei stand ein beinahe fertiges Gemälde zu schauen. Kunstwerke ganz besonderer Art. Dem braven Jean Gillot sträubten sich die Haare zu Berge, als er voller Entsetzen diese Bilder anstarrte. Auf einem großen Gemälde war ein menschenähnliches Ungethüm zu sehen. das aber nur ein einziges diabolisches Auge, und zwar mitten auf der Stirn hatte. Jean war selbstverständlich in seinem Vagadundenl'ben niemals dazu gekommen, die griechische Literatur zu ftudiren. hatte demnach vom alten Vater Homer und dessen poetischen Leistungen nicht die geringste Kenntniß. niemals hatte er etwas von dem em äugigen Riesen Polyphem gehört. Er konnte also unmöglich das auf dem Bilde mit furchtbarer, geradezu dämoni scher Kraft der Charakteristik Darge stellte begreifen, wenn er auch erkannte. daß eS sich da um offenbare Menschen fressen! der grausamsten Art handelte; denn das einäugige Ungethüm war eifria und aieria beschäftigt mit dem Verschlingen eines Menschen. Aber das war noch lange nicht das Acrgftc. Ein anderes, noch grausigeres Bild erblickten Jean's Augen: Die Vision eines Enthaupteten." Und dann sah er schaudernd noch andere gemalte Schreckensbilder, endlich eines lebendig Begrabenen." Das war gar zu viel für die durch Hunger. Anstrengung und Aufregung ohnehin geschwächte Kraft deS fönst ziemlich hartgesottenen Sünders. Ein Schwindel erfaßte ihn; er taumelte zw rück und stieß dabei einen zierlichen Ständer um, auf welchem kostbare Porzellanvafcn und einige hohe veno tianische Ziergläser standen. Das gab ein gewaltiges Getöse und Geklirre. Wo bin ich hinaerathcn?" murmelte im Uebermaß des Schreckens Jean In der Hölle kann's ja kaum ärger sein! Sehe ich all dies Graufenvolle wirklich? Oder ist's vielleich nur tolle Täuschung? Träume ich dies nur? Bin ich gar nicht eingebrochen in dies Haus? Schlafe ich. dies Tolle träu mcnd draußen im Walde? Bin id wahnsinnig?" .'. . . fechnllc Klingeltüne erichollen im Hause; Thüren wurden oben und unten auf und zu geschlagen; die Stimmen und Schritte herbeieilender Leute wuv den vernehmlich. Monsieur Wiertz, es sind Diebe im Hause!" schrie draußen jemand. . Wo denn?" fragte ziemlich gelassr nen Tones eine ernste Stimme. Es scheint im Atelier." .Was im Atelier?" rief aufereg- ter die erste Stimme. Handelt es sich etwa nicht um mein Geld, ist es bieu leicht auf den Raub meiner Bilder abge sehen?" Tie Thüre zum Atelier wurde auf. gerissen. Drei Männer, nur nothdürf. tig bekleidet, stürzten herein; anscheinend Diener des Hauses. Jean, vor Entsetzen fast gelähmt, befand sich in einem so kläglichen Zu stände, daß er sich zur schleunigen Flucht durch Fenster ganz unfähig fühlte.. Ein Bild der Furcht, des Elends, des Hungers, so kauerte er in einer Ecke. Ta ist er!" rief der Kutscher und hob ein mitgebrachtes Licht hoch. Ergieb dich, Schurke!" schrie der Diener und richtete den Lauf einer Pistole auf Jean. Ach, Gnade, Barmherzigkeit!" stöhnte dieser. Ich bin ein Unglück- licher. Dies ist mein erster Versuch im Einbrechen ich schwör's, das ist die Wahrheit! O laßt mich gehen, ich will's auch nie wieder thun." Die drei Diener lachten höhnisch. Jetzt trat, gehüllt in einen bunt- seidenen Schlafrock, hastig ein kleiner, bleich und nervös aussehender Herr mit lockigem Künftlerkopf und geistreicher Miene in das Atelier. Gaspard!" Herr Wiertzl" ' Ist das klägliche Subjekt da der Einbrecher?" j Jawohl. Den will ich mir doch einmal recht genau besehen. Haltet das Licht höher. Willems! Baptiste, zündet geschwind die Kerzen des Kandelabers dort an!" Dies geschah, und es wurde nun sehr hell im Atelier. Der seltsame Künstler musterte mit durchdringendem Blick den nächtlichen Einbrecher, und immer entzückter, als wären sie von dem Resultat dieser idchau au s vöaz te befriedigt, leuchteten dabei seine Augen. Herr Wiertz," bemerkte der Die ner, seyen feie doch, der Mensch hat die große Fensterscheibe da zerbrochen." Tas macht nichts. Der Glaser ann ja morgen eine neue Scheibe ein- etzen." Er hat die Vasen und Gläser zer- trümmert." Auch daran ist nicht viel gelegen. Ich kaufe neue Sachen zur Dekoration. Der Anblick dieses Menschen ist mir ehnmal mehr werth." Wenn ich nicht selbst wahnsinnig bin, so befinde ich mich doch gewiß jetzt bei Wahnsinnigen." dachte zitternd Jean Gillot. Und er begang kläglich um sein Leben zu betteln. .Vortrefflich!" ries der Maler. .ES könnte gar nicht besser sein. Geschwind Papier und Stift her! Ich muß diesen kostbaren Ausdruck festhalten, sofort, auf der Stelle, denn dergleichen kommt vielleicht nie wieder: Welch ein Herr licher Studienkof! Und die ganze Jam merfigur dazu: Wie gemacht für mein neues großes Gemälde: .Hunger, Wahnsinn und Verbrechen," welches mich jetzt beschäftigt." Und er begann mit vielem Elfer zu zeichnen. .Herr Wiertz." sagte Easpord. .es wird wohl am richtigsten sein, unvev züglich die Polizei zu benachrichtigen Nein! Störe mich nicht das soll unter keinen Umständen geschehen." .Aber Herr Wiertz, warum denn nicht?" .Weil ich selbst diesen Menschen einige Zeit be: mir behalten will. Ich be trachte eS als einen der größten Glücks sälle meines LebenS. daß er so be, Nacht zeit ganz unverhofft mir in'S HauS at stiegen ist, denn ich will ihn als Modell haben für drei oder vier Wochen." So genau Gaspard, Baptiste und WillemS die Schrullen ihres genialen Gebieters kannten, jetzt machten sie doch höchst erstaunte Gesichter. .Mensch. Ihr habt viel mehr Glück als Ihr verdient," .sagte der Tiener zu Jean. Dieser betheuerte noch immer sein Unschuld, indem er versicherte, eS sei sein erster Versuch im Einbrechen und er wolle es gewiß nie wieder thun. Die Werkzeuge habe er gefunden, und dieser ganz zufällige Umstand ihn zu dem un ternehmen verleitet. Wie heißt Ihr?" fragte ihn der Maler. Der Vagabund nannte seinen Namen und gab dann auch noch weitere AuS kunft, indem er seine klägliche Lage schilderte. Es ist gut, ich glaube Euren Wov ten," sprach der Künstler. Gewiß, Hunger und Elend führen zum Wahw sinn und Verbrechen; das ist es gerade, was ich jetzt malen will und wozu ich Euch so gut brauchen kann Zehn Franken täglich zahle ich Euch, wenn Ihr bei mir bleiben wollt." Jean, höchlichst verdutzt und über rascht, stammelte zerknirscht und gerührt Tankesworte. Schon gut." wehrte der Maler ab Jetzt seid Ihr gewiß recht hungrig? Habe den ganzen Tag nichts weiter genossen als ein Butterbrod, das mir eine alte Bäuerin in Waterloo schenkte, Sogleich sollt Ihr zu' essen bekom men, obgleich dies eigentlich gegen mein Interesse ist. Doch zum Glück habe ich Euren hungrigen, verzweifelten und angstvollen Gesichtsausdruck ja schon fest auf dem Papier." Wirklich hatte Wiertz bereits mit eini gen stüchtlgen. kuvnen tncyen die Studie vollendet. - Dann rief er feinem Tiener zu: Weckt die Köchin!" Sie ist schon aufgestanden," wurde ihm geantwortet. Sehr gut! Geht jetzt dort hinein in's Nebenzimmer, Gillot. Holt Wein für ihn und etwas Gutes zu essen, wa gerade da ist. Auch soll rasch Kaffee bereitet werden. Im kleinen Fremdew zimmer oben in der Mansarde soll mein kostbares Modell schlafen." Rasch entsprach man diesen Befehlen. Der hungrige Vagabund wurde auf's reichlichste und beste bewirthet. So gut hatte er es in seinem ganzen Leben noch nicht gehabt. Dann legte er sich zur Ruhe in einem behaglichen Stübchen oben. Und vor dem Einschlafen mur melte er : Wohl noch niemals hat ein Anfänger im Einbrecherqeschäft bei seinem ersten Versuch so viel Glück ge habt wie ich!" Antoine Joseph Wiertz (geboren im Jahre 1805 in Dinant) war damals vierundvierzig Jahre alt und in feiner eltsamen Art ein großes Genie. In einen jüngeren Jahren hatte er sich erfolgreich bemüht, dem großen Rubens nachzueifern; dann aber hatte der Künstler ganz eigene Pfade gesucht und gefunden, die ihn weit abseits führten von den gewöhnlichen Wegen der ffunst. In Brüssel gab 'es viele, die ihn für halb verrückt hielten, wie man ja auch chon andere hervorragende Kunftqenies für wahnsinnig gehalten hat. Er war ehr wohlhabend, kümmerte sich also gar nicht um Gelderwerb. Seine merk- würdigen Gemälde verkaufte er nicht: spleenbehaftete Engländer, starknervige reiche Russen und Amerikaner boten zu weilen große Summen dafür, doch er wies solche Anerbieten stets ab und be hielt in dem schönen Landhause, welches er sich hatte erbauen lassen, und m wel ches unseren guten Jean Gillot fein Schicksal geführt hatte, die vielen seit samen Meisterwerke feines Pinfels: Das Erwachen eines lebendig Begra denen", Die Vision eines Enthaupte ten", Kampf des Bösen mit dem Guten", Napoleon in der Unterwelt", Der Selbstmörder", Tie Ohrfeige einer belgischen Dame" (ein ganz be fonders grauenvolles Bild), Polyphem, einen der Gefährten des Odysseus der. speisend", Kampf um die Leiche des Patroklus", Die letzte Kanone", und noch andere. Und letzt also beschäftigte ihn das neue große Gemälde: Hunger, Wahn- sinn und Verbrechen", für das er in Jean Gillot ein so geeignetes Modell für eine der Hauptfiguren gefunden hatte. Der Landstreicher blieb mehrere Wochen im Hause deS Künstler und sah daS furchtbare Bild unter seinen Augen entstehen. ES übte einen heil losen Einfluß auf ihn aus. erschütterte sein Gemüth und zeigte ihm. auf welch verhöngnißvollem Wege er sich befinde. Ein besserer Mensch beschloß er zu wer den, in welchem löblichen Vorhaben der Maler ihn nach Kräften bestärkte. Als Jean, gekleidet in einen ihm geschenkten guten Anzug und reichlich mit Geld versehen, das HauS. in web cheS er auf solche sonderbare Art gelangt war, verließ, begab er sich nach Ant- werden, wo man ihn nicht kannte, und wurde da ein fleißiger und ehrlicher Hafenarbeiter. WaS in dreißig belgischen Gefäng. nissen und Strasardeitshäusern nicht hatte bewirkt werden können, daSbe wirkte sein merkwürdiges Abenteuer mir vem sellsamsien Maler, den es je gegeben. Wiertz starb im Jahre 18C5. Sein Landhaus mit den sämmtlichen Gemäl. den darin vermachte er letztwillig dem Staate unter der Bedingung, daß die Schenkung ein Museum fein und bin ben solle, was auch geschehen ist. Wenn man dies Museum Wiertz" besucht, muß man freilich außer dem nöthigen ernsten Kunstsinn auch noch recht starke und feste Nerven mitbringen. Der Schäffler Tanz. Aus München, 7. Jan.. wird gemel det: Das Straßenlebcn Münchens wird nun Tag für Tag für eine Reihe von Wochen, bis in die Fastenzeit hinein, durch ein eigenartiges Schauspiel koto rirt. Tag für Tag begegnet man bald da, bald dort einem Zug schmuck auf geputzter stattlicher Gesellen, begleitet von neugierigem Volk. Voran eine Musikbande, dann eine Fahne, hierauf in zwei Längsrcihen junge, überaus geschmackvoll gekleidete, kräftige Bur schen. wahre Prachtgcftalten. in schwär zen Schuhen, weißen Wadenstrümpfen, rothen, mit silbernen Borten ausgenäh. ten Jacken, in kurzem, schräg im Dreieck gesteckten Schurzfell und grünfammte nen schirmlosen Mützen, sogenannten Schlegelhauben, an deren einer Seite eine Ziersedcr steckt. Je zwei der Bur schen halten die Enden eines halben, mit Buchsreiscrn umwundenen Faß. reifens. Zwischen den Reihen wird ein Faß getragen, dem ein Küfer mit alter. thümlichcr großer Pitsche folgt, und die Reisschwinger schreiten, alle in der eben geschilderten Tracht. Neben dem Zuge springen Harlekins, bald einen Haufen Kinder mit der Pritsche jagend, bald ein Dienstmädchen schreckend und neckend. So zieht die Schaar vor irgend ein Haus, in dem ein Bierbrauer oder ein Kommerzienrath, oder ein General oder ein respektabler Wirth, oder ein Magj. ftratsrath, ein Minister u. s. w. wohnt. Vor dem Hause stellen sie sich in der ganzen Straßenbreite auf. Die Musik Kapelle spielt althergebrachte Marsch, und Tanzwcisen und mit zierlichem Pas tanzen die Reifenhalter einen vielver. schlungenen Rcifentanz. Dann steigt einer der Rcisenyalter aus das Faß. Es wird ihm ein gefülltes Gläschen ge reicht. Er stellt es in seinen geschlossenen Reisen und schwingt diesen in den der schiedenartigften Achterfiguren um seinen Kopf. Das Glas darf nicht fallen, kein Tropfen darf verschüttet werden. Hat eiserne SHwmglunsie beendet, so nimmt er das Glas aus dem Reifen und leert es mit weithinschallendem Trintspruch auf den errn des Hauses, beziedunas weise auf den, dessen Ehrung der Tanz gegolten hat. Ein zweites Glas gilt der Gattin, ein drittes den Töchtern und öhnen und chließlich wird auch das Dienstpersonal nicht vergessen. Sind alle Toaste ausgebracht, so folgen wieder Rcifentänze. Dazwischen schlagen zwei Burschen mit Hammer Keilholz an die Reifen des Fasses, dieses im Tanzschritt umyerkrelsend. it Bajazzi treiben hren übermüthigen Unfug. Sind die Tänze beendet, so zieht die Schaar vor ein anderes Haus und so geht es fort. bis die Dunkelheit einbricht. Ter Schluß des Tages vereint die Schaar in der Herberge, wenn sie nicht zu irgend einer Fastnachtsveranstaltung eines Vereins geladen ist. wo sie eine Nummer des Abendprogramms bildet. Das ist der Schäfflertanz. der in München alle 7 Jahre stattfindet, gestern vor dem Prinz-Rcgenten und dem Prinz lichen Palais begonnen hat und nun vor die Häuser der Honoratioren zieht. Der Ursprung der eigenartigen Vcran taltunq soll in die Pestzcit des Jahres 1517 sallcn. München war damals von chwercr Pestscuche heimgesucht. Tie Bewohner wagten sich nicht mehr aus den Häusern. Aller Verkehr war ein gestellt und blieb eingestellt, auch nach- dem die Pest schon nahezu verschwunden war. der grimme Drache, der nach Mün- chen geflogen und dort die Pest erzeugt haben sollte, schon als todt galt. Da waren es nur die Schäffler die Bötti chcr die mit fröhlichem Scherze und in gleißendem Kostüme unter Musik und Halloh durch die straszen zogen, um die zage Einwohnerschaft aus den Häusern zu locken und ihren Muth, ihre Lebens- lust wieder zu beleben. Von da an ha ben die Schäffler. erst alle 3, dann alle Jahre, ihre Umzüge und Tänze wie- derholt. Es sind von der Arbeiterschaft ausgewählte wirkliche Schäsflergehilfen, die während der Zeit der Vorbereitung, der Einübung ihrer Tänze und während der Ausführung derselben nominell als Arbeiter ihrer resp. Werkstätte geführt werden, die jedoch in der erwähnten Zeit nicht arbeiten. Ihre Verpflegung findet gemeinsam aus der Herberge statt. Die Kosten werden aus den Gaben be stritten, die ihnen Seitens Derjenigen zufließen, vor deren Häusern sie tanzen. Und da kommen ganz bedeutende Sum men zusammen. Die Brauereien, die großen Wirthe, reiche Bürger spenden den Zausenden nach, viele Geehrte nach Hunderten. Die Zahl derjenigen, denen die Schäffler den Tanz als besondere Ehrrng ankündigen, ist nicht gering. Viele Personen ersuchen die Schäffler. vor ihrem Hause zu tanzen, damit dies der Nachbaischaft imponire. Ist die Saison vorüber, so wird Abrechnung gehalten und der Ueberschuß uiitcr die Aktiven des Schäfflertanzcs vertheilt. ES kommen ganz nette Sümmchen aus den Einzelnen. Die Sache ist aber auch strapaziös. ES ist keine Kleinigkeit, täglich bei Winterskälte oder Sudel weiter öffentlich zu tanzen. Manchem hat sich schon einen Treff" an seiner Gesundheit geholt. Gelegenheit zu KlS ferklang ist auch reichlich geboten. Aller dingS wird strenge Disziplin geführt und Exzesse werden mit sofortige Aus schließung und Verlust deS PitheilrechtZ geahndet, aber der Gelegenheiten zu Ueppigkeiten sind so viele. Ist die Säi son vorüber, so treten die Gesellen wie der in ihre Werkstätten zurück, doch soll Manchem das Wiederergreisen desSchlä gelS schwerer fein, als daS Schwingen des Reifens es war. In den nächsten Wochen wird es in den Straßen Münchens ein allgemei. neS eiliges Laufen geben, wenn man in der Ferne den jedem Kind wohlbe kannten Schäfflertanzmarsch erschallen hört. Nach und nach wird die Sache gleichgiltig und man biegt gerne in eine Seitenstraße ein, um den zum Uebermaß gehörten Tönen auszuwei chen. In der Zeit, als München noch den Charakter einer behäbigen Land, ftadt hatte das liegt trotz der Residenz noch nicht so gar viele abr- zehnte hinter unS boten Schäffler tanz und Stadt ein einheitliches Bild. Sie paßten zu einander. In dem heutigen großstädtischen Charakter Münchens muthet die Vcranstaltun etwas fremdartig an. Man darf sich aber darüber freuen, daß hier noch ein Stück Volksleben aus alter Zeit in die hastende Neuzeit sich herübergerettet hat. Nur würde es wirkungsvoller sein, wenn sich die Schäfflcrtänze auf eine erheblich kürzere Zcitdaüer konzen triren würden, als es thatsächlich der Fall ist. Ter treue Hund. Mehrere Jäger und Förster saßen beim .Jägerhorn" an ihrem Stamm tisch. Sie sprachen unter Anderem über Hunde, und jeder wußte von dem seinigen ergötzliche Geschichten zu erzäh len. Das ist alles noch nichts", meinte ein alter Weidmann, gegen das, was ich an meinem Fido erlebt habe. Der ist so anhänglich und so fehr an den beständigen Umgang mit mir gewöhnt, daß er stets nur in mei ner Gegenwart frißt. Nun .war ich einmal zu einer weiteren Reise ge nöthigt, auf die ich meinen Fido nicht mitnehmen konnte. Meine Frau und ch dachten, er werde, vom Hunaer ae trieben. endlich auch ohne meine An- Wesenheit , fressen. Aber wir hatten uns getäuscht: das arme Thier nahm keinen Bissen, zog sich traurig in eine Ecke zurück und schien Hungers sterben zu wollen. Nachdem alle Versuche, dem Hunde Nahrung beizubringen, er folglos geblieben, kam meiner Frau ein rettender Gedanke. Sie stellte zur Futterschüssel mein Bild und führte Fido hinzu. Mit mattem Blicke schaute er das Bild an, wedelte und fraß." Andreas Hoser.Reliquie. Das Historische Museum der Völker schlacht und der Zeit Napoleon's I. am Napoleonstein bei Leipzig hat die Posto nische Sammlung Andreas Hofer und seine Gefährten", Tirol 1809, für 460 M. angekauft, die auch Wien und Innsbruck zu erwerben suchten. Sie enthält aus dem denkwürdigen Feldzug zwölf Oriainalschreiben von Hofcr, darunter den Aufruf an die Tiroler", Briefe von Speckbacher (2), von Hafpinger. Casteller, Hormair (5), Theiner ("Verheißung der baldigen R?, freiung), von Kolb (3), Marburger, Dietrich (Hofcr's Adjutant). Vürticker. Zini, Achammer Ennemoser, Hibler, Peter Mair-Feler (1810 erschossen. Joh. v. Mair. Strehle. Panzl. Jof. Mair, Jnwinkcl, Hell, Peter Gruber, , Speckbacher's Sohn, Hofer's Sohn, i sowie von Nachkommen loser's, ein eigenhändiges Schreiben des Vicekönigs von Italien an die Tiroler mit der Aufforderung, die Waffen zu strecken, viele andere Schriftstücke. Drucksachen und Bilder, jedes einzelne Blatt eine werthvolle Seltenheit. Einfalt. Dame: Von wem ist denn der Po ftillon von Lonjumeau.?" Herr: Von Adam." Dame: Mein Gott, so alt ist diese Oper schon?" Benutzte Gelegenheit. Junger Ehemann: Käthchen, Du bist das Licht im Dunkel meines Da sein?." Junge Frau:. .Tann mußt Du mich auch gehörig putzen."