f f. i (; Die Tragödie der Tragödin. Sootllrtte nach dem tcQaiibian. $on 9. i'aifu. l. . Lucie GerSau hatte frühzeitig ihn Eltern verloren und war im Hause chrer Tante, einer Schileftcr ihrer Muli, erzogen worden. Als sie fünf öhu Jahre alt. kam sie in eine gute Pension, wo sie während der nächsten tret Jahre eine vortreffliche Erziehung genoß, und dann in das HauS ihrer nderlosen Verwandte zurückkehrte. Tas junge Mädchen tonnte keine Schönheit genannt werden, sie hatte der eine sehr hübsche Figur. ausdruckS volle große braune Augen und besaß ein außerordentlich wohlklingendes Or ganz in ihrem Genehmen den bejahrten Verwandten gegenüber zeigte sie stets eine liebenswürdige Zuvorkommenheit und Bescheidenheit. In demselben Hause wohnte Carlo Rusini, ein junger italienischer Bild. haiKr, der fast regelmäßig an jedem Abende die beiden alten Leute besuchte und bei ihnen den Thee nahm. Auch nach der Ankunft deS jungen Mädchens blieb er dieser Kemohnheit treu, und bald entwickelte sich zwischen Lucie und dem jungen Künstler ein freundschaft licher geschwisterlicher Berkehr. Ge schwistcrlich wenigstens von Seite l?ar los. während das Herz Luciens sehr bald für den schönen, liebenswürdigen V. jungen Mann erglühte. Mehrere Mo nate waren in dieser Weise ungestört verstrichen, als in dem Wesen des Künst lerS sich eine Veränderung bemerkbar machte; er war zerstreut und träumerisch geworden, erschien auch seltener Abends bei seinen freunden im Parterre deS HauscS. .Was ihm nur geschehen sein mag?" fragte sich Lucie häusig mit klopfendem Herzen. EineS Tages war sie von innerer Unruhe gequält, in des Bildhauers Atelier hinaufgestiegen, nachdem sie be merkt, daß Carlo fortgegangen. In der Mitte des Raumes stand sein letztes Werk, mit einem Tuche bedeckt. Lucie entfernte daS Tuch und erblickte die Büste einer Frau; nur der Kopf wär vollendet, dieser aber so unvergleichlich schön, zeigte so viel Leben so viel Seele in den Zügen, daß die Beschauerin einen Ausruf der Bewunderung nicht zu unterdrücken vermochte. Dennoch berührte sie das Kunstwerk fast schmerz lich; der Gedanke, daß der von ihr so heiß Geliebte sich so viel mit diesem schönen Antlitze beschäftige, erfüllte sie mit Neid, mit quälender Eifersucht. Als sie nach einigen Minuten in das Erdgeschoß hinuntergestiegcn, sah sie sich dem eben eintretenden Carlo gegen über. Der junge Künstler blickte sie so heiter, so glücklich aus seinen dunklen Augen an, wie niemals zuvor. Lucie!" rief er aus, ihr die Hand reichend. Sie sollen die erste sein, die es erfährt ! Ich habe mich soeben verlobt!" Nur mit Aufbietung ihrer ganzen Willenskraft gelang eö dem jungen Mädchen, einige Worte hervorzubrin gen, dann eilte es in sein Zimmer. Viele Wochen waren seit jenem Tage vergangen. Ein heftiges Nervenfieber hatte Lucie auf's Krankenlager gewor fen; nur allmählich kehrte die Erinne rung zurück; am furchtbarsten war ihr der Gedanke, daß Carlo erkannt habe, wie sehr sie ihn liebe. Als sie dann endlich genesen, war sie eine Andere, das kindlich vertrauende Mädchen war Weib geworden, im vollen Sinne deS Wortes. Der Schmerz macht schneller alt als die Jahre! Lucie war sanft und füll, aber nur sehr selten heiter. Sie hatte gelernt, sich in ihr Schick sal zu fügen und suchte Befriedigung in der sorgsamsten Pflege für ihre Ver "wandten. ' Ueber Carlo Rufini wurde niemals gesprochen. Einmal nur, in den ersten Tagen ihrer Genesung, fragte Lucie nach ihm. Die Tante hatte geantwortet, daß Carlo während . ihrer Krankheit geheirathet habe und sich jetzt mit seiner jungen Frau in Jta lien befinde: bis zum Tage seiner Ab ' reise wäre er jeden Tag gekommen, um sich nach LucienS Befinden zu erkun digen. Als diese dann in nachdenk lichem Tone bemerkt, sie möchte wohl '- wissen, wie Carlo's Gattin aussehe, hatte die Tante ihr ein Portrait von ihr gezeigt. Lucie erkannte es sofort wieder: Es war die Frau in Marmor ! Es ist einige Jahre später. Vor einer der ersten Buchhandlungen in Paris stehen, dichtgedrängt, viele Leute. .Haben Sie sie schon gesehen?" ftaate ein Herr einen Bekannten. . Meinen Sie Lucie Gerdau. die be rühmte Tragödin? Nein, es ist unmög lich. bei ihr vorgelassen zu werden. Ich habe eine Portraitbüfte von ihr ge sehen, glaube indeß nicht, daß diese ihr ähnlich ist; sie war wenigstens weit da von entfernt, schön zu sein." .Die Künstlerin ist auch nicht schön." entgegnete der Andere. Sie hat zwar eine vortreffliche Figur und schöne Au gen, ihr Hauptreiz liegt jedoch in ihrer wundervollen Stimme. Eine, biegsame, klangvolle Stimme, mit der sie die Hörer bezaubert und hinreißt. Heute Abend tritt sie in den Horatiern" auf. Gehen Sie ja hin. Wenn Sie Lucie Gerdau nur erst einmal gehört haben, werden Sie ebenso entzückt sein, wie alle Welt." - .Gewiß werde ich hingehen! Wie ich gehört habe, tritt sie heute zum letzten Male in Paris auf. Sie unternimmt eine Kunstceise durch halb Europa. Bereich? 5er 'MkZichZeik ' liege.-- rto ii Jahrgang 20. Gerade in den .Horatiern" möchte ich sie gern einmal sehen: in der Flucht scene soll sie großartig sein!" Lucie Gerdau. deren Name durch ganz Europa bekannt geworden, saß an jenem Tage in ihrem Hotelzimmer, tief in Gedanken dersunten. Zum zweiten Male stand sie allein in der Welt. Erst war ihr Oheim gestor den, dann wenige Monate später die Tante; sie hatte Beide bis zu deren Ende mit treuer Liebe und Sorgfalt gepflegt. Ihre Bcrhältnisse hatten sich seitdem sehr günstig gestaltet. Oheim und Tante hatten ihr ein hinreichendes Ver mögen hinterlassen, um ganz unab hänaig leben zu können. Ader sie wollte einen Lebenszweck haben, eine Thätig keit. der sie sich mit ganzem Herzem widmen könnte. Eines TageS erhielt sie den Besuch eines alten Freundes ihres Vaters, der ausgedehnte Verbindungen mit der Bühnenwelt hatte und selbst genaue Kenntnisse des TheaterwesenS besaß. Luciens wundervolles Organ hatte den Mann aufmerksam gemacht und ihn entzückt, so daß er sich eingehender mit ihr unterhielt und bald ihre hohe Be gabung für die Bühne entdeckte. Er bot Lucie an, ihr als der Tochter seines alten Freundes, bei der Ausbildung behilflich zu sein, was das junge Mäd chen dankbar angenommen hatte. Lucie Gerdau hatte von ihrem ersten Auftreten an Erfolg; ihr Ruf als Tra gödln nahm stetig zu. Kein Makel, kein Flecken haftete an ihrem Namen. Sie war freilich noch jung in einer Welt des Truges und der Intrigue, aber in ihrem Innern trug sie die sicherste Schutzwaffe, an der alle Ver suchungen abprallten: eine todte Liebe! Lucie zuckte zusammen; in ihren Erinnerungen stieg auch das Bild Carlo RuniilS empor. Ob das Gerücht ihres Ruhmes wohl auch zu ihm gedrungen war? Kaum konnte sie daran zweifeln. Der Gedanke erfüllte sie mit inniger Freude, daß er nun doch wissen mußte, daS Genie habe auch in ihr gefchlum mert; eS fei etwas Bedeutendes. Her vorragendes gewesen. waS er einst der warfen! Sie wunderte sich dabei, daß sie ihrerseits nie von Carlo Ruftnt hatte sprechen hören; von ihm, der doch ein so vielverheißendes Talent besessen. Sollte die Zukunft alle Prophezeiungen Lügen gestraft haben, oder hatte er vielleicht der Kunst entsagt und sich ganz dem häuslichen Leben gewidmet? Es wurde leie an . die Tyure ge klopft. Ein Diener trat ein, um Lucie die Visitenkarten von Personen zu über bringen, die gekommen waren, die große Künstlerin zu besuchen; es besän den sich darunter Männer von einfluß reicher Stellung und hochangesehenen Namen. Lucie empfing jedoch nur selten; die meisten dieser Besuche ermüdeten und langweilten sie. Was kümmern mich diese Fremden." murmelte sie. die Karten flüchtig durchsehend. Ein ein ziger guter Bekannter würde mir lieber sein." Im großen Theater war es gedrückt voll; kein Platz blieb unbesetzt, denn ein Jeder wollte die berühmte Tragödin noch zum letzten Male vor ihrer Abreise sehen. Jedesmal, wenn Lucie Gerdau auftrat, fühlte sich das Publikum von ihrer Erscheinung zuerst mehr oder weniger enttäuscht; doch kaum hatte sie zu sprechen begonnen, als Niemand mehr an ihr Aeußeres dachte. Alle hingen athemlos an ihren Lippen. Sie riß die Zuhörer unwiderstehlich mit und brachte sie nach ihrem Belieben zum Weinen und Erzittern. Zuweilen war ihre Stimme rührend und ergreifend, wie eine herrliche sanfte Musik; dann wieder erklang sie drohend und laut, die Zuhörer bis in's Herz hinein er schauern machend. Besonders als die Künstlerin in den Horatiern" die entsetzlichen Worte der Verfluchung ausftieß, machte sie einen tiefen, gewaltigen Eindruck. Es lag ein solcher Haß, eine so fürchterliche Rachsucht, eine so maßlose Wuth in ihrer Stimme, daß die Zuhörer einen Schauer durch . ihre Glieder rinnen fühlten; es war als ob Lucie diese Ver fluchung über sie selbst ausgesprochen hätte. Das Publikum war förmlich betäubt. Lucie Gerdau war sich der Macht ihrer herrlichen Stimme auch vollkom men bewußt. Einer ihrer Bewunderer hatte einmal gesagt, er glaube nicht, daß Ulysses, der dem Gesänge der Si renen widerstanden, der Stimme der Gerdau hätte Widerstand leisten kön nen. ' Im Zwilchenakte brachten ihre Ver ehrer der Künstlerin öffentlich eine Hul digung dar: zwei goldene Lorbeerkränze werden ihr überreicht, zur Erinnerung an Frankreichs Hauptstaot. Lucie dankte in einfachen, aus dem Herzen kommenden Worten. Als sie dann nach Schluß der Vor stellung in ihre glänzend ausgestatteten TU '"-."-""',""'"" """" MU re LPÜI Beilage zum Nebrasla Staats-Anzeiger. Gemächer trat, von Niemand empfan gen, der wirtlich Antheil an ihr nahm, sank sie in einen Fauteuil und mur melte seufzend: .Ruhm. Lorbeer. Gold ! Eitle Werthe, wo das Herz kalt bleibt!" 2. Nach einer außerordentlich erfolg reichen Kunftreise durch Europa und die Vereinigten Staaten befand sich Lucie Gerdau wieder in Paris, wo sie sich vorläufig niederlassen wollte. Sie be absichtigte, eine Villa in der Umgebung zu kaufen und ganz nach ihrem Ge schmack einzurichten; vor der Hand be wohnte sie ein größeres Parterre Apartement in einem eleganten Hotel. Als sie eines TageS von einer Spa zierfahrt im BoiS de Boulogne zurück gekehrt, befahl sie ihrer Kammerjung fer, ihr die Schatulle mit ihren Jume len zu bringen; sie wollte einige Schmucksachen auswählen, deren sie in einer ihrer nächsten Rollen bedürfte Die Zofe, die kurz vorher erst den Dienst bei ihr angetreten hatte, konnte einen Ausruf der Bewunderung nicht unterdrücken, als sie die glänzenden Steine und Perlen erblickte. -.Welch' ein Reichthum!" rief sie aus. .Reichthum macht nicht glücklich, mein Kind," bemerkte Lucie mit trübem Lächeln, und IS Mädchen sie ungläu big ansah, fügte sie hinzu:' .WaS nützt eS, wenn die Menschen uns für glück lich halten, und wir selbst unS nicht so fühlen!" .So sprechen die Reichen tvohl mei ftens," entgegnete die Zofe kopfschüt telnd. .Sie übersehen die zahllosen Vorrechte, die sie vor den Armen haben; aber sie würden gewiß anders sprechen, wenn sie selbst nur erst die Armuth kcn nen gelernt, wenn sie nur ein einziges Mal Zeugen von dem Elend wären, das Andere zuweilen erdulden müssen. Aber sie sehen es nicht, wenn auch der entsetzlichste Jammer unter demselben Dach erduldet wird, unter dem sie selbst wohnen." Als Lucie sie verwundert anblickte, fuhr die Zofe ganz erregt fort: Ja. Fräulein, unter demselben Dache! Hier, in diesem Hause, befindet sich ein Mann, der aus Mangel vielleicht be reits gestorben ist !" .Gestorben!" rief Lucie erschrocken aufspringend aus. .Weshalb haft Du mir das nicht früher gesagt, Marie?" .Ich weiß es selbst erst seit heute Morgen." erwiderte das Mädchen. Der Mann liegt schwer krank darnie der und kann keinen Arzt bezahlen, gestern hat er sogar nichts zu essen ge habt, denn er wohnt ganz oben allein und Niemand vermuthete, daß es so schlimm um ihn stände. Als ich das hörte, nahm ich mir gleich vor, mit dem Fräulein zu sprechen; ich kenne ja meine Herrin zu gut, um nicht zu wissen, daß Sie dem Acrmsten helfen würden!" .Ich werde ihm nicht allein helfen, sondern auch sogleich selbst nach ihm sehen." sagte Lucie.- Geleitet von ihrer Kammerjungfer stieg die Künstlerin bis zu den Man farden des großen Gebäudes hinauf; vor der Thür der Bodenkammer ange langt, in der der Kranke lag, sandte sie das Mädchen fort, mit dem Auftrage, einen Arzt herbeiholen zu lassen. Lucie trat in die kleine Bodenkam mer. Nackte Wände und fast gar keine Möbel; auf einem armseligen Bette lag der Kranke, dem Anschein nach ein noch ziemlich junger Mann; Krankheit und Mangel hatten in vor der Zeit ge altert. Voll Mitleid betrachtete Lucie den Aermsten; plötzlich richtete dieser die matten Augen auf die Besucherin: Lucie Gerdau! Lucie Gerdau!" flüsterte er halblaut wie im Traume vor sich hin. Jetzt hatte sie ihn er kannt. und mit dem Aufschrei: Carlo!" sank sie neben dem Lager in die Kniee. Ja. es war in der That Carlo Rufini. arm. verlassen, vor Hunger sterbend! Lucie!" fagteermitmatterStimme. Lucie! Der Himmel hat mein Gebet erhört; ich sehe Sie noch einmal wieder vor meinem Tode!" .Still, Carlo!" ' schluchzte Lucie. .Sie dürfen nicht vom 'Sterben spre chen. Bald wird ein Arzt erscheinen, zu dem ich bereits geschickt. Sie werden wieder genesen, mein armer Freund !" Zu spät!" sagte er kopfschüttelnd. Zu spät!, Mein Leben geht rasch zu Ende. Ach Lucie!" fuhr er nach einer kurzen Pause fort; ich habe mich so sehr nach diesem Augenblicke gesehnt; es giebt so Vieles, das ich Ihnen sagen möchte. Ich will Ihnen erzäh len, was mich in diesen Zustand ge brachthat." ' Sie dürfen nicht so viel sprechen. Carlo," unterbrach sie ihn.. Trinken Sie vor allen Dingen ein Glas von diesem Wein, den ich für alle Fälle mit gebracht." . iMflKiM Nachdem er getrunken, fühlte er sich etwas kräftiger und fuhr mit leiser Stimme fort: .Mein Unglück begann mit dem Tage meiner Verheiratung. Ich liebte meine Frau leidenschaftlich und glaubte, auch von ihr geliebt zu sein. Von ihrem Vater hatte sie gehört, daß ich reich und berühmt sein würde, das allein nur hatte sie bewogen, mich zu heirathen, in der Hoffnung. e,n glänzendes Leben führen zu können. Als sie einsah, daß ich ihr das nicht bieten konnte, verließ sie mich, nachdem sie sich Alles angeeig net, was ich besaß. Ich forschte nicht nach ihrem Verbleib, denn meine Liebe wer längst erkaltet. Ich ging nach Paris. Hier hörte ich überall von Lucie Gerdau. der beruhinten Tragödin, fpw chen. ich sah ihr Porträt und erkannte sofort nieine Jugendfreundin. Als ich Sie dann in den .Horatiern" gesehen. wurde mir klar, was ich unwissentlich gethan, welchen Schmerz ich Ihnen be reitet, denn ich begriff jetzt Alles. Theure Lucie, Gott ist mein Zeuge, daß es ohne meinen Willen geschehen. Kön nen Sie mir verzeihen?" .Ich habe nichts zu verzeihen. Carlo; hängt es denn von uns selbst ab, ob wir Jemand lieben oder nicht?" Sie haben recht, Lucie," sagte Carlo, leerte das ihm dargereichte Glas Wein und fuhr nach kurzem schwelgen fort: .Wie lfltte ich sonst jemals dieses niedrige, selbstsüchtige Geschöpf geliebt! Hier in Paris glaubte ich meine frühe ren Träume von Ruhm verwirklichen zu können. Thorheit! Jene Frau hatte mich nicht allein meines Geldes beraubt, sie hatte auch meine Schaffenskraft ge lähmt. meine , Hand entnervt. Oh, Lucie! Sie wissen nicht, wie hemmend auf den Künstler die Erfahrung wirkt, daß das Schöne eine Lüge sein kann; sie tödtet die Begeisterung in ihm! Sah ich je ein Gesicht von so reiner Schön heit wie das ihrige, so mußte ich plötz lich denken, daß dieses schöne Gesicht der niedrigen Seele als Maske dienen könnte, und anstatt des Entzückens erfaßten mich Bitterkeit und Mißtrauen. Ich war unfähig geworden, etwas Großes zu schaffen und gerieth allmählich in bittere Armuth!" Erschöpft schloß Carlo die Augen. Als nach einer Stunde die Kammer jungfer mit einem Arzte in der Boden kammer erschien, erblickte sie vor dem armseligen Lager die schlanke Gestalt ihrer Herrin knieend, mit dem Kopfe auf dem Bettrande ruhend, ohne Be wußtsein; ihre Hände hielten die erkal tete Rechte des armen Carlo Rufini um faßt! - ' Noch heute wird die große Tragödin jubelnd begrüßt, wenn sie durch die Ge malt ihrer Kunst heilige Schauer in den Herzen der Menschen erweckt; über welche Trümmer von Glück sie selbst hat hinwegschreitcn müssen, um zu dieser Vollendung zu gelangen, ahnt Keiner von Allen. Die Falle. Nach dem Ungarischen von Sigmund Sebök. Deutsch von Akas Laszlo. Der Vizegespan Fabian v. Kezdy hatte die Wahrnehmung gemacht, daß seine Tochter seit einiger Zeit sehr nie dergeschlagen war. Das hübsche blonde Mädchen ging traurig, in sich gekehrt im Hause umher. Am liebsten hielt sie sich im Garten in einer entlegenen Laube auf. Bei den Mahlzeiten hatte sie kaum etwas genossen, und ihre Au gen zeigten oft Spuren von Thränen. Die Geschichte ftng an den Vater zu be schäftigen. Der Backft ch 1 1 verliebt! Wir wol len der Sache auf den Grund gehen. Aber wen liebt sie ? Wer ist der Don Juan, der es gewagt, ihr Köpfchen zu verdrehen?" Der Vizegespan war ein guter Menschenkenner. Er wußte zu genau, daß kein Inquisitor der Welt im Stande sein würde, feiner Tochter das süße Geheimniß" zu entreißen. So ein verliebter Backfisch möchte am liebsten mit dem süßen Geheimniß' im Herzen sterben. ' Am Näch ten Tage, wadrend des MittagSessens. begann der Vizegespan mit gleichgültigem Tone zu sprechen: Morgen wird ein großes Ereigniß statt finden. Ein Duell." Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Irma fuhr zusammen, doch im nächsten Mo ment fragte sie wie gteichgüttig mit let ser Stimme: Ein Duell?" Ah! das Kätzchen zeigt Jntere e für die Sache. Jetzt heißt es aber, das Eisen schmieden, so lange es heiß ist.) Ja wohl, mein Kind! Ein Duell . . 10 Schritt Distanz .... Es wird so lange geschossen, bis Einer" auf dein Kampfplatz bleibt Die Todtenglocke wird sicher geläutet Das Wort Todtenglocke brachte das Mädchen aus der Fassung. SF W- No. -3. .Wer sind denn die Duellanten?" fragte sie mit zitternder Stimme. .Mein Herzchen, ich darf eS nicht ver rathen ES ist ein Geheimniß Ehrensache.. ..!" Irma ließ ihr Köpfchen hängen. Nach einer Weile fragte sie: .Sind Sie vom Komitatshaus?" (Hm! also der Geliebte ist beim Ko mitatshauS angestellt.) .Ja? ja! vom Komitate!" Das Gesicht des Mädchens wechselte die Farbe. Hastig warf sie die Frage dazwischen: Sind eS höhere Beamte?" Also ein höherer Beamte ist der Auserwählte, dachte der Vizegespan. Er stürzte aus Freude über die gelun gene Taktik ein Glas Wein hinunter. (Schließlich ist das Malheur, wenn sie einen höheren Beamten liebt, nicht so groß!) Du hast es errathen! ES sind höhere Beamte." Irma's Antlitz hei terte sich zusehends auf. Ein liebliches Lächeln umspielte'ihre Lippen, und mit dankbarein Blick sah sie auf ihren ge strengen Vater. Dieser zog jedoch das Gesicht in strenge Falten. (Also nicht für einen höheren Beamten schlägt des JrüuleinS Herz. Diese könnten ihretwegen sammt und sonders ihr Blut vergießen. Nun ist es klar, daß sie sich in irgend einen Notarius oder Buchhalter vergafft hat. Das darf aber auf keinen Fall geduldet werden. Die Attacke muß von einer anderen Seite her bewerkstelligt wer den.) ... ..Das heißt," rief Herr v. Kedzy bedeutungsvoll aus, ich hoffe es stark, daß einer der Theilnchmer bei dem Duell ein höherer Beamter sein wird." Ist eS denn nicht sicher, lieber Vater ?" Gewiß nicht!" Irma blickte erstaunt auf den Vize gcfpan. .Wenn aber das Duell schon morgen stattfinden soll, dann mußt Du doch wissen, wer die Betheiligten sind." Er machte eine abwehrende Geste mit der Hand. Das ist es eben," sprach er im Flüsterton, vorsichtig um sich blickend. Wenn Du mir versprichst, daß . Du verschwiegen bleibst, will ich Dir das Geheimniß offenbaren." .Ich verspreche es Dir, Väterchen!" Es ist von einem berüchtigten Duell Helden aus der Hauptstadt die Rede. So ein Raufbold, von denen die Zei tungen stets voll sind.... Gewiß hast Du schon öfter über ihn gelesen.... Unausstehliche Menschen, aber treffliche Schützen Denke Dir, mein Lied ling. gestern kam einer von dieser Sorte aus Budapest hier an. Kaum, daß er den Fuß in unsere Stadt gesetzt, da hat er schon im Club, wo er sich wegen einer Lappalie beleidigt fühlte, den ganzen Beamtenchor beleidigt. Wir stellen ihn zur Rede, worauf er im höf lichsten Tone erklärte, daß seine belei digenden Worte nur den jüngeren Be amten gelten sollen. Es war klar, daß der Bengel nur ein Duell provociren wollte. Wir haben aber keine Angst bekommen. Heute Abend kommen die jüngeren Beamten zusammen, sie wol len durch das Loos entscheiden, wer sich dem Menschen gegenüber stellen wird.. Morgen früh findet das Duell auf meinem Gute statt. Ich fahre selbst hinaus, um die Vorbereitungen zu trcf fen Ich muß sofort aufbrechen." Der Vizegespan hatte dies Alles mit Ernst und mit solcher Natürlichkeit er zählt, daß bei Irma kein Zweifel über die Wahrheit feiner Worte aufkommen konnte. Und wird denn ein Jeder,' fragte sie mit schlecht verhehlter 'Unruhe, an der Verloosung Theil nehmen?" Sämmtliche jüngere Beamte des Komitatshauses, Kleine und Große, ohne Unterschied deS Ranges. . . na türlich ausgenommen Diejenigen, die am heutigen Tage durch ihre amtliche Thätigkeit verhindert werden." Er er hob. sich von seinem Platze und ließ an spannen. , Nachdem er seinen Huszar hatte rufen lassen, zog er sich mit diesem auf sein Arbeitszimmer zurück. Hören Sie, Karl," sprach er zu dem Diener, wenn ich später nach Ihnen klingeln sollte, dann melden Sie sich nicht, und wenn die Glocke noch so stark ertönen wird, Sie hören es einfach nicht! Verstanden?" Zu Befehl!" , Nachdem der Diener sich entfernt hatte, rief der Vizegespan feine Tochter zu sich. Sie trat ein und sah unruhig, mit thränenden Augen auf ihren Va ter. Ich komme, mein Kind, erst morgen früh zurück." Das Mädchen seufzte auf. , Ah jah!" .... rief der Vizegespan aus, als wenn ihm etwas erst jetzt ein gefallen wäre. Ich hätte es fast der gessen!" Er klingelte, doch der Huszar meldete sich nicht. Donnerwetter, wo bleibt denn der Mensch! Gewiß ist' ber Kerl wieder betrunken und ich habe solche Eile " Nun wandte er sich an feine Tochter: Wenn Karl sich meldet, so giebst Tu ibm diese Akten hier. Er soll sie einem samten einhändigen und diesem gleichzeitig den Austrag erthci len. daß er sich nach dem abgebrannten Parksdcrf begeben möchte. Er hat bei -der Verthcilung der Hülfsgelder den Bezirk zu vertreten. Morgen Abend erwarte ich den Herrn zurück und wünsche von ihm eine persönliche Be richterstattuiig." Vater!" rief Irma dem davoneilen den Vizegespan nach, .wem soll Karl die Alten übergeben?" .Dem ersten, besten Beamten!" . Herr d. Kezdy stieg in seinen Wage und fuhr davon. Er lächelte vergnügt und verlegen. Jetzt ist der Backfisch in der Fall,.' Jetzt werden wir schon den Don Juan kriegen. Zweifellos wird sie den Angebeteten nach Parksdorf ab reisen lassen, damit er bei der AuS loosung nicht anwesend sei. Auf seinem Gute wurde Niemand er schössen. Am Abend hatte sich dort eine vergnügte Gesellschaft zusammengefun den. die die Nacht in ausgelassener Hei terkcit verbrachte. In aller Frühe fuhr der Vizegespan in die Stadt zurück. Als er heimkehrte, schlief Irma noch. (Sie hat ihn" also abreisen lassen, sonst würde sie nicht so ruhig schlafen können.) Bei dem Frühstück setzte der Vizegespan eine finstere, sorgenvolle Miene auf, um bei seiner Tochter den Anschein eines erfolgten Unglücks zu er wecken. Irma richtete einige Fragen über -den Verlauf deS Duells an den Vater. Da dieser keine Neigung zeigte, ihr darüber Mittheilungen zu machen, hörte sie mit dem Fragen aus. Irma schien sehr glücklich zu sein. Ihr Ant litz strahlte und sie sprach mit selten gutem Appetit den Speisen zu. Jhret wegen hätte man sämmtliche Beamten des KomitatS außer dem bewußten Einen" todtfchießen oder zusammen hauen können. Der Vizegespan verbrachte den Bor mittag auf seiner Kanzlei, wo er mit der größten Seelenruhe auf VaS sich' meldende Ideal" seiner Tochter war tete. Dann und wann blickte er auf die Uhr. Jetzt ist der Zug angekom men. Er muß bald hier sein. Nach Ablauf einiger Minuten wurde leise, schüchtern an die Thüre geklopft, und mit tiefen Bücklingen, mit einem tnjj Akten unter dem Arm, in abgetra genem Rocke trat der junge Diurnift ein. Der arme Diurnist zerbricht sich noch heute feinen Kopf darüber, aus welchem Grunde er so plötzlich und unverhofft in einem entlegenen Winkel des Landes die Stelle eines gut besoldeten Notars erhalten hat. ine Weihnacht , Ueberraschu. durch den deutschen aiser. Wie der Frankfurter Oderzeitung"' nachträglich bekannt wird, wurde am Heiligenabend einem Soldaten durch den deutschen Kaiser eine Weihnächte Ueberrafchung zu Theil. Am 24. , Dezember stand der Gefreite Dtt Sperber vom Posen'schen Infanterie Regiment Nr. 58, der z. Z. zum Lehr JnfanterieBataillon kommandirt ist, in der Hauptallee in Potsdam aus Posten. Um 2 Uhr Nachmittags be fand sich der Kaiser auf dem Wege von Potsdam nach dem Neuen Palais. Der Possen präseniirte. Mit den Wor ten: Nimm Gewehr über, mein Sohnk Ich habe ein Geschenk für Dich!" trat der Kaiser an ihn heran. Schlagfertig jedoch entgegnete der Gefreite: .Meine allgemeine Posten Instruktion verbietet mir, Geschenk auf Posten anzunehmen." .Ich möchte Dir's doch aber schen ken," fuhr der Kaiser fort, das blanke Fünfmarkftück zeigend. . Der Posten erwiderte, indem er auf das Schilderhaus deutete: .Wollen Ew. Majestät das Geschenk nicht dorthin legen?" Der Kaiser that dies und fragte weiter: Was wirst Du nun damit machen?" Zum Andenken aufbewahren, Ew. Majestät!" war die Antwort. Jetzt -fragte der Kaiser den Posten nach Name, Stand und Heimath. Als er hörte, daß die Wiege des jungen MarsfohneS in Marxdorf bei Münche berg gestanden, sagte er: .MüncheberK kenne ich auch aus dem Kaisermanöver des Jahres 1838. Dort war ick nf Tage im Quartier." Mit dem Wunsche: .Laß Dir's gut gehen. Ka merad!" verabschiedete sich Kaiser mu Helm, dem Posten freundn hi lSan . , ' . r 7 V"" reichend. Der schreökliche Bill. Eine niedliche Geschichte, die sich bei. der Abreise eines englischen Reservisten zutrug und die von dem hohen Ver trauen zeugt, das die britische Soldaten X stau in die Tapferkeit ihres Gatten setzt, wird aus Birmingham berichtet. Eine Frau weinte bitterlich, als der Zug mit ihrem Gatten den Bahnhof Snow Hill verließ. Ein Herr, der die v Szene beobachtete fühlte sich veranlaßt, ihr einige Worte des Mitgefühls zu fa aen, war aber nicht wenig überrascht, als die Frau mit schluchzender Stimme erwiderte: O, ich gräme mich nicht so sehr um ihn ; die armen Boeren sind es, die mir leid thun. Bill ist so schreck lich. wenn er erst angefangen hat." Sprach's und ließ den Mitleidigen der-, dutzt stehen.