Der Magnet. Humoreske vo H. S. dtZorge. I. Zmn Mtnt Tanro Kat finf fefit schöne Frau. Sie wußte ti auch ganz genau und ihr spieg igie rs iyr dti genug tagsüber. Ein bischen lolelt. ja das war sie wohl; aber mein Gott, daraus ift ihr doch kein Borwurf zu in. fif sonnt kick das eben leisten. Frau Helene hatte doch wenigstens eine genügenve Entschuldigung jui Koketterie, und die bestand in Rtifit ihre ihrer Gestalt. Augen. Mund. Teint. AlleS war bezaubernd'. Aver vas eajonne an Frau Helene waren doch ihre Haare! selbstredend waren sie lang; es hätte nicht viel gefehlt und daS niedliche Köpfchen hätte die Laft nicht ,u tragen vermocht. Tie Länge und Fülle allein machte aber nicht den großen Reiz aus. derselbe bestand in der Farbe. Eine Farbe, die kein Maler wiederzugeben vermöchte, die keine Kunst hervorzu bringen vermöchte. TaS moderne, durch Bleikämme und sonstige Mittel erzielte, so beliebte .Blond" erschien daneben wie Talmi gegen Gold! Frau Helene'S Haare funkelten wie eitel Sonnenstrahlen mit bronzefarbigen Reflexen und umgaben ihr Köpfchen wie mit einem Lichtkreis. Wie flüssiges Metal war es anzusehen, und die ? Jungfer, die solche Pracht zu pflegen atte und anrühren durfte, war wahr lich zu beneiden, und Neider gab eS auch in nicht geringer Anzahl. 2' - Zur Schaar dieser Neider gehörte ein entfernter Verwandter des verstorbenen Herrn Danro. Karl Gurli. der unrett bar in die goldenen Wellen versunken war, das heißt, die junge Iran leiden schaftlich liebte. Vielleicht war eS nur dem Gesetz zufolge, daß die Gegensätze sich anziehen, geschehen, denn der Kopf von Karl Gurli war bar jeden Haar schmuckS und glich züm Verwechseln einer polirten, von der Zeit leicht gelb lick färbten Billardkugel. Trotz dieses Fehlers war Karl.Gurli gar kein so übler Freier für die hübsche Frau Danro. Er war ein guter, braver Mensa und ve a ein großes Ber mögen. Welcher dieser beiden Faktoren war für Frau Danro maßgebend et Wesen? ES ift vielleicht besser, die Sache nicht nachzuspüren, weibliche Herzen sind schwer zu ergründen. Jedenfalls steht so viel fest, daß im ganzen Bekanntenkreis diese Heirath der Beiden, wenn auch noch nicht definitiv beschlossen, doch als öffentliches Ee heimniß angesehen wurde. Alle hatten Frau Danro zugeredet. Mit 27 Iah ren konnte sie doch nicht Wittwe blei den, nachdem die fünfjährige Ehe, durch den großen Altersunterschied, der zwischen den Gatten bestanden, nicht gerade zu der glücklichsten gehört hatte. Frau Helene's Trauer hatte die ersten Kreppschleier nicht überdauert, und . . . wie wenig haltbar Krepp ist, wissen ja Verkäufer und Käufer! Sie war durch aus nicht in guten Vermögensverhält nissen zurückgeblieben, denn der alternde Mann hatte der jungen Frau nur den Pflichttheil hinterlassen und seinen Ver wandten Karl Gurli zum Haupterben eingefetzt; freilich, wenn er hätte ahnen können, was sich nach feinem Tode be geben sollte, so würde er wohl anders teftirt haben! Eine Heiraty zwischen den Beiden entsprach somit nicht nur allen klugen Er wägungen, sondern, auch dem brennen den Wunsche Karl's, der die Sache am liebsten schon als satt accompli" ge sehen hätte; doch darin war Frau Tanro anderer Meinung. Sie wollte erst einige Jahre der Freiheit genießen; nachdem sie die Ehejesseln los, wünschte sie sich nicht sofort neue anzulegen. Karl Gurli spielte also die Rolle des Zukünftigen" und die Rolle war ihm wenig bequem und beunruhigte ihn so gar, denn tagtäglich vermochte er zu konstatiren, daß die Zahl der seine hüb sche Kousine umschwärmenden Freier zunahm, während leider, ach leider der Haare auf seinem Haupte nicht mehr wurden! 3. Dieser moderne Karl der Kahle hatte aber nicht die Absicht wie sein könig licher Namensvetter, sein Besitzthum aufzugeben. Er umgab feine schöne Cousine mit einer unauffälligen, aber systematischen Wachsamkeit. Wenn es ihm nicht vergönnt war. sie auf ihren Ausgängen zu begleiten, so wußte er es mit einer Diplomatie, die er für höchst rasfinirt hielt, einzurichten, daß Frau Helene ihm des Abends bei seinem regelmäßigen Besuch Alles berichten mußte: wo sie gewesen, wen sie gesehen, wsSihr gesagt wurde, was ihre Antwor ten gewesen; kurz jede Kleinigkeit wußte er geschickt herauszulocken. Frau Helene tnnr in Ihren KrMlunaeN so offen Und freimüthig, stand so bereitwillig Rede und Antwort, vay ver oe,orgie freier meistens vollständig beruhigt heimging. DaS ift doch gewiß ein Beweis, daß Karl alle guten Eigenschaften zu einem Ehemanne, blindes Vertrauen einbe griffen, Maß, denn.. .. Frau Helene sagte ihm nur, was sie eben wollte! So kam es auch, daß sie ihm eines Abends nicht erzählte, daß sie im Laufe deS TageS ein Abenteuer erlebt hatte. Als sie in der Mittagsstunde zwischen all' der luftwandelnden Menge ihre Schönheit und prächtigen Haare spazie ren führte; war ihr ein Herr entgegen gekommen, der Plötzlich, wie hypnotisirt durch einen unerwarteten Anblick, vor ihr eben geblieben war. Die fchöne Helene war zu sehr an Bewunderunz gewöhnt, um nicht gleich zu vemerien. daß die Blicke deS Unbekannten nn aren,nloseS Entzücken ausvruaien. größer und beredter sogar. elS sie dem aewöbnllch begegnete. Sie aina weiter: aber nach einigen Schritte, als sie sich jedenfalls durch einen Zufall umgesehen hatte, tonnte sie feststellen, daß der Herr Kehrt ge macht hatte und ihr folgte. Wirklich unverschämt ! dachte sie im ersten Augenblicke. Aber da der lln verschämte" sich darauf beschränkte, von Weitem, immer mit demselben Ent zücken, ihre sonnlicht-goldenen Haare zu betrachten, sagte sie sich, daß die Part weae ia scklicßlich Allgemeingut wären. und daß man einem freien Bürger doch nicht verwehren kann, zu bewundern, was eben bewunderungswert ist. Tie Reflexionen hatten sie ein wenig beruhigt. Sie ging weiter, und als sie auf dem Heimweg den großen Platz überschreiten wollte, zwang sie der Wagenverkehr weiter war es nichts sich abermals umzusehen. Da be merkte sie denn, daß der fremde Herr immer noch ungefähr 20 Schritte hinter ihr war und durch ihr Goldyaar wie durch einen Magnet gefesselt schien. Diesmal fand sie ihn schon weniger unverschämt und dachte, daß er jeden falls ausgesprochenen Schönheitssinn besitzen müsse. An der Brücke angelangt, sah sie den Herrn nicht mehr. Ihre Augenbrauen zogen sich leicht zusammen. Sie seufzte leise auf und kehrte eigentlich ver stimmt heim; gegen den armen Vetter war sie entschieden unfreundlich und verabschiedete ihn an diesem Abend sehr früh. Als sie allein, setzte sie sich an's sila vier. Merkwürdige Jdeenverbindung! Unwillkürlich gaben ihre Finger die Melodie aus .Margarethe": Ich gäb' was d'rum, wenn ich nur müßt'. Wer heut' der Herr gewesen ist. . . . dann schloß sie das Instrument und träumte vor sich hin. 4. Er sah gewiß recht wacker aus Und ist aus einem edlen Haus. . . " ' Ja! der Unbekannte sah gut aus; vielleicht hätte man sagen können zu gut. Seine sehr sorgfältige Toilette war nicht ganz tadellos, was den Ge schmack anbelangte! Die großkarrirten Beinkleider erinnerten zu sehr an Kon fektion. Die schottische Kravatte, in weichet ein Brillant steckte, der zu groß war, um echt zu sein, war nicht gerade sehr distinguirt. Sein Hut war auf gesetzt, als wenn er gefürchtet hätte, durch festeres Aufdrücken die Haare in Unordnung zu bringen; der Schnurr bart war sehr unternehmend, fast zu gerade in die Höhe gestrichen. Aber wie man sich wohl denken kann. hatte Frau Helene ihren treuen Be wunderer in der kurzen Spanne Zeit nicht so gründlich mustern' können. Sie hatte nur die Augen mit ihrer stummen und doch so beredten Sprache gesehen. Das war genug, um ihr eine sehr angenehme Erinnerung zu hinter lassen. Ach was.... gar nicht daran zu denken! So seufzte sie am andern Tage. Nachdem sie diesen tugendhaften Ent- schluß gefaßt hatte, setzte sie ihr Hütchen auf und ging zur selben Stunde den selben Weg, den sie gestern genommen, und warum soll man denn auch nicht zwei Tage hinter einander denselben Spaziergang machen? Das ist doch nicht verboten ! Der Unbekannte hielt es jedenfalls nicht für verboten. Genau an derselben Stelle, wie am Tage zuvor, bemerkte ihn Frau Danro, während sie selbstver- stündlich so that, als wenn sie ihn nicht bemerkte. Dieselben kleinen Vorgänge spielten sich ab: Der unbekannte Herr ging vorüber, machte Kehrt und folgte der schönen Wittwe, nur die Entfernung war heute ein wenig kleiner, vielleicht zehn Schritte. Wie am Tage vorher war er dann bei der Brücke wieder ver- schwunden. Helene kehrte eigenthümlich erregt heim. Wie würde das enden? Am dritten Tage, nachdem Karl zwei Abende recht , ungnädig behandelt wurde, war er so seßhaft zur Zeit des Spazierganges, daß Frau Danro nicht anders konnte, als seine Begleitung an- zunehmen. Und mein Gott! in dem Moment, als man um die Straßenecke bog, be fanden Helene und ihr Begleiter sich dem Unbekannten gegenüber, der gerade von seinem Friseur kam. . Frau Danro stieg die Röthe inS Gesicht und ein Zit tern überlief sie. Der Unbekannte ver rieth durch nichts seine jedenfalls höchst angenehme Ueberraschung bei Helene's Anblick, aber er schritt hinter dem Paare her.' Er schien nicht 'mal Pein lick berührt durch die Entdeckung was doch ganz gut möglich gewesen wäre, daß zu der hübschen Spazier gängerin ein Mann gehörte, der das Recht hatte, sie zu begleiten. Er folgte ohne sichtbare Erregung dem Paare, und die ganze Zeit waren seine Augen wie gebannt aus die schimmernden Haare HelenenS gerichtet. Wahrhaftig, er ift sehr comme ii saut," dachte Helene, .und wie gut er aussieht." Der wohlerzogene Herr folgte dem Paare bis vor Helene's Hausthür. Weniae Minuten sväter konnte He lene, hinter der Gardine versteckt, beob achten, daß er aus ihrem Hause heraus kam .... er hatte die Portiersfrau aus gefragt Frau Danro fand an dem Abend, der diesem Spaziergang folgte, den armen Karl wirklich unausstehlich. 5. Mit Herzklopfen wartete sie voller Spannung auf die Morgenpoft. und unzählige Male mußte die Jungfer nachsehen, ob Briefe im Kasten seien. Doch och! Tie Morgenpoft brachte nichts und ebenso wenig kam im Laufe deS TageS ein Brief. Frau Tanro war sehr nervös, und betrübend ift eS. eingestehen zu müssen, daß sie während dieses TageS sehr wenig an ihre even tuelle Heirath mit Karl Gurli dachte. Endlich, mit der Abendpoft, kam ein Brief. Ein Unbehagen überkam Helene, als sie denselben mit zitternder Hand ergriff. Tie Schrift war feft und sicher und verrieth absolut keine Gemüthsbe wegung. Tie Adresse lautete recht häß lich: .Frau verwittmete Helene Tanro." DaS graue Couvert von kaufmännischem Format hatte durchaus nichts poetisch Verliebtes, und doch entströmte ihm ein Duft, der ein Gemisch von Heliotrop, Veilchen, weißem Flieder, kurz, einen ganzen Parfümerieladen bildete. Man konnte wahrhaftig Migräne davon be kommen. Auf einem großen Doppelbogen las Helene, starr vor Staunen: . Paris, den A. Schnecke. Haarkünstler. Spezialift für das Färben der Haare. Erfinder der vorzüglichen, stets erfolg reichen Pomade gegen Haarausfall. An Frau verwittmete Helene Danro. Gnädige Frau, durch einen glück lichen Zufall habe ich den Vorzug ge habt, Ihnen drei Mal zu begegnen und erlaube mir in Folge dessen, mich Ihnen brieflich vorzustellen und damit gleichzeitig um Entschuldigung zu bit ten, Ihnen jedesmal gefolgt zu fein. Gnädige Frau, stets aufVerbesserung meines, ich kann wohl sagen, mit Recht rühmlichst bekannten HauseS bedacht, gestatte ich mir, von Ihnen eine große Gunst zu erbitten. Dieselbe besteht da rin. mir daS kosmetische Mittel anzu geben, durch welches Ihre , Haare eine so wundervolle Farbe erhalten, denn trotz aller meiner., durch verschiedene Medaillen belohnten Bestrebungen habe ich Derartiges noch me gesehen oder er zeilen können. Wenn Sie mir gütigst darüber eine Mittheilung machen wol len, so bin ich gern bereit, Ihnen das kostbare Haarfärbemittel von letzt ab. so lange Sie es wünschen, zu dem Engrospreis, ohne jeden Vortheil für mich, zu liefern. Gleichzeitig benutze ich die Gelegen heit, um Ihnen anzuzeigen, daß ich zu den zivilsten Preisen alle Parfürmerien und Toilette-Essenzen, sowie die be rühmte Schnecke'sche Pomade gegen den Ausfall der Haare liefere und falls dies erden in Ihrer Familie irgendwie vorhanden sein sollte, so ersuche ich, mir Ihr volles Vertrauen zu schenken. Indem ich der Erfüllung meiner Bitte und Ihren geschätzten Aufträgen entgegensehe, verbleibe ich, gnädige Frau, in vorzüglichster Hochachtung A. Schnecke. Haarkünstler. 6. In Helene wallte für einen Augen blick der Zorn auf und gleichzeitig ein Gefühl der Beschämung über die ganze Sache. Aber sie hatte einen glücklichen Charakter, und zum guten Ende lachte sie über die Geschichte. Als Karl kam, wurde er sehr fröhlich empfangen, und Frau Helene gestand alles vollständig em, und um lyn sur die beiden Lei denstage zu entschädigen, setzte sie den Termin der Hochzeit feft, die denn auch vor Kurzem gefeiert worden ist. Karl ist ein treuer Kunde von Herrn Schnecke geworden; schon aus Dankbar keit gegen den unbewußten Urheber des lang erhofften Glückes hätte er es wer den müssen! Der Gatte Helene's ist schon bei dem elften Topf der Schnecke- schen Pomade, und kürzlich hat er zu seiner großen Freude einen leichten, ganz leichten Flaum auf seinem kahlen Schädel entdeckt'. Er hat dem Haar künstler erlaubt, den überraschenden Erfolg seiner Kur bekannt zu machen. um dadurch eine Medaille bei der Aus stellung im Jahre 1900 zu erlangen. Die schöne Klientin. " Von L. Wilhelm!. Zwei Freunde saßen gemüthlich rauchend in einem Hause der R Straße m M Sie hatten sich lange Zeit nicht gesehen; Heinrich Schreiner hatte eine größere Reise gemacht und Doktor Guido Sturm hatte sich in der Zwischenzeit als Rechtsanwalt nieder gelassen und wartete auf die Klienten, die nicht kommen wollten. So", sagte Heinrich, nachdem er seine Erlebnisse erzählt, nun weißt Du Alles von mir; jetzt laß auch etwas von Dir hören." Du lieber Gott, da ift nicht viel zu berichten; denn wie Du mich hier siebst. warte ich noch immer auf Klienten, ein Schicksal, daS übrigens fast allen iun gen Anwälten beschicken ist." Du mußt eben Geduld haben, mem Junge. Eines schönen Tages wird der berühmte erste Klient schon anrücken und Dir die Möglichkeit geben. Dein Talent zu zeigen, und dann bist Du ja mit dem Dicksten durch". Einige Augenblicke blieb Guido stumm; er steckte die Hände in die Taschen, warf einen Blick auf seinen Freund und schien gegen eine heftige Lachluft anzukämpfen. TieseS Be mühen aber war vergebens, und schon eine Sekunde später brach der junge Rcchtsanwalt in brüllendes Eelc.chtcr aus, Ich kann mir nicht helfen, alter Junge,- rief Guido luftig: aber dieser berühmte .erste Klient", von dem Tu sprichst, ift schon gekommen und feinet, wegen habe ich auch ebei. so herzlich gt lacht. Tie Sache hängt mit einer O5r schichte zusammen, und da ich Teine Neugier erregt habe, so muß ich sie auch befriedigen, obwohl ich eigent lich die Absicht gehabt hatte, iiic über eine Angelegenheit zu sprechen, in der ich keine glänzende Rolle spielte. Aber ich weiß, ich kann mich auf Tich der lassen, mem Junge; also höre! Ich habe, wie bereits bemerkt, mtl nen ersten Klienten schon gehabt. Tie se feltene Individuum erschien, kurz nachdem ich diese Räume bezogen hatte Tu weißt, alter Junge, ich war stets ein Freund der Tamen, von meiner Jugend an bis letzt oder richtiger ge, sagt. biS zu der Zeit, von der ich Tir erzählen will. Also ich saß hier an meinem Schreibtisch und war in das bürgerliche Gesetzbuch vertieft, als eö leise an die Thüre klopfte. Ich sprang auf, um zu öffnen, und daS Herz schlug mir heftig. Vor meinen Blicken erschien eine große, elegant gekleidete Tame, die nicht mehr ganz jung, aber auch durch aus noch nicht alt und noch immer sehr schön war. Kaum wußte ich. wag ich that, so erstaunt war ich. Ich ersuchte sie, näher zu treten und Platz zu neh men, was sie auch mit großer Bereit Willigkeit that. Ich habe doch die Ehre mit dem Herrn Rechtsanwalt selbst zu sprechen?" fragte sie mit melodischer Stimme. Ich verneigte mich. Ich bin von einem ihrer Freunde, Herrn Brinkmann. an Sie gewiesen worden." Sie zögerte und ich stotterte etwas von hoher Ehre, während ich mich fragte, wie Brinkmann dazu käme, Jemand zu mir zu senden. Ich komme in einer delikaten Ange legenheit zu Ihnen. Ich bin verhei rathet, besitze aber Privatvermögen. Es ist mir doch gestattet, darüber persönlich zu verfügen? Ich meine, ich habe doch das Recht, ein Testament zu machen, nicht wahr?" Gewiß, gnädige Frau, zweifellos," versetzte ich. Und zwar ohne Kenntniß oder Zu ftimmung meines Gatten, nicht wahr?" fragte sie weiter. Gewiß," erwiderte ich, wenn das Vermögen Ihnen gehört, so hat Ihr Gatte nichts dreinzureden. Sie können allein darüber bestimmen." Sie stieß einen tiefen Seufzer der Er leichterung aus und sah mich mit ihren blauen Augen an. Ich danke Ihnen, Herr Doktor; ich danke Ihnen! Sie wissen nicht, welche Last Sie mir durch Ihre Worte vom Herzen nehmen. Könnten Sie mir vielleicht gleich einen Testaments entwurf aufsetzen? Ich würde darauf warten." Ich versicherte sie, daß das gleich ge schehen könnte, und machte mich sofort ans Werk. Sie nahm mir gegenüber Platz, und ich bemerkte, wie sie während ich schrieb, ihre blauen Augen auf mir ruhen ließ. Ich habe mir meine Wünsche auf geschrieben, die Sie in das Dokument aufzunehmen haben," sagte sie, während sie die Börse öffnete. Doch sie suchte vergeblich nach dem Zettel, sie hatte vergessen, ihn mitzu bringen. Ich bemerkte, wie sie nervös wurde und zu zittern anfing, als alles Suchen nach dem Blatt resultatlos ver lief. Was soll ich nur thun?" rief sie ver zweifelt. Ich bin in der Stadt fremd, Herr Rechtsanwalt, und muß in weni gen Stunden abreisen. Ich habe ge wichtige Gründe, daß die Angelegenheit vorher erledigt wird; denn ich hätte sonst keine Aussicht...." Sie hielt inne nnd eine heftige Röthe überflog ihr Gesicht, während sie mich anblickte. Wissen Sie die einzelnen Bestim mungen, die Sie treffen wollten, nicht auswendig?" Nein, ich kann mich auf mein Ge dächtniß gar nicht verlassen, und doch kann ich nicht ins Hotel gehen und dann wieder hierher zurückkehren, das würde ich nie wagen!" Sie machte wieder eine Pause und fuhr dann zögernd fort: Sie werden jedenfalls meinen, daß meine Worte einer Erklärung bedürfen. Und Sie haben Recht. Es ist mir sehr peinlich, es zu erwähnen, doch es muß sein. Mein Gatte ist ein sehr leidenschaftlicher Mensch und leider muß ich es sagen hat fein ganzes Vermögen verschwen det. Jetzt fpekulirt er auf das meinige, das ihm nach meinem Tode zufallen würde, der wohl bald eintreten, da ich herzleidend bin. Ich habe aber zwei Kinder, und zu ihren Gunsten will ich das Testament aufsetzen, ohne daß mein Mann etwas davon erfährt. Er ist jetzt auf einige Stunden geschäftlich ausgegangen, xnb ich habe die Gelegen heit benutzt, um hierherzukommen. Ich habe aber keine Zeit, um ins Hotel und dann wieder hierher zu eilen, da er in zwischen sicher zurückkommt. WaS soll ich nur thun ?" Ich bemerkte, wie der armen Tame die Augen voll Thränen standen und mein Herz erfüllte ein inniges Mitleid. Wie konnte ich nur helfen, diesem unalücklichen Opfer ehelicher Tyrannei Plötzlich kam mir ein Gedanke, und ich laaie .Gnädige Frau, wäre eS Ihnen angenehm, wenn ich te ln Jyr Hole begleitete, um die Notizen dort einzu schreiben?" Sie sprang auf und ergriff meine Hand, während ein Lächeln durch ihre Thränen brach .h, Herr Doktor ' rief sie. woll ten Sie daS wirklich thun? Das wäre wahrhaftig zu liebenswürdig!" Ich steckte also, wie Tu Tir woh denken kannst, daS Dokument zu mir, setzte meinen Hut auf und begleitete meine schöne Klientin inS Hotel Bevor wir aber aufbrachen, fragte lik mich nach der Höhe meines Hono rarS, und ich war dumm genug, bei dieser Frage m Verlegenheit zu ge rathen. Tiefe Bemerkung erschien mir in ihrem Munde so gewöhnlich, doch sie verlangte eine Antwort, und ich nannte ihr schließlich meine Forderung Ich," sagte sie, ich habe nur einen Tauseiidmartscheiii bei mir. WaS ist da zu thun, Herr Toktor ? Ich kann Ihre Tienste doch nicht umsonst anneh men, und doch sind Sie mir gerade jetzt so dringend nöthig. Glualicyerweiie yatle icy einige blaue Scheine und etwas Gold im Bureau, so daß eS mir möglich war, den Schein zu wechseln. Als wir das Hotel erreicht hatten. führte mich die Dame in ein kleines Zimmer und stellte Feder und Tinte auf den Tisch, dann ging sie ins Nebenzimmer, um den bewußten Zettel zu holen, den sie auch nach längerem Suchen fand. Sie stellte mir einen Stuhl hin und naym elv t mir gegenüber Platz. Ich begann zu schreiben und hatte meine Arbeit fast beendet, als ich hörte. wie die Thür hinter mir geöffnet wurde. Bevor ich mich noch umdrehen oder ein Wort aussprechcn konnte wurde mir eine dicke Decke über Kov und Schultern geworfen, fo daß meine Arme gelähmt waren und ich keinen aul aus token konnte. Verhalten Sie sich jedt nur einen Augenvlia still, mein lieber Freund. sagte eine Männerstimme. Verbalten Sie sich ruhig, sage ich Ihnen, dann lyue ich ;xhnen nichts. Sie wollen nicht? Tann muß ich Sie festhalten. iiever freund. &o, Marie, suche dem yerrn jetzt schnell die Taschen nach Sie haben ja wohl einen Tausend markschein bei sich? Hast Tu ibn. Marien Rasend vor Wutb und mick in nfm mächtigem Zorn sträubend, während oie Finger oes 'canncs mich wie in einen Scbraubstock tirrfctm rfnnnt 5 die Wahrheit, und meine Stimmung rvuroe nicyi geraoe neuerer, als es mir nar muroe, van icg mich von der Ichö nen Klientin batte diiniv Tnfiim oeren weine, seine iftnoer um in mei ., . ner Brieftasche wüblten. Nocd einen Auaenbli- hann fint ich. wie ein Waaen über das Vffatter rouie. nr- Nun rik icb und zerrte ein hem &nste bis ick Mick endlich aus der lächerlichen Situation befreite, die ich um keinen Preis emano yane gestehen mögen; dann stürzte ich die Treppe hinunter uno eine in mein ureau. Als ich Nackforschunoen anfallt?. erfuhr ich, daß die Tame' und der Herr am vorigen Ä.age im votel anaekom men und sich als Herr und Frau Blumner aus Frankfurt a. - M. ins Fremdenbuch eingetragen hatten. Sie hatten kurz vor meinem Erscheinen ihre Rechnung bezahlt und stck oleick daraus entfernt, niemand wußte, wohin Wie die Dame" Brinkmann Na- men erfahren hatte? Davon hatte ich keine Ahnung, bis ick die Portiersfrau fragte, die mein Bureau jeden Morgen aussegle, i&ie war an jenem Morgen gekommen, während ick, ausaeaanoen war, hatte über dielen unglückseligen Zufall ihr Bedauern ausgedruckt und dann die Portiersfrau gefragt, ob ich nickt irgend einen freund bätie. her vielleicht wüßte, wo ich wäre; sie hätte es eilig uno mutzte mich sofort sprechen. Taraufhin hat sie ihr meinen Freund und Kollegen Brinkmann genannt. So!" sagte Guido, jetzt weißt Xü, warum ich vci deiner Anspielung auf den .erübmten" ersten SfWenim gelacht habe. Seitdem gehe ich Tamen Icheu aus oem Wege, uno iq glaube ich werde noch Weiberfeind werden." Das Schicksal des Dauphin Lud wia XVII. beschäftigt noch fortgesetzt die froniöfi schen Gelehrten. Tie Ansicht, daß das Kmd, daS unter seinem Namen im Temple gestorben ist, nicht der echte Dauphin gewesen ist. gewinnt neuer dingS wieder an Verbreitung. In der letzten Nummer der 'Zeitichrift La Plume" wird mit einer großen Fülle historischer Dokumente der Nachweis versucht, daß in der That Ludwig aus dem Temple entkommen ist und an seiner Stelle ein anderes Kind unter geschoben worden ist. Der Hergang wäre danach der folgende gewesen: In der zweiten Etage deS Templcrthurms wurde zu Ende des Jahres 1794 ein Kind gefangen gehalten, das den Na men Charles Louis Capet führte und der ehemalige Dauphin sein sollte. Seit dem November dieses Jahres aber wurde der wirkliche Dauphin in einer Dachkammer in der vierten Etage des selben Gefängnisses verborgen gehal ien; daS Kind, das man an feiner Stelle untergeschoben hatte, war ein gewisser Tardif. Vorsichtiger Weise hatte man eine Taubstummen für diese Rolle gewühlt. Da indessen seine Stummheit. die in einem starken Kon traft zu der Lebhaftigkeit deS echten Dauphin stand, auf die Dauer fehr auffällig werden mußte, fa ersetzte man Tardif durch ein zweites Kind, dessen Mutter Leninger hieß. ES war dies ein armeS. ttrophulöseS Kind, das am 8. Juni 1795 starb. Gerade dieser Tod deS unterschobenen Dauphin er möglichte eS aber, den wirklichen, der noch immer in der vierten Etage ver steckt gehalten wurde, aus dem Gefüng niß fortzuschaffen. Ter Leichnam des kleinen Leninger war in dem noch ge öffneten Sarge im Erdgeschoß auf gestellt worden. Zu der Zeit, da er fortgebracht werden sollte, hob man die Leiche aber heraus und legte den Tau phin. der durch eine Arznei in einen tiefen Schlaf versetzt worden war. an seine Stelle. Ter Sarg wurde dann geschlossen und zu dem Friedhof SainteMarguerite gebracht, wo er beerdigt werden sollte. Während der Fahrt wurde der Tauphin durch einen Mann, der sich in dem Wagenkasten versteckt hatte, aus dem Sarge befreit und der leere Sarg mit Gewichten be schwert. Nach dem Begräbnis; führte derselbe Wagen den Mann und das Kind zu einem Hause in der Rue de Seine, wo sie bei der Wittwe eines der am 10. August getödteten Schweizers Unterkunft fanden. TaS ganze Manö ver, daS eben nur nach außen den, Scheiil wahren konnte, ging von Bar ras aus. für den der Dauphin ein werthvoller Geisel werden sollte Für alle die Züge dieser etwas roinan tisch klingenden Geschichte wird eine Reihe von Beweisen beigebracht, die im Einzelnen anzuführen hier zu weit füh ren würde. In der Saudtsacke hanMi ?5 (ich darum, nachzuweisen, daß der damals oenanele cichnam nicht der des echten Tauphin gewesen sein kann. Das Pro tokoll der Leicbensckau erklärt hnfe kni Kind seit langem skrophnlös gewesen ,e,n mu der Dauphin war eS im Jahre 1792 nicht im geringsten. Ter Dauphin batte einen Brück, her f, it hem Jahre 1793 behandelt werden mußte oas Proroiou weiß davon nichts. Tie vier Aerzte, die es unterz?ickt hnhen konstatiren gcflissentlich?nicht die Jden mal des ihnen gezeigten Körpers, sie bezeichnen ihn einfach als den Leichnam eines Kindes, von dem hi, ffnmmisi.ir uns erklärt haben, daß er der des Lohnes des verstorbenen Louis Capet sei und den Zwei von UNS al hen he Kindes wiedererkannt' haben, das sie ien einigen Tagen behandelten. Jedes Mal, wenn ein neues Kind unter geschoben wurde, bat man nnhere 9lcrjtc herangezogen. Einer der Aerzte bemertt, daß das von ihm behandelte Kind nicht der Dauphin fei und sagt es: einige Tage sväter ist er dlöklick nestnrkrn. Der Sarg, von dem man glaubte, daß er oie veichc des Tauphin enthalte, wurde sväter von der U!oli,ei Naknlrmi leer gefunden. Andererseits fand man an der Mauer des Temple den Leichnam eines Kindes, das wahrscheinlich der kleine Leninaer war. Die svi-innin von Angouleme versicherte, daß sie zu der Leiche geführt worden sei. und daß sie bemerkt habe, daß es nicht die ihres Bruders war. Dasselbe wird auch rm einigen anderen Zeugen bestätigt. Was aber dann aus dem wirklichen Dauphin geworden ist. und ob nickt einer her zahllosen falschen Ludwige" doch dcr ecyie gemein oaruver lüßl sich nichts Bestimmtes sagen. ' Aerztkhonora im Mittelalter Wie die Aerzte im Mittrlalier in her Mark Brandenburg honorirt wurden, erzählt, wie die Germania" mittheilt, Dr. Pricbatsch in dem neuen Heft der Forschungen zur brandenburaiickcn und preußischen Geschichte. Tie Honorare scheinen demnach sehr ungleich gewesen zu fein. Ter Arzt Friedrichs II.. Tr. Meurer. erhielt ein Jahresgehalt von 100 Goldgulden, während der Arzt Konrad Diel vom Markgrafen das dop velte Gcbalt bezoa. Tie .frafrtrih rr hielten außerdem noch Frcibänscr in oer Neiioenz. Tie Privalpraxis icheint sehr wenig eingebracht zu haben. Ein Ant. der einen Wirten bebandelte. hen Bauernjungen beim Raufen am Feuer gebraten" und schwer verletzt hatten, erhielt für feine Mühe 2 Gulden. Einem minbandcltcn Priester zu Tan- germünde wurden 13 Gulden als ckmerzensacld zugewiesen, von henen er mirfi hon Wr! hrtMri triff se M 1414 wil vvnutfun UUil. Vi wird also wohl auch nicht viel bekoin men yaven. -tz Aderiaffer Meister Dirick erhielt meist 6 Schilling, einmal 1 Mark, ein andermal 11 Mark für Heilung des Propstes. Mit der Aus Zahlung des Lohnes haperte eS aber da bei noch manchmal. Ein Brandenbur aer Wundarzt. Meister frnus Nran- Zöser. klagte einmal den Aerztelohn beim geistlichen Gericht ein. Ein märki scher Edelmann Ovven verlaupt rin andermal von einem Arzt das ihm ge geoene Geld zurück, da seine Krankheit nicht geheilt worden sei. Mütterlicher Ratl,. Fräulein Minna, die Tocktcr des HauseS, will trotz Affordcrung der Gäste nicht Klavier spielen. Da sagt die Mutter: Kind, fei nicht so trotzig, und mache gute Miene zum bösen Spiel." 1 V