Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 11, 1900, Image 10

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    Der erste Sdjnec.
Humoll zki von freiem ooa schlicht.
Wir hatten unserem Jungen zu
Weibnackten einen Schlitten aeschenkt.
und daS war eigentlich ein Unsinn, denn
am WeibnachtsAdend hatten wir das
reine FrühlingSwetter. eS war o warm,
daß wir nach der Pescheerung am cffe
nen Denker faßen.
Ich hatte meiner Frau noch am Tage
vor dem Fefte einzureden versucht, daß
ein Schlitten augenblicklich ein Unsinn
sei. gebrauchen tonnte ihn der Junge
ja doch nicht, aber meine schönsten Worte
waren zwecklos, sie scheiterten an der
ständigen Entgegnung meiner Frau:
.Aber er wünscht ihn sich doch so.-
Dagegen ist nichts zu machen, gegen
diesen triftigen Grund ist man macht
loö. .er wünscht ihn sich so", folglich
mußte er ihn haben, zumal der Junge
unser einziges Kind ist.
Die .einzigen" Kinder haben eS
eigentlich herrlich, alle Sünden und
Vergehen werden ihnen verziehen, und
weil es eben daS einzige" ift. bekommt
eS bei festlichen Gelegenheiten so viel
geschenkt, daß eS auch für die fehlenden
sechs Geschwister mehr als genug wäre.
TaS hatten wir so recht bei dem Ge
burtstage unseres Jungen im Sommer
gesehen; waö hatte er da nicht Alles
geschenkt bekommen von unS, den zärt
lichen Eltern, und noch zärtlicheren Tan
ten: von der Trompete, die Gott sei
Dank nach der ersten halben Stunde
so verbogen war, daß sie keinen Ton
mehr von sich gab. bis zu einer Tut
nerseuerwehr mit einer kleinen Dampf
spritze, vor derem Strahl nichts im
Hause sicher war, war Alles vorhanden,
Alles, Alles. Alles, sogar ein bellender
Hund aus Tuch. Dieser Hund bellte,
sowie man den Gummiball zusammen
drückte, den der Köter an einem
Schlauche um den Hals trug, .nur
einmal ordentlich drücken, dann bellt
er," hatte mich der Händler auf der
Friednchftrake versichert; zu spat de
merkte ich, daß ich angeführt worden
war. der Hund bellte nicht, wenn man
den Gummiball zusammendrückte, son
dem wenn man selbst mit dem Munde
Wau-Wau" machte. Dann bellt
schließlich Alles, selbst eine Litfaßsäule.
Staunend hatten wir mit unserem
Jungen den Geburtstagstisch betonn
dert und ihn dann gefragt: Na, Ben
gel, freust Du Dich nun wenigstens
darüber, daß alle Menschen Demetwe
gen so viel Geld ausgegeben haben?"
Da hatte der Knirps von drei und
einem halben Jahre mich mit seinen
aroßen. blauen Augen angesehen und
statt Danke" nur gesagt:
..Weiunachten bekomme im einen
Slitten. und wenn eS schneet, dann
fahre ich mit dem Slitten spazieren,
nicht Papa?"
Was vor ihm auf dem .Tische lag,
hatte keinen Reiz mehr für ihn, ihn
lockte nur da? Zukünftige, und der
Schlitten" spielte fortan die Hauptrolle
in seinem Leben.
Wenn er des Mittags sein Fleisch
nicht essen wollte, oder wenn er die
Betzentoffeln" (Bratkartoffeln) liegen
ließ, hieß es: Wer feinen Teller nicht
leer ißt, kann keinen Schlitten bekom
wen." Das half stets Wunder, viele Wochen
hindurch, aber einmal verfehlte auch
diese Redensart ihre Zauberwirkung:
er sollte etwas' aufheben, das er im
Zorn auf die Erde geworfen hatte.
Er war in Güte nicht dazu zu be
wegen.
Gut, dann bekommst Du auch sei
nen Schlitten."
.Da sah der Bengel mich frech an
und sagte: Ich will auch gar keinen
haben, das hab' ich man immer so ge
sagt. Na", sagte ich, es ist gut. daß ich
das weiß, dann kann Wilhelm (unser
Diener) den Schlitten ja gleich wieder
zum Kaufmann bringen," und ich stand
auf. anscheinend, um meine Drohung
auszuführen; mit großen Augen sah er
mir nach.
Am Nachmittag kam mein Junge zu
mir.
Pappen, zeig' ihn mir 'mal."
Ich saß bei der Arbeit und wußte
nicht, was Nüter, so wird unser Bube
frei nach Hanne Nüte genannt, wollte.
Du, Papn, zeig' mich 'mal den
Slitten."
Ach so, das war's.
Ich machte mein ernstestes Gesicht, in
dem sich schwerer Kummer und die Be
trübniß. einen so ungerathenen Sohn
zu haben, aussprachen, und sagte dann
mit wehmüthiger Stimme: Das geht
nun leider nicht, Wilhelm hat den
Schlitten heute Nachmittag fort
gebracht."
Feierliche Stille.
Du, Pappen," klang es da wieder.
.Nun?"
Du Pappen, Wilhelm hat gesagt,
das wäre gar nicht wahr."
Einen Augenblick war ich unange
nehm berührt, auf einer Lüge ertappt
zu sein, dann sprach ich mit Nachdruck:
Was Dein Vater sagt, ift immer wahr,
auch wenn Wilhelm sagt, das es nicht
wahr ift, das merke Dir, mein Sohn,
und nun geh' hin und spiele! Das aber
sage ich Dir im Voraus:- wenn Du mit
Deiner Dampfspritze wieder Mamas
Gartenhut begießt, damit die daran
befindlichen Papierblumen ordentlich
wachsen, giebt es Klaps; verstanden?"
Etwas beleidigt zog mein Sohn und
Erbe von bannen.
Selbstverständlich war der Schlitten
vom nächsten Tage an wieder sein Lieb,
lingswunsch. eS verging kein Tag. an
dem er nicht wenigstens dreimal sagte:
.Und Weihnachten krieg' ich einen
Schlitten nicht Papa?
.Abwarten", lautete die Antwort.
.Und wenn ich denn ein Slitten hab',
denn fahr ich Slitten. ich Mama?"
Und nun war der Schlitten da, ein
leichtes, zierliches, dabei aber doch festes
und solide geardeiteS Ding, ein Mei
fterstück der modernen Baukunst.
Der Jubel deS Jungen kannte keine
Grenzen, er war so erfreut, daß er gar
nicht daran dachte, sich sofort etwaS
Neues zum Geburtstag zu wünschen.
DaS that meinem väterlichen Herzen
wohl.
.Morgen fahre ich Slitten. ich
Pajto?"
.Gewiß", gab ich zur Antwort,
.wenn morgen Schnee da ift."
Langes Nachdenken.
Und wenn kein Schnee da ift, fahre
ich in der Stube Slitten. ich Mama?"
Aber davon wollte selbst die zärtliche
Mama nichts wissen, ihr Teppiche und
ihre schön geölten Fußböden lagen ihr
denn doch zu sehr am Herzen.
,DaS geht nicht, mein Liebling."
gab sie zur Antwort, .Nüter fährt
Schlitten, fo bald Schnee ift, und wenn
Nüter ganz artig ift, schenkt Dein Papa
Dir auch noch einen Zügel mit kleinen
Schellen."
.Das fällt Deinem Papa gar nicht
ein. gao iq zur Aniwon (in Paren
these sei es hier gleich bemerkt, daß der
Junge, um Wilhelm, der darüber
wahrscheinlich sehr erfreut gewesen sein
wird, ordentlich einspannen zu können,
den Zügel am nächsten Tage doch er
hielt).
Als der Herr Sohn am Weihnacht
abend endlich schlafen ging, wollte er
natürlich den Schlitten mit zu Bett
nehmen; nach langen Unterhandlungen
wurde ein Kompromiß dahin abge
schloffen, daß an dem Schlitten ein
Band befestigt wurde, das Herr Nüter
während des Schlafens rn der Hand bt
halten dürfte.
Am nächsten Morgen, als der Junge
Schlitten fahren wollte, war, so weit
das Auge reichte, selbst mit Hülfe eines
ausgezeichneten Fernglases, keine
Schneeflocke zu entdecken.
Kinder wollen mehr wissen, als die
sieben Weisen von Athen zu beantwor
ten vermöchten, und so sagte der Junge
denn:
Papa, warum hat es nicht gesneet?
' Eltern müssen stets so,, thun, als ob
sie Alles wissen, und ss sagte ich denn:
Das kommt, weil Du gestern Abend
nicht artig zu Bett gegangen bist, da
ist die Strafe."
Dann will ich nun ganz artig lein,
dann giebt es morgen aber auch Tnee,
nich Papa?"
Am nächsten Morgen war natürlich
auch kein Schnee da.
Wieder wollte mein Junge dafür
eine Erklärung haben.
Ich erzählte ihm das Märchen von
der Frau Holle.
Warum hat Frau Holle denn ihr
Bett heute Morgen nicht gemacht?"
Frau Holle ist verreist," gab ich zur
Antwort.
Woher weißt Du das, Papa?"
Ich habe heute Morgen einen Brief
von ihr erhalten, sieh, hier ist er." und
ich zeigte ihm eine alte Postkarte.
Warum ist Frau Holle denn ver-
reist?"
Ja. wußte ich es?
Ihr eines Kind ist trank, aber so
bald sie wieder zurück ist, will sie ihr
Bett machen, dann kann Nüter schön
Schlitten fahren."
Kommt sie bald wieder zurück?"
Ich fah nach dem Kalender, es war
der 20. Dezember; einmal mußte es
doch Winter werden, so sagte ich denn:
Gewiß, sie kommt bald zurück."
Aber Frau Holle kam nicht.
Ist das kleine Tint immer noch
trank?" fragte mich der Junge nach ein
paar Tagen.
Leider, leider. Zagte ich, aber es
wird nun bald wieder ganz gesund.
Woche auf Woche ging dahin, und
bald sehnte ich den ersten Schnee nicht
weniger sehnsüchtig herbei als mein
Junge, ich wußte keine Ausreden mehr,
die ewigen Fragen: Pappen, giebt es
morgen Snee? singen an, mich nervös
zu machen.
So kam der neben Februar heran;
nie werde ich den Tag vergessen.
Ich war am Abend vorher m einer
Vereinssitzung gewesen und spät, sehr
spät nach Hause gekommen.
Ich lag noch im besten Schlummer,
als ich davon erwachte, daß mich je
mand an meinen Schnurrbarthaaren
zog zu den angenehmsten Gefühlen
der Welt gehört dies gerade nicht.
Pappen, Pappen, wach doch auf."
Vor mir stand mein kleiner Junge,
so frisch und rosig, daß ich es nicht über
mein Herz brachte, ihn wegen der
Schmerzen, die er mir verursacht hatte,
zu schelten.
.Pappen, bist Du wach?"
Ich gab ihm einen Kuß.
Pappen, weißt Du was?"
Nun?"
.Pappen, es hat gesneet, Frau Holle
ihr kleines Tind ift nun wieder ganz
gesund, das is man schön, nich Papa?
Nun tommt es nicht zum lieben Gott
zu unserem tleinen Luischen, nicht
Papa?"
HanS Nüter machte ein ganz erstaun
tes Gesicht, als ich ihm anstatt jeder
Antwort noch einen Kuß gab.
Pappen nun kann ich Slitten fah
ren."
.DaS versteht sich, ruf einmai Wil
Helm, der soll gleich mit Dir im Garten
spielen."
.Erst muß ich zur Schule gehen,
aber wenn ich dann zurückkomme, dann
kann ich mit dem Slitten fahren.
nich?"
Mein Junge war kluger als ich. im
Augenblick hatte ich eZ ganz vergeffen.
daß er seit einem Vierteliahr den xin
vergärten besuchte: jeden Morgen mar
schirte er. die Füße in warmen Pelz
stiefeln, die Hände in der Paletottasche
vergraben, stolz zur Schule. Am ersten
Tage hatte lch ihn selbst hmdegleitet.
sür die Kinder der Nachbar chatt war
sein erster Schulgang ein Ereigniß ge
Wesen. Neugierig und verwundert
hatten sie ihn angestarrt und ein Junge
bat: .Nuter. nimm mich mit."
Da drehte mein Sohn und Erbe sich
stolz um und sagte: .TaS möchtest Tu
wohl. waS?" und ging, ohne seine
Spielkameraden eines weiteren BlickeS
zu würdigen, von bannen.
.Natürlich." sagte ich. .erst mußt
Du zur Schule gehen, aber heute Mit
tag fahren wir zusammen Schlitten
Nun laß Papa aber noch einen Augen
mia schlafen, Pappen ist nicht ganz
wohl."
Zärtlich und theilnehmend streichelte
er mich mit seinen kleinen, weichen Hän
den, und ich schämte mich, ohne recht zu
wissen, warum.
is icn endlich autuand und neu
gierig zum Fenster hinaussah, war kein
Schnee zu sehen, die Sonne, die hell
und fröhlich schien, hatte ihn wieder ge-
schmolzen, mein Garten sah aus wie
eilte große Pfütze.
Mir that mein Junge leid, aber auch
ich sollte die Wahrheit des alten Wortes
erfahren, daß die Eltern sich oft irn
nöthig um ihre Kinder ängstigen; Hans
Nüter kam glückstrahlend aus der
Schule zurück.
.Der Junge ift verständiger als ich
dachte," sprach ich zu mir selber, er
gewöhnt sich bei Zeiten daran, das Un
abänderliche mit Würde zu tragen."
' Ich ging aus, um eine Besorgung
zu. .machen, als ich um zwei Uhr
zum Mittagessen heimkehrte, fand ich
meine Frau allein. t
Wo ift Nüter?" fragte ich.
Er fährt mit Wilhelm Schlitten."
lautete die Antwort.
Ich glaubte nicht richtig verstanden
zu haben.
Er wollte so furchtbar gern." 'fuhr
meine Frau fort, als sie mein erstaun
tes Gesicht sah, Wilhelm und er sind
mit dem Schlitten fort und suchen eine
Stelle, wo noch Schnee liegt."
Da können sie lange suchen." erwi
derte ich. hätte ich das aber im Voraus
gewußt, so hätte ich mich nicht fo damit
beeilt, nach Haus zu kommen. Wann
essen wir denn?"
Es ift alles fertig." gab meine Frau
zur Antwort, ich warte nur auf Minna,
(unser Kindermädchen), ich habe sie hin-!
geschickt, um Wilhelm zu sagen, daß er
nach Haus kommt."
Weißt Tu denn, wo Wilhelm ift."
Nein," klang es etwas kleinlaut.
Nun," sagte ich. irgendwo werden
sie ja wohl gefunden werden, laß mich
rufen, wenn es o weit ist." .
Ich ging in mein Zimmer und war
tete eine Viertelstunde nach der anderen,
meine, schlechte Laune aber nahm von
Minute zu Minute zu ein feuer
speiender Krater war schließlich im
Vergleich mit mir ein auf Eis' aeleatcr
Eisblock.
Um drei Uhr ging ich zu meiner
Frau- ..Wir wollen jetzt essen, laß die
Köchin bitte auftragen."
Die Suppe war angebrannt, das
Fleisch zähe, die Kartoffeln zerkocht.
das Gemüse kalt; es war ein Götter-
mahl.
Und der Junge war immer noch
nicht da.
Schweigend saßen wir einander bei
Tisch gegenüber. Hätten wir mitem
ander gesprochen, so wäre es zu einem
Streit gekommen; den wollten wir
beide vermeiden.
Wieder verrann eine Viertelstunde.
Da ertönte auf der Diele ein Ge
schrei, so schrill und gellend, als ob
jemand bei lebendigem Leibe in Stücke
geschnitten würde.
Ada," sagte ich, nun ist er da."
Das Geschrei nahm zu, es schwoll
an zu einem Gebrüll, zu einem Geheul,
daß es durch das ganze Haus gellte
Ich erhob mich- von meinem Platze,
meine Frau stand auch auf.
Zornig trat sie mir entgegen: Du
schlägst ihn nicht, hörst Du? Du
schlägst ihn nicht, ich will es nicht
haben."
Ein wahrhaft teuflisches Gebrüll
scholl zu uns hinüber; wir gingen beide
hinaus.
Der Länge wach auf der Erde lag
unser Stolz und unsere Freude, an der
rechten Hand zog Wilhelm, an der Lin
ken Minna, der Schlitten, den Nüter
mit einem Band um die Brust zog.
folgte hintendrein.
Ich trat näher: Du stehst sofort
auf!"
Ebenso gut hätte ich die Worte zu
einem Todten, wie zu meinem Jungen
sagen können.
.Ich will Slitten fahren. Slitten
will ich fahren!"
Steh auf!" donnerte ich.
Er rührte sich nicht.
Da gab ich Wilhelm einen Wink,
der küßte, wo der Rohrstock lag, und
eine Minute später hielt ich das Marter
inftrument in der Hand.
Wie denken wir nun?" fragte ich.
Ich will Slittcii fahren."
Zunächst werde ich einmal mit Dir
Schlitten fahren." sagte ich. und ich
hob den Jungen von der Erde empor
Gleich darauf aber legte ich ihn wie
der hin; nein, wie sah der Bengel aus
Hätte er nicht noch beständig geschrien.
so hätte ich geglaubt, eine Ehocoladen
puppe im Arm gehabt zu haben: er war
braun von oben bis unten, sein Gesicht.
seine Hände, seine blonden Haare wa
ren braun, der aanu Junge war be
spritzt, nein angestrichen mit einer flüs
sigen Ehocolade.
Und daS war mein Kind schaudernd
wandte ich Mich ab.
Eine Minute später lag er aber den
noch, über dem väterlichen linken Knie,
und er blieb da lange liegen.
,o, sagte ich enduch, .mein
Junge, nun kannst Tu weiter Schlitten
fahren."
Ich dachte die Luft wäre ihm der
gangen für alle Zeiten, aber laut brül
lend, den Schlitten hinter sich her,
ziehend, stürzte er zur Hausthür hin
aus.
Wie die wilde Jagd wir alle hinter
ihm her.
Nach wenigen Secunden war er ge
fangen.
Wir redeten mit Güte und mit
Langmuth auf ihn ein; alles der
gebens.
.Liegt denn irgendwo Schnee?" fragte
ich den Diener.
Nirgends." gab er zur Antwort,
wir haben in der Allee gespielt, da
war es ganz entsetzlich schmutzig. Nüter
saß aus dem Schlitten, den ich ziehen
mußte, und wenn er hinunterfiel, drehte
er sich immer ein paar Mal herum, ehe
er wieder aufsfand."
Und Herr Nüter brüllte, daß die
Fensterscheiben klirrten.
Aus der Küche kam ungcrufcn die
Köchin, ein großes Stück Marzipan.
seine höchste Wonne, in der Hand hal
tend; es half nichts, er schrie weiter.
Ta klingelte es an der Thur Wil
Helm öffnete.
Nehmen die Herrschaften Besuch
an?".
Es war ein junges Brautpaar, das
auf der Visitcntour war.
Verleugnen konnten wir uns ia nicht.
so traten sie auf die Diele, und halb
lachend, halb verlegen weihten wir sie
in die Veranlassung dieser Familien
fcene ein.
Aber wer wird denn o unartig
sein?" sagte die junge Braut freund
lies). Komm, gieb Händchen." .
Und ehe ich es verhindern konnte,
hatte der Junge seine Chocoladenhand
in den feinen, weißen Glacehandschuh
gelegt.
Mich rührte beinahe der Schlag, und
ich stammelte Worte der Entschuld!
gung.
Jetzt waren der Zuschauer sieben ;
wir alle umstanden Nütter, der auf sei
nem Schlitten saß und ein Geheul aus
ftieß, im Vergleich mit dem das be
rühmte Sicgesgcschrei der Sioux-Jn
diancr Todtcnstillc ist.
Auf einmal war derJunge still, ganz
mäuschenstill : noch sahen wir uns alle
verwundert an, da sagte er ganz ruhig
und gelassen: So, nun könnt Ihr alle
weggehen."
Und um des lieben Friedens Willen
geschah nach feinen Worten: die Dienst-
dotcn gingen an ihre Arbeit, wir führ
ten unseren Besuch in das Wohnzimmer.
Als das Brautpaar uns verlassen
hatte, gingen wir wieder in das Eß
zimmer und sahen dort zu unserein Er
stauen den Jungen fein säuberlich ge
waschen und von oben bis unten umgc
zogen am Tisch sitzen und Mittag essen.
Ich kannte meinen Herrn Sohn ;
irgend etwas mußte sein Inneres be
schäftigen, daß er mit einem Male so
artig war, ein plötzlicher Einfall mußte
ihm gekommen sein.
Ich wollte ihn nicht fragen, er würde
schon von selbst sprechen.
. Und richtig, wir saßen noch keine
Minute neben ihm, da sagt er: Pap--pen,
ich will gar nicht mehr Slitten
fahren, ich will nachher einen Snee
mann bauen."
Aer Junge, es liegt doch gar kein
Schnee, fei doch nicht fo fürchterlich
dumm," rief ich erregt.
Da sah er mich groß an und sagte:
Dann bau ich ohne Snee."
Flehend blickte ich.zum Himmel em
por. Da sah ich wie tausend und aber
tausend Flocken herniedersielen und die
Erde mit einem weißen Mantel be
deckten.
Ein Jubelschrei entrang sich meinen
Lippen und ich glaubte, ich habe mich
über ben ersten Schnee, der nun wirk
lich liegen blieb, mehr gefreut als mein
Junge, der nun mit seinem Schlitten
wieder von bannen zog. Ich war dem
Himmel dankbar, daß er mir nach den
Leiden des heutigen Tages wenigstens
die Bekanntschaft mit einem Schnee
mann, der ohne Schnee erbaut war.
ersparte.
Wie hätte der Schneemann und last
not least wie hätte woh! mein Junge
ausgesehen? Darüber schweigt des
Sängers Höflichkeit.
Die Diamanten des wittwcrs.
riminal Skizze von H. v. A.
Herr Emmet Wall-Strcet war zu der
Ansicht gekommen, daß die wunder
vollen Brillant-Ohrringe, welche seine
verstorbene Gattin besessen, als todtes
Kapital ihren Beruf, zu glänzen, der
fehlten. Frau WallStreet war eine
überaus praktische Dame gewesen. Sie
würde es nicht für pietätlos gehalten
baben. wenn ibr Gemahl sich deS
Schmuckes entäußerte, der nur schmerz
liche Erinnerungen in ihm wachrief.
Herr Emmet Wallstreet hatte sich
die Frage vielfach und mit großem
Ernste vorgelegt. Wer mochte eS ihm
verdenken, daß er sie schließlich immer
nachdrücklicher in der von ihm gewünsch
ten Weise beantwortete? ,
Nicht als ob WallStreet etwa Geld
gebraucht hätte. O nein, er war reich
genug, um noch weit mehr Brillanten
bei seinem übrigen Vermögen auf La
aer halten zu können. Ader eS wäre
zwecklos gewesen, und so gab der ein'
same Wittwer in seinem engeren Be
kanntenkreise seine Absicht kund, daß e
sich für Geld und gute Worte von ben
BcntonS zu trennen beabsichtige.
Kurz darauf ließ sich der Aktien
Makler Ouintie C. Cooper von William
Straße bei ihm anmelden, betrachtete
die werthvollen Steine und erklärte sich
bereit, einen derselben für den Preis
von 150(1 Dollars zu kaufen, voraus
gesetzt, daß die Prüfung durch seinen
Juwelier zufriedenstellend ausfalle,
woran unter den obwaltenden Verhält
nissen natürlich nicht zu zweifeln war.
Wall-Strect kannte den Makler von
Ansehen. Er wußte, daß seine Firma
sich eines ausgezeichneten Rufes erfreue
und nahm leinen Augenblick Anstand,
ihm den kostbaren Stein gegen eine
einfache Empfangsbescheinigung zu
überlassen.
TagS darauf kam Cooper wieder und
sagte in großer Aufregung : ' Höchst
mißliche Geschichte. Ihr Diamant ist
fort, verschwunden aus dem Kassen
schrank in meinem Bureau, ehe ich ihn
noch einem Juwelier zeigen konnte. Die
Sache cheint mir ein gar nicht zu lösen
deS Räthsel. Keiner von meinen Leu
ten hat die Kombination dieses Schran
kes gekannt, außerdem möchte ich mich
für die Ehrlichkeit eines jeden Einzel
nen verbürgen. Leider bin ich aenö
thigt. morgen nach England abzurei
sen. Aufschub ist unmöglich, doch werde
ich schon in sechs Wochen zurückgekehrt
ein. Unter diesen Umstünden habe ich
es für angezeigt gehalten, ete unver
zuglich zu benachrichtigen."
Tanke." erwiderte WallSteet und
sah den Makler theilnahmsvoll an.
Selbstverständlich leiste ich vollen
Ersatz, falls der, Stein nicht gefunden
wird. Ich bitte Sie nur. die Polizei
zu benachrichtigen und Detektives an's
Werk zu fetzen, natürlich auf meine
Kosten, da ich in der unangenehmen
Lage bin. Angesichts meiner bevorstc
hcndcn Abreise nur wenig thun zu kön
nen. Eins jedoch soll meinerseits sogleich
geschehen; die Benachrichtigung der
Deamantcnhändler und Pfandleiher
Haben Sie die Güte, mir gefälligst den
anderen Stern für einen Augenblick zu
zngen, damit ich eine genaue Bcschrei
bung anfertigen kann."
Bereitwillig entsprach Wall Street
dem Wunsche. Cooper machte rasch
einige Notizen und gab den Ohrring
dankend zurück. -
Noch eins; ich möchte nicht, daß
meine Leute von dem Tiebstabl hören.
0 lange icy avweienv vm. itte, m
struiren Sie daher den Detektive, er
solle mit größter Diskretion Verfahren
und bei einem Besuch ,n meinem Bu
reau möglichst nicht verrathen, welchen
Zweck er verfolgt. Sie selbst haben ja
meine Empfangsbescheinigung, die Sie
sur alle Fälle liehet stellt. Und nun
bitte ich Sie tausend Mal um Ent
schuldigung wegen der Mühe, .die i
Ihnen zu meinem tiefen. Leidwesen der
Ursachen muß."
Damit ging er.
Wall-Strcet begab sich nun unvcr
züglich nach dem Polizei-Hauptquar
tier. und Tom Keller, einer der ge
schlcktestcn Detektives, wurde mit dem
Falle betraut.
In dem zu ebener Erde gelegenen
Bureau des Maklers war nichts zu kr
Mitteln.
Es befanden sich dort zwei Geld
schränke, beide so gestellt, daß sie von
der Straße aus gesehen werden könn
ten. Der Dieb gehörte also schwerlich
zu den gewöhnlichen, er mußte vielmehr
in der nächsten Nähe des Bcstohlenen
gesucht werden. Daß von der Geschichte
nichts ruchbar
werden durste, machte
natürlich weit schreie
die Entdeckung
riger.
Nachdenklich
suchte der Detektiv sei
nen Auftraggeber auf, um das Gegen-
stuck des verschwundenen Ohrringes in
Augenschein zu nehmen.
Wall Street holte den kostbaren
Stein hervor und Keller hielt ihn prü
send auf der flachen Hand, als er
plötzlich einen Ruf der Ueberrafchung
ausstieß.
Dieses ist wirklich Ihr Ohrring?"
Ja. warum?"
Weil es kein Brillant ist. sondern
werthloses Glas."
W a a s! rief ganz blaß Wall
Street. Wie wäre es möglich? Erst
vor zwei Monaten habe ich den Stein
bei dem alten Juwelier Carniser ab
schätzen lassen."
Trotzdem halte ich meine Behaup
tung aufrecht. Gehen wir zu einem
Sächverstandigen und lassen wir den
sprechen."
Der Detektive behielt Recht. Der
Stein war falsch, dem echten Ohrring
iu Form und Größe genau entsprechend.
Hatte der Makler die Gelegenheit be
nutzt, als er zum zweiten Male kam.
den echten Stein gegen den werthlosen
nachgemachten einzutauschen ? Dann
war auch der andere Ohrring nicht
gestohlen! Aber der Mann stand in
hohem Ansehen. Er galt für reich u: u
verkehrte in der besten Gesellschast.
Was thun? Warten, bis Eoo:
wiederkam. So oder so mußte sich
dann das Räthsel lösen, wenigstens h
weit er selbst in Frage kam. In hr
Zwischenzeit aber hieß eS aufpassen, rb
die echten Steine nicht irgendwo zu,?,
Vorschein kamen.
So vergingen einige Wochen.
Ta gelangte eine AdendS über das
Telephon nach dem Polizeihauptquai
tier für den Detektive Tom Keller eine
eilige Botschaft, die ihn nach dem Me
tropolitan Opernhause berief.
Tort fand er im Foyer Ungeduld:
auf und abgehend Herrn Emmet Wal!
Street.
.Ich habe den Tiamanten gefunden
und den Tieb dazu!" sagte dieser, zi,.
ternd vor Erregung, zu dem Geheim
Polizisten.
.So! Wo?"
In der achten Orchesterreihe. rechts.
Folgen Sie mir."
Als sie den Zuschauerraum betraten
es wurde Rigoletto gegeben wurde
auf der Bühne gerade das berühmte:
Ha, wie trügerisch sind Weiberherzen"
gesungen.
Wallstreet reichte Tom Keller sein
Opernglas und flüsterte: .Sehen Sie
die Blondine in dem dritten Sitz von
der Ecke, Reihe acht? Sie ist größer '
als der Mann links von ihr."
Ich sehe!
Die Blondine trägt die Obrrinae
meiner Frau. Selbst die Fassung ist A
die alte geblieben; ich habe sie sofort "
erkannt. Ein Irrthum ist nicht mög
lich; denn neben ihr sitzt der Makler
aus William Street, dieser elende
Schurke, der vor drei Wochen nach
Europa gereist sein will!"
Hm. hm." machte der Detektive.
Den Makler Ouintie C. Cooper kenne
ich nicht, habe ihn meines Wissens auch
nie gesehen; aber den da kenne ich: das
ist einer der berüchtigsten Chicago
Spitzbuben."
Ich bin ganz sicher." fiel Wall
Street ein. daß dieses der Mann ist.
dem ich den Stein übergeben habe!"
Nun, wir werden bald sehen, woran
wir sind. Vielleicht hat Cooper einen
Toppclgänger. Warten wir bis zu
Ende des Aktes, um kein Aufsehen zu
erregen. Blcibcn Sie einstweilen hier.
Ich habe draußen einen von unseren
Leuten gesehen, den will ich zur Sid)
heit benachrichtigen. Das Paar ent- ,
geht uns nicht."
Quintie Cooper" machte nicht viel
Geschichten, als der zornbebende Wall
Street und die beiden Detektives ihm
gegenübcrtraten. Um so störrischer
war seine Begleiterin, die im Polizei
Hauptquartier, wohin das Pärchen ge
schasst wurde, fürchterlich zu toben be
gann. Aber es half ihr nichts, wenn
sie auch schließlich allerdings mit bloßen
Ohrläppchen entlassen werden mußte,
da sie von dem eigentlichen Ursprung
der Ohrringe augenscheinlich keine
Ahnung gehabt hatte.
Der Tiamantendieb war nun aller
dings nicht mit dem Aktien Makler .
Ouintie C. Cooper identisch. Als H
dieser ans Europa zurückkehrte, zeigte
sich aber, daß in der That eine erstaun-
liche Aehnlichkeit zwischen ihm und
einem gefährlichen Chicagoer Spitz
buben bestand. Ans diese Aehnlichkeit
und Cooper's Reise, von der er zufällig
erfahren, hatte der Gauner feiuen ver
wcgencn Plan gebaut, der ihm so ganz
gelungen war. Hätte er von dem
Kunstsinn des Herrn Emmet Wall-
Street nicht eine so geringe Meinung
gehabt, daß er ihm den Besuch einer
italienischen Oper nicht zutraute, würde
die Sache vielleicht niemals entdeckt
worden sein.
eo aber sitzt der PseudoCooper
für einige Jahre unschädlich im
Zuchthaus.
Undank ist der Welt Loh.
Ein alter Seemann erzählt dem
Hann. Kur." folgende Schnurre: Ich
war vor mehr als i0 Jahren Matrose
auf einer Bark. Wir lagen in Cuxha
den einige Zeit vor Anker und arbeite
ten an der Reinigung und Ausrüstung
unseres Schiffes. Der Kapitän war
an Land gegangen. Es war nothwcn-
big, einen schweren Anker von der Mitte
des Schiffes nach dem Hintertbeil zu be-
ördcrn. Der Steuermann und vier
Matrosen konnten den Anker nur müh-
am soriocmeqcn. uno vcsyatv rief der
Steuermann dem Schiffskoch m: Du.
Hein. foat mal'n bitten mit an." Ge
wiß!. Wo fall dat Thier denn henn?"
:t einem kräftigen Ruck, zum Erstau-
nen Aller, nahm der Koch den Ankers
auf die Schulter und schleppte ihn ach
tcr! um dann wieder an seinen Koch
topf zu gehen.
AIs der Steuermann dem Kapitän
von der Riescnleistung des Kochs er-
zählte, ließ dieses den Kommandanten
der Küche rufen, der angesichts der
blanken Thaler, die in der Kajüte auf
gezählt waren, auf eine Belohnung
rechnen zu können glaubte. Du,Hein."
begann der Kapitän, Du bist joa ein
bannig fixen Kcerl, ömer ick kann Di
nicht gedrukcn! Hier is Dien Lohn vör
twee Monat. Nu mank, daß Du von
Board kümmst. Wenn Tu mal wild
wärst, schleift Du de Mannschaft alle
Knokcn entwci! Adjüs micn guter
Hein!" '
Falsch rekstanden.
Tame (,um Bcrafübrer): ..Sind
Sie nicht auch immer berauscht bei die
ein herrlichen Anblick?"
Führer: .Manchmal scho' "