Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 28, 1899, Image 10

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    Die IPicfcIpuppe.
Hins VcchnschiSZkschichi von ?zn ?kig,
Tiedrki Tchwkftcrn, Marthz. Jeanne
und Z)vonnk. spielen in dkm calon
NkbkN ihrer Mutter. Wenn man ihr
Alter zusammenrechnet, so giebt da?
dreißig Jahre. Tie kleinste aber jüngste
zZhlt acht Jahre, die mittlere neun
aber die ültcfte zählt ihrer dreizehn
vervollständigt die beiden anderen, stellt
daZ Gleichgewicht her und gestattet die
Feststellung eineSdurschniltlichen Alters
von zehn Jahren Pro MOpTipen.
Es ist am ersten Weinachtstage,
Eine Welt von Puppen. Lpielsachen
und großen Büchern mit Goldschnitt
füllt den Salon. Martha. die große,
fitzt auf einem Fußkisjen und lieft in
einem Buche, das sie auf das Knie
ibrer Mutter gelegt hat. Tie Kniee
einer Mutter dienen den jungen Kin
dem als Tisch, als Sitz, als Zuflucht
ätten. Wenn die Kinder grosz sind.
werden sie keine Furcht haben, sich hie
und da noch, aus Gewohnheit, aus
schmeichlerischem Zhun. an den näm
kicken ftleck ,u setzen: und die Mutter
wird sich niemals beklagen, wenn sie zu
schwer geworden sind für die schwächer
gewordenen Beine.
Tie mittlere packt auf den Tielen
eine große Porzellanküche aus. Sie
zühlt die Schüsseln; aber die Rechnung
stimmt nicht mehr. Tie hat schon am
Tage vorher drei davon zerbrochen.
Tie ganz Kleine sitzt, statt zu spielen,
in einem Winkel und schmollt. Warum
schmollt sie am Weihnachtstaqe? Das
ist doch ganz unnatürlich, mitten unter
diesen schönen Sachen! Warum passen
denn auch die beiden älteren Schwestern
auf jedes Geräusch auf? Und warum
stürzen sie jedesmal, wenn die Klingel
ertönt, nach der Thür? Erwarten sie
etwa noch mehr Geschenke? Ja wohl.
Geschenke, welche sie am heißesten be
gehren, die sie seit vierzehn Tagen all
nächtlich im Traume sahen, und die
ihnen ein Freund versprochen hat. der
sie groß werden sehen, der sie liebt mit
ganzem Herzen, der gute Freund",
wie man ihn nennt.
Ein paar Tage vor dem Weihnacht
tag hat er sie zu sich herangerufen und
hat sie gefragt: Was wollt Ihr zum
Christkind geschenkt haben?"
Sie hatten diese Frage erwartet und
hatten sich über die Antwort verabredet.
Und einstimmig hatten sie ausgerufen:
Eine Wickelpuppe! ein Wickelpüppchen,
das nicht entzweigehen kann!"
Ein unzerbrechliches 'Wickelpüpp
chen?" wiederholte der Freund; gut!
ich will's mir merken. Ihr sollt jede
solch' ein unzerbrechliches Wickelpüpp
chen bekommen."
Nein, nein!" rief Jeanne.
Die
wäre dann zu klein. Wir wollen bloß
eine Wlckelpuppe haben, aber eine
große, eine ganz große. . . so groß. . .
so groß wie Bvonne!"
Macht man denn solche große?"
Ja, wir haben welche gesehen."
Und werdet Ihr denn alle Drei
zusammen mit der gleichen Puppe
spielen r
Jawohl! das haben wir schon aus
gemacht," rief Martha, die Aelteste; ich
werde die Großmutter sein, Jeanne die
Mutter und Yvonne die Tante."
Das ist ja eine ganz nette Familie
Nun, meine lieben Kinder! Ihr könnt
Euch verlassen auf em Wickelpüppchen.
auf eine große Puppe, die nicht entzwei
gehen kann, so groß also! Der Weih-
nachtstag soll sie Euch früh, bei Zeiten
bringen."
Aber der heilige Abend war vorüber,
und weder der Morgen noch der Abend
hatte die Puppe gebracht.
Das ist nicht eine Puppe, die nicht
entzwei gehen kann," hatte die Mutter
lächelnd geneckt, sondern eine Puppe,
die man nicht sehen kann."
Im Grunde ihres Herzens war sie
betrübt über den Kummer, über die
Enttäuschung ihrer Töchter. Wie konnte
der gute Freund sie also vergessen
haben? Das war doch ganz gegen seine
Gewohnheit! Wenn er noch in Pari!
wäre! Dann hätte man ihm schreiben
können: ..Und die Puppe? Die haben
Sie wohl bei sich behalten, um selbst
mit ihr zu spielen?" Aber er ist am
Tage vor Weihnacht auf's Land gefah
ren, zu seiner Mutter.
Am ersten Weihnachtstage, in dem
selben Augenblicke, als Jeanne gerade
einen vierten Teller zerbrochen hat, er
iönt die Klingel abermals. Martha
läßt sogleich ihr Buch im Stich. Jeanne
ihre Küche. Avonne ihren Winkel und
alle Drei in Reih' und Glied warten
voller Unruhe. Der gute Freund kommt
zum Vorschein. Man stürzt ihm ml
aeaen. küßt ihn ein bischen, ist aber
dock nickt so ganz bei der Sache. Man
guckt besonders hinter ihn. Er hat die
Puppe gewiß bei sich er zieht sie
wahrscheinlich am Beine mit Nein!
Er ist allein .... Nichts in den Händen;
nichts in den Taschen; nichts hinten
Martha und Jeanne, die beiden
großen Mädchen schmollen, wagen aber
kein Wort der Klage. Jüngste
dagegen, die noch kein Verständniß für
den feinen Ton hat, vermag nicht mehr
an sich zu halten und beginnt zu wei
nen:, Und die Wickelpuppe, die nicht
entzwei gehen kann?"
Nun, seid Ihr denn zufrieden? War
sie denn groß genug?" fragte der gute
Freund.
Erstaunt, betroffen sehen sie einander
an, sehen sie ihn an. sehen sie die Mut
ter an. Diese entschließt sich zu der
Antwort: Ei, Ihre Puppe ist unter
wegS stecken geblieben. . . . Sie hat den
Wca nicht zu uns gefunden Ach
Wenn Sie wüßten, wie sie mir deshalb
milae'pielt haben!"
,Wa;k Ich habe sie doch vorgestern
Abend gekaust.... man hat mir ver
sprochen. ne cstern (jinl) hierher zu
bringen."
Sie werden die Wohnung nicht ge
nau bezeichnet haben!"
Durchaus nicht! durchaus nicht'.
.Dann muß ein Irrthum vor
liegen."
Wabrsckemllck! 3a bitte nm ein
halbes Stündchen Frist. Kinder: werd
euch die Vufcix bringen, todt oder
lebendig."
Er läuft davon. Auf die Lippen
der Kinder ist da? Lächeln zurückgekehrt.
?)vonne schmollt nicht mehr. Sie leistet
jetzt Jeanne Eeiclllchast nn Zerbrechen
der Teller.
Zehn Minuten verstreichen. Ein
neuerliches Klingeln. Ter gute Freund
kann noch nicht zurück sein. Ohne
Zweifel ist's Besuch. Nein. Tas
Tienstmädchen tritt in das Zimmer
und spricht zu ihrer Herrin: Es ist ein
Mann draußen, welcher mit Ihnen zu
sprechen wünscht."
Was begehrt er denn?"
Er hat es nicht ge agt. aver es
scheint etwas wichtiges zu sein."
Was ist s denn für ein Mann (
Ich weiß nicht, ,ch sehe ihn zum
erstenmale."
Wo wartet er?"
Im Vorzimmer."
's ist gut, ich werde mit ihm
prechen."
Sie steht auf, geht aus dem Salon.
läßt die Thür offen und tritt auf die
Person zu, welche wartend an der Thür
des Vorzimmers steht. Es ist ein Mann
von etwa vierzig Jahren. Seine Klei
dung ist höchst bescheiden, aber durchaus
anständig.
Was wünschen feie, was haben ie
mit mir zu sprechen?"
Gnädige Frau! Ich möchte Ihnen
eine Mittheilung machen. Aber es wird
lange dauern.
Sprechen fete! Ich höre."
Ta sagte er rasch, sehr rasch, als ob
es ihn dränge, zu Ende zu kommen.
mit zitternder Stimme, die erst im
Laufe der Rede an Festigkeit gewann:
Gnädige Frau! Im vergangenen
Jahre, zur gleichen Zeit wie jetzt, war
ich Bureaudiener m einem Bankhause.
Mein Gehalt reichte nur zum Leben für
mich und meine Frau und meine beiden
kleinen Mädchen. Ta das Haus, in
welchem ich Beschäftigung hatte, zu ge
deihen schien, und da die Mehrzahl der
Angestellten ihr Geld auf gute Zinsen
dort anlegte, so machte ich es wie sie,
übergab meine sämmtlichen Ersparnisse
dem Besitzer des Bankgeschäftes und
auch dreitausend Francs, die ich geerbt
hatte. Im Laufe des Jahres hat das
Haus schlechte Geschäfte gemacht, seine
Zahlungen eingestellt; dann hat man
alle Beamten, die ganze Dienerschaft
entlassen und die Thüren verschlossen.
Ich habe nicht allein Alles verloren,
was ich besaß, fondern auch meine
Stelle."
Er hielt inne. schöpfte Athem und
mit gesenkten Augen, seinen weichen
Hut in den zitternden Fingern drehend,
fuhr er fort: Ich war in Verzweiflung.
aver man hat lein Recht, sich oer Muth
losigkeit zu überlassen, wenn man eine
Frau und zwei Kinder hat. Ich machte
mich auf die Suche nach einer Stelle,
aber ich fand keine. Ueberall beschick
man mich: Die Geschäfte gehen in die
sem Augenblicke schlecht. Wir haben
schon zu viel Personal. Kommen Sie
später wieder vor, dann wollen wir
sehen " Ich kam wieder, aber ich
erhielt die nämliche Antwort. Ach
welche vage! und ich war gezwungen,
sie bor meiner Frau zu verbergen, sie
war sehr krank, sie lag im Sterben an
einer Lungenentzündung; im vergan-
genen Monat ist sie gestorben."
Madame X., die wenige Schritte vor
dem Mann, an eine Confole gelehnt,
stand, hörte ihn ohne große Theilnahme
an. Seme Geschichte glich derjenigen
aller Bedürftigen, tete fühlte sich ver
sucht, ihm zu sagen: Ach, Sie sehen
doch, ich werde müde, wenn ich Ihnen
noch länger stehend zuhören soll. Kom
men Sie zu Ende! Was begehren Sie?
Fünf Francs, nicht wahr? Da sind
sie!" Aber sie schwieg, weil dieser Uw
bekannte ihr eine Art von unerkläv
lichem Mitgefühl einflößte. Und dann
waren auch die drei kleinen Mädchen.
als sie die Thür des Salons offen fan
den und ihre Mama im Vorzimmer
sahen, dort hineingetreten und hörten
mit Elfer der Erzählung des armen
Mannes zu. Sie wagte es nicht, den
selben in Gegenwart ihrer Kinder zu
unterbrechen oder gar gröblich fortzu-
schicken. Es war ihr Grundsatz, daß
man den Kindern Barmherzigkeit ein
flöße, daß man sie gewöhnen müsse, die
Klagen der Unglücklichen mit Theil
nähme anzuhören. Der Mann fuhr
fort: Meine letzten Hülfsquellen waren
während der Krankheit meiner Frau
auf die Neige gegangen. Ich war m
Noth, in der bittersten Noth, die ich
nicht gekannt, die ich niemals kennen zu
lernen gehofft hatte. Sie ist noch
chwerer zu tragen, gnädige Frau, zu
dieser Zeit des Jahres, weil in den
Straßen, auf den Promenaden Alles
ein festliches Gewand trägt. Die Kauf-
lüden blitzen und funkeln, ivkan be
gegnet auf Schritt und Tritt Leuten,
die Blumen tragen, Zuckerwerk, Ge-
chenke. Und alle die kleinen Läden an
den Boulevards mit ihrem Spielzeug!
Ach! das wars besonders, was mir
wehe that! Spielzeug! meine Kinder
würden keines bekommen können ! Und
doch hat meine Frau wenige Tage vor
ihrem Tode, auf ihre Töchter zeigend.
mir ln s Ohr geflüstert: Ich werde
wohl daS neue Jahr nicht mehr erleben
du wirft ihnen aber statt meiner die
Weihnacht-sachen schenken."
Als er viele 'vorte tpra. rannen
ihm schwere, lang zurückgehaltene Thra
nen aus den Augen über die Wangen
hernieder. Frau A. war von Rührung
übermannt. Sie stand nicht mehr
theilnahmsloS an die Eonsole gelehnt.
feie hatte sich wieder aufgerichtet und
stützte ihre Haiide auf die drei an sie ge
lehnten Körnchen.
Ter Mann wischte sich die T'hrünen
aus den Augen und fuhr, nachdem er
seine Ruhe einigermaßen wiedergcfun-
den hatte, fort: Wenn meine arau in
ihren letzten Augenblicken an die Weih
Nachtsgeschenke gedacht hatte, so hatten
meine Töchter sie nicht vergessen. Sie
wußten ja nicht, wie arm, wie elend ich
war! Wozu sollte es nützen, ihnen da
von Kenntniß zu gedenk Wurden sie
Verständniß dafür gehabt haben?
Abends, wenn ich nach tausend unnützen
Gängen, immer auf der Suche nach
einer Stellung, nach Hause zurückkehrte,
umringten sie mich und riefen: Papa,
du denkst doch auch an uns am Weih-
nachtstage?" Ich antwortete: Ja, ja;
denk' an Euch, Kinder! ich denke
immer an Euch!' Ta agte die
älteste, durch meine Worte und mein
Lächeln ermuthigt. zu mir an einem
Tezember-Tage: Wir möchten gern
eine hub ehe neue Puppe haben, wie
wir sie gestern gesehen haben."
Ach! eine Puppe? Wie sieht ne denn
au? ?"
Lehr groß! Mail nennt sie Wickel-
puppen, die nicht entzwei gehen."
Eine unzerbrechliche Puppe! Ich
agte mir diese Worte jeden Augenblick
ich hab' sie wohl auch des Nachts
im Schlafe wiederholt."
Martha, Jeanne und Avonne hör-
ten, seitdem die Rede auf die unzerbrech-
liche Puppe kam. aufmerksamer zu als
vorher, und drückten sich schweigend die
Händchen.
Vor ein paar Tagen." fuhr der un-
bekannte Mann fort, trat ich zum
zehntenmale wieder in ein Stellender-
mittelungsbureau. und da sagte man
mir, daß N. N., der große Spiel-
Waarenhändler, Leute zum Austragcn
von Palleten gegen gute Bezahlung
verlange. Ich besann mich keinen
Augenblick und meldete mich. Man
stellte mich an. Und den ganzen Tag
über, auch Abends sogar, wurde ich
nach allen vier Windrichtungen geschickt.
Mir war das lieber, als im Kaufladen
verweilen. Ter Anblick all' der schönen
Spielzeuge, all' der Eltern, all' der
Kinder, die aussuchten, was ihr Herz
begehrte, hätte mich nur noch trauriger
gestimmt. Ich trug freilich den ganzen
Tag Spielsachen, in der Hand, auf den
Armen, aus dem Rucken; aber sie waren
eingepackt, verschnürt; ich sah sie nicht.
Auch kehrte die Hoffnung wieder in
mein Herz; ich dachte, daß ich am
Schlüsse der Woche meinen Taglohn er-
halten wurde, vielleicht sogar eine kleine
Extravergütung, und dann würde ich
ja für meine Kinder, wenn auch nicht
die große Puppe, die sie wünschten, so
doch eine kleinere kaufen können. Am
23. Dezember sagte man uns im Laden.
daß man uns erst in den ersten Tagen
des Januars ablohnen würde. Die
Kasse wäre zu beschäftigt mit Gcldcin-
nahmen, um Geld ausgeben zu können.
Wie nun leben bis zum Auszahlunqs
tage? Und der Weihnachtsabend? Ach.
wenn man amilienvaler it und am
heiligen Abend erwachen soll, ohne
einen Pfennig Geld im Hause! Nicht,
gar nichts für die Kinder! . ... Ich hatte
den Muth nicht, auf sie zu warten; , ich
fürchtete ihre Glückwünsche am Weih
nachtsmorgen; ihre Küsse würden mir
weh gethan haben an diesem Tage zum
erstenmal. Ich ging frühzeitig fort
und ging lange in den Straßen auf
und nieder, trostlos, fieberhaft, aufqe
regt. Um 8 Uhr begab ich mich nach
dem Magazin; es mußten schon m
schenke dort aufgestapelt liegen, die zu
anderen Kindern zu chatten waren
Richtig, man gab mir eine ganze La-
dung davon. Ich machte mehrere
Gänge. Es verblieben m:r noch drei
zu verrichten: zwei ,n meinem Stadt-
viertel, einen anderen, viel weiteren
hierher, in diese Straße, wo ich da
größte Packet, ein ungeheuer großes
Packet abgeben sollte. Ich hatte noch
keinen Bissen gegessen. Ta bekam ich
den Einfall um in meine Wohnung zu
gehen, um einen Bi en zu mir zu neh
men, ohne mich jedoch von den Kindern
sehen zu lassen. Ich trat ein; die bei-
den Stuben, die ich im Erdgeschoß,
hinten im Hofe, bewohne, waren leer.
Eine Nachbarsfrau hatte die Kinder
mitgenommen, um sie zu zerstreuen
Da nun das große Packet zu schwer
war, stellte ich es in eine Ecke, um es
sofort abzuholen, wenn ich die beiden
anderen Packete in der Nachbarschaft
abgegeben hätte. Eine halbe Stunde
nachher war ich wieder zurück. Auf
dem Flur vernahm ich schon Freuden
gcfchrci. Ich trete ein. Meine Kinder
springen mir in die Arme, umarmen
und küssen mich. Die älteste sagt mit
ten unter Küssen: Danke, lieber Pava.
danke!" und die Kleine: Tanke, lieber
Pava, danke!"
Danke? wofür?" Und während ich
mich besinne, wofür sie sich bei mir be
danken könnten, da ich ihnen nichts ge
geben hatte, laufen sie in die Stube
und kommen mit einer Puppe wieder
hcrausgestürzt: mit einer unzerbrech-
li.V!t Irti.f.ltitlhtw 9I.-fl hu ftrfirntnHt
jetzt ging mir das Verständniß auf.
Wahrend meiner Abwesenheit waren sie
nach Hause gekommen, hatten das von
mir in die Ecke gestellte Packet gesehen!
Es hatte die otm der von ihnen er
träumten, großen Puppe. Sie hatten
geglaubt, daß in dem Packete die von
mir gekausteil Weihnachtsgeschenke ge
borgen seien, hatten das Packet aufge
macht und die schöne grosse Puppe ge
nommen: Ich hätte ie ihnen aus den
Händen reißen, hatte ihnen zurufen
sollen: TaS ist nichts für Euch! Tas
gehört nicht mir. ist nicht von mir für
Euch gelauft! TaS gehört anderen klei
ncn Mädchen!" Ader sie waren so ver-
gnügt! O! Wen ,e ihre reude ge
sehen Hütten. Madame! Mit welchen
Augen sie ihre Puppe ansahen, wie sie
ihr lärHhh hie Wnnncn Rrifirftpn'
' j ' :i ---"
Ich fand nicht den Muth, sie ihnen
wieder zu nehmen. Ich bin fort, aus
dem Haufe gelaufen. Ich wollte in den
:pielwaarenladeil zurück und sagen
ie nno mir wio annoig: geben feie
mir statt denen eine grof, Puppe
Und ich hätte sie Ihnen auf der Stelle
gebracht, gnädige Frau, denn ich hatte
Ihren Namen und Ihre Wohnung auf
dem Packete gelesen. Ich konnte weder
mit dem Herren noch mit dem Eassirer
sprechen man ist zu solcher Zeit gar so
sehr beschäftigt in solchen Läden. Und
dann hatte ich auch Furcht, zu reden
ja, ich hatte Furcht. Heute Morgen
habe ich mich endlich entschlossen, zu
Ihnen zu gehen, Ihnen alles zu sagen.
alles zu bekennen. Gnädige Frau!
Ich bitte .Sie recht sehr, führen Sie
nicht Klage gegen mich im Laden! Man
weiß dort nichts, man glaubt dort, daß
feie bedient worden seien; ich stehe im
Ruf eines ehrlichen Mannes. In we
nigen Tagen wird man mir meinen
Lohn übergeben, und ich verspreche,
Ihnen dann sofort eine ebensolche
Puppe zu bringen, wie meine Kinder
in ihrer Unschuld an sich genommen
haben!"
Eswurdeaeklmgelt. TcrquteFreund
war's, welcher von seinem Gange zu-
rückkam. Im Laden behauptet man,"
sagte er, daß die Puppe gestern früh
hierher geschickt worden sei."
So ist's auch," sagte die Mutter.
Nun. und wo ist sie denn?"
Sie ist in den Händen anderer klei-
ner Mädchen, die minder glücklich sind.
als die meinlgen. und denen wir sie
schenken: nicht wahr. Martha? nicht
wahr, Jeanne? nicht wahr. Avonne?"
Ja, ja! wir schenken sie ihnen,"
antwortete die Aelteste. Und die beiden
Anderen riefen als Echo: Ja, ja, wir
schenken sie ihnen!"
Im Nu waren sie in dem Salon
verschwunden, um ebenso schnell mit
der Puppenküche zurückzukehren, welche
sie dem armen Vater mit den Worten
in die Hände drückten: Ta, gebt das
Euren kleinen Mädchen mit einem herz-
lichcn Weihnachtsgruk von uns!"
in
Frühling
unter dem
bäum.
Eine
Weihiiachlssteschickle
Stein.
Christ-
0. W.
Mr. Wallner. sie sollten sich doch
eigentlich einen Christbaum kaufen."
sagte der Grocer. Sehen Sie diesen.
nicht zu groß und so hübsch kraus. Ter
paßte für Sie."
Ter Angeredete lachte, belustigt von
der Idee, daß er, der alleinstehende
Mann, in dessen Haaren der graue
Esel schon mächtig heraus kam, sich ein
Bäumchen kaufen sollte, dann gab er in
plötzlichem Impulse einer halb fcnti
mentalen, halb humoristischen Anwand-
lung nach und erstand wirklich das an
gepriesene Bäumchen.
Tas war der Anfang gewesen, und
nun saß er da, in seiner einsamen
Stube, vor der lichtergeschmückten
Tanne, unter der er sich seine Weih
nacht aufgebaut hatte, mit Aepfeln und
Nüssen und Zuckerwerk, ganz wie es sich
gehört, und es fehlte ihm nur eines zu
einem ordentlichen Weihnachtsfeste, aber
leider gerade die Hauptsache, nämlich
die richtige Weihnachtsstimmung.
Aber diese mußte ja kommen bei
Harzduft und Lichterglanz, und ge
duldig blies er die Rauchwölkchen einer
extra guten Cigarre, die er sich selbst
als Christgeschenk dedicirt hatte, in die
Luft und wartete auf die Stimmung,
die kommen sollte, aber sie kam nicht,
denn Stimmungen sind eigensinnig
und lassen sich nicht commandiren.
Und ehe er es sich versah, kam über
ihn die Empfindung einer ungeheuren
Verlassenheit, geboren aus der Erinne-
rung an die jauchzende Weihnachtslust
feiner Kinderzeit.
Wie deutlich durchlebte er sie wieder,
diese herrlichen Stunden in dem trau
lichen Elternhaufe, das weit jenseits
des Meeres stand und in dem jetzt nun
auch schon seit langen, langen Jahren
ihm unbekannte Menschen schalteten
und walteten, und jetzt schweifte sein
Blick über eine Haide. die von einer
Mauer mit ausgesparten Kreuzen be
grenzt wurde, und dort, wo sich die
zarten Zweige einer Birke im Luftzuge
leise hin und her wiegten, blinkte ein
weißer Denkstein über den Mauerrand.
Er sprang von seinen stuhle unruy-
voll empor und durchmaß die enge
Stube mit ungleichen Schritten und
dichter kräuselte sich den Rauch seiner
Cigarre.
Sein wild umhergeworfenes Leben
zog an ihm vorüber, roy uno don
nungsreich war, es aufgeblüht, in sor
gender Hut der Liebe, wie wenig hatte
es ihm seine Versprechungen gehalten,
weil er in leichtsinnigem Üebermuth die
angewiesenen Bahnen nicht wandeln
wollte, und endlich war er von der
Heimath geschieden, bittere -elbstvor
würfe im Herzen, und über das Meer
war er gezogen, ein neues Leben zu be
ginnen. Arg gezaust und gedeutelt
hatte ihn das Schicksal auf der fremden
Erde, aber zuletzt hatte er sich zu einer
einigermaßen gescherten Existenz h
durchgerungen, allein sein Oerz war
leer. Sein Leben hatte keinen Inhalt
denn er verlangte doch etwas mehr von
ihm, wie die Befriedigung der bloßen
thierischen Nothdurft.
Und wie er so hin- und herschritt in
dem Zimmer, von seinem ruhevollen
bedanken getrieben, siel fein Auge au
den Spiegel, der ihm sein Bild zurück
warf. Er trat näher an ihn heran und
betrachtete sein Bild, das, da er dem
Ehristbaume den Rücken zukehrte.
eigenthümlich sanier Beleuchtung er
schien. ES war ein Lelchengesicht. da
ihm kntgcgeiidlicktc, daS auch von den
Augen nicht belebt wurde, denn diese
Augen hatten ihr Jeuer verloren. Sie
blickten starr und trübe. Ter Winter
war gekommen, die Zeit zum Sterben
Er senkte sein Haupt auf die Brust und
nahm sein rastloses Umherwandern
wieder auf. Sterben! Wenn das Leben
zum Vegetiren geworden, dann soll der
Mensch sterben, denn er hat seinen
Werth verloren, der ihm Existenzbe-
rechtigung verleiht. Und warum nicht
gleich heute sterben? Weil heute Ehrist
fest war? Todte Herzen haben Nicht-
zu schassen mit diesem Feste der Ver-
Heilung.
Er trat an seinen Koffer heran, der
in der Ecke stand, und schlug den Teckel
zurück, dann kniete er vor ihm nieder
und begann in ihm herum zu kramen
Jetzt hatte er gefunden, was er suchte.
einen kleinen Revolver, dessen Lauf und
blanke Beschläge iin Scheine der Christ
baumlichter lustig blitzten. Er hatte
ihn von seinem besten Freunde zum An-
denken erhalten, als er über das Welt
meer fahren wollte. Wenn der wüßte,
wozu er sein Geschenk benutzen wollte!
Langsam richtete er sich wieder auf und
an den Tisch herantretend, nahm er
wieder unter dem Weihnachtsbaume
Platz.
Ein leises Lächeln spielte um seine
Lippen, als er bedächtig seine Weste
aufknöpfte. Tie Scene, die sich jetzt
abspielen sollte, contrastirte so seltsam
zu der Umgebung, daß sich sein Sinn
für Humor regte und es siel ihm gar
nicht bei, wie grausig der Humor war.
so wenig Schreckhaftes hatte für ihn der
Gedanke des nahen Todes. Er hatte
ein Gefühl, als ob er sich zur Ruhe be-
geben wollte.
Er hob den Revolver langsam gegen
seine Brust, da klopfte es schüchtern an
die Thüre. Und so sehr haben die Con-
ventionalismen uns in ihren Banden.
daß der Mann, der im Begriffe war,
seinem Leben ein Ende zu machen,
Herein!" rief und schleunig seinen
Revolver in die Rocktasche gleiten ließ.
Ruhig hatte er seinen Tod vorberei-
tet, aber jetzt, da das nüchterne Leben
zwischen ihn und seinen Entschluß getre
ten war. zitterte er o yetttg. dan er
einen Augenblick sich nicht von seinem
sitze erheben konnte. Endlich raffte er
sich gewaltsam zusammen und wandte
z der Thüre zu.
Auf der Schwelle stand ein kleine
Mädchen von fünf oder sechs Jahren,
das kleine Stumpfnäschen von mo
geröthet, und sah mit glänzenden Augen
nach dem Christbaum hinüber.
Wallner hatte sich letzt vollständig ge
sammelt. Tas kleine Ding dort war
ihm bekannt. Es war die Tochter einer
armen Wittwe, die im Hintcrhause
wohnte. Tas Kind trat jetzt näher
und hielt ihm, schwankend zwischen
Scheu und Zutraulichkeit. ihr Patsch
Händchen hin und sagte: O, lieber.
lieber Herr, Tu erlaubst mir doch, daß
ich mir Deinen Christbaum ein wenig
ansehen kann. Ich will auch ganz ge
miß gar nichts anfassen. Nicht wahr,
Du bist gut?"
Waller zog die Kleine an sich heran
und hob sie auf sein Knie, und eine
unendlich weiche Stimmung überkam
ihn. als er dies junge, blühende
Leben betrachtete, das sich so harmlos
zwischen ihn und den Tod geschoben
hatte. Er hatte ihr einige Näschereien
hingeschoben, an denen sie vergnügt mit
ihren kleinen, weißen Zähnen herum-
knupperte, während sie mit leuchtenden
Augen zu dem Christbaum emporschaute
und. immer vertrauter werdend, plap
pertc sie mit geschwinder Zunge von
tausend Dingen, und ihr Gastgeber
lauschte dem hellen Glockentone ihrer
nmme und dabei zogen die Bilder der
vergangenen Minuten an ihm vorüber
und sein Herz bebte, und leise streichelnd
fuhr er dem Kinde über das flachs-
blonde Haar, das hinten zu zwei ehr
pußlichen Zöpfen zusammengeflochten
war, die hin und her wippten, wenn die
Kleine den Kopf lebhafter bewegte.
Aber da klopfte es wieder, und auf
Wallncr's Herein" er chien diesmal
eine Frauengestalt, deren Umrisse unter
der Umhüllung eines groben Tuches
kaum zu erkennen waren. Nach flüch
tigem Gruß wandte sich diese sofort an
das kleine Mädchen auf Wallncr's Knie:
Ah. da bist Tu ja. Marie. Aber
gleich kommst Tu jetzt mit nach Hause.
Du böses Kind!" Und ihre Worte an
Wallner richtend, fuhr sie fort: Ich
muß um Entschuldigung bitten wegen
der Störung, die Marie und ich Ihnen
veranlaßt haben, aber das Kind hat sich
fortgeschlichen, während ich in der Küche
beschäftigt war. und wie ich nach ihr
suchte, glaubte ich. ihre Stimme in
Ihrem Zimmer zu hören und da wagte
ich es. bei Ihnen einzudringen. Ich
bitte nochmals, mir zu verzeihen. Ader
jetzt wollen wir Sie nicht länger stören."
Damit streckte sie ihre Hände nach dem
Kinde aus. aber dieses war nicht ge
willt, fo rasch von dem Christbaum und
seinem neuen Freund zu scheiden. Die
Aermchen um seinen Hals schlingend.
nes das Niiid: Tu bist ein guter
Mann und jagst mich nicht fort und
Ma darf auch bleiben." und damit
dielt es ihm den zugespitzten Mund zum
Kusse hin. Wallner bückte sich zu ihm
nieder und küßte das kleine Ting. bei
welcher Manipulation er sich ziemlich
ungeschickt benahm; dann wandte er sich
an die Mutter und bat sie. des Kindes
wegen noch etwas zu bleiben, und
auch meinetwegen", fügte er hinzu, und
er fühlte, wie ihm das Blut in die
Wangen stieg. Tas Kind hat mich
wieder Weihnachten feiern gelehrt !"
Tie Frau ließ sich unschwer bewegen,
ihr Tuch abzulegen und zu bleiben.
denn sie freute sich der Freude ihreS
Töchterchens und es hätte ihr Leid ge.
thau, das Kind nach ihrer dunklen
Wohnung zurückführen zu müssen, und
als Wallner Thee kochen wollte kür
seine improvifirte Gesellschaft, nahm sie
ihm dieses Geschüft ab und der Wirth
folgte mit bewundernden Augen ibren
zierlichen Bewegungen.
Bald stand der duftende Trank aus
dem Tische und die Unterhaltung spann
,a wcner. uns Wallner freute sich über
die klugen Antworten und Fragen feines
Gastes, deren feine Züge bei der ledhaf
ten Unterhaltung etwas von ihrem sor
genvollcn Ausdruck verloren. Ueber
Wallner kam ein lange nickt gefühltes
Behagen, das nur manchmal gestört
wurde, wenn seine Hand zufällig ten
Vflhnflliiv in her 5k,4,
...vf.vtt in uii jcuiyi liciic.
ndllch verabschiedete sich Mutter
und Kind und Wallner war wieder
allein.
Tas erste, was er that. war. daß er
den Revolver wieder in den Koffer
legte und diesen sorgfältig verschloß,
dann ging er wieder in seinem immer
auf und ab. aber dies Mal mit erhöbe-
nem Haupte.
Vielleicht, daß sein Leben dock nock
wieder einen Inhalt erhielt; freilich lag
die Entscheidung darüber nicht in feiner
Hand. Aber er hatte wieder hoffen
und fürchten gelernt.
Ein neuer Frühling war unter dem
Christbaum in sein Herz gezogen.
Sein Autogramm.
Tie Gattin eines berühmten flfinft
lers in Frankreich, der von entfiiifin.
ischen Verehrern, die nach Auto-
graphen jagen, in besonders hohem
Grade belästigt kird. enaaairte vor
Kurzem eine Köchin vom Lande, mit
der sie sehr zufrieden war.
Nach Verlauf des ersten Monats
andte Madame ihre Küchenfee in das
Arbeitszimmer ihres Gatten, von dem
den Monatslohn ausgezahlt erbal-
ten sollte.
Schon nach wenigen Minuten kebrte
die Köchin, roth vor Zorn. u ibrer
Herrin zurück und kündigte ihr den
Dienst auf.
Aber um's Himmelswillen, was ist
denn nur geschehen?" fragte Madame
verwundert. Was hat er Dir denn
gesagt?
Gar nichts hat er gesagt," schnaubte
die Wüthende und fuchtelte ihrer Her
rin mit einem Check im Gesicht herum.
Diesen Wisch hat er mir gegeben
das soll mein Lohn fein für 'nen gan
zen Monat Abrackern! Aber ich lafz
's mir nicht gefallen nein, ich nicht
ich bin keine von die verdrehte
Ottograffensammlerbande" !"
Talismane.
Als gegen den König von Griechen-
land das bekannte Attentat verübt
wurde, flog die ihm zugedachte Kugel
in feinen Wagen und blieb darin stecken,
wurde aber einige Monate später wie
dergefunden; sie hatte ganz die Form
eine kleinen Champignons anoenom-
men. Ter König ließ die Kuael als
Berloque fassen und fühlt sich mit die.
fem Talisman gefeit gegen eventuelle
Attentate. Ein anderer, und zwar ein
orientalischer Fürst, besitzt, wie das
Journal des TSbats" cnüblt. einen
silbernen Ring, der gegen den Dolch
und den Revolver schützen soll. Der
Schah von Pcrsien glaubt sich sicher
vor den Mördern seines Vaters durch
das Tragen eines Gürtels. Dieser ver
dankt seine Kraft einem kostbaren Sma
ragd. mit dem er geschmückt ist, beson
ders aber den Zwiebelschalen, mit denen
er gefüllt ist.
Der arme Reservist.
Er kam heut' vom Militär zurück.
Trum jauchzte er fröhlich: Juchhei!
Nun kann ich um meine Lotte frei'n.
Denn jetzt, jetzt bin ich frei."
Doch als er vor seiner Lotte stand.
War seine Freude vorbei.
Denn diese sprach: Es thut mir sehr leid.
Ich bin heut' nicht mehr frei!"
kaksnisch.
Aeltcres Fräulein (die im Gasthause
von einem Herrn beständig fixirt wird):
Mein Herr, wenn Sie Ihr unanstän
diges Benehmen nicht bald aufgeben,
werde ich Ihnen einfach den Rücken zu
kehren!"
Herr: Wird r.lch freuen, Fräulein.
auch Ihre angcnchme Seite kennen zu
lernen!"