Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 30, 1899, Image 10

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    Das steinerne Gras.
Erzählung aus Labrador von I. V. Hausen,
1.
Es war im Herbste des Jahres 1842
als Kapitän Thompson, ein alter Lab
rador und KrönlaiidSsahrer. mit sei
nem Schiffe .Elias" heimwärts steuerte.
Mit einer werthoollen Beute an Rob
benfellen. Thran und Walroß'Zühnen
beladen, befand sich das Schiff etwa
dreihundert Seemeilen östlich von Nord
Labrador auf dem Ocean.
Seit zehn Tagen hatte dicker, schwerer
Nebel geherrscht und starker Westwind
Nun aber war die tet ruhig und da
Wetter klar geworden, so daß man eine
weite Umschau halten konnte.
Am Bormltiaa gegen neun llyr ric
der Mann auf dem Ausguck: Halloh
Wag giebt's?" fragte der Kapitän
lZin Fahrzeug ,m Süden I"
Ich sehe keines."
Nun, Sir. es ist freilich kein Segel
Es scheint ein kleines Boot von Grönland
oder Labrador zu sein."
, Alle Wetter, wie kann denn das
weit auf die See hinaus geschlagen wor
den sein?"
Ter Kapitän und fein erster Steuer
mann suchten mit ihren Fernrohren den
südlichen Horizont ab und fanden bald
das kleine Fahrzeug. Es war ein
Kajak, eines von den leichten kleinen
Eskimobooten aus Fischbeinstöckcn und
zusammengenähten Robbenfellen. Ein
solcher Kajak ist so leicht, daß ein
Mann ihn ohne besondere Mühe auf
die Schulter nehmen und über Land
forttragen kann.
Es befand sich ein Eskimo darin, der
aber in sich zusammengesunken und wie
leblos dasaß. Der schmale Kajak konnte
trotzdem nicht kentern, weil das einzige
Ruder mit breiten Schaufclflächcn an
beiden Enden quer über dem Boote be-
festigt war.
Der arme Teufel scheint todt zu
sein, meinte der Steuermann.
Nach einer halben Stunde kam da
Schiff dem kleinen Kajak ganz nahe
Ein solches Eskimoboot ist auch oben
mit Robbenfellcn zugenäht, worin sich
nur em kleines rundes Loch beyndet,
aus welchem der Jnsaffe mit dem Obev
leibe hervorragt. Schnürt er Mittel
Riemen dies eiattl che ttelldeck fet an
seinen, in Pelzkleidung steckenden Leib
so wird sein Kajak völlig wasserdicht
und keine Welle kann hineinspritzen.
Zum Erstaunen des Kapitäns und
der Mannschaft ftng der für todt gehal
tene Eskimo an sich zu rühren. Er
megie ein muoer zum Helmen, oa er
lebe und Hülfe erflehe.
Vorwärts, setzt das Boot aus!" be
fahl der Kapitän, und holt den armen
Burschen herein."
Dieser Anordnung wurde rasch Folq
geleistet. Das Schiff wurde beigedreht
und ein Boot in See gelassen. Man
holte den Kajak mit dem halbtodten
Eskimo heran und hißte zuerst ihn und
dann sein leichtes Fahrzeug an Deck.
Unter sorgsamer Pflege kam der junge
Mensch er mochte kaum zwanzig Jahre
zählen nach einigen Stunden wieder
einigermaßen zu Kräften. Er sagte in
fremdartig klingendem, aber doch recht
gut verständlichem Englisch, daß er
Tuki heiße und zu einem Stamme ge-
höre, der nahe bei der Herrnhutermis'
fion Nain an einer Bucht der nördlichen
adradorküstc Hause.
Nach Eskimobegrissen mochte Tuki
ein recht hübscher und angenehmer
Bursche sein, freilich war er keine
fünf Fuß hoch, er hatte eine platte, dicke
Nase, liftige kleine Acuglein, straffe
lange Haare, einen breiten Mund und
eine niedrige zurücktretende Stirn, wie
alle Eskimos: aber sonst sah er
doch sehr gutherzig und wacker aus
Offenbar war sein Charakter vortrcff
lieh geartet.
Wie mochte es geschehen sein, daß er,
der geschickte Kajakfuhrer, so weit von
der Küste und auf die See hinaus hatte
verschlagen werden können? Das war
eine klägliche Geschichte. Er hatte, wje
er sagte, Robben auf den Klippen er
legen wollen. Heftige Strömungen
und scharfer Westwind hatten immer
weiter ihn hinausgetrieben. In dem
lange anhaltenden dicken schweren Nebel
war es ihm zuletzt nicht mehr möglich
gewesen, sich zu orientiren. Zehn Tage
lang dauerte seine Irrfahrt. Zuletzt,
von Hunger, Durst und Müdigkeit völ
lig erschöpft, hatte er geglaubt, daß er
elendig umkommen müsse. Er hätte es
nicht noch einen Tag länger aushalten
können.
Was war nun zu thun? Ihn nach
Nam zu bringen, war nicht angängig
Das Schiff Elias" hätte damit zu viel
Zeit verloren. Es wurde deschloffen.
ihn und seinen Kajak nach Leith, dem
schottischen Heimathshafen des Elias",
mitzunehmen. Später würde sich viel
leicht eine Gelegenheit finden, ihn nach
Labrador zurückzubringen.
Tuki mußte damit zufrieden sein
Nach und nach erlangte er seine gewöhn
liche gute Laune wieder und wurde der
Liebling der Mannschaft.
Wohlbehalten kam das sonst m
Leith an. Hier erregte der Eskimo mit
seinem Kajak viel Aufsehen und In
teresse. Die Spekulation bemächtigte
sich seiner. Man veranstaltete ein
großes Wcttrudcrn im Hafen von Leith,
wo auch gerade einige Kriegsschiffe
ankerten.
Zwölf gewandte Marinematrosen mit
einem schnellen Boote und Tuki mit sei
nem Kajak ruderten um die Wette.
Vergebens waren die Anstrengungen
der Zwölf. Mit Leichtigkeit wurden
sie von dem Eskimo besiegt.
So auch die anderen Versuche. Es
kamen Mitglieder von Rudcrclubs mit
ihren leichten Rennbooten, um das
Kunststück zu probiren. Ganz unnütz
Tuki siegte immer.
Er wurde nach anderen Hafenstädten
berufen, um feine erstaunliche Kunst in
der pfeilschnellen Führung des Kajaks
zu zeigen. Und auch dort war er stets
Sieger.
Beträchtliche Geldgewinne fielen ihin
zu. Von dem Gelde, welches die untcv
nehmer erhoben, erhielt er gute Alt'
theile. Außerdem wurde er von vor-
nehmen und reichen Liebhabern de
Rudersports sehr reichlich beschenkt.
So fügte es uch al'o. daß das der-
meintliche Unglück, welches ihn auf's
Weltmeer hinausgctricben, sich für ihn
in ungeahntes Glück verwandelte.
Die Zeitungen brachten Berichte
über ihn und seine Leistungen. Er
wurde so berühmt, daß sein Bildniß in
einem lllustnrten Journale erschien
Das Bild stellte ihn in seinem Kajak
sitzend dar.
Fast neun Monate hielt Tuki sich in
Schottland auf. Tann bot sich eine
Gelegenheit für ihn dar. nach Labrador
zurückzugelangen. Ein chlff von Leith
sollte auf den Robbenfang aussegeln
und auch die Küstenbucht, woran Nain
liegt, besuchen, um Tauschhandel mjt
den dortigen Fischern und Eskimos zu
betreiben.
Auf diesem Fahrzeug wurde für Tuki
Paffage von einigen seiner Gönner bc
sorgt. Viele Kisten und Ballen mit
nützlichen Gebrauchsartikeln aller Art
ließ er an Bord schaffen, auch ein
schönes neues Segelboot, ferner Jagd
qewehre und Munition dazu. Er selbst
war nicht in sein gewöhnliches Kostüm
gekleidet, sondern wie ein wohlhabender
Schotte. Sein Eskimokostüm und sei-
nen Kajak schenkte er aus Dankbarkeit
einem ethnographischen Museum.
Das Schiff segelte ab und gelangte
glücklich nach Labrador. In Nain hatte
man natürlich Tuki für todt gehalten,
und er war betrauert worden von sei
nen Eltern, Geschwistern und Freun
den. Um so größer war das Erstaunen
und die Freude, als er so unverhofft
wieder ankam, noch dazu mit so vielen
guten Sachen. Er war jetzt unzweifel
haft der reichste Eskimo in Labrador,
zumal er auch noch ein hübsches
Sümmchen baaren Geldes besaß.
Weil er sich in Schottland daran qe-
wöhnt hatte, in einem ordentlichen
Hause zu wohnen, so gefielen ihm die
heimathlichen Erdhöhlen und das som-
merliche Fellzelt nicht mehr. Er ließ
sich von den Zimmerleuten der Mission
ein festes Holzhaus bauen mit einem
großen Kachelofen und sonstigen An
nehmlichkcitcn und Bequemlichkeiten.
Die Folge davon war, daß alle
hcirathsfühigen Eskimomädchen nach
ihm liebäugelten und ihn gar zu gerne
zum Manne gehabt hätten. Doch Tuki
ließ sie schmachten, sein Herz war einer
gewissen Susanne zugeneigt, der Toch-
ter des Händlers und Schänkwirth
Andrews. Dieser, ein früherer Jäger
der Hudsonsbai-Pelzcompagnic. war
der angeschcndste und wohlhabendste
Mann in dem llcinen. bei der Mission
Nain entstandenen Fifchcrorte. Er be
trieb Tauschhandel mit den Eskimos
und hatte immer die meisten Vorräthe.
Auch hatte er mit dem Kapitän des
Schiffes von Leith das beste, Geschäft
gemacht zu beiderseitiger Zufriedenheit.
seine Tochter Susanne war durchaus
t'me Schönheit. Klein, derb, stumpf-
nafig, pausbackig, rothhaang, aber
heiteren Gemüths, so war sie beschaffen.
Sie hatte Tuki bezaubert, der in ihr
ein weibliches Ideal erblickte.
Schon früher hatte er darauf losqe-
steuert, sie als Braut zu erlangen.
Susanne mochte ihn nämlich wohl lei-
den; auch war sie sich bewußt, daß sie
keine allzu großen Ansprüche machen
konnte in der Ehcstandslotterie. Aber
hr Vater hatte ihn damals mit Ver-
achtung abgewiesen.
Nun aber war Tmk reich geworden
und besaß ein schönes Holzhaus. So
glaubte er denn mit hoffnungsfrohem
Herzen, wieder einmal klopfen zu dür-
en. Allerdings behandelte der ehe-
malige Trapper ihn jetzt mit etwas
mehr Achtung, wies ihn aber doch ab
mn den bestimmten Worten: Meine
Tochter soll keinen Eskimo heirathen!"
Susanne wurde darüber so betrübt.
daß sie ihre, gewöhnliche Heiterkeit ver-
lor; sie weinte sich die Augen roth, wo
durch sie ihr Antlitz keineswegs ver-
chönerte. Ihr abgewiesener Liebhaber
grämte sich über alle Maßen denn
auch ein Eskimojüngling besitzt ein
empfindsames Herz, und die Liebe übt
hre geheimninvolle Macht m allem
Himmelsstrichen, am Nordpol und im
Wüstensand.
Um sich in seinem Kummer zu zer-
streuen, beschloß Tuki, einen Jagdaus
flug in's Innere zu machen. Erzog
das gewöhnliche sehr praktische Eikimo
kostüm an, nahm seine beste Flinte,
mit der er gut umzugehen gelernt hatte,
und fetzte sein Segelboot in Stand.
Er beabsichtigte in den Bergen am
Flusse womöglich einige schwarze Füchse
zu erlegen, deren schöne Felle äußerst
wcrthvoll sind. Mit günstigem Ost-
wind fuhr er dann den breiten Strom
inanf, der sich in die Bucht von Nain
ergießt.
2.
Als der kühne portugiesische See-
ahrer Gaspar Cortereal im Jahre
501 auf seiner Nordlandsfahrt einen
Küstenstrich der ungeheuren, gegen
zwanzigtauscnd Ouadratmcilen großen
Haldln'el Nordamerikas- entdeckte, gab
er der Gegend den Namen Zicrra
Labrador", was .ackerbaufahige
Land" bedeutet. Ein wunderlicher
ganz unpanender Name: Denn in
Labrador gibt es in den Thalern des
Junem zwar Baumwuchs, aber ton
einem Anbau des BodcnZ kann bei den
klimatischen Verhältnissen keine Rede
sein.
Die Küsten sind am besten bekannt,
Tort Hausen seit Jahrhunderten, viel
leicht seit Jahrtausenden. Stämme der
Eskimos, welche in Bezug auf ihre
Nahrung hauptsachlich auf das Meer,
nämlich auf Fischerei und Robbenfang
angewiesen sind.
Das gebirgige Innere ist noch sa
gänzlich unbekannt, man weiß nun
daß im Süden große Wälder, im Nor
den ungeheure möden. viele seen
und Ströme sich befinden. Einige
Jndianerhorden Ziehen darin umher,
die Naskopis und die Skoffts. wie
von den Eskimos genannt werden. Die
weißen Schiffer und Fischer, die zutuet
lcn Pelze von ihnen erhandeln, nennen
sie Mountaincers", und verstehen
darunter Eebirqsmdlaner".
Tiefe äußerst wilden rothen Jäger
gebrauchen sehr geschickt Pfeil und Bo
gen. vjai den ksmnos lebten sie zur
Zeit unserer Erzählung in Erbfeind
schaft. Wo Indianer und Eskimos zu
sammentrafen, da gab es stets ein blu
liges esecyt. Weder aus der einen
noch auf der anderen Seite kannte man
Erbarmen.
Seltsam ist es, daß man bisher nicht
von Suden her die genauere Erforschung
des großen Landes in Angriff qcnom
men hat. was doch ohne bedeutende
Schwierigkeit ausführbar erscheint.
Man wird sich wohl noch mit der Zeit
dazu entschließen und dann wahrfchein-
nianche recht wichtige und nützliche Ent
deckung machen.
Als Tukl etwa zwanzig Kilometer
weit den Strom hinaufgefahren war.
lenkte er sein Fahrzeug unter eine über
hängende Felsenwand in eine ihm be-
kannte Höhle, deren Hintergrund wie
ein schwarzer unheimlicher Schlund
war, in welchen tiefer einzudringen er
niemals gewagt hatte. Tann nahm er
seine Flinte, stieg aus und watete durch
das selchte Nasser an s Ufer.
Er purschte etwa eine halbe stunde
lang zwischen den Felsen, als er eine
wilde Gebirgsziege gewahrte, auf die er
schoß. Er fehlte. Gleich darauf aber
vernahm er gellendes Knegsgeheul. Zu
seinem größten Entsetzen entdeckte er in
einiger ntfernunq eine Bande von
etwa zwanzig Naskopi Indianern,
welche sogleich auf ihn losstürmten
nachdem sie durch den Flintenschuß auf
ihn aufmerksam geworden waren.
Nur eiligste flucht konnte ihn retten
Der Weg. auf welchem er hergekommen.
war ihm schon abgeschnitten. So mußte
er eine etwas andere Richtung cinschla
gen, um nach seinem verborgenen Boote
zu gelangen.
Aber sein unbekannter Pfad wurde
bald fast unwegsam.
Nackte Felsen um ihn. Tunkler
Serpentin mit eingesprengten Schichten
von Gnciß, Glimmer, Quarz und
anspaly. iiirn verstand freilich gar
nichts von Geologie und Mineralogie.
Für ihn war der Stein nur ein Stein,
und der Felsen uur ein Felsen.
Das Kriegsgeschrei seiner Verfolger
erscholl vernehmlicher hinter ihm. Sie
waren ihm näher gekommen.
Da gelangte er bei hastigem Lau
fen und Felsenerklimmen in eine tiefe,
unüberspringbare Schlucht, eine von der
Art, die man im fernen Süden Can
non" nennt. Oben war sie so schräge,
wie ein Kirchendach, zwanzig Meter
weiter unten fiel sie steil ab. und man
konnte den Grund der Schlucht nicht
sehen.
Es gab keinen Ausweg mehr. Ent
weder mußte Tuki sich gefangen geben
und den grausamsten Tod am Marter
Pfahle erleiden, oder er mußte sich in
den Abgrund stürzen.
Er zog das Letztere vor.
Vielleicht liegt da unter in der
Schlucht noch eine dicke Schicht Winter
schnee," murmelte er. Ist das der
Fall, so kann ich mich noch retten. An
dernfalls werde ich zermalmt bei dem
Sturz; doch ist dies immer noch besser,
als von den rothen Feinden langsam zu
Tode gemartert zu werden."
Die Indianer waren nur noch fünf-
zig schritte entfernt.. Einige spannten
schon ihre Bogen. Da warf sich Tuki
plötzlicher Erde, und im nächsten Au
genblick rutschte und rollte er den schrä
gen Abhang hinunter. Die herbei
gelaufenen Indianer sahen noch, wie er
unten über den Rand der Abschrägung
in den scheinbar bodenlosen schwarzen
Abgrund stürzte. Da erhoben sie ein
Triumphgeheul, denn sie glaubten na
türlich, daß der Eskimo dort unten zer
malnit liegen müßte.
Befriedigt in ihren Rachegelüsten.
zogen sie ab.
Und Tuki?
Ter wackere Eskimo befand sich den
Umständen nach recht wohl.
Vom Rand der Abschräqunq war er
senkrecht etwa fünfzehn Meter tief auf
den schmalen Grund der Schlucht hin
abgestürzt, allerdings nicht auf eine
Schneeschicht, aber doch auf eine andere
weiche und elastische Masse.
Wohl war er einen Augenblick betäubt
gewesen, denn er hatte eine tüchtige Er
fchütterung erhalten; doch , schon nach
wenigen Minuten kam er zu sich und
vergewisserte sich, daß er kein Glied ge
brechen habe.
Mit größtem Erstaunen untersuchte
er die seltsame Masse, auf welcher er
lag. Es drang freilich nur wenig Ta
gcslicht von oben auf den Grund der
engen Schlucht, aber der schwache Schim
mer genügte doch.
Es war eine verfilzte Masse von grün
lichcn und graugclden. etwa fußlangen
Fafern. sehr diegfam. doch etwas
spröde, ungefähr so anzufühlen, wie
Pferdchaare.
schmelzende chncemam'n und an
haltende Regengüsse mochten seit Jahr
Hunderten diese vielleicht von den im
wanden losgespülten und abgerissenen
sonderbaren fasern hier so massenhaN
zusamineiigcschwemmt und aufgchäu
haben, denn sie bildeten ein so dickes
Polster, daß Tuki sie nicht bis auf den
Grund zu durchwühlen vermochte.
Ganz verdutzt murmelte er: Was
mag nur das lein? Ist das steinerne
Gras?" Tenn aus einer geschmeidigen
Stcinmasse schienen ihm die verfilzten
Fasern gebildet zn sein.
Er beschloß, darüber bei klugen Leu
tcn Erkundigungen einzuziehen, und
ballte zu solchem Behufe einen kleinen
Knäuel von Fasern zusammen, den er
in die Tasche steckte.
Tle Hauptsache war für ihn nun
ans der Schlucht zn kommen. Tie senk
rechten Felswände vermochte er selbst
verständlich nicht zu erklimmen. Aber
Tuki dachte sich, daß zu gewissen Iah
rcszcilen viel iüiaet durcy die jetzt
trockene Schlucht lausen und irgendwo
einen Ausfluß haben müsse. Viel
leicht konnte ein Eskimo da auch durch.
kommen.
Eine lerlelnunde tappte er den en
gen Casion entlang, nach der Richtung
wo dessen Grund sich allmählich ab
würts senkte. Hier und da bemerkte er
noch andere Haufen von den verfilzten
Fasern.
Endlich schlössen sich die Felswände
oben dicht zusammen, aber unten war
ein natürlicher Tunnel, in welchen sonst
wohl das Regen- und chnecwasser
hineinströmte.
Vorsichtig ging Tukl in den gcfähv
lichen unheimlichen Höhlcnqang. Da
sah er plötzlich, nicht sehr weit vor sich
den Schimmer des Tageslichtes. E
mußte da dcrÄusgang sein. Behutsam
tappte er dorthin, erreichte die Oeffnung
und sah zu seiner angenehmsten Uebcv
raschung vor sich sein Segelboot. Der
schwarze dunkle Schlund im Hinter
gründe der Fclsengrotte am Strom war
also das Ausflußloch des im Cannon
1 sammelnden Waffers.
Er hielt Umschau, sah aber nicht
Verdächtiges. Tann stieg er in sein
Fahrzeug und setzte das Segel. Ter
Wind war nach Nord umgesprungen
o, vom Winde und der Strömung
getrieben, kam er rasch nach Haufe
3.
Es war zwei Tage nachher.
Ter Händler Andrew stand vor seiner
Thüre und dachte nach über eme neue
Spekulation in Robbcnthran. Ta
trat Tuki zu ihm, grüßte höflich und
Zeigte ihm den Fasernknäucl.
Könnt Ihr mir vielleicht sagen, wa
dies ist?"
Weiß nicht. Tuki."
Es scheint eine Art steinernes Gras
ZU still."
Unsinn! Tamit kann man die Schafe
und Ziegen der Mis non nicht futtern."
Vielleicht ist s sonst zu irgend etwas
nütze."
Glaub's nicht. Schund ist's!"
Ich will doch den Missionar fragen
Ter junge Eskimo begab sich nach
der Mission.
Nun. Tuki, was willst Tu?" fragte
der alte Geistliche freundlich.
Eurwürdiacr vcrr. könnt :nr mir
aqen, was dies t u
Der Missionar, em in den Natur-
Wissenschaften wohl erfahrener Mann,
nahm die Fasern zur Hand und prüfte
ie aufmerksam. Er zündete ein Licht
an und hielt die Fafern in die Flamme
Sie begannen zu glühen, verbrannten
aber nicht.
Wahrhaftig, das ist Berg- oder
Steinflachs!"
Also doch eine versteinerte Pflanze?"
...'cein. leine Pttanze, sondern ein
merkwürdiges Mineral, welches
Pinnen und weben MEt, so dan man
vortreffliches Gewebe daraus verfertigen
ann. die im larkiten euer unvcr-
brennlich sind. Deshalb wird die
Mineral zu mancherlei gewerblichen
Zwecken gebraucht. Ter eigentliche
richtige Name dafür ist Asbest. Wo
hast Tu dies gefunden?"
Droben am Flus e, in einer Schlucht
des grauen Steingedirges."
Und der junge Eskimo berichtete kurz
ein gefährliches Abenteuer.
Es ist also viel davon vorhanden r
Siele Bootsladungen."
Nun, Tuki, dann ist das ein großes
Glück für Dich, Teme Verwandten
und Freunde, ,a für den ganzen
Eskimostamm. Denn ich hoffe, Tu
wirst den Anderen Gutes thun."
Das will ich gewiß herzlich gern.
Also durch den Verkauf solcher Fafern
kann man viel Geld verdienen?"
Unzweifelhaft! Ich glaube, dieser
viclbegehrte Rohstost, der selten in
solchen Massen gefunden wird, steht sehr
gut im Preise auf dem Weltmärkte." '
Ich danke, ehrwürdiger Herr!"
Hoch befriedigt, von frohen Hoffnun
gen erfüllt, verließ Tuki den Mifsio
nar. Er verständigte sich mit seinem Vater,
mit seinen Brüdern und sonstigen Ver
wandten, auch mit den anderen Eski-
mos. Es wurde abgemacht, daß Tuki als I
Entdecker einen größeren Antheil an dem
Gewinne haben sollte.
Tann fuhren einige Boote mit vielen
Eskimos den Fluß hinauf, um durch
den wunderbaren Höhlengang Ballen
und Packen des werthvollen Minerals zn
polen.
Tie Indianer hatten die Gegend ver.
lassen, waren all'o nicht zu fürchten,
Auch waren die dewanncten Eskimos
zahlreich genug, um Kampse mit den
milden Naskopis siegreich bestehen zu
können.
Man schaffte viele Ballen Asbest nach
Nain. Es ankerte gerade ein Schooner
im Hasen. Tarauf wurden die Ballen
verfrachtet nach et. JohnS auf der
Insel Neufundland.
Zwei dortige sachkundige Kaufleute
intcreiiirten sich sehr für die Sendung:
sie zahlten einen guten Preis und fanö
ten einen Bevollmächtigten nach Nain,
um Contrakte für fernere Lieferungen
mit den Eskimos abzuschließen.
Jetzt erwachte auch die Begehrlichkeit
des Handelsmannes Andrews.
Er sagte zu Tuki: Ich möchte mich
wohl betheiligcn an diesem erstaunlich
vorteilhaften Asbestgeschäft."
Tas kann geschehen, Nachbar," ver
setzte der junge Eskimo. Toch nur
unter der Bedingung, daß ihr mir Eure
Susanna zum Weibe gebt."
Sollst die Susann haben, Tuki!"
meinte der Händler, dessen Stolz von
dem voraussichtlichen guten Geschäfte
schmolz. Tu bist ja doch der klügste
und reichste Eskimo in ganz Labrador."
Bald wurde die Hochzeit gefeiert. Ter
alte Missionar traute das glückliche
Paar.
Alliührlich während des kurzen Som-
mers, wenn die Schlncht zugänglich war.
wurde aus derselben Asbest geholt. Tie
Lagerstatte wurde so eine fortlaufende
Quelle des Wohlstandes für den ganzen
Eskimostamm.
Tukl starb als Haupt einer zahlrci
chen Familie und sehr wohlhabender
Asbcsthändler im Jahre 1379.
Kleine öuinoresken.
Von ? r. C. z r i s ch k o r n.
.ttcink Zorticlug ,cl,r.
König Friedrich Wilhelm 111. von
Preußen hatte einen General, der im
Dienst sehr tüchtig war und desweaen
vom König hochgeschätzt wurde; aber er
mi auer oem dienst an einem lcioer
zu häufig vorkommenden Fehler. Näm
lich da er mit Gütern dieser Erde nicht
gesegnet war, wollte sein Gehalt nie
inals zur Befriedigung seiner Bedürf-
nisse reichen, er machte viel Schulden,
die ihn oft sehr schwer drückten. Der
König hörte davon und hatte Erbar-
men mit seinem treuen Diener. Er
kaufte ein schönes Notizbuch und legte
zwischen den Blättern ein schönes
ümmchcn in guten Kassenscheinen,
das überreichte er dem General eines
Morgens auf dem Exerzierplatz. Der
General dankte verbindlichst uiid steckte
das Buch ein, ohne einen Blick hinein
zu thun, wohl wissend, daß das, was
aus der Hand seines Königs kommt,
des Tankcns werth sei.
Als nach einiger Zeit der König wie-
der auf dem Exerzierplatz erschien.
giuuvir et, vcr neuerm ivcroe nocymais
des Buches erwähnen und seine Freude
ausdrücken, daß er dadurch sich feiner
Schuldenlast habe entledigen können.
aber er sagte nichts. Ta fragte der
König lakonisch: Buch gefallen?"
.Ja, Maicstüt, bin gespannt auf die
Fortsetzung," lautete die lwfllche Ant
wort.
Als der König nach einigen Tagen
wieder auf den Exerzierplatz kam, über-
gab er seinem General wiederum ein
olches Notizbuch mit gleichem Inhalt
als das erste, aber auf dem ersten Blatt
stand von des Königs eigner Hand ge
schrieben: Schluß, statt Fortsetzung."
Sin II,coIoiichk Ernmc,,.
Zu einem Universitäts-Professor der
theologischen Fakultät kommt ein Can
didat der Theologie um fein Examen zu
machen und eine Anstellung als Pastor
zu erhalten.
Nachdem der ninge Mann sich dem
Professor vorgestellt und seinen Namen
als Johannes Jüschke angegeben hatte,
ollte das Examen sofort beginnen.
Prof.: sagen sie einmal, mein
lieber Jäschke: Wer hat die fünf Bücher
Moses geschrieben?"
Eand.: Die fünf Bücher Mo es
(wiederholt mehrmals) die fünf Bücher
Moses ." Ter Eandldatus kann sich,
trotzdem er sich die yrage viele mal wie
derholt. absolut nicht besinnen auf den
Autor und sagt: Ach, Herr Professor,
das ist schon so lange her, das kann ich
unmöglich wissen!
Prof.: Können sie mir sagen, wie
der Vater der Kinder Zebidäi hieß?"
Cand.: Der Vater der Kinder Ze-
bidäi (strengt sein Gedächtnis; ver-
qeblich an, ohne darauf zu kommen)
der Vater der Kinder Zebidäi, ach, Herr
Professor, das war gewiß ein ganz un-
bedeutender Mann, ich kann leider nicht
auf seinen Namen kommen."
Prof.: Nun. mein lieber Jaschke,
dann sagen sie mal: Wer war
Paulus?"
Eand. (sich besinnend) wiederholt:
Paulus, Paulus "
Prof.: Na, ich will Ihnen em
wenig helfen: Ein Ap "
Cand. (schnell): Ein Apotheker:"
Prof.: Es thut mir recht leid, mein
lieber Jäschke, Sie haben die Fragen
nicht zu meiner Zufriedenheit beant
wortct." I
Der Kandidat kommt erregt heim,
und als ihn feine Mutter fragend an
sieht, sagt er: .Mutter. Mutter, ich bin
durchgefallcn!"
Turchgefallen. mein Sohn? WaS
hat denn der Herr Professor fo Schweres
gefragt?"
Tenk doch, er fragte mich, wer hat
die fünf Bücher Moses geschrieben?"
Weißt Tu das nicht? MoscZ."
.Ach ja. Mutter. Tu hast recht.
Dann sollte ich sagen, wer Paulus
war."
.2SaS hast Tu denn gesagt?"
Ein Apotheker."
Ach nein, mein Sohn, er war ein
Apostel. WaS hat er noch gefragt?"
Wie hieß der Vater Kinder Ze
bidäi?"
Na. wie hieß denn Tein Vater; das
niulzt Du doch wissen."
Tie Mutter ruft das Ticnstmüdchen
und sendet eine Menge guter Sachen
und läßt den Professor bitten, den jun
gen Herrn doch noch einmal zum Era
men tommen zu lassen. Ter Herr Pro
fcssor hat Erbarmen und Johannes
Jäfchke läuft voll Freude sofort hin
und der Professor empfängt ihn sehr
freundlich und sagt: Na. mein lieber
Jüschke. haben Sie sich besonnen?" ,
Ja. Herr Professor.
Nun, dann sagen Sie mir. wer bat
die fünf Bücher Moses geschrieben?"
Mo,es!"
Wer war Paulus?" !
Ein Apostel !"
Wie hieß der Vater der Kinder Zc
bidäi?"
Jäschke!"
rkiiadikk Miiiiifl.
In den östlichen Provinzen Preußens.
Posen und Westpreußen. giebt es beute
noch polnische Familien, die aus polni
schein Patriotismus und anderen Grün
den kein 'Wort deutsch sprechen und
auch ihre Kinder so erziehen. Wenn
nun aus solchen Familien junge brauch
bare Männer zum Militär aüsgchoben
werden, fällt es solchen oft ungemein
schwer, die Sprache des Landes einzu
üben, damit sie das Kommando der
stehen und den Vorgesetzten antworten
können. Wie aber diese militärische
Schule oft Wunder wirkt und aus
solchen gute Soldaten und Patrioten
macht, beweist manches Beispiel; sie
kehren oft völlig umgewandelt und aus
gesöhnt mit ihrem deutschen Vaterland?
in ihre Heimath zurück und wissen nicht
genug zu rühmen von der Leutseligkeit
ihres Königs und ihrer Vorgesetzten.
So diente in den 40er Jahren ein
schöner junger Pole bei der Garde in
Berlin. Er lernte in kurzer Zeit ge
nügend Deutsch und that feinen Dienst
mit ganzer Hingabe, und wurde ebenso
als tüchtiger Soldat von seinen Borge
setzten geschätzt. Seinem König Fried
rich Wühdnt IV. war er von ganzer
Seele ergeben nachdem er ihn recht ken
nen gelernt hatte. Einst stand er in
einer stockfinsteren Nacht einsam auf
Posten. Niemand ging hier vorbei.
Endlich hörte er etwas und bemerkte
auch wie Jemand sich ihm näherte, aber
es war kein Offizier, sondern ein Civi-
list. Toch die Person fesselt seine ganze
Aufmerksamkeit. Plötzlich fährt ihm
wie ein Blitz ein Gedanke durch den
Kopf, er nimmt sofort wie elektrisirt
militärische Haltung an, ergreift sein
Gewehr und präscntirt. Tie Person
kommt näher und bleibt vor ihm stehen
und fragt:
Grenadier, vor wem präfentiren
Sie?"
Vor Sr. Majestät, dem Könige von
Preußen," war die prompte Antwort.
Mein Sohn, woran hast Tu mich
erkannt?"
An de dicke Kopp!" erwiderte der
Pole.
Als am nächsten Tage, Mittags 12
Uhr, die Wache abgelöst wurde, lag ein
Befehl auf der Wache für den Polen, .
um 1 Uhr vor den König zu erscheinen.
Der König, welcher den Scherz über
alles liebte, hatte einige hochstehende
militärische Persönlichkeiten zu sich be
fohlen, denen er sein Abenteuer mit
dem guten Polen erzählte irnd um
feiner Erzählung die richtige Pointe zu
geben, ließ er den Grenadier von der
Wache antreten und sagte zu ihm:
Nun, mein Sohn, sage in Gegen- .
wart von diesen Herren, woran hast
Tu Deinen König gestern Abend er
kannt?" An de dicke Kopp!" war die schnei
dige Antwort.
Tie Herren lachten und der König
freute sich über feinen ihm sehr erge
denen Grenadier. Er ließ ihm dann
einen Toppeltyaler aushändigen, wo-
für er sich einen vergnügten Tag machen
sollte.
Kernsprüche.
Sage nicht alles was du weißt,
Aber wisse immer, was du sagst !
Man mutz mit Essen aufhören, wenn
man noch eine ganze Schussel mit Ap
Petit bewältigen könnte.
Mensch, all's was außer dir, das giebt
dir keinen Werth;
Tas Kleid' macht keinen Mann, der
Sattel macht kein Pferd.
Tankbar fein bricht kein Bein.
Stichlialtiger Grund.
A: Warum mögen wohl kleine Män
ner so oft große Frauen hcirathcn?"
B: Ich weiß nicht, woher das
kommt; aber ich denke mir, die kleinen
Männer haben wohl nicht den Muth,
die Verlobungen rückgängig zu machen."