Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 16, 1899, Image 10

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    V
x
Der rillantschmuck.
Erzählung von 11 ti( i'anbrnann.
BoltzienS hatten eine Erbtante,
gentlich war eS eine große Grobtante.
nümlicb die Schwester von nrau von
BoldienS Großvater mütterticherscilZ,
und waS sie von ihr Erben sollten, war
nlcht daS Gut. das sie früher besessen
batte. denn dieses war Majorat und
längst auf einen entfernten Vetter Kbev
aeaanaen ailch nicht ihr betrücht
licheS Privatvermögen. über das sie
schon zu Gunsten näherer Verwandten
verfügt hatte. ES war vielmehr ihr
Schmuck, ein Brillantfchmuck von
wie man sagte von unschätzbarem
Werthe.
Ter Schmuck war in der Boltzien
schen Familie zum Gegenstaude der
Tradition geworben, er war geradezu
sagenumwoben. Eine der früheren Be
sißerinnen hatte auf einem Hofball da
mit die Aufmerksamkeit eines Prinzen
deZ königlichen HauseS erregt. Er sollte
der Gegenstand mannigfacher Intriguen
gewesen, einmal sogar gestohlen und
auf merkwürdige Weise wieder erlangt
worden sein.
In Frau von BoltzicnS frühesten
Kindheitserinnerungen spielte er eine
bedeutende RSlle. Ihre Mutter und
Großmutter hatten ihr davon erzählt,
und nur in der Beschreibung der einzel
nen zugehörigen Stücke waren sie von
einander abgewichen. Tie Großmutter
berichtete von einem, die Mutter von
zwei Armbändern, und der Großmutter
zufolge war daS große Halsband so
eingerichtet, daß man eS auch im Haar
tragen tonnte, während nach der Ver
fion der Mutter ein besonderer Haar
schmuck vorhanden war.
Zu ihrer Konfirmation batte die
Großtante ihr einen Ring bescheiden,
wie er sich für ein so junges Mädchen
paßte verehrt und dabei eine Anspie
lung auf den Schmuck gemacht, den sie
dereinst zu erwarten hätte. Zu Frau
von Boltziens Hochzeit kam sie selbst.
Man sah ihrem Erscheinen bei der
Trauung erwartungsvoll entgegen,
hoffte man doch bei dieser Gelegenheit
die berühmtesten Brillanten zu Gesicht
zu bekommen.
Tie Enttäuschung war allgemein, als
die Großtante ohne jeglichen Schmuck
erschien. Sie habe, deutete sie an,
nach dem Tode ihres Mannes die Witt
wentrauer nicht mehr abgelegt und
trage deshalb keine Brillanten. Andre
erzählten, die alte Dame alt war sie
nümllch ichon damals lebe in kjlän
diger Furcht, bestohlen oder gar um
des Schmuckes willen ermordet zu wer
den und halte ihn deshalb vor allen
Augen verborgen.
Dieser Eigenheit, die jedenfalls mit
den Jahren zunahm, mochte es zuzu
schreiben sein, daß Frau von Boltzien
auch bei den Besuchen, die sie der Groß
tante machte, den Schmuck niemals zu
sehen bekam. Desto mehr hörte sie da
von, denn die Besitzerin schien mit zu
. nehmendem Alter immer lieber von
ihren Brillanten, an denen sie mit
Zärtlichkeit hing, zu sprechen und unter
ließ dabei nie zu versichern, daß der
Schmuck dereinst ihrer theuren Groß
nichte zufallen werde.
Diese Gewißheit war denn auch Frau
von Boltziens Trost in den mancherlei
Sorgen und Kümmernissen ihres Ehe
standes. Als ihr Mann im Avance
ment zurückblicb, als die Kinderzahl
größer wurde und die Einnahmen sich
nicht in demselben Verhältniß vermehr-
ten, wie die Söhne heranwuchsen und
stärkere Ansprüche an die Eltern stellten.
und als man begann, über die 3?er
sorgung der Töchter nachzudenken.
immer war es in trüben Stunden und
Tagen dieser Nothanker, an den sie sich
hielt und auf den sie auch ihren Mann
vertröstete.
Als dann vollends der arme Bolkicn
plötzlich starb und seiner Familie nichts
als die Pension hinterließ, wurde der
Schmuck die einzige Hoffnung für sie
und die Ihrigen. Wenn auch die Ge
genwart trübe war, wenn man sich
vielfach einschränken und auf manches
verzichten mußte, so durfte man doch
von der Zukunft Besseres hoffen. Dann
würde sie Frau von Boltzien eine
hübsche Wohnung nehmen und eine bet
fekte Köchin, vielleicht sogar Diener und
Equipage halten, eine Loge in dem
Theater haben und allsommerlich eine
Badereise machen können, und weder
der Zuschuß für die Söhne, noch die
standesgemäße Verheirathung der Töch-
ter würde ihr mehr Sorgfalt machen
Dies alles mußte ja einmal kommen,
denn die Großtante, obgleich man qe
witz nicht auf ihren Tod rechnen wollte
und ihr gern das längste Leben gegönnt
hätte war hoch in den Achtzigern
und konnte doch naturgemäß nicht ewig
leben.
Inzwischen erwies man ihr die größte
Rücklicht und Aufmerksamkeit. Frau
von Bolkicn öffnete ihren schmalen
Geldbeutel, und die beiden Töchter Elly
und Rita strengten ihre Augen an. um
kostbare und mühsame Handarbeiten zu
Weihnachts und Geburtstagsgeschenken
für die Großtante zu verfertigen. Als
sie das Nerverfieber bekam, war Frau
von Boltzien. die weite Reise und die
Gefahr der Ansteckung nicht beachtend,
zu ihr geeilt und hatte sie viele Wochen
mit Aufopferung gepflegt.
Alljährlich im Frühling kam die alte
Dame auf einen kürzeren oder längeren
Besuch in's Haus. Tann ging es bei
Äoltziens schon geraume Zeit zuvor
knapp her, damit man den werthen
Gast gebührend aufnehmen könnte, und I
die Großtante schied jedesmal unter
Thränen der Rührung mit derVersichc
rung. daß sie sich für diese Liebe einmal
dankbar beweisen werde.
In den letzten Jahren war sie in
dessen nicht mehr gekommen, und eine?
TageZ meldete die schwarzumränderte
Anzeige deZ Majoratsherrn, daß Marie
Luise Wilhelmine. Freiin von Wallen
berg, geborene Gräfin Pfeil im neun
zigsten Lebensjahre sanft entschlafen sei.
Bei BoltzicnS herrschte infolge dieser
Nachricht starke Aufregung. Frau
von Boltzien sorgte für Trauerkleider
und traf eilige Reisevorbereitungen.
Die Mädchen nähten Krepprüfchen in
ihre schwarzen Kleider, und die ganze
Familie zeigte ohne Heuchelei eine an
ständige Betrübniß, aber eS war doch
menschlich, daß in diese sich eine srohe
Hoffnung mischte und allmählich die
Oberhand gewann.
Neunzig Jahre sind ein schönes
Alter! Die gute Großtante war recht
hinfällig geworden in den letzten Iah
ren und hatte wenig Genuß mehr vom
Leben gehabt und der Schmuck war
ihnen schon so lange versprochen!
Als die Töchter ihre Mutter zum
Bahnhof begleiteten, wurden allerlei
Wünsche laut, die jetzt nicht mehr uner
füllbar schienen und deren Gewährung
die Mutter lächelnd zusagte. Allein im
Coupee überlegte sie dann weiter, welche
eigentlich schon längst nöthigen An
schassungen für Hauswesen und Garde i
robe t jetzt zuerst machen würde.
Tenn natürlich würde sie ja den
Schmuck zu Gelde machen. Die Zeiten,
in denen sie vielleicht daran gedacht
hatte, ihn zu tragen, waren lange,
lange vorüber. Auch ihre Töchter
waren viel zu oeichelven erzogen, um
die Brillanten sür sich zu beanspruchen.
DaS Geld dagegen würde ein Glück für
sie bedeuten. Oder ob sie für jede ein
Stück, vielleicht einen Ring oder eine
Nadel, zurückbehielte, schon damit da
von etwas in der Familie bliebe.
Es hing natürlich davon ab, wie groß
im ganzen der Werth des Schmuckes
wäre. Sie hatte dafür keinen Anhalts
Punkt, aber sie stellte Summen auf.
bald größere, bald kleinere, die sie für
wahrscheinlich oder für möglich hielt,
und machte bei jeder von ihnen eine
ungefähre Berechnung, wie sie angelegt
und wie die Zinsen verwendet werden
sollten. Das Kapital selbst mußte un
angetastet bleiben; außer in dem Falle,
daß ein Theil davon zur Mitgift für
die Töchter dienen konnte. Tenn jetzt
würden die lieben Mädchen sich sicher
leicht verhcirathen, sie waren ja so hübsch
und so gut erzogen. Rita hatte nicht
mehr nöthig, das Seminar zu besuchen,
sie brauchte das Lchrerinncnexamen
nicht zu machen. Und der Leutnant von
Jsenbiehl, der Elly im letzten Winter
auf der Eisbahn den Hos gemacht hatte,
würde jetzt gewiß mit ernsten Absichten
hervortreten er oder ein anderer, den
man vielleicht vorziehen würde. Wenn
ihr nur Elly selbst nicht einen Strich
durch die Rechnung machte! Jedenfalls
müßte man, sobald die schickliche Trauer-
zeit vorüber wäre, anfangen, etwas
mehr in der Welt zu leben, wenigstens
noch in diesem Winter eine größere Gc-
sellschast geben.
Wahrend der Ellzug Frau von
Boltzien unter solchen Gedanken davon
trug, gingen die Töchter nach Hause
und schmiedeten ebenfalls Zukunfts
Pläne. Diejenigen der krausköpfigen
Rila gingen vorläufig noch nicht über
den ersten Bau hinaus, wahrend in den
Heimlichkeiten, die Elly ihrer jüngeren
Schwester anvertraute, zwar nicht der
Leutnant von Jsenbiehl, aber ein ande
rer Bertreter edler Männlichkeit eine be-
deutende Rolle spielte.
Als sie nach Hause kamen, fanden sie
cv'i. 01 i . . . r . . rni i '
tftuuinn ciiiu gciprocyen eriang,
denn sie stammte aus der französischen
Kolonie war von jeher die beste
Freundin von Frau Boltzien und hatte
sich jetzt eingefunden, um als Ehren
dame bei den jungen Mädchen zu blei
den. In alle Interessen der Boltzien
schen Familie eingeweiht, nahm sie auch
an dem gegenwärtigen Ereigniß den
lebhaftesten Antheil, und wenn es mög
lich war, daß der Familienschmück
irgend eines Menschen Gemüth tiefer
erregte, als das der glücklichen Erben,
so war es das ihrige. Er bildete den
Gegenstand ihrer endlosen Gespräche,
die sich bis in die Nacht fortspannen
und mit denen sie die jungen Mädchen
in aller Frühe aus dem Schlaf weckte
und ihre schüchternen Hoffnungen zu
unruhiger Erwartung anfachte. Sie
verstand so viel von diesen Dingen, und
sie war mit allem, was den Schmuck
betraf, so genau vertraut, daß man sich
ganz auf sie verlassen konnte. Hätte es
sich irgend geschickt, so hätte sie am lieb
sten ihre Freundin begleitet, um ihr als
Ratbgeberin und als Beschützerin auf
der Heimfahrt zur Seite zu stehen, aber
leider war das bei dem Mangel jeder
verwandtschaftlichen Bcziehung'zwischcn
ihr und der Boltzienfchen Familie un-
möglich.
Frau von Boltzien blieb länger, als
man geglaubt hatte, da die Eröffnung
des Testaments erst einige Tage nach
dem Begräbnik stattfand, und die ün
geduld der Taheimgeblicbcnen steigerte
unterdessen zu einer fieberhaften
e.
Komme Abends. Nur Eveline mich
abholen!" So lautete das Telegramm.
das endlich ihre Ankunft anzeigte, und
Fräulein Bertin begab sich demgemäß
ällein nach dem Bahnhof, in Gedan
ken die Vorsicht der Freundin lobend,
die zedes Aufsehen klug vermeiden
wollte.
Tie Töchter deckten unterdeß zierlich
den Tisch zu dem Abenddrod. für das
sie allerlei kleine LiedlingSdelikatcsien
der Mutter besorgt hatte, bereiteten den
Thee und harrten dann sehnsüchtig am
Fenster. t
Endlich hielt eine Troschke vor dem
Hause, sie stürzten die Treppe hinab,
umarmten die Mutter, die zuerst auS
stieg und wollten Fräulein Eveline die
große Lcdertasche abnehmen, welche sie
unter ihrem Radmantel verborgen ge
halten. Sie wehrte indeß mit heftigem
Winken ab, wies das Ticnstmädchen
an. den kleinen Koffer zu nehmen und
trug die Tasche selbst die Treppe hinauf,
hinter Frau von Boltzien her.
Tiefe hatte schon Hut und Mantel
abgelegt und saßmüde in dcr Sofaccke.
Vor ihr standen die Töchter, hielten
ihre beiden Hände und wunderten sich
im Stillen, daß die Mutter nicht nur
sehr abgespannt, was ja die Folge der
weiten Reise sein konnte, sondern
geradezu älter geworden und nicht ein
bischen beglückt, vielmehr niederge
schlagen und beinahe traurig aussah.
Inzwischen trat auch Fräulein Ber
tin ein, verschloß sorgfältig hinter sich
die Eingangsthür und darauf auch die
zweite Thür, die in das Schlafzimmer
führte, ließ die Fenstervorhänge herab
und setzte sich dann erst an den Tisch,
indem sie die Tasche, die sie die ganze
Zeit nicht losgelassen, mit beiden Hän
den auf den Knien festhielt. Tie Mäd
chen blickten sie neugierig an.
Und der Schmuck" Tie kecke Rita
that die Frage, die ihre Schwester nicht
gewagt hatte, obgleich sie ihr ebenfalls
auf den Lippen brannte.
Fräulein Eveline klopfte mit bedeu-
tungsvoller Miene auf die Tasche. Frau
von Boltzien nahm zögernd euien klei
nen Schlüssel aus dem Portemonnaie
und reichte ihn der Freundin; sie sah
dabei aus. als ob ihr jede dieser Bewe
gungen schwer wurde.
Fräulein Bertin behielt jedoch, statt
auszuschließen, den Schlüssel in der
Hand. Erst muß eure Mutter etwas
essen", sagte sie dabei. Nein, lieb
stcs Suschcn," fuhr sie fort, als Frau
von Boltzien den Kopf schüttelte, ich
bestehe durchaus daraus. Tu hast
nach allen diesen Aufregungen eine
kleine Stärkung dringend nöthig, und
Freudiges, das uns bevorsteht, gcnie
ßen wir immer noch früh genug."
Freudiges?" Frau von Boltzien
sagte das mit einem eigenthümlichen
Lächeln, das beinahe aussah, als wollte
sie anfangen zu weinen. Sie trank
aber eine Tasse Thee, aß auch einige
Biffen von dem. was ihr die Töchter
auf den Teller legten, und als das ge
schehen war. fing sie wirklich zu weinen
an. Elly und Rita schmiegten sich be
stürzt und zärtlich an sie. Ach meine
Kinder", sagte sie sich endlich fallend.
erschreckt nur nicht. Ihr seid noch
jung, ihr werdet es vielleicht weniger
schwer nehmen als ich."
llever vrauiein ernns auBorua
volles Gesicht ging bei diesen Worten
ein wahres Wetterleuchten. Wirklich.
liebste Susanne, ich begreife dich gar
nicht!" rief sie in ausbrechender Hef
tiakcit. .Das heißt doch undankbar
sein gegen das Schicksal, das heißt doch
eine Preiention" beweisen, die ich vir,
meine Theure, nicht zugetraut hätte
Aber freilich, deine Nerven sind erschül
tert, das erklärt alles. Ihr aber, meine
lieben Kinder", wandte sie sich an die
erschrockenen Mädchen, ihr preist die
Vorsehung, die es gnädig-mit euch
meint. Statt der Versuchungen eines
groben Reichthums will sie euch das
Glück bescheidenen, sorglosen Wohlstan
des gewähren, und ich müßte euch
meine Lieben, nicht kennen, wenn ihr
damit nicht zufrieden wäret."
Elly und Rita sahen sich noch immer
verblüfft an, sie verstanden kein Wort
von allem, was sie hörten.
Frau von Boltzien hatte sich inzwl
schen gefaßt, und ein leises. wehmü
thiges Lächeln ging durch ihre müden
Züge. Tu hast vielleicht recht", sagte
sie. Ich will mir Mühe geben, es auch
so anzusehen."
Die Sache ist die", fuhr sie, zu
ihrem Töchtern gewendet, fort, daß der
Schmuck im Lauf der Zeiten jedenfalls
von seiner Voll tändigkett viel einge
büßt hat, daß nicht mehr alle Theile
vorhanden sind vielmehr kurz,
Kinder, von dem ganzen Schmuck ist
nur noch ein einziges Stück übrig."
Ja aber was für eins!" sagte Frau-
lein Eveline mit Nachdruck und erhob
dabei die Hände. Ein Stück, das
zwar nicht Hunderttausende, aber doch
Tausende werth ist. also für Leute von
euren anspruchslosen Gewoynyettcn
noch immer ein Vermögen bedeutet.
Und jedenfalls ein Theil des ehrwur
digen Familienschmucks! Darf ich.
Suschen ? Ich brenne von Berlan-
gen!"
Sie hatte bei diesen Worten den klei-
nen Schlüssel, den sie noch immer hielt,
in das Schloß der Tasche gesteckt. Aber
sie setzte die Tasche wieder aus der
Hand und überzeugte sich nochmals,
daß die Thüren fest geschloffen waren
und draußen niemand horchte. Dann
erst kehrte sie auf ihren Platz zurück.
nahm die Tasche wieder auf den Schooß
und schloß auf. Sie zog .nach einigem
Suchen ein großes Saffianctui hervor,
dos sie auf den Tisch stellte.
Tie jungen Mädchen drängten sich
athemlos heran, Frau von Boltzien lä
chclte ein wenig; Fräulein Bertin drückte
mit umständlicher Feierlichkeit auf die
Feder, das Etui sprang auf, und sie
stieß ein Ah!" der Bewunderung aus.
Tie beiden Schwestern machten un
grobe Augen und wußten nicht recht.
waS sie sagen sollten. WaS da einsam
vor ihnen auf dem himmelblauen -am
met deS Kiffens lag, war eine Schuh
schnalle.
Zögernd entrang sich das Wort ihren
Lippen. Tie Mutter nickte. .Ja
eine Schuhschnalle!" bestätigte ,ie
Nicht einmal die dazu gehörige zweite
ist da."
WaS schadet das?" sagte Eveline
ledhast und vorwurfsvoll. Getragen
hättet ihr sie auch nicht, wenn daS
Paar vollständig wäre. Taß eS aber
gerade eine Schuhschnalle ist. daS be
weist doch am besten daS ehrwürdige
Alter des Schmuckes, das Stück ist da
durch um so wcrthvoller. Welch schöne
alterthümliche Fassung! Und welche
Steine! Tiefer Glanz, dieses Feuer
das fieht man nicht s leicht wieder!"
Sie hatte die Schnalle aus dem Käst
chen genommen, hielt sie auf den Aer
melaufschlag ihres schwarzen Kleides
und betrachtete sie mit entzückten Blicken
.Lösch' die Lampe aus. Elly!" be
fahl sie. und nun seht, wie das im
Tunkcln leuchtet und funkelt! Ist das
nicht herrlich?"
Ich sehe nichts", sagte Rita.
Elly aber ließ sich nach einer Weile
überreden, daß sie das Funkeln gleich
falls bemerke. .
Taran erkennt man die echten
Steine!" rief da? alte Fräulein enthu
siastifch. Wirklich, Kinder, ihr seid
Glückspilze. Vousetes neescoiffees!
Erinnerst du dich noch der Brillant
brofche. liebstes Suschen, die wir ha
mals in der Gewerbeausstellung sahen?
Es waren nicht so große und schöne
Steine wie diese, und st; waren zehn
tausend -werth. . Tu wirst dich ja doch
mit der Zeit davon trennen müssen, so
schade es ist. aber für dich ist das eine
bedeutende Summe."
Frau von Boltzien nickte. Zehntau
send Mark würden sie allerdings nicht
zu 'einer reichen Frau und ihre Töcl
ter nicht zu begehrenswerthen Pav
tien machen, aber sie von großen Sor
gen befreien und ihr manche Annehm,
lichkeit gewähren. Und wenn die Mäd
chen sich vielleicht doch verhcirathen,
würde sie ihnen immerhin eine hübsche
Aussteuer geben können. Freilich mufr
ten sie in ihrer enan Wohnung bfci
ben. und Rita mußte nun doch das
Lehrerinnencxamen machen. Aber das
war ja im Grunde nicht schlimm, und
wer weiß, wieviel Gutes die Zuwnst
bringen mochte.
So dachte Frau von Boltzien, wäh
rend die optimistische Ausfassung ihrer
Freundin allmählich bei ihr Eingang
fand, und als sie einige Zeit bei emaiv
der gesessen-hatten, war ihnen allen zu
Muthe als wäre ihnen bei alledem
em großes Giua zu cu geworoen.
wie etwa einem Mann, der hartnäckifch
und sehnsüchtig das große Loos erwar
tct hat und der schließlich doch beglückt
ist, wenn ihm ein viel kleinerer Gewinn
zufällt.
Ein Stück des ersehnten Schmuckes
war es ja immerhin, das in greif- und
sichtbarer Wirklichkeit vor ihnen lag,
und es bewährte sich auch hier, daß ein
Sperling in der Hand besser ist als eine
Taube auf dem Tache.
Eigentlich. Suschen, ist es leicht
sinnig, ein so kostbares Stück im Hause
zu behalten," sagte Fräulein Bertin,
als sie sich spät zum Gehen anschickte.
Ich werde heute Nacht keine Ruhe
haben aus Angst um dich."
Meinst du. Evclinchen?" Frau von
Boltzien wurde selbst ängstlich. Wenn
du doch hier bleiben möchtest," bat sie.
Gewiss, gern!" versicherte die Freun
din. Ich bin zwar kein großer Schutz
für dich, aber wenn es dir eine Be.ruhi-
auna ist "
Fräulein Evelme blieb also und traf
vor dem Schlafengehen die tuerteii
gehenden Vorsichtsmaßregeln. Troß
dem wurde es eine unruhige Nacht. Bei
icdem wirklichen oder auch nur der
meintlichen Geräusch im Hause und auf
der Straße fuhr Fräulein Bertin auf
und verlieb ihr Lager, um die Sichev
heit der Thür und Fensterverschlüe
auf's neue zu probiren.
Schließlich ließ ne die Lampe bmx
nen und verwacyie, gaio angeneioei,
den Rest der Nacht. Frau von Boltzien
schloß natürlich unter diesen Umstanden
ebenfalls kein Auge, und leib die iun
gen Mädchen konnten den gewohnten
ruhigen Schlaf nicht finden.
..Tas kannst du nicht aushalten.
liebste Boltzien." sagte Fräulein Bertin
am nächsten Morgen beim Frühstück
Wenn du den Schmuck nicht irgend
wohin in sichere Verwahrung geben
kannst, so würde ich ihn an deiner
Stelle so bald wie möglich veräußern."
Das sah denn auch Frau von Boltzien
ein. und es wurde beschlossen, den wich
tigen Schritt noch an demselben Tage
zu thun. Da man sich keinem der Ju
meliere der Stadt anvertrauen mochte
und sie auch nicht für genügend
leistungsfähig hielt, so wollte Frau von
Boltzien nach der nahen Residenz sah-
ren. und Fraulem Benin ervol ficg, e
zu begleiten.
Trotz der Vorsicht und Heimlichkeit,
mit welcher die Damen auch diesmal zu
Werke gingen, hatte sich doch dile Kunde
von der Boltzien'schen Erbschaft vcrbrei
tct und zur Entstehung der buntesten
und mannigfaltigsten Gerüchte geführt,
die unzählbar und auch plötzlich auf
sproßten, wie die Pilze nach einem
Sommcrkegen.
Der Schmuck bildete an diesem Por
mittag entschieden das Stadtgespräch,
und die einzigen vielleicht, die nicht da
von sprachen, waren Elly und Rita.
Sie saßen still und gedrückt bei ihrer
Arbeit am Fenster. Tie Enttäuschung
der Mutter belastete heut auch ihr hoff
nungSfroh.S, junges Geiuüth. und nach
der hochgespannten Erregung der vori
gen Tage machte sich jetzt der Rückschlag
geltend.
Tu. Elly." sagte Rita plötzlich,
sich einmal, wer da geht."
Elly sah zum Fenster hinaus.
Karl !" entfuhr eS ihr. Tr. Karl
Fritze." verbesserte sie sich gleich darauf
mit verlegenem Erröthen.
.Und in welche, WichS!" fuhr Rita
fort. Eylinder und helle Handschuhe!
Wo mag er eine Visite machen? Aber
sich nur. er biegt über die E trabe
wahrhaftig, er kommt zu uns."
Elly schwieg und wurde immer der
legcner.
Plötzlich sprang Rita aus,, tanzte
losgelassen in der Stube umher und
schlug lachend in die Hände. Wcibt
du, was das bedeutet. Elly?"
Tiefe machte beklommen eine vernei
nende Gebärde.
So will ich eS dir sagen: er wird
um dich anhalten. Natürlich, er hat
von der Erbschaft gehört und hält dich
jetzt für eine gute Partie."
Pfui!" rief Elly heftig. Wie
kannst du daS von ihm denken?" Und
dann legte sie den Kopf auf den Tisch
und brach in Thränen auS.
Rita stand erschrocken neben ihr und
versuchte vergeblich sie zu trösten. Es
klingelte draußen.
Laß nurnicmanden herein!" rief
Elly.
Allein schon hatte das Dienstmädchen
die Thür des Wohnzimmers für Herrn
Oberlehrer Fritze geöffnet mit der Ver
sichcrung. daß die gnädige Frau zwar
verreist, die jungen Damen aber zu
Hause wären und sich gewiß sehr freuen
würden.
Rita verschwand in dem Augenblick
durch die gegenüberliegende Thür und
der Eingetretene stand erschrocken vor
der weinenden Elly. Entschuldigen
Sie," stotterte er verlegen, ..ich wollte
die gnädige Frau Ihre Frau Mut
ter "
Mama ist nicht zu Hause." sagte
Elly, indem sie sich hastig die Thränen
abwischte.
So komme ich ein anderes Mal,
wenn Sie gestatten obgleich freilich
ich hätte eigentlich zunächst mit Ihnen
zu sprechen und ich sehe wohl, ich
komme sehr ungelegen, aber "
Elly wandte sich ab und ihre Thrä
nen strömten auf's neue.
Elly!" rief er erschrocken, liebes
fr a .. , s z .f.f l evt n n
tfiuiuein vruu, ivus icuu .sunent iuus
ist geschehen, ich habe kein Recht zu
fragen, aber ich habe Sie so lieb,
und icy iam yieryer, um es ynen zu
sagen."
Er brachte es stockend und unbehilf
lich vor und ay lyr dabei mit einem
ehrlichen Blick ängstlich und treuherzig
ins Gesicht.
Elly faßte sich. Ihre Thränen hör
ten auf zu fliecn; sie stand blaß und
stolz vor ihm. Sie irren sich." sagte
sie leise, doch mit fester Stimme, ich
bin keine reiche Erbin.
Nicht?" rief er in ausbrechendem
Jubel. Gott sei Tank! Das war
mein einziger Kummer."
Elly sah ihn etwas verwundert an
Dann überflog ein Helles Leuchten das
verweinte Gesicht. Vergleb !" flüstert:
sie.
Sie reichte ihm ihre beiden Hände,
die er mit stürmischen Kuncn bedeckte
Ich kann es dir im Grunde nicht ver
denken," sagte er, als er endlich wieder
zu Athem kam. Der Schein ist gegen
mich, das fühlte ich selbst, noch ehe ich
herkam. Aber so entschlossen ich vor
wenigen Tagen war. mit meiner Wer
bung zu warten, bis ich in die nächste
Stelle aufrückte, wie ich es mir borge
nommen ich konnte nicht länger
zögern, denn ich fürchtete, daß mir nun
ein anderer zuvorkommen könnte und
siehst du, ehe ich dich verloren hätte,
mag meinetwegen lieber der oder jener
denken, daß ich dich um der Erbschaft
und des Geldes willen heirathe."
Davon kann nun keine Rede sein,"
sagte sie und sah ihn lächelnd und zärt
lich an. Ich habe wirklich gar kein
Vermögen, und der berühmte Schmuck
wird grade nur zu einer hübschen Ans
stcuer reichen."
Aussteuer?" fragteer. Das sind
ja wohl die Servietten und Taschen-
tücher und all das andre Zeug. Ehr-
lich gestanden möchte ich dich am liebsten
ohne das alles nehmen, mein Herz!"
Damit schloß er die glückstrahlende Elly
in seine Arme.
Um dieselbe Zeit etwa stiegen Frau
von Boltzien und ihre Begleiterin vor
dem Laden des ersten hauptstädtischen
Juweliers aus der Troschke. Fräulein
Bcrtin trat energisch in den Laden,
Frau von Boltzien folgte ihr zaghaft
und drückte zögernd ihren Wunsch aus,
das Erdstück zu verkaufen.
Ter Juweller. ein weißhaariger.
vornehm aussehender Herr, bat um die
Erlaubniß, den Schmuck in Augenschein
zu nehmen und hob die Schnalle aus
dem Etui, das Frau von Boltzien mit
zitternden Händen geöffnet hatte. Er
besah sie prüfend durch seine Brillen
gläser und nahm darauf noch eine Lupe
zu Hllse. Tie beiden Hainen folgten
mit Spannung jeder seiner Bewe-
auniien.
Er legte endlich die Schnalle wieder
auf das Sammctkissen zurück, seine
Miene blieb dabei undurchdringlich.
Tann räusperte er sich. Ich bebau,
meine Gnädige," sagte er sehr höflich,
ich kann die Steine nicht verwenden,
und ohne diese Voraussetzung erlassen
Sie es mir wohl, ein Urtheil über den
Werth abzugeben, das vielleicht Ihren
Erwartungen nicht ganz entsprecht
würde."
.Tag begreife ich nicht!" stieß Fräu
lein Bcrtin hervor. .Tie Steine sind
doch o groß, so schön "
Der Juwelier zuckte die
Ganz recht, meine Gnädigste,
sie sind falsch!"
Achseln,
aber
Im Hinterhalt.
Eine neue Änckdott auS ?iialg iiU$ be
wcgiki l'fbcn.
Eine interessante Anckdte aus dem
abenteuerlichen Leben Buffalo Bill'S
wird von Frau Hclen Eodq Wetmore
mitgetheilt. Dieselbe besitzt vor ande
ren derartigen Geschichten den Vorzug,
auf einer wahren Thatsache zu beruhen,
und ist daher von um so größerem
Interesse.
.Zur Zeit, als das Goldficbcr in
den Black HillS auf seinem Höhepunkt
stand, ereignete sich eine Episode, welche
einen packenden Beweis dafür liefert,
wie sehr mein Held (Buffalo Bill) die
Fähigkeit besitzt, sich allen Situationen
anzupassen und ihrer Herr zu werden.
Herr Mahan aus West Supcrior,
Wisc.. welchem sich eine Gesellschaft
Goldsucher angeschlossen hatte, wurde
mit dieser von einer Horde Indianer
verfolgt und befand sich in steter Gefahr
der Gefangennahme. Als die Aden .
teurer bereits fast alleHoffnung auf glückt
liches Entkommen aufgegeben hatten,
trafen sie durch einen glücklichen Zufall
Buffalo Bill an der Spitze eines Mili
tär-Kommandos, welches auf der Suche
nach Rothhäuten war. Buffalo Bill
nahm sich der Sache sofort mit Feuer
eifer an, und da ihm der Aufenthalt
der Indianer von den Verfolgten mit
ziemlicher Genauigkeit angegeben wurde,
so entwarf er sogleich den Plan zu einem
Hinterhalt. Tie Leute wurden in die
umliegenden Gebüsche vertheilt, und
der kühne Späher ritt allein nach der
Richtung des Feindes zu. Kaum hat
ten die Indianer ihn erblickt, so be
gann auch schon eine wilde Hetzjagd.
Bill" lockte feine Verfolger immer
näher nach dem Platze zu, wo seine
Freunde versteckt lagen, und als die
Indianer auf Schußweite herangckom
mcn waren, ließ er sich plötzlich vom
Pferde fallen, als ob er von einer fcind
lichen Kugel getroffen wäre. Sobald
die Indianer dies sahen, stiegen sie von
ihren Pferden ab, um den vermeintlichen
verwundeten gefangen zu nehncn.
Ties war das verabredete Zeichen für
die im Hinterhalt liegenden Weißen.
Durch eine wohlgczielte Salve wurden
fofort-zchn Krieger niedergestreckt, die
übrigen waren so bestürzt, daß sie mit
leichter Mühe niedergemacht werden
konnten, so daß auch keine einzige Roth
haut dem Gemetzel entkam. Aber noch
waren die Abenteuer des blutigen Tages
nicht zu Ende gelangt. 'C.
Buffalo Bill, welcher von früheren '
Streifzügen her die Gegend genau
konnte, hatte ein kleines Thal zur Lager '
stätte auserkoren und führte seine
Schaar nach diesem Platze hin. Zu
seinem Erstaunen jedoch und zur Be
stürzung der Uebrigen sah er. als der
Zug auf einem das Thal beherrschen
den Hügel anlangte, daß sein früheres
Lager von einer nach Hunderten zählen
den Horde Indianer besetzt gehalten
wurde. Mit Gewalt war hier nichts
zu machen, daher mußte List auch dies
mal wieder zum Erfolge führen.
Bill" begab sich unbcwannct und zu
Fuß hinab in's Thal und verlangte
dort, sofort vor den Häuptling geführt
zu werden. Tiejem, der den kühnen
Weißen mit emem Gemisch von Stau
nen und Verachtung empfing, theilte er
zunächst mit. wer er sei, worauf sich
unter den Indianern sogleich Zeichen
abergläubischer Furcht bemerkbar mach
ten. Als Buffalo Bill dies wahr
nahm, redete er den Häuptling wie
folgt an:
Tu mußt diesen Platz sofort der
lassen, falls Du nicht willst, daß'
sämmtliche Frauen und Kinder getödtet
werden sollen. Tort oben auf jenem
Hügel befinden sich genug Soldaten,
um Euch allen, wie Ihr hier seit, den
Garaus zu machen." Mit diesen Wor .
ten wies er in die Höhe, und zu ihrem
Schrecken sahen die bereits einqeschüch
terten Wilden Gewehrläufe und mili
tärische Monturen aus dem dunkeln
Laub hervorblitzcn.
Die List hatte den gewünschten Er
folg. Schon nach einer halben Stunde
konnten sich unsere Abenteurer auf der
verlassenen Lagerstätte häuslich nieder
lassen."
Tiefe kleine Episode ist charakteristisch
für das Ansehen, dessen sich Buffalo
Bill bei den kriegerischen Jndianerstäm
men erfreut. Seine Uncrschrockcnhcit,
gepaart mit nie versagendem Scharf
sinn, hat ihm den Ruf eingetragen, '
übernatürliche Kräfte zu besitzen.
höchste Devotion.
Bürgermeister (dem bei einer Tafel
vom Fürsten eine Cigarre angeboten
wird): Hoheit, diese Cigarre werde ich
rauchen, so lange ich lebe!"
Aaserncnkcfblktke.
Unteroffizier (zum Rekruten, der mit
schlecht geputzten Knöpfen antritt):
Müller, wie sehen Sie heute denn wie
der aus? Sie sind ja das reine Ferkn
lanum von Pompeji!"
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