Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 02, 1899, Image 10

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    Zwischen zwei Stühlen.
Novelle. Tan t. (.
Auf Wiedersehen also in HeUdoif.
Anna.
Fritz befestig;? mit großer Sorgfalt
eine ardenia im Knopfloch feines
UeberüeHerZ: er war sehr vertieft in
diese Beschäftigung, und die Frage, ob
sein örtkrieur nunmehr aus Tadcllong
seit und Unwiderftehlichkeit gegründeten
Anspruch habe, schien ihn vollständig
in Anspruch zu nehmen.
Ja ." antwortete Anna in fröhlichem
Tone, ich wollte, ich könnte heute
schon mit Tir reisen."
.Freilich, freilich das wäre gut."
entgegncte er mit merklicher Gleichgil
tigkeit in Stimme und Geberde.
Uederrascht sah Anna zu ihm auf.
Seine Toilette war endlich in Crd
nung und er fand jetzt Zeit, seine Braut
anzusehen. Er that bieg mit dem kri
tischen Blick des Künstlers und Bräu.
tigamS zugleich. Tas grelle Sonnen
licht beleuchtete unnachsichtlich die schar
fen Linien, die Kummer und Mißgeschick
in ihr Antlitz gegraben hatten. Als
find sich vor Jahren mit ihr verlobte.
war sie eine viclumworbene Schönheit
gewesen. Tie klugen, blauen Augen,
ihr rosig frischer Teint, das goldig
alänonde Haar, die nrschrothen Lip
den. ihre ganze, von Jugend und Glück
prahlende Erscheinung hatten ihn da
malS berückt. Er bewunderte unaus
gesetzt die kleinen Grübchen in Wange
und Kinn und behauptete, in dieser
Anordnung und Vollkommenheit seien
dieselben eine kostbare Seltenheit.
Heute war Anna dreißig Jahre alt.
Ihre Augen waren matter, die Lippen
und die Haare dünner geworden. Tie
Grübchen hatten sich verflacht, vcrscho.
den in der grausamen Beleuchtung
deö Augenblicks machten sie ihm geradezu
den Eindruck von Runzeln. Mit dreißig
Jahren! Wie schnell, wie vorzeitig war
sie verblüht, war die lebhafte Färbung
ihres Gesichtes verblichen, war die
üppige Gestalt fast überschlank gewor
den.
..Wie alt sie aussieht!" dachte Fritz.
Anna mochte seinen Gedankengang
errathen haben, denn sie sah nichts
weniger als vergnügt drein.
Fritz hatte sich wenig und keinesfalls
zu seinem Nachtheil verändert,' seit er
der schönen Anna in einer dunklen
Gaisblattlaube den ersten Kuß geraubt.
Der hagere, bleiche Jüngling von da
mals war stattlicher und männlicher
geworden. Sein bescheidenes Einkom
men aber, von dem er oft scherzhaft
behauptete, es reiche eben hin, um ihn
mit Champagner und Cigarren zu der
forgen, hatte mit diesem Wachsthum
nicht gleichen Schritt gehalten. Es
war so klein wie ehedem. Fritz war
gewohnt, das Leben von der heiteren
Seite zu nehmen und war stolz auf
sein Prinzip", sich unangenehme Dinge
nicht nahegehen zu lassen. Maler von
Beruf, arbeitete er nur, wenn ihm die
Laune kam, wenn er inspirirt" war.
Er war nicht ohne Talent für seinen
Beruf, ja, er besaß noch ein zweites,
das. seine Bilder oft sehr vortheilhaft
zu verwerthen. Nähere Bekannten be
hauptcten wiederholt, er hätte seine
Braut längst heimführen können, wenn
er ernstlich gewollt, fleißig gearbeitet
und sich manchen überflüssigen Luxus
versagt hätte. Er aber liebte von allen
Menschen auf der Welt sich selbst am
meisten, und er konnte und wollte sich
nichts versagen.
Wir sind schon lange verlobt Fritz,"
sagte Anna, und eine heiße Blutwelle
übergoß ihr Antlitz mit purpurnen
Gluthen. Ihre Lippen zuckten schmerz-
lich.
Ja, freilich," gab er zur Antwort,
Meine Schuld ist es nicht. Der Ow
lel, dessen Erbe ich bin, hat eine außev
ordentlich gesunde Conftitution. Hätte
er früher das Zeitliche gesegnet, wir
wären längst Mann undllFrau. Um
Deinetwillen thut es mir leid, daß wir
noch nicht so weit sind, denn ich weiß,
daß Du zu Haufe traurige Tage der
bringst."
Du hast wohl recht, viele Freuden
habe ich zu Hause nicht," sagte sie.
Seitdem Papa vor acht Jahren sein
Vermögen verlor, ist unser Haus nicht
mehr das Paradies von Ruhe und
Heiterkeit, das es früher gewesen. Ich
weiß nicht, was ärger ist, seine ewigen
Klagen oder meine ermüdende Ar
beit. die ich dennoch leisten muß."
Nur mit Mühe bezwäng sie sich. Sie
trug Alles; sie kämpfte sich durch,
ohne zu klagen. Die Liebe zu ihrem
Verlobten, das Vertrauen zu ihm und
die Hoffnung auf endliche Vereinigung
mit ihm. den sie über Alles liebte, hiel
ten sie aufrecht.
Heute aber jetzt eben an diesem
klaren Sommerabend, empfand sie
zum erstenmale das beschämende, qual
volle Gefühl, daß er aufgehört habe,
sie zu lieben. Ein unsäglicher Jammer
erfaßte sie.
Liebst Du mich noch. Fritz?" frug
sie plötzlich und unvermittelt und blickte
ihm angstvoll in die Augen.
Was fällt Dir ein? Du bist ein
Kind!" gab er lachend zur Antwort.
Aber sein Lachen, klang gezwungen.
Hütte ich mich sonst mit Tir verlobt?"
Tas war vor zehn Jahren. Ich
fragte aber: Liebst Tu mich jetzt?"
Gewiß!" entgegnen er. xu dist
heute wieder recht nervös. Du haft
Erholung sehr nöthig und ich bin froh,
daß Du zu Erlachs nach Helldorf
kommst. Tie Luftveränderung wird
Dir gut thun. Jetzt aber lcbe wohl.
Mein Zug gebt um 6 Uhr 30 Minu
ten. Ich darf ihn nicht versäumen
Erlach schickt mir den Wagen zur Bahn
Haft Tu der Baronin nichts sagen zu
lasten?"
Nur viele Grutt. und ich hosie. ln
vierzehn lagen dort zu fein. Weißt
Tu nicht, ob andere Gäfte in Helldors
find?"
.Vorläuna nur eine Xnme. eine
Wittwe Oehring. Ich kenne sie nicht
s4ade. ich wäre o gerne mit ir
allein dort gewesen."
Vielleicht ift sie bis dahin wieder fort
Nun aber lebe wohl. Anna. Au
Wiedersehen in Helldors."
Mit einem flüchtigen Kuß nahm Fritz
Libold Abschied von seiner Braut.
Ein schöner Abend." dachte sie
Ander? als früher. Wenn eS richtig
ift, was mir scheint, daß er mich nicht
mehr liebt, so gebe ich ihn frei. Ich
bin zu stolz, ihn zu heirathen. wenn er
es nur aus Mitleid und Pflichtgefühl
thun will. Ich will kein Opfer nur
aber " und nun ließ sie ihren
Thränen freien Lauf.
WaS unternehmen wir heute Mov
gcnS. Herr Libold?"
Wusste wünschen, meine Gnädige
Ich stehe Ihnen ganz zur Verfügung.
antwortete Fritz. Tie haben Ihrem
ergebenen Sklaven nur zu befehlen.
Tie junge Frau lachte und wurde
roth dabei.
Nur mehr für kurze Zeit." ließ sich
Baronin Erlach vernehmen, die Haus
frau auf Helldors. In wenigen Tagen
kommt die Braut des Herrn Libold.
und damit wird die e Sklaverei ein
Ende haben."
Fritz war wüthend. Mußte die Ba
ronin die Thatsache, daß er verlobt sei
in so rückhaltloser, beinahe rüder Weise
verrathen?
Tie Wittwe blickte ihn erstaunt und
beinahe vorwurfsvoll an.
Warum haben Sie mir nicht mitge
theilt, daß Sie verlobt sind?" frug sie.
als Frau von Erlach die Beiden allein
gelassen hatte.
Ich wußte nicht, daß es Sie interef
stre," war seine Antwort.
Frau Wittwe Oehring war zeizend
Tas helle Haar contrastirte in pikanter
Welse mit ihren dunklen, sprühenden
Augen, die von langen schwarzen Wim
pern umschattet waren. Ihr Mund
mit den spitzigen, schneeweißen Zähn
chen war meistens halb geöffnet, das
Naschen zierlich und klein, und etwa
nach aufwärts gerichtet, keine Schö
heit, keine hoheitsvolle Erscheinung
aber die Anmuth und Grazie selbst.
levzeun izayre all, war ne an einen
Greis gekettet worden, der sie nach kuv
zer Zeit als Wittwe und im Besitz eines
ansehnlichen Vermögens zurückließ
Seit dieser Zeit war noch kein Jahr
verstrichen, und schon begann Frau
Oehring ihre Trauer, die sie wohl nie
mals sonderlich gedrückt haben mochte
recht leicht zu nehmen. Sie hatte sich
eine ganze Farbenfcala von lichtestem
Grau und hellstem Lila zusammengkl
stellt, die sie in abwechslungsreicher und
geschmackvollster Art für ihre Toiletten
verwendete. Sie sah oft so luftig und
duftig aus, wie ein Backnschchen au
seinem ersten Balle. Schwarz, Weiß,
Violett, Grau nahmen m Ihren Ar
rangements so helle Töne von Heiter
keit, solche Nuancen von grilche an,
wie man sie diesen für die Repräsen
tation des Düsteren bestimmten Farben
nie zugetraut hätte. Es war im Gan-
zcn keine traurige Trauer, die Trauer
der Wittwe Oehring. da aber ihr der-
storbener Gatte in gar keiner Beziehung
zu ihr gepaßt hatte, nahm man es der
kleinen Frau nicht übel, daß ihre
Trauer nicht intennvcr war.
Fritz hatte das Erröthen der jungen
Frau bemerkt und selbstverständlich zu
seinen Gunsten ausgelegt. Der Ge
danke, der ihn schon zuweilen gestreift
hatte: Tas wäre eme Frau für mich,
passender als die melancholische Anna,"
trat ihm jetzt mit voller Deutlichkeit vor
die Seele. Eine schwere Fessel!"
dachte er seufzend. Tie kleine Kokette
nahm befriedigt Notiz von seiner Er
regung. Sie blickte über ihn hinweg.
wahrend sie die Bemerkung hinwarf:
Ich bin Ihnen so gut, daß rnid
diese Nachricht sehr freut. Ich gratu
lire Ihnen herzlich!"
Ich danke Ihnen."
Sie ist wohl sehr schön, Ihre Vev
lobte?"
Sie ist nicht einmal hübsch."
Nicht möglich!"
Sie war wohl recht hübsch, als wir
uns verlobten, aber.. .."
Ist denn das schon lange her?"
Zehn Jahre."
Ah! Haben Sie aber eine geduldige
Braut !"
Jawohl. Sie hat sich in diesen
Jahren sehr verändert "
Tas kann ich mir denken."
Fritz antwortete nicht. Frau Oeh-
rmq ging auf ein anderes Thema über,
Haben Sie in der letzten Zeit viel
gemalt" frug sie.
Nein. Ich war nicht disponirt.
Man kann nicht malen, wie man Zucker
verkauft, von acht bis zwölf und von
zwei bis vier Uhr."
Freilich nicht. Em Künstler muß
die Stunde der Inspiration abwarten."
Fritz war unsicher, ob nicht durch
diese Worte ein Ton leiser Ironie
klang. Da er aber jeder Schmeichelei
willig Gehör schenkte, verwarf er diesen
Zweifel schnell. Frau Oehring sah
auch ganz ernsthaft aus und blickte
schwärmerisch in's Weite. Sie hätte
ihn gewiß nie in's Joch spannen wollen,
sie hätte feiner künstlerischen Entwick
lung Rechnung getragen, anders als
die nüchterne Anna, die nur die Jahre
ihres Brautstandes zählte. Freilich
dieke Gerechtigkeit mußte er ihr wideo
fahren lassen sie that es ohne Vor
wurf, sie drängte, sie mahnte ihn nicht.
aber just diese Geduld. dieieS still
schweigen, waren sie nicht ein unausge
setztcr Vorwurf, der ihn ermüdete. ab
spannte, zu jeder Arbeit unfähig
machte?
Ich werde mir nächstens erlauben.
Ihnen einige meiner Skizzen zu zeigen."
sagte er.
Olii fc.li itlfpTittrn mirh'"
Wtl llll VU9 II. V l V j 14 l. I4ir.
antwortete sie und schlug zur Admechs
lung die Augen nieder. Ich liebe,
ich verehre die Kunst. Ich bete sie an.
Besonders die Malerei. Wie helNt es
doch bei Shakespeare:
Ter Maler gleicht der Spinne, und
zarte Fäden
Webt er zu einem Netz, darin die
Menschheit...."
TaS Weitere weiß ich nicht mehr."
fügte sie mit ihrem gewöhnlichen Lachen
hinzu. Fritz hatte mit Staunen ihren
ernsten Worten gelauscht, und wieder
war es ihm zweifelhaft geworden, ob
ihr Ernst nicht eine Schelmerei gewe
sen. Froh, sie wieder in ihrem eigent
lichen Fahrwasser zu sinden, machte er
diesem Gespräch ein Ende, indem er
ihr vorschlug, eine Reitpartie zu unter-
nehmen.
Wer weiß, wann wir wieder Gele
genhcit zu einer solchen haben", fügte
er hinzu.
ste sagen das in einem Tone, als
wenn sie der Ankunft Ihrer Braut
mit Bedauern entgegen sähen", sagte
sie in herausforderndem Tone. Sie
abscheulicher Mensch. Sie! Aber Sie
wollen reiten, gut ich thu' Ihnen den
Willen, in einem Augenblick bin ich
bereit."
Sie ist verliebt in mich," dachte
Fritz. Sie ift reich und ich brauche
Geld dringend nothwendig. Wenn ich
nur Anna dazu bringen könnte, daß
sie das Ganze durchschaut. Neulich
war sie so gereizt, ich dachte schon, es
käme zu einem Aussprechen. Wenn sie
wüßte, daß ich den Bruch wünsche, si.
würde mir sicher entgegenkommen, denn
sie ist stolz. Na, wir wollen sehen
was sich thun läßt. Ter Preis wird die
Mühe lohnen."
,ttau eyrmq trat wieder ein
Lächelnd grüßte er die reizende Frau
der das Reitcoftüm besonders gut stand.
einige 'Minuien pater zagten ne im
Gallop querfeldein.
Grüß Gott. Fritz! Tu hast heute
lange gewartet, der Zug hat eine kleine
Verspätung."
Ich warte schon eine halbe stunde."
war die verdrießliche Antwort.
,Armer Fritz!" lachte Anna, die
heuteA offenbar bester Laune war.
Aber bitte, besorge jetzt mein Gepäck!"
Als dies geschehen war sagte Fritz:
Tie Baronm wollte den Wagen'schickcn,
ich aber bat sie, es zu unterlassen
Das Wetter ist so schön!"
Wie froh bin ich, diesen Spazier
gang mit Tir machen zu können!" rief
Anna und hing sich an seinen Arm. Sie
war glücklich, ihren schönen stattlichen
Bräutigam wiederzusehen, und in ihrem
Glück entging ihr zunächst, daß er sehr
übler Laune und recht elnsylbia war
In der Freude des Wiedersehens,!!
alle ihre Zweifel an seiner Liebe und
Treue geschwunden. Sie wir selig, ihn
zu sehen.
Er aber fand sie in ihrem schwarzen
Anzug, der in unangenehmen Gegen-
atz zu der Farbenpracht des lichten
Sommertages stand, geschmacklos
Verblüht, verwelkt." dachte er. Wcl
cher Gegensatz zu Elly." (Er titulirte
in semen Gedanken Frcu Oehring be-
reits mit ihrem Taufnamen.) Wie
die sich zu kleiden weiß, trotz ihrer
Trauer, welche Tonfülle, welches
Leben!"
Warum bist Tu so dunkel qeklei-
det" schloß er die Reihe feiner Bctrach
tungen.
Ich will es Tir gleich sagen. Erin
nerst Tu Tich meines Pathen, des Herrn
Fellner?"
Ja", antwortete er zerstreut.
Er ift gestorben."
Ich bebau sehr."
Er hat meine arme, verstorbene
Mutter geliebt und wollte sie zur Frau
nehmen. sie aber liebte und hcira
thete meinen Vater. Herr Fcllncr hat
ihr dies nicht nachgetragen, er blieb ihr
und uns Allen, wie Du weißt, ein guter
Freund Aber Du hörst gar nicht
zu Fritz r sagte sie, einigermaßen der
tlmmt.
In der That hatte die sentimentale
Familiengeschichte, die vor vierzig Iah
ren gespielt haben mochte", ihn sehr
gelangweilt. Auch glaubte er in der
Ferne Frau Oehring entdeckt zu haben,
die ihnen entgegenzukommen schien.
Tie letzten Worte Anna's hatte er gänz
lich überhört und blickte gespannt nach
der Richtung, aus welcher die Tame
kam. Anna folgte seinen Blicken.
Beide schwiegen und verfolgten ihren
Weg. Schon näherte sich ihnen Frau
Oehring lächelnd, winkend, offenbar
reudig bewegt.
Endlich streckte sie Anna ihre beiden
Hände entgegen. Ta sind Sie ja
auf deren Ankunft wir uns schon so
ehr freuten!" rief sie. Herr Libold.
wollen Sie mich Ihrer Braut vorstcl
len? War Ihre Reise angenehm?"
Darauf zu antworten wäre Anna schwer
geworden, denn Frau Oehring hatte
sich jetzt schon wieder zu Fritz gewendet.
und nicht lange währte es. so waren die
Beiden in ein Gespräch vertieft, an dem
Auna thkilzunkhmen weder Interesse
noch Gelegenheit fand. Noch ehe die
kleine biesellschaft in Hclldorf angelangt
war. hatte Anna die qualvolle Gewiß
heit gewonnen daß Fritz nicht sie. son
dern Frau Oehring liebe. In ihrem
Innern tobte es. Wäre ich todt.
wäre ich tobt. ai war der einzige
Gedanke, der ihr klar war. Tie
Schloßfrau begrüßte sie aufs Liebend
würdigste und war nur von ihrem
bleichen Aussehen, von ihrem tiefem
Errtft unangenehm berührt. Hier
hoffe ich, werden Sie sich erholen, mein
liebes Kind."
Aber eS sollte anders kommen. Tie
folgenden Tage brachten Anna nur die
Bestätigung dessen, waZ sie in der erften
stunde erkannt, und dufterer und du
fterer, und bleicher und bleicher wurde
ihr Aussehen.
Ich habe einige Worte mit Tir zu
sprechen", sagte Fritz, als er eineS Ta
ges seine Braut in den Garten führte
Bitte!"
Tu bist so verändert, was ist mit
Dir? Teine Gcsühle für mich scheinen
sich gänzlich verwandelt zu haben."
Tabei spielte er nervös mit der Uhr
kette.
Stolz und starr unterbrach sie ihn:
Sprich nur von Tir selbst. Meine
Gefühle brauchst Tu nicht zu schildern."
Nun denn, wenn Tu darauf bestehst
jawohl zehn Jahre sind eine
lange Zeit da ändert sich viel, und
auch ein Mann verändert sich gewaltig
in einer solchen Frist." Er stockte.
Anna kam ihm nicht zu Hilfe.
Ich bin Tir Offenheit schuldig.
Anna," fuhr er fort. Meine Gefühle
haben sich abgeschwächt, meine Erwerbs
Verhältnisse sind nicht besser geworden
vielleicht wäre es richtig unser
Verlöbniß zu lösen, das nicht mehr auf
den Voraussetzungen beruht, da wir es
schlössen."
Tu willst sagen, daß Du mich nicht
mehr liebst, wie zu jener Zeit "
Ich gestehe, trotz aller Freundschaft
und Hochachtung "
Ist die Liebe verschwunden?
Das willst Tu doch sagen." schloß sie.
da er neuerdings stockte. Tu hast ganz
Recht, offen die Wahrheit zu sprechen.
Und da die Tinge so stehen, ist es frei-
lich besser, wir scheiden."
Sie sprach ruhig und ihre Hände
zitterten nicht, als sie den Verlobungs-
ring von ihrem Finger streifte. Erleich
tert athmete er aus und griff nach dem
Ringe.
Ich wollte es Teinem eigenen Et
messen anheimstellen," sprach er, schon
sicherer werdend. Es ift besser, einen
Irrthum eingestehcn, als ihn büßen
wenn es zu spät ist."
Gewiß, gewiß. Das ist ehr vev
nünftig."
Und was Teme Zukunft betrifft,
fuhr er fort, als sie schwieg, so sorgst
Du i schon lange in so tüchtiger Weise
für Tich selbst.. .."
Ueber meine Zukunft kannst Tu
ganz ruhig ein. Tie ist gesichert
Herr Fellncr hat mich zu seiner Erbin
gemacht."
So?"
Er hinterließ mir mehr als hun-
derttauiend Gulden."
Was? Hunderttausend?"
Ja und seine Villa in Schö-
nau "
Und die Vill.. .."
Ja und die Villa." Ein bitteres
Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie
stand aufrecht, erhobenen Hauptes vor
ihm. Ihre Wangen glühten, ihre Augen
blitzten. Noch niemals war sie Fritz so
schön erschienen, noch niemals hatte er
sie so stolz gesehen.
Leb wohl!" sagte sie und wollte
gehen.
Tas hattest Tu mir doch schon
früher schon mittheilen können!" rief
Ürnfc.
Ich wollte es gleich bei meiner An-
kunft thun, erinnere Tich nur, ich
sprach von meiner Mutter und Herrn
Fellner, Tu hattest aber kein Ohr sür
mich. Tu warst zu sehr von Frau
Oehring in Anspruch genommen. Und
seither hast Du mir zu deutlich qe-
zeigt, wie sehr Tu mir diese Frau vor-
ziehst. Jetzt ist Alles zu Ende. Leb'
wohl!"
Fritz war bleich geworden. Sich um
eine solche Chance zu bringen! Tabei
empfand er plötzlich, daß seine einstigen
zärtlichen Gefühle für Anna doch nicht
gänzlichen erloschen seien. Wie schön
war ne letzt eben gewe en: Wie viel
chöner noch wäre sie als glückliche Frau
geworden! Wie blind war er gewesen!
Man weiß ja, daß Mädchen, die schon
zu altern beginnen, als grauen zu
neuer Juqendblüthe gelangen. Und
schließlich, sie hat mich geliebt! Schade!
Nur gut, daß Elly mir sicher ist; sie ist,
wenn auch nicht reicher vielleicht nicht
einmal so reich doch lünqcr, heiterer,
eleganter Ich will keine Zeit der-
lieren.
.
Aber lieber Freund. Sie scherzen
wohl!" Elly warf sich lachend in die
Kissen ihrer Chaiselongue zurück.
Turchaus nicht, chcint Ihnen der
Gedanke so komisch ?"
Aber erlauben Sie! Erstens
sind Sie ja verlobt "
Nicht mehr. Ich habe mich frei ge-
macht. Meine Liebe zu Ihnen "
Tie schöne Frau unterbrach ihn mit
neckischer Geberde.
Liebe Liebe wir Beide sind nicht
für die wahre Liebe geschaffen."
Aber meine Gnädige!"
.Ja. Sie lieben sich selbst und ich
ich liebe auch mich selbst und meine
Toiletten. Nein, lachen Sie nicht,
denn jetzt meine ich eS ernst. Wir
Beide sind viel zu egoistisch zur wahren
Liede wenigstens ich bin eS sicher
lich."
.Und doch. Sie ließen mich an Ihre
Liede glauben!"
Ah. keine Vorwürfe, wenn ich bitten
darf! Ein Flirt ist keine Liede. Tas
hatten Sie verstehen miinen. Ich habe
recht luftige Stunden in Ihrer Gesell
schaft verbracht, zu meinem Gatten aber
entschuldigen Sie meine Offenheit
passen Sie durchaus gar nicht. Wenden
Sie sich doch lieber wieder Fräulein
Anna zu!"
Ann das ift vorbei gründlich
zu Ende. Tie ist zu stolz, die verzeiht
mir nie!"
Und da hat sie Recht, sie ist ein Herr
lichcS Mädchen."
In dieser Situation verlor Fritz so
sehr jede Selbstbeherrschung, daß er
Frau Oehring mit Vorwürfen über
häufte. Um ihretwillen habe er Anna,
die übrigens ein sehr reiches Mädchen
sei, verloren, nun müsse sie. Elly, die
seine werden. Aergerlich rief die bc
drängte Frau: Aber ich kann ja nicht,
selbst wenn ich wollte! Ich muß einen
vermögenden Mann heiratben oder
Wittwe bleiben, denn ich verliere im
Falle meiner Wicderverhcirathiina den
Anspruch auf den Zinsengenuß des
Vermögens, das mein Mann hinterlas
sen hat. Und Herz und Hütte, nun.
daS ist nicht mein Fall." In tiefer
Bestürzung verließ Fritz den Schauplatz
feiner zweiten Niederlage.
Als er Anna in ihrem Zimmer auf
uchte. fand er sie nicht. Man sagte
hm, daß sie. durch ein Zclcarainm
heimgcrufen, mit dem Mittagszug ab
gereist sei. Tie Baronin habe sie zum
Bahnhof geleitet. Fritz brannte der
Boden unter den Füßen., Anna war
gegen Süden gereist, er wollte nach dem
Norden.
Als er im Coupce saß und über das
Vorgefallene nachdachte, gestand er sich,
daß er eine entschiedene Aehnlichkeit mit
Buridan's Esel besitze.
2luf See.
Bon R o in o l o P i v a, Neapel.
Es war um die letzte Nachtstunde, als
ich mit meinem Torpedoboot aus dem
Hafen hinausdampfte. Wolkenfchwcr
hing der Himmel über den glatten
Wellen des yyrrhcnischcn Meeres, die
sich langsam hoben und senkten, wie
eine von tiefen Athemzügen bewegt
Mcnschenbrust. Nichts hörte man als
nur das Rauschen der Wogen beim An
prall an das Schift und das rythmische
Stampfen der Maschine.
Warum hatte ich den Hafen der
lassen? Warum hatte ich die Manw
schaft aus friedlichem Schlummer ge
weckt? War'S eine Laune von mir ae
wesen? Nein. Ein unwiderstehlicher
Trang, aus's offene Meer hinauszu
eilen, aus offener See zu kreuzen, war
über mich gekommen, als riefe mich
dorthin ein geheimnißvoller, unstcht
barer Feind mit höhnischem Kampf-
geschre,.
Verzeihung, Kapitän." fragte mich
sicata, der Steuermann, wohin
gehts?"
Wer weiß, mein Junge!" antwor
tete ich.
Jener wagte keinen Widerspruch.
aber er machte ein erstauntes Gesicht.
Tann sah ich, wie er aufmerksam den
Horizont betrachtete.
Was schaust du so?"
Sehen Sie nichts da unten. Kapi
mr
Nein."
Etwas Schwarzes ein Schiff
Ach ja, richtig!" erwiderte ich.
Wirklich, ganz in der Ferne zeichnete
in verschwommenen Umrissen eine
große schwarze Masse ab gleich einem
unheimlichen Palaste von gewaltigen
Timensionen.
Maschine stoppen!" befahl ich.
Fast mit einem Rucke stand die
chraube still. Einer von der Mann
schaft eilte auf's Tcck und suchte sich die
Ursache des plötzlichen Stehenbleibens
zu erklären.
Alle Mann auf P ostcn!" kommaw
dirte ich. Dann trat ich aus dem 8om
manooiyurmcyen yeraus und blickte in
die Ferne.
Der Leutthurm des Molo war völlig
verschwunden und zwischen den Wolken
erglänzte der erste chimmer der Mor
genröthe. Von Norden her erhob sich
eine leichte Brise und mit der Brise
drang ein seltsames Geräusch zu mir
herüber, ein Geräusch wie von Waffen
und Ketten, vermischt mit lautem
Lachen und unverständlichen Rufen.
Einige Minuten lang spähte ich nach
der dunklen Masse hin. bis ich endlich
die kolossalen, drohenden Umrisse eines
Hochscepanzers erkennen konnte. Ich
strengte meine Augen noch mehr an,
und bemerkte, daß er still stand. Ge-
miß hat er Schiffbruch gelitten," dachte
ich. Toch warum sind die Lichter aus-
gelöscht? Warum lacht man? Ist's ein
Freund oder ein Feind? Wir wollen
doch sehen! Und: Dampf!" komman-
dirte ich.
,Einen Augenblick, Kapitän!" be-
merkte der Steuermann. Hören Sie "
Ich lauschte.
Ho-en Sie nicht, wie da drüben je
mand ruft?"
In der That. Zuerst umständlich,
dann ganz vernehmlich, drang eine
Stimme an mein Ohr, die mir da
Herz laut pochen machte.
Italiener elender Sklave
was wagst du es. mein Meer zu durch
suchen und in Kriegrüstiinq mir zu
nahen?.... Wo: bist du k Kennst du
mich? Zurück, du Lump!"
Man fordert uns heraus!" schrie der
Steuermann.
Schweig! Schnell auf'S Hin
tcrdeck und die Flagge gehißt !"
.Jetzt zur Nachtzeit'"
Zu jeder Zeit!"
Ich fühlte, wie mir ein Schauer über
den Rücken lief; kaum vermochte ich zu
athmen. Ich zündete eine Cigarrette
an. preßte sie zwischen die Zähne und
kommaiidirtc: Volldampf!"
TaS Torpedoboot stürzte in die Fluth
hinein, die über dem Tcck zusammen
schlug und mir in'S Gesicht spritzte.
Vorwärts! vorwärts! Volldampf!"
rief ich.
Ich hätte gewünscht, die Cchnclliakeit
meiner Herzschläge theilte sich dem Fahr
zeug mit und das TorpedoSchiff fliege
dahin mit der Geschwindigkeit meiner
Gedanken.
Geschütze bereit?"
Bereit !"
In diesem Augenblick flammte ein
leuchtendes Bündel vom Schiffe in'S
Tiinkcl empor und senkte sich mit rasen
der Eile auf uns nieder.
Man hat uns entdeckt!" rief der
Steuermann.
Wir sind verloren!" murmelte der
Maschinist.
Nein, das sind wir nicht, zum Ton
ncrwcttcr! Seht Ihr denn nicht? Sie
leuchten uns ja mit ihrem Feuer. Vor
wärts! Es lebe Italien!"
Tas Sausen eines Geschosses, das
Tröhnen einer Kanone übertönte meine
Worte.
TaS leuchtende Bündel blendete mich.
In diesem Moment schlug ein zweites
Geschoß gegen den Panzer an. Im
Innern des Schiffes klirrte es wie von
zerbrochenen Scheiben.
Jemand verwundet?" rief ich.
Niemand:"
Achtung!"
Ich drehte den elektrischen Schein
wcrfcr und sah vor mir die gewaltige
Masse des Schiffes gleich einem riesigen
Felsen.
Gebt Feuer!"
Furchtbares Getöse war die Antwort.
Ein Hagel von Projektilen hatte die
linke Planke zertrümmert.
Alles unversehrt?
Keine Antwort. Ein dumpfes Ge
räusch, dem ein furchbares Krachen
folgte, verhinderte mich, nochmals zu
fragen. Ter Feind war in die Luft
gesprengt.
Kaum hatte ich mich von der Ueber
raschung erholt, so hörte ich leiseö
Stöhnen:
Kapitän."
Ich drehte mich um. Ein Mann V
u)iio) io) Us auen Bieren yeran nno
umklammerte mit seiner feuchten, war
men Hand meinen Puls.
Ich. bückte mich und erkannte den
Steuermann.
Verwundet?"
Er gab keine Antwort, drückte mir
nur noch heftiger das Gelenk und indem
er etwas zusammengewickeltes vor mei
nen nützen niederlegte, murmelte er:
Tie Flagge!"
S'cata. du bist verwundet?"
Wieder keine Antwort. Ich schüttelte
ihn Er war todt!
charfcs, schreckliches Zischen ließ
mich jäh aufspringen.
TieMa chme! TieMa chine!" chrie
ich entsetzt. Der Kessel platzt!" und
ich eilte hin.
Ter Maschinenraum stand voll
Wasser Tas Torpedcboot begann
langsam zu sinken.
Alle Mann auf Teck!"
Niemand gehorchte meinem Befehl.
Es war keine Zeit mehr zu verlieren.
Ich ergriff die Flage und sprang in's
Meer. Beim Auftauchen sah ich den
Körper des armen Steuermannes, der
vorn am Bug hin. Ich schwamm heran
und schlug meine Arme um ihn. Ta
zog uns auf einmal das sinkende Schiff
mit in die Tiese.
Als ich aus angstgcquältem Traume
erwachte, schaukelte mein Torpedoboot
sanst im Hafen, wahrend am Horizont
die Sonne, die schöne Sonne Italiens,
geuergarben cmporsandte.
Wie Abendroth sah s aus und war
doch eine herrliche Morgenröthe.
Vlkpftanten als Kindermädchen.
Siamesische Frauen überlassen ihre
Kinder nicht selten der Obhut von Ele
phanten. und man sagt, daß das auf
die Dickhäuter gesetzte Vertrauen so gut
wie nie betrogen werde. Tie Kinder
spielen ahnungslos zwischen den dicken
Beinen der Elephanten umher, und
dieje hüten sich sorgsam, die kleinen
Wesen zu beschädigen. Troht irgend
eine Gefahr, so fassen die klugen Thiere
hre Schutzbefohlenen ganz sanft mit
dem Rüssel und setzen sie auf den drei
ten Rücken, wo sie in sicherem Schutze
sind.
Groi abgewinkt.
'Geck (alter kahlköpfiger): Gnädige,
sind zu reizend. Wäre Ballsaal Fir
mamcnt, so würden Sie sicher die
Sonne repräsentiren."
Gnädige: Und sie den Mond."
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