Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 02, 1899, Image 10
Zwischen zwei Stühlen. Novelle. Tan t. (. Auf Wiedersehen also in HeUdoif. Anna. Fritz befestig;? mit großer Sorgfalt eine ardenia im Knopfloch feines UeberüeHerZ: er war sehr vertieft in diese Beschäftigung, und die Frage, ob sein örtkrieur nunmehr aus Tadcllong seit und Unwiderftehlichkeit gegründeten Anspruch habe, schien ihn vollständig in Anspruch zu nehmen. Ja ." antwortete Anna in fröhlichem Tone, ich wollte, ich könnte heute schon mit Tir reisen." .Freilich, freilich das wäre gut." entgegncte er mit merklicher Gleichgil tigkeit in Stimme und Geberde. Uederrascht sah Anna zu ihm auf. Seine Toilette war endlich in Crd nung und er fand jetzt Zeit, seine Braut anzusehen. Er that bieg mit dem kri tischen Blick des Künstlers und Bräu. tigamS zugleich. Tas grelle Sonnen licht beleuchtete unnachsichtlich die schar fen Linien, die Kummer und Mißgeschick in ihr Antlitz gegraben hatten. Als find sich vor Jahren mit ihr verlobte. war sie eine viclumworbene Schönheit gewesen. Tie klugen, blauen Augen, ihr rosig frischer Teint, das goldig alänonde Haar, die nrschrothen Lip den. ihre ganze, von Jugend und Glück prahlende Erscheinung hatten ihn da malS berückt. Er bewunderte unaus gesetzt die kleinen Grübchen in Wange und Kinn und behauptete, in dieser Anordnung und Vollkommenheit seien dieselben eine kostbare Seltenheit. Heute war Anna dreißig Jahre alt. Ihre Augen waren matter, die Lippen und die Haare dünner geworden. Tie Grübchen hatten sich verflacht, vcrscho. den in der grausamen Beleuchtung deö Augenblicks machten sie ihm geradezu den Eindruck von Runzeln. Mit dreißig Jahren! Wie schnell, wie vorzeitig war sie verblüht, war die lebhafte Färbung ihres Gesichtes verblichen, war die üppige Gestalt fast überschlank gewor den. ..Wie alt sie aussieht!" dachte Fritz. Anna mochte seinen Gedankengang errathen haben, denn sie sah nichts weniger als vergnügt drein. Fritz hatte sich wenig und keinesfalls zu seinem Nachtheil verändert,' seit er der schönen Anna in einer dunklen Gaisblattlaube den ersten Kuß geraubt. Der hagere, bleiche Jüngling von da mals war stattlicher und männlicher geworden. Sein bescheidenes Einkom men aber, von dem er oft scherzhaft behauptete, es reiche eben hin, um ihn mit Champagner und Cigarren zu der forgen, hatte mit diesem Wachsthum nicht gleichen Schritt gehalten. Es war so klein wie ehedem. Fritz war gewohnt, das Leben von der heiteren Seite zu nehmen und war stolz auf sein Prinzip", sich unangenehme Dinge nicht nahegehen zu lassen. Maler von Beruf, arbeitete er nur, wenn ihm die Laune kam, wenn er inspirirt" war. Er war nicht ohne Talent für seinen Beruf, ja, er besaß noch ein zweites, das. seine Bilder oft sehr vortheilhaft zu verwerthen. Nähere Bekannten be hauptcten wiederholt, er hätte seine Braut längst heimführen können, wenn er ernstlich gewollt, fleißig gearbeitet und sich manchen überflüssigen Luxus versagt hätte. Er aber liebte von allen Menschen auf der Welt sich selbst am meisten, und er konnte und wollte sich nichts versagen. Wir sind schon lange verlobt Fritz," sagte Anna, und eine heiße Blutwelle übergoß ihr Antlitz mit purpurnen Gluthen. Ihre Lippen zuckten schmerz- lich. Ja, freilich," gab er zur Antwort, Meine Schuld ist es nicht. Der Ow lel, dessen Erbe ich bin, hat eine außev ordentlich gesunde Conftitution. Hätte er früher das Zeitliche gesegnet, wir wären längst Mann undllFrau. Um Deinetwillen thut es mir leid, daß wir noch nicht so weit sind, denn ich weiß, daß Du zu Haufe traurige Tage der bringst." Du hast wohl recht, viele Freuden habe ich zu Hause nicht," sagte sie. Seitdem Papa vor acht Jahren sein Vermögen verlor, ist unser Haus nicht mehr das Paradies von Ruhe und Heiterkeit, das es früher gewesen. Ich weiß nicht, was ärger ist, seine ewigen Klagen oder meine ermüdende Ar beit. die ich dennoch leisten muß." Nur mit Mühe bezwäng sie sich. Sie trug Alles; sie kämpfte sich durch, ohne zu klagen. Die Liebe zu ihrem Verlobten, das Vertrauen zu ihm und die Hoffnung auf endliche Vereinigung mit ihm. den sie über Alles liebte, hiel ten sie aufrecht. Heute aber jetzt eben an diesem klaren Sommerabend, empfand sie zum erstenmale das beschämende, qual volle Gefühl, daß er aufgehört habe, sie zu lieben. Ein unsäglicher Jammer erfaßte sie. Liebst Du mich noch. Fritz?" frug sie plötzlich und unvermittelt und blickte ihm angstvoll in die Augen. Was fällt Dir ein? Du bist ein Kind!" gab er lachend zur Antwort. Aber sein Lachen, klang gezwungen. Hütte ich mich sonst mit Tir verlobt?" Tas war vor zehn Jahren. Ich fragte aber: Liebst Tu mich jetzt?" Gewiß!" entgegnen er. xu dist heute wieder recht nervös. Du haft Erholung sehr nöthig und ich bin froh, daß Du zu Erlachs nach Helldorf kommst. Tie Luftveränderung wird Dir gut thun. Jetzt aber lcbe wohl. Mein Zug gebt um 6 Uhr 30 Minu ten. Ich darf ihn nicht versäumen Erlach schickt mir den Wagen zur Bahn Haft Tu der Baronin nichts sagen zu lasten?" Nur viele Grutt. und ich hosie. ln vierzehn lagen dort zu fein. Weißt Tu nicht, ob andere Gäfte in Helldors find?" .Vorläuna nur eine Xnme. eine Wittwe Oehring. Ich kenne sie nicht s4ade. ich wäre o gerne mit ir allein dort gewesen." Vielleicht ift sie bis dahin wieder fort Nun aber lebe wohl. Anna. Au Wiedersehen in Helldors." Mit einem flüchtigen Kuß nahm Fritz Libold Abschied von seiner Braut. Ein schöner Abend." dachte sie Ander? als früher. Wenn eS richtig ift, was mir scheint, daß er mich nicht mehr liebt, so gebe ich ihn frei. Ich bin zu stolz, ihn zu heirathen. wenn er es nur aus Mitleid und Pflichtgefühl thun will. Ich will kein Opfer nur aber " und nun ließ sie ihren Thränen freien Lauf. WaS unternehmen wir heute Mov gcnS. Herr Libold?" Wusste wünschen, meine Gnädige Ich stehe Ihnen ganz zur Verfügung. antwortete Fritz. Tie haben Ihrem ergebenen Sklaven nur zu befehlen. Tie junge Frau lachte und wurde roth dabei. Nur mehr für kurze Zeit." ließ sich Baronin Erlach vernehmen, die Haus frau auf Helldors. In wenigen Tagen kommt die Braut des Herrn Libold. und damit wird die e Sklaverei ein Ende haben." Fritz war wüthend. Mußte die Ba ronin die Thatsache, daß er verlobt sei in so rückhaltloser, beinahe rüder Weise verrathen? Tie Wittwe blickte ihn erstaunt und beinahe vorwurfsvoll an. Warum haben Sie mir nicht mitge theilt, daß Sie verlobt sind?" frug sie. als Frau von Erlach die Beiden allein gelassen hatte. Ich wußte nicht, daß es Sie interef stre," war seine Antwort. Frau Wittwe Oehring war zeizend Tas helle Haar contrastirte in pikanter Welse mit ihren dunklen, sprühenden Augen, die von langen schwarzen Wim pern umschattet waren. Ihr Mund mit den spitzigen, schneeweißen Zähn chen war meistens halb geöffnet, das Naschen zierlich und klein, und etwa nach aufwärts gerichtet, keine Schö heit, keine hoheitsvolle Erscheinung aber die Anmuth und Grazie selbst. levzeun izayre all, war ne an einen Greis gekettet worden, der sie nach kuv zer Zeit als Wittwe und im Besitz eines ansehnlichen Vermögens zurückließ Seit dieser Zeit war noch kein Jahr verstrichen, und schon begann Frau Oehring ihre Trauer, die sie wohl nie mals sonderlich gedrückt haben mochte recht leicht zu nehmen. Sie hatte sich eine ganze Farbenfcala von lichtestem Grau und hellstem Lila zusammengkl stellt, die sie in abwechslungsreicher und geschmackvollster Art für ihre Toiletten verwendete. Sie sah oft so luftig und duftig aus, wie ein Backnschchen au seinem ersten Balle. Schwarz, Weiß, Violett, Grau nahmen m Ihren Ar rangements so helle Töne von Heiter keit, solche Nuancen von grilche an, wie man sie diesen für die Repräsen tation des Düsteren bestimmten Farben nie zugetraut hätte. Es war im Gan- zcn keine traurige Trauer, die Trauer der Wittwe Oehring. da aber ihr der- storbener Gatte in gar keiner Beziehung zu ihr gepaßt hatte, nahm man es der kleinen Frau nicht übel, daß ihre Trauer nicht intennvcr war. Fritz hatte das Erröthen der jungen Frau bemerkt und selbstverständlich zu seinen Gunsten ausgelegt. Der Ge danke, der ihn schon zuweilen gestreift hatte: Tas wäre eme Frau für mich, passender als die melancholische Anna," trat ihm jetzt mit voller Deutlichkeit vor die Seele. Eine schwere Fessel!" dachte er seufzend. Tie kleine Kokette nahm befriedigt Notiz von seiner Er regung. Sie blickte über ihn hinweg. wahrend sie die Bemerkung hinwarf: Ich bin Ihnen so gut, daß rnid diese Nachricht sehr freut. Ich gratu lire Ihnen herzlich!" Ich danke Ihnen." Sie ist wohl sehr schön, Ihre Vev lobte?" Sie ist nicht einmal hübsch." Nicht möglich!" Sie war wohl recht hübsch, als wir uns verlobten, aber.. .." Ist denn das schon lange her?" Zehn Jahre." Ah! Haben Sie aber eine geduldige Braut !" Jawohl. Sie hat sich in diesen Jahren sehr verändert " Tas kann ich mir denken." Fritz antwortete nicht. Frau Oeh- rmq ging auf ein anderes Thema über, Haben Sie in der letzten Zeit viel gemalt" frug sie. Nein. Ich war nicht disponirt. Man kann nicht malen, wie man Zucker verkauft, von acht bis zwölf und von zwei bis vier Uhr." Freilich nicht. Em Künstler muß die Stunde der Inspiration abwarten." Fritz war unsicher, ob nicht durch diese Worte ein Ton leiser Ironie klang. Da er aber jeder Schmeichelei willig Gehör schenkte, verwarf er diesen Zweifel schnell. Frau Oehring sah auch ganz ernsthaft aus und blickte schwärmerisch in's Weite. Sie hätte ihn gewiß nie in's Joch spannen wollen, sie hätte feiner künstlerischen Entwick lung Rechnung getragen, anders als die nüchterne Anna, die nur die Jahre ihres Brautstandes zählte. Freilich dieke Gerechtigkeit mußte er ihr wideo fahren lassen sie that es ohne Vor wurf, sie drängte, sie mahnte ihn nicht. aber just diese Geduld. dieieS still schweigen, waren sie nicht ein unausge setztcr Vorwurf, der ihn ermüdete. ab spannte, zu jeder Arbeit unfähig machte? Ich werde mir nächstens erlauben. Ihnen einige meiner Skizzen zu zeigen." sagte er. Olii fc.li itlfpTittrn mirh'" Wtl llll VU9 II. V l V j 14 l. I4ir. antwortete sie und schlug zur Admechs lung die Augen nieder. Ich liebe, ich verehre die Kunst. Ich bete sie an. Besonders die Malerei. Wie helNt es doch bei Shakespeare: Ter Maler gleicht der Spinne, und zarte Fäden Webt er zu einem Netz, darin die Menschheit...." TaS Weitere weiß ich nicht mehr." fügte sie mit ihrem gewöhnlichen Lachen hinzu. Fritz hatte mit Staunen ihren ernsten Worten gelauscht, und wieder war es ihm zweifelhaft geworden, ob ihr Ernst nicht eine Schelmerei gewe sen. Froh, sie wieder in ihrem eigent lichen Fahrwasser zu sinden, machte er diesem Gespräch ein Ende, indem er ihr vorschlug, eine Reitpartie zu unter- nehmen. Wer weiß, wann wir wieder Gele genhcit zu einer solchen haben", fügte er hinzu. ste sagen das in einem Tone, als wenn sie der Ankunft Ihrer Braut mit Bedauern entgegen sähen", sagte sie in herausforderndem Tone. Sie abscheulicher Mensch. Sie! Aber Sie wollen reiten, gut ich thu' Ihnen den Willen, in einem Augenblick bin ich bereit." Sie ist verliebt in mich," dachte Fritz. Sie ift reich und ich brauche Geld dringend nothwendig. Wenn ich nur Anna dazu bringen könnte, daß sie das Ganze durchschaut. Neulich war sie so gereizt, ich dachte schon, es käme zu einem Aussprechen. Wenn sie wüßte, daß ich den Bruch wünsche, si. würde mir sicher entgegenkommen, denn sie ist stolz. Na, wir wollen sehen was sich thun läßt. Ter Preis wird die Mühe lohnen." ,ttau eyrmq trat wieder ein Lächelnd grüßte er die reizende Frau der das Reitcoftüm besonders gut stand. einige 'Minuien pater zagten ne im Gallop querfeldein. Grüß Gott. Fritz! Tu hast heute lange gewartet, der Zug hat eine kleine Verspätung." Ich warte schon eine halbe stunde." war die verdrießliche Antwort. ,Armer Fritz!" lachte Anna, die heuteA offenbar bester Laune war. Aber bitte, besorge jetzt mein Gepäck!" Als dies geschehen war sagte Fritz: Tie Baronm wollte den Wagen'schickcn, ich aber bat sie, es zu unterlassen Das Wetter ist so schön!" Wie froh bin ich, diesen Spazier gang mit Tir machen zu können!" rief Anna und hing sich an seinen Arm. Sie war glücklich, ihren schönen stattlichen Bräutigam wiederzusehen, und in ihrem Glück entging ihr zunächst, daß er sehr übler Laune und recht elnsylbia war In der Freude des Wiedersehens,!! alle ihre Zweifel an seiner Liebe und Treue geschwunden. Sie wir selig, ihn zu sehen. Er aber fand sie in ihrem schwarzen Anzug, der in unangenehmen Gegen- atz zu der Farbenpracht des lichten Sommertages stand, geschmacklos Verblüht, verwelkt." dachte er. Wcl cher Gegensatz zu Elly." (Er titulirte in semen Gedanken Frcu Oehring be- reits mit ihrem Taufnamen.) Wie die sich zu kleiden weiß, trotz ihrer Trauer, welche Tonfülle, welches Leben!" Warum bist Tu so dunkel qeklei- det" schloß er die Reihe feiner Bctrach tungen. Ich will es Tir gleich sagen. Erin nerst Tu Tich meines Pathen, des Herrn Fellner?" Ja", antwortete er zerstreut. Er ift gestorben." Ich bebau sehr." Er hat meine arme, verstorbene Mutter geliebt und wollte sie zur Frau nehmen. sie aber liebte und hcira thete meinen Vater. Herr Fcllncr hat ihr dies nicht nachgetragen, er blieb ihr und uns Allen, wie Du weißt, ein guter Freund Aber Du hörst gar nicht zu Fritz r sagte sie, einigermaßen der tlmmt. In der That hatte die sentimentale Familiengeschichte, die vor vierzig Iah ren gespielt haben mochte", ihn sehr gelangweilt. Auch glaubte er in der Ferne Frau Oehring entdeckt zu haben, die ihnen entgegenzukommen schien. Tie letzten Worte Anna's hatte er gänz lich überhört und blickte gespannt nach der Richtung, aus welcher die Tame kam. Anna folgte seinen Blicken. Beide schwiegen und verfolgten ihren Weg. Schon näherte sich ihnen Frau Oehring lächelnd, winkend, offenbar reudig bewegt. Endlich streckte sie Anna ihre beiden Hände entgegen. Ta sind Sie ja auf deren Ankunft wir uns schon so ehr freuten!" rief sie. Herr Libold. wollen Sie mich Ihrer Braut vorstcl len? War Ihre Reise angenehm?" Darauf zu antworten wäre Anna schwer geworden, denn Frau Oehring hatte sich jetzt schon wieder zu Fritz gewendet. und nicht lange währte es. so waren die Beiden in ein Gespräch vertieft, an dem Auna thkilzunkhmen weder Interesse noch Gelegenheit fand. Noch ehe die kleine biesellschaft in Hclldorf angelangt war. hatte Anna die qualvolle Gewiß heit gewonnen daß Fritz nicht sie. son dern Frau Oehring liebe. In ihrem Innern tobte es. Wäre ich todt. wäre ich tobt. ai war der einzige Gedanke, der ihr klar war. Tie Schloßfrau begrüßte sie aufs Liebend würdigste und war nur von ihrem bleichen Aussehen, von ihrem tiefem Errtft unangenehm berührt. Hier hoffe ich, werden Sie sich erholen, mein liebes Kind." Aber eS sollte anders kommen. Tie folgenden Tage brachten Anna nur die Bestätigung dessen, waZ sie in der erften stunde erkannt, und dufterer und du fterer, und bleicher und bleicher wurde ihr Aussehen. Ich habe einige Worte mit Tir zu sprechen", sagte Fritz, als er eineS Ta ges seine Braut in den Garten führte Bitte!" Tu bist so verändert, was ist mit Dir? Teine Gcsühle für mich scheinen sich gänzlich verwandelt zu haben." Tabei spielte er nervös mit der Uhr kette. Stolz und starr unterbrach sie ihn: Sprich nur von Tir selbst. Meine Gefühle brauchst Tu nicht zu schildern." Nun denn, wenn Tu darauf bestehst jawohl zehn Jahre sind eine lange Zeit da ändert sich viel, und auch ein Mann verändert sich gewaltig in einer solchen Frist." Er stockte. Anna kam ihm nicht zu Hilfe. Ich bin Tir Offenheit schuldig. Anna," fuhr er fort. Meine Gefühle haben sich abgeschwächt, meine Erwerbs Verhältnisse sind nicht besser geworden vielleicht wäre es richtig unser Verlöbniß zu lösen, das nicht mehr auf den Voraussetzungen beruht, da wir es schlössen." Tu willst sagen, daß Du mich nicht mehr liebst, wie zu jener Zeit " Ich gestehe, trotz aller Freundschaft und Hochachtung " Ist die Liebe verschwunden? Das willst Tu doch sagen." schloß sie. da er neuerdings stockte. Tu hast ganz Recht, offen die Wahrheit zu sprechen. Und da die Tinge so stehen, ist es frei- lich besser, wir scheiden." Sie sprach ruhig und ihre Hände zitterten nicht, als sie den Verlobungs- ring von ihrem Finger streifte. Erleich tert athmete er aus und griff nach dem Ringe. Ich wollte es Teinem eigenen Et messen anheimstellen," sprach er, schon sicherer werdend. Es ift besser, einen Irrthum eingestehcn, als ihn büßen wenn es zu spät ist." Gewiß, gewiß. Das ist ehr vev nünftig." Und was Teme Zukunft betrifft, fuhr er fort, als sie schwieg, so sorgst Du i schon lange in so tüchtiger Weise für Tich selbst.. .." Ueber meine Zukunft kannst Tu ganz ruhig ein. Tie ist gesichert Herr Fellncr hat mich zu seiner Erbin gemacht." So?" Er hinterließ mir mehr als hun- derttauiend Gulden." Was? Hunderttausend?" Ja und seine Villa in Schö- nau " Und die Vill.. .." Ja und die Villa." Ein bitteres Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie stand aufrecht, erhobenen Hauptes vor ihm. Ihre Wangen glühten, ihre Augen blitzten. Noch niemals war sie Fritz so schön erschienen, noch niemals hatte er sie so stolz gesehen. Leb wohl!" sagte sie und wollte gehen. Tas hattest Tu mir doch schon früher schon mittheilen können!" rief Ürnfc. Ich wollte es gleich bei meiner An- kunft thun, erinnere Tich nur, ich sprach von meiner Mutter und Herrn Fellner, Tu hattest aber kein Ohr sür mich. Tu warst zu sehr von Frau Oehring in Anspruch genommen. Und seither hast Du mir zu deutlich qe- zeigt, wie sehr Tu mir diese Frau vor- ziehst. Jetzt ist Alles zu Ende. Leb' wohl!" Fritz war bleich geworden. Sich um eine solche Chance zu bringen! Tabei empfand er plötzlich, daß seine einstigen zärtlichen Gefühle für Anna doch nicht gänzlichen erloschen seien. Wie schön war ne letzt eben gewe en: Wie viel chöner noch wäre sie als glückliche Frau geworden! Wie blind war er gewesen! Man weiß ja, daß Mädchen, die schon zu altern beginnen, als grauen zu neuer Juqendblüthe gelangen. Und schließlich, sie hat mich geliebt! Schade! Nur gut, daß Elly mir sicher ist; sie ist, wenn auch nicht reicher vielleicht nicht einmal so reich doch lünqcr, heiterer, eleganter Ich will keine Zeit der- lieren. . Aber lieber Freund. Sie scherzen wohl!" Elly warf sich lachend in die Kissen ihrer Chaiselongue zurück. Turchaus nicht, chcint Ihnen der Gedanke so komisch ?" Aber erlauben Sie! Erstens sind Sie ja verlobt " Nicht mehr. Ich habe mich frei ge- macht. Meine Liebe zu Ihnen " Tie schöne Frau unterbrach ihn mit neckischer Geberde. Liebe Liebe wir Beide sind nicht für die wahre Liebe geschaffen." Aber meine Gnädige!" .Ja. Sie lieben sich selbst und ich ich liebe auch mich selbst und meine Toiletten. Nein, lachen Sie nicht, denn jetzt meine ich eS ernst. Wir Beide sind viel zu egoistisch zur wahren Liede wenigstens ich bin eS sicher lich." .Und doch. Sie ließen mich an Ihre Liede glauben!" Ah. keine Vorwürfe, wenn ich bitten darf! Ein Flirt ist keine Liede. Tas hatten Sie verstehen miinen. Ich habe recht luftige Stunden in Ihrer Gesell schaft verbracht, zu meinem Gatten aber entschuldigen Sie meine Offenheit passen Sie durchaus gar nicht. Wenden Sie sich doch lieber wieder Fräulein Anna zu!" Ann das ift vorbei gründlich zu Ende. Tie ist zu stolz, die verzeiht mir nie!" Und da hat sie Recht, sie ist ein Herr lichcS Mädchen." In dieser Situation verlor Fritz so sehr jede Selbstbeherrschung, daß er Frau Oehring mit Vorwürfen über häufte. Um ihretwillen habe er Anna, die übrigens ein sehr reiches Mädchen sei, verloren, nun müsse sie. Elly, die seine werden. Aergerlich rief die bc drängte Frau: Aber ich kann ja nicht, selbst wenn ich wollte! Ich muß einen vermögenden Mann heiratben oder Wittwe bleiben, denn ich verliere im Falle meiner Wicderverhcirathiina den Anspruch auf den Zinsengenuß des Vermögens, das mein Mann hinterlas sen hat. Und Herz und Hütte, nun. daS ist nicht mein Fall." In tiefer Bestürzung verließ Fritz den Schauplatz feiner zweiten Niederlage. Als er Anna in ihrem Zimmer auf uchte. fand er sie nicht. Man sagte hm, daß sie. durch ein Zclcarainm heimgcrufen, mit dem Mittagszug ab gereist sei. Tie Baronin habe sie zum Bahnhof geleitet. Fritz brannte der Boden unter den Füßen., Anna war gegen Süden gereist, er wollte nach dem Norden. Als er im Coupce saß und über das Vorgefallene nachdachte, gestand er sich, daß er eine entschiedene Aehnlichkeit mit Buridan's Esel besitze. 2luf See. Bon R o in o l o P i v a, Neapel. Es war um die letzte Nachtstunde, als ich mit meinem Torpedoboot aus dem Hafen hinausdampfte. Wolkenfchwcr hing der Himmel über den glatten Wellen des yyrrhcnischcn Meeres, die sich langsam hoben und senkten, wie eine von tiefen Athemzügen bewegt Mcnschenbrust. Nichts hörte man als nur das Rauschen der Wogen beim An prall an das Schift und das rythmische Stampfen der Maschine. Warum hatte ich den Hafen der lassen? Warum hatte ich die Manw schaft aus friedlichem Schlummer ge weckt? War'S eine Laune von mir ae wesen? Nein. Ein unwiderstehlicher Trang, aus's offene Meer hinauszu eilen, aus offener See zu kreuzen, war über mich gekommen, als riefe mich dorthin ein geheimnißvoller, unstcht barer Feind mit höhnischem Kampf- geschre,. Verzeihung, Kapitän." fragte mich sicata, der Steuermann, wohin gehts?" Wer weiß, mein Junge!" antwor tete ich. Jener wagte keinen Widerspruch. aber er machte ein erstauntes Gesicht. Tann sah ich, wie er aufmerksam den Horizont betrachtete. Was schaust du so?" Sehen Sie nichts da unten. Kapi mr Nein." Etwas Schwarzes ein Schiff Ach ja, richtig!" erwiderte ich. Wirklich, ganz in der Ferne zeichnete in verschwommenen Umrissen eine große schwarze Masse ab gleich einem unheimlichen Palaste von gewaltigen Timensionen. Maschine stoppen!" befahl ich. Fast mit einem Rucke stand die chraube still. Einer von der Mann schaft eilte auf's Tcck und suchte sich die Ursache des plötzlichen Stehenbleibens zu erklären. Alle Mann auf P ostcn!" kommaw dirte ich. Dann trat ich aus dem 8om manooiyurmcyen yeraus und blickte in die Ferne. Der Leutthurm des Molo war völlig verschwunden und zwischen den Wolken erglänzte der erste chimmer der Mor genröthe. Von Norden her erhob sich eine leichte Brise und mit der Brise drang ein seltsames Geräusch zu mir herüber, ein Geräusch wie von Waffen und Ketten, vermischt mit lautem Lachen und unverständlichen Rufen. Einige Minuten lang spähte ich nach der dunklen Masse hin. bis ich endlich die kolossalen, drohenden Umrisse eines Hochscepanzers erkennen konnte. Ich strengte meine Augen noch mehr an, und bemerkte, daß er still stand. Ge- miß hat er Schiffbruch gelitten," dachte ich. Toch warum sind die Lichter aus- gelöscht? Warum lacht man? Ist's ein Freund oder ein Feind? Wir wollen doch sehen! Und: Dampf!" komman- dirte ich. ,Einen Augenblick, Kapitän!" be- merkte der Steuermann. Hören Sie " Ich lauschte. Ho-en Sie nicht, wie da drüben je mand ruft?" In der That. Zuerst umständlich, dann ganz vernehmlich, drang eine Stimme an mein Ohr, die mir da Herz laut pochen machte. Italiener elender Sklave was wagst du es. mein Meer zu durch suchen und in Kriegrüstiinq mir zu nahen?.... Wo: bist du k Kennst du mich? Zurück, du Lump!" Man fordert uns heraus!" schrie der Steuermann. Schweig! Schnell auf'S Hin tcrdeck und die Flagge gehißt !" .Jetzt zur Nachtzeit'" Zu jeder Zeit!" Ich fühlte, wie mir ein Schauer über den Rücken lief; kaum vermochte ich zu athmen. Ich zündete eine Cigarrette an. preßte sie zwischen die Zähne und kommaiidirtc: Volldampf!" TaS Torpedoboot stürzte in die Fluth hinein, die über dem Tcck zusammen schlug und mir in'S Gesicht spritzte. Vorwärts! vorwärts! Volldampf!" rief ich. Ich hätte gewünscht, die Cchnclliakeit meiner Herzschläge theilte sich dem Fahr zeug mit und das TorpedoSchiff fliege dahin mit der Geschwindigkeit meiner Gedanken. Geschütze bereit?" Bereit !" In diesem Augenblick flammte ein leuchtendes Bündel vom Schiffe in'S Tiinkcl empor und senkte sich mit rasen der Eile auf uns nieder. Man hat uns entdeckt!" rief der Steuermann. Wir sind verloren!" murmelte der Maschinist. Nein, das sind wir nicht, zum Ton ncrwcttcr! Seht Ihr denn nicht? Sie leuchten uns ja mit ihrem Feuer. Vor wärts! Es lebe Italien!" Tas Sausen eines Geschosses, das Tröhnen einer Kanone übertönte meine Worte. TaS leuchtende Bündel blendete mich. In diesem Moment schlug ein zweites Geschoß gegen den Panzer an. Im Innern des Schiffes klirrte es wie von zerbrochenen Scheiben. Jemand verwundet?" rief ich. Niemand:" Achtung!" Ich drehte den elektrischen Schein wcrfcr und sah vor mir die gewaltige Masse des Schiffes gleich einem riesigen Felsen. Gebt Feuer!" Furchtbares Getöse war die Antwort. Ein Hagel von Projektilen hatte die linke Planke zertrümmert. Alles unversehrt? Keine Antwort. Ein dumpfes Ge räusch, dem ein furchbares Krachen folgte, verhinderte mich, nochmals zu fragen. Ter Feind war in die Luft gesprengt. Kaum hatte ich mich von der Ueber raschung erholt, so hörte ich leiseö Stöhnen: Kapitän." Ich drehte mich um. Ein Mann V u)iio) io) Us auen Bieren yeran nno umklammerte mit seiner feuchten, war men Hand meinen Puls. Ich. bückte mich und erkannte den Steuermann. Verwundet?" Er gab keine Antwort, drückte mir nur noch heftiger das Gelenk und indem er etwas zusammengewickeltes vor mei nen nützen niederlegte, murmelte er: Tie Flagge!" S'cata. du bist verwundet?" Wieder keine Antwort. Ich schüttelte ihn Er war todt! charfcs, schreckliches Zischen ließ mich jäh aufspringen. TieMa chme! TieMa chine!" chrie ich entsetzt. Der Kessel platzt!" und ich eilte hin. Ter Maschinenraum stand voll Wasser Tas Torpedcboot begann langsam zu sinken. Alle Mann auf Teck!" Niemand gehorchte meinem Befehl. Es war keine Zeit mehr zu verlieren. Ich ergriff die Flage und sprang in's Meer. Beim Auftauchen sah ich den Körper des armen Steuermannes, der vorn am Bug hin. Ich schwamm heran und schlug meine Arme um ihn. Ta zog uns auf einmal das sinkende Schiff mit in die Tiese. Als ich aus angstgcquältem Traume erwachte, schaukelte mein Torpedoboot sanst im Hafen, wahrend am Horizont die Sonne, die schöne Sonne Italiens, geuergarben cmporsandte. Wie Abendroth sah s aus und war doch eine herrliche Morgenröthe. Vlkpftanten als Kindermädchen. Siamesische Frauen überlassen ihre Kinder nicht selten der Obhut von Ele phanten. und man sagt, daß das auf die Dickhäuter gesetzte Vertrauen so gut wie nie betrogen werde. Tie Kinder spielen ahnungslos zwischen den dicken Beinen der Elephanten umher, und dieje hüten sich sorgsam, die kleinen Wesen zu beschädigen. Troht irgend eine Gefahr, so fassen die klugen Thiere hre Schutzbefohlenen ganz sanft mit dem Rüssel und setzen sie auf den drei ten Rücken, wo sie in sicherem Schutze sind. Groi abgewinkt. 'Geck (alter kahlköpfiger): Gnädige, sind zu reizend. Wäre Ballsaal Fir mamcnt, so würden Sie sicher die Sonne repräsentiren." Gnädige: Und sie den Mond." rx:i. r:x e - . . en; . L jw