Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 26, 1899, Image 9

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    CuuMs Grab.
strzShlung von 2ph v. 3 Helling
4 Qi war Frühling. Auf dem kleinen
Torfsrikdhofk jubelten und schluchzten
dir Nachiigallen. alZ wollten sie all
baS Leid und all' die Lust, die seit
Menschengcdknken die Welt erfüllen.
in den milden Lenzadend hlnausstngen.
und Flieder und Maidlumendust zog
mit ihren Liedern von einem stillen
Grabe zum andern.
Sein iZnkeltöchterchen an der Hand
ging der alte Jrttdhofaufseher lang
sam die schattigen Gänge entlang. i r
hatte die Stelle erst seit kurzem ange
treten und außer der alten Magd war
noch die kleine Gertraud, seiner Zoch
ter Kind, mit ihm hergezogen: denn
er war Wittwer und in der Tochter
kinderreichem Bauernhofe wimmelte es
von kleinem Zeug. Traudl aber ging
gern mit dem alten Großvater; wußte
er doch so hübsch zu erzählen. Sie war
ein nachdenksameö Mägdelein, und so
lieb sie auch ihre Eltern daheim gehabt
und die Geschwister alle, so war sie
doch am allerliebsten bei dem alten
Manne: mit dem ließen sich so der
nünstige Gespräche führen und er ging
auf alle? ein. waS sie beschästigte
Auch gefiel ihr daS einsame Friedhof
Häuschen gar gut. das zwischen blühen
den Fliedersträußen drin steckte, wie
ein Bogelnest, und wo unter den
Wohnstuben die kleine Kapelle lag, mit
den vielen verwelkten Kränzen, den
rothen Herzlampen und dem hohen
V Katafalk. Auf diesem stand bisweilen
ein Sarg; in dem Sarge aber lag eine
unbewegliche Gestalt mit wachsbleichem
Gesicht und auf der Brust gefalteten
Händen. Die blieb so lange dort, bis
der Großvater mit Hülfe des langen
Jakob und des Balthes das Grab ge
schaufelt hatte: dahinein wurde sie
dann unter Trauergeleite, Sang und
Gebet hinabgelassen. DaS war alleS
sehr merkwürdig für die Kleine und
sie sah sich eine jede Leiche ernst und
genau an, wenn sie in der Kapelle auf
gcbahrt lag. Aber Furcht kannte sie
keine: wovor hätte sie sich denn furch
teil sollen? Sie war ja beim lieben
Großvater, wo ihr nichts geschehen
konnte, und die Todten waren stille.
friedliche Leute, die thaten Niemandem
etwas zu leide.
Gelt. Großvater!, sagte sie, wäh
rend sie jetzt neben dem Alten Hertrip
pelte: In jedem Grab schlaft einer, der
auf den lieben Gott wartet, bis er ihn
ru t?
Der Alte nickte, sprechen konnte er
nicht, denn mit den Zähnen hielt er
ein Büschel Baft, das er immer in der
Tasche trug, um einen langen Rosen
zweig festzubinden, der sich auf ein
Nachbargrab verirrt und liebevoll um
dessen Kreuz geschlungen hatte. -
Können denn die Leut da drunten
schlafen, wenn man hier oben spricht,
und die Bögel so laut singen? fragte
die Kleine.
v Der Alte nahm den Bast aus dem
Munde: Die schlafen fest, sagte er, so
fest, daß sie nix wecken kann. Aber
schau nur, wie viele Leute mit Krön
zen! Du mein! fast ein jedes Grab
kriegt seine Blumen!
Die Kleine sah eine Weile den ver
schiedenen Gestalten zu, die sich zwischen
den Gräbern hin und herbewegten.
Dann sagte sie:
Weißt, Großvater!, ich möcht auch
ein Grab haben.
WaS sagst denn da, Kind? Ein
Grab? ja, zu was denn, um's Him
melswillcn? bist doch noch klein und
lustig und g'sund, zu was denn ein
Grab, um'S HimmelSwillcn? wieder
holte er, sie besorgt anschauend, ob ihr
nichts fehle.
Blos zum Liebhaben, Großvater!,
erwiderte die Kleine zutraulich; schau,
alle Leut' haben ihr Grab, wo sie hin
gehen und Blümerl hinpflanzen und
Kränz' drauflegen, und ich hab gar
kcins.
Meine Gräber sind auch nicht hier,
Traudl.
Du hast aber alle die vielen, vielen
Gräber z'samm, Großvater!, gelt?
denn die gehören doch dir, weil du sie
b'sorgen mußt. Und ich möcht' auch
eins haben, gar so gern, für mich
allein. Geh. Großvater!, schenk mir
j ein?, gelt? drängte sie ihn.
Du narret'S Ding! ich kann dir doch
kcins schenken.
Ach geh. Großvater!, thu's doch! ich
bitt dich halt gar so schön! Ich will's
ja gewiß gut Pflegen und gar so liebe
Blümerln drauf pflanzen, sollst sehen.
Dort drüben ist ein Grab, das schaut
ganz nacket aus und so allein. Das
schenk mir, Großvater!!
Bist ein recht's Dschapci du! Einem
so kleinen Dirndl, wie du, ein Grab
schenken! Die Gräber g'hören ja gar
nit mein. Aber er ließ sich doch willig
von der ungeduldigen kleinen Hand
dorthin ziehen, wo ein morsches Holz
kreuz stand, an dem Regen, und Sonne
. die schwarze Farbe abgewaschen und
verblaßt hatten. Kopfschüttelnd be
trachtete er die vernachlässigte Stätte,
auf der nur Vogelkraut wucherte und
Löwenzahn seine kleinen gelben San
nen ausbreitete.
Haft recht, sagte er dann, das sieht
bös auS. Da ruht ein altes Weib, der
ihr einziger Sohn weit fort ist, und
für der ihr Grab Niemand mehr sorgt.
Marianne Attenkofer hat sie ge
heißen. Morgen komme ich so wie so
daran.
Großvater!! die Kleine sah ihn mit
x
Jahrgang 20.
flehenden Augen an und legte die
Hände zusammen.
Na. meinetwegen, sagte der Alte,
daS Grad soll dein sein, zum Pflegen
und Hüten. Aber schau, Traudl, mußt
dann auch dabei bleiben, hörst?
G'wiß, Großvater!, g'wiß! bis daß
der liebe Gott die Marianne Attenkoker
ruft, soll sie ein Grab haben, so schön
wie alle anderen
Jahre sind seitdem vergangen, aber
Traudl hat Wort gehalten. Auch als
sie ansing, in die Schule zu gehen, und
nachher, als sie dieselbe wieder verließ,
hat sie nicht aufgehört ihr Grab"
zu pflegen. Tag morsche Kreuz ist auS
gebessert und frisch angestrichen worden,
der Name der stillen Schlüferin darun
ter mit frischen deutlichen weißen Buch
ftaben zu lesen. Auf dem Grabe aber
blüht eS wie in einem Gärtlein. und
wenn eS auch meist nur wilde Blumen
sind, sie duften doch füß. Die Nach.
tigall ruft , und lockt und flötet heute
wieder einmal so frühlingssclig vom
nahen Busch herüber. Der greise Fried
Hofaufseher geht wie damals in den
Gängen auf und ab: nur ein wenig ge
bückter ist er seither, die Gänge nvch
schattiger. Von Zeit zu Zeit schaut er
nach dem Gittcrthürchen, wo seine En
kclin herkommen muß, die gegangen
ist. einer kranken Nachbarin Suppe zu
bringen.
Es ist still im klarten. Die Leute
haben heutzutage auch auf dem Lande
nicht mehr so viel Zeit wie früher, um
die Ruhestätten ihrer Lieben zu be
suchen, daS Leben eilt und drängt, und
haftet zu sehr. Da kommt ein Mann
zur neohosspsorte herein: aus dem
Rücken trägt er ein Ränzl, das Gesicht
haben Wind und Wetter gebräunt.
Bon fern her, denkt der Alte und beob
achtet den Fremden, wie er einen Au
genblick unschlüssig im Mittelweg stehen
bleibt und dann mit lang amen Echnt
ten der Nordseite zugeht, wo die beschei
denen armen Gräber liegen.
Er kennt seinen Weg. denkt der Alte.
Aber, wenn er mich brauchen sollt', ich
bin ia so weit nit weg. Wo nur die
Traudl bleiben mag?
Mittlerweile werden des Fremden
Schritte immer langsamer. Er nimmt
den Hut ab und wischt sich über die
Stirn. Dann sieht er sich wehmüthig
um. So allein, so ganz allein in die
Heimath zurückzukehren, eS ist hart. Er
ist jetzt ein geinachter Mann, ehrlich
und redlich hat er seine Zukunft ge
sichert, das Leben liegt offen vor ihm,
aber er steht einsam in der Welt.
Die alte Heimath und daS Grab der
Mutter sah er beide so oft im Traume,
bis er aufgebrochen war, die weite
llcberfahrt von Amerika gemacht hatte
und nun klopfenden Herzens wieder da
stand, grade am Todestage seiner Mut
ter, wo er einst so heiße Thränen ge
weint, als er von seinem Glück und sei
ner Jugend Abschied genommen. Wie
würde er das Lrab wiederfinden?
Würde er es gleich erkennen? Würden
nicht Wind und Wetter. Sturm und
Winterschnee die Inschrift auf dem
alten Holzkreuz verwischt haben? Ja,
stand dieses überhaupt noch da?
Eine ganze Weile zögerte er noch,
dann bog er in den schmalen Seiten
gang ein, der zum Grabe der Mutter
füqrte, und stand gleich daraus vor dem
niederen Hügel. Zwei und dreimal
mußte er sich über die Augen fahren:
War das ein Traum, war es Wirklich
keit, was da so lieblich und duftend vor
ihm lag. ein sorgsam gepflegtes Gärt
lein, aus dem das Krenz hervorragte?
An seinem Stamme aber hing eine
mattschimmernde Herzlampe, die einen
rosigen Schein über das schwarze Holz
und die hellen Buchstaben verbreitete,
die ihm schon von weitem entgegenleuch
tcten: Maria Attenkofer, geb. 1830,
gest. 18?.
O Mutter!, Mutiert : Es hielt ihn
nicht länger; laut aufschluchzend kniete
er am Grabe nieder und schlang beide
Arme um das Kreuz. So ein liebliches
Willkommen! es dünkte ihm fast wie
ein Gruß aus himmlischen Höhen, als
preche die Todte zu ihm aus all dieser
duftenden Blüthenpracht, als wolle sie
hn an ihr Herz ziehen.
Lange lag er so da, in sich versunken,
voll Rührung und Wehmuth. Wer,
wer in aller saeii mochte 10 sur das
Grab feines Mütterleins gesorgt haben,
während er draußen in weiter Fremde
den Kampf um'S Dasein kämpfte?
AIS er sich endlich langsam aufnch
tete, und die Augen erhob, begegnete er
dem Blick zweier anderen Augen, und
vor ihm stand ein Mädchen in der
heimathlichen Tracht, die ihn voll Theil
nähme betrachtete. Unwillkürlich redete
er eS mit dem trauten Du" an, das er
in der Fremde mühsam verlernt hatte.
Hast etwa du mein liebes Grab so
geschmückt, Deandl?
Sie stutzte. DaS Grad da ist mein.
ägte es.
Dein?
Söintf(M$ö(t
Beilage zum Nebraska Ztaats-Anzeiger.
Ja. daS ist mein, schon viele, viele
Jahre.
Betroffen schaute er sie an. die zier
liche und doch kräftige Gestalt, den
schweren flechtumwundenen Kopf mit
den treuherzigen Augen. Tein k wieder
holte er langsam. Ihm war wunder
sam zu Muthe: reisemüde wie er war.
betäubt und ergriffen, meinte er jeden
Augenblick, es könne das alle? vor sei
nen Blicken wieder spurlos verrinnen.
das blumengeschmückte Grab, die fremde
liebliche Gestalt deZ Mädchens, der
ganze ftille Gottesgarten mit feinen
Herden und doch süßen Erinnerungen
Seit ich denken kann, hab' ich eS lieb
und versorg eS mit Blumen, nahm sie
wieder das Wort. Mußt wissen, wie
ich noch ein ganz kleines Deandl war.
hat mich daS Grab da erbarmt, weil eS
aar fo verlassen und vergessen war.
Kein Mensch hat danach geschaut, denn
der einzige ohn der Frau, die darin
liegt, ist fortgezogen, weit fort, ich mein
gar. nach Amerika. Und weil ich halt
auch gern ein Grab gewollt hab', das
mir allein g'hören sollt, wie jch's bei
andern Leuten g sehen hab . du
mein! ich hab' dazumal freilich noch nix
gewußt von Tod und Sterben! so
hab ich mein Großvater! so lang bitt ,
bis er mir das Grab da geschenkt hat,
So, jetzt weißt alles. Maria Attenkofer
hat s g heißen, die Frau, und heut ist
grad' ihr Todestag, siehst? Damit bog
sie die Zweige der beiden Büsche zu
Seiten des Kreuzes auseinander, damit
er die Inschrift noch besser lesen könne
Und darum brennt auch heute ein rothes
Herzlamperl auf dem Grab. Gelt, gar
lieb und schön steht aus? Aber wer bist
du denn eigentlich? fragte sie etwas
schüchtern.
Er deutete nach dem Namen auf dem
Kreuze. So heiß auch ich, sagte er:
Attenkofer, Anton Attenko er.
Sie trat einen Schritt zurück. In
ihrem Gesicht malte sich ein freudiger
Schreck. Mana und Joseph! So bist
du am End gar
Ich bin der Sohn. Mehr brachte er
nicht heraus.
Sie schlug die Hände zusammen, in
ihre freundlichen Augen traten Thra
nen. Jetzt so was, nein, so was! wie
derholte sie einmal über das andere.
Aber der ist ja drüben in Amerika!
setzte sie naiv hinzu.
Es giebt Schiffe zum 'rüberfahren,
meinte er lächelnd.
Sie sah ihn an, dann streckte sie ihm
treuherzig die Hand hin. So grüß
dich Gott, sagte sie warm. Weil du
doch gar niemand hast, hier, in deiner
alten Heimath, der dich begrüßen könnt,
so muß halt ich cZ thun.
Er ergriff ihre Rechte, er drückte sie
in feinen beiden Händen und sah ihr
dabei tief m die Auqen. Deandl, was
du da mir und meinem Muttcrl gethan
hast, da? soll dir unser Herrgott dergel
ten, sagte er mit bebenden Lippen. Ich
kannS nie und nimmer. Hätt'ft du
nur mein Mutter! gekannt, so wüßtest
du, was mir an dem Grabe da liegt.
Aber da zog sie plötzlich ihre Hand
aus der seinen. Du mein! Da hab ich
nit gleich darauf gedenkt ! Das Grab,
das gehört ja jetzt dein, weil es dein
Mutter! is das darin schläft. Weißt,
darfst mir's nit übe! nehmen, wenn
mir's ein bisserl schwer wird, z' denken,
daß es nimmer mein ist. Wenn man
so ein Fleckerl Erd' lieb g'habt hat, wie
sein Gärtl, fast ein halbes Leben lang.
natürlich, 's g'hört jetzt dein, aber
es bisserl leid thut mir's halt doch, es
abz'gebcn. Vergeblich suchte sie ihr Ge
ficht vor ihm zu verbergen, die Augen
standen ihr voll Wasser.
Deandl, sagte er nach einer Weile,
während welcher er sie schweigend beob
achtet hatte, schön reden kann ich nit, 's
ist nit meine Art. Aber sagen muß ich
dir, wie mir's um's Herz ist. Schau.
du haft jahrelang das Grab da, das dir
fremd war, g'pflegt und g'hütct und
lieb g'habt, dieweil ich, der Sohn, in
der weiten Ferne war, und nix für das
Grab hab thun können. So wollen
wir uns halt jetzt, wo ich wieder daheim
bin, in das Grab theilen. Wie eine
liebe Tochter bist du gewesen, alle die
Zeit, für mein Mutter!, und so soll's
auch jetzt bleiben, wo der Sohn wieder
da ist, gelt?
Dann wären wir ja zwei beid' Ge
schwifter, sagte sie schüchtern und sah
ihn dabei tächelnd an.
Ja, Geschwister, sagte er warm.
Aber da fällt mir doch was ein; er sah
sie unschlüssig an, das geht doch nit so
recht. Weißt, eine rechte Tochter kannst
du doch eigentlich nit sein, weil du nit
Attenkofer heißt.
Ja, waS sollen wir nachher thun,
fragte sie, wenn wir doch das Grab zu
sammen Pflegen sollen?
WaS meinst, er fuhr sich durch das
lockige Haar und fein ernster Mund
wurde schalkhaft: Ich will dir einen
Vorschlag machen. ES müßt halt ein
anderer Titel sein, als Tochter, aber
eben so schön. So zum Beispiel, was
meinst du zu Schwiegertochter? Weißt,
dazu braucht man ja nicht denselben
Namen auf d' Welt bracht zu haben.
Ihr war plötzlich eine heiße Nöthe in
die Wangen gestiegen. Da kommt
mein Großvater! rief sie hastig und im
nächsten Augenblick war sie feinen
Blicken verschwunden.
Wieder ist eS ein schöner klarer Früh
lingSabend. Die Nachtigall flötet in
den Büschen, aber heute sind eS lauter
selige, jauchzende Liebeslieder. Auf der
FriedhofSdank sitzen zwei, die sich an
der Hand halten, und gar nicht wieder
loS lassen können, so viel haben sie sich
zu sagen, in Worten oder auch in
süßem Schweigen. Jetzt weiß ich doch,
auf wen ich drüben immer gewartet
hab', sagt er und schaut ihr dabei in's
Auge.
Und ich weiß, für wen ich mein liebes
Grab so schön gepflegt habe: schau, wie
daS Herzlamperl hjrüberleuchtet I
Wieder schweigen sie eine ganze
Weile.
Das ist unsere Lieb', die so hell
brennt, Traudl, sagt er bewegt.
Die Lieb' die über den Tod hinaus
reicht, sagt sie leise, Toni! ist'S auch
recht, auf dem Friedhof von Lieb' zu
reden?
Er sieht sie an und zieht sie fest an
sich. Von, unserer Lieb' schon, die darf
der Herrgott sehen, und waS der sehen
darf, das können auch die stillen Todten
da drunten bören, gelt Traudl? O,
was hätt' sich mein Mutterl über uns
zwei beide g'freut !
Der Milderer.
Eine Thüringer beschichte von i i s k t t k
iroenropp.
In einem kleinen Dorfe Thüringens
wurde Kirchfest gefeiert. Es war ein
warmer milder Sommerabend, die
Sonne verschwand hinter dem hohen
Buchenwald und der Schleier der Nacht
senkte sich allmählich herab.
DaS störte aber die Dörfler nicht im
geringsten, jetzt wurde es ja erst recht
schön.
Vom Wirthshaus her schallte lustige
Musik, die das junge Volk zum Tanz
lud; aber auch mancher Alte ließ sich
noch verleiten und tanzte, als wenn er
die jüngsten Beine hätte.
Eben hatte der Tanz aufgehört. Die
Burschen eilten auf den Schanktisch zu
und wischten sich mit ihren Rockärmeln
die dicken Schweißtropfen ab. Denn
es war keine Kleinigkeit, die dicken
Torfschönen im Tanze herumzuschwen
ken. Die Mädchen drängten sich unter
Lachen und Kichern dicht zusammen,
manchmal war auch einer der Burschen
so galant und bot feiner Liebsten ein
Glas von dem edlen Naß, was dann
unter Kichern von den Mädchen herum
gereicht wurde. Die Alten i saßen auf
den Bänken, welche ringsum im Saal
aufgestellt waren, und sahen ihren hoft
nunqsvollen Sprößlingen zu.
Nur ein Paar zeichnete sich vor allen
übrigen aus. es war ein hoher schlanker
junger Mann mit einem keck aufgewir
beltcn schnurrbart, die arune Jäaev
kleidunq stand ihm vortrefflich zu seinem
frischen rothen Gesicht. Ein hübsches
Acadchen stand neben ihm und legte
vertraulich die Hände auf seine Schul
ter.
Fred," flüsterten jetzt die kernrothen
Lippen des Mädchens, kommst mit
raus? Ich ersticke hier."
Fred strich ihr zärtlich über das glü-
hcnde Gesicht, und reichte ihr galant
den Arm, denn er war lange in der
Stadt gewesen, und wußte, was sich
schickte.
Die Mädchen lachten und machten
hämische Bemerkungen hinter den bei
den, denn keine gönnte des Müllers
Nanni den schmucken Jägersmann und
jede hätte ihn am liebsten für sich selbst
gehabt.
Im Seitengang vor der Thür standen
zwei junge Leute. Um von den Ein
und Ausgehenden nicht gesehen zu wer
den, hatten sie sich hinter die aufgesta
pelten leeren Fässer gestellt.
Was meinst du, Karl." begann der
Größere, jetzt wäre es doch just die
rechte Zeit, um dem Grünrock eine Nase
zu drehen : Mensch ich sag' dir, den
müssen wir haben. Ich habe selten ei
nen solchen Sechzehnender gesehen, ein
Kapitalbock; ich war heut' Vormittag
noch 'mal draußen auf dem Schlag, es
steht alles gut, die Büchsen sind wohl
verwahrt. Zwei geschlagene Stunden
gebrauchen wir, bis wir oben find."
Rob, ich möchte heute nicht mit
gehen," begann der andere mit zaghaf
ter Stimme. Es war ein schmaler blas
ser Mensch und niemand hätte wohl in
ihm den Bruder der gesunden frischen
Nanni vermuthet.
Du weißt, wenn's der Vater erführe,
ich dürfte nicht wieder in sein HauS
kommen."
Zt
No. 2.!.
Na, nu geh' mir aber heim, du
wirft ja der reinste Jammerlappen, erst
bist du Feuer und Flamme, und nun
läßt du die Flügel hangen wie 'ne lahme
GanS."
Aber Rob. du hast freilich gut
schwätzen. Tu stehst ganz allein, aber
ich habe einen Vater, auf den ich Rück
sicht nehmen muß."
Tonner und Doria. jetzt hör' aber
mit dem dämlichen Geschwätz auf."
brauste Rob auf und fuhr sich mit der
großen schmieligen Hand ungeduldig
durch sein brennend rotheS Haar.
Meinst, dein Alter wäre ein Heiliger
gewesen wie er noch jung war? Willst
du nun oder willst du nicht, zwingen
thue ich Keinen. ES ist heute noch keine
Gefahr, der Förster kommt vor morgen
früh nicht auf den Stand und der Laff,
der Jäger, denkt hier nimmer ans Fort
gehen, so lange er um die Nanni her
umschmänzeln kann."
Karl kämpfte lange mit sich, denn er
wollte es mit seinem Vater nicht verder
den. Aber er hatte einen zu schwachen
Charakter, um den Verführungen des
andern zu widerstehen.
Na, ich werd' mithalten."
Siehst .du, so bist du ein richtiger
Kerl."
Rob, ich komme gleich wieder, ich
will nur noch ein Matz frisches Bier
trinken, man weiß nimmer, ob's nicht
das letzte ist."
Mit höhnischem Lächeln schaute Ro
bcrt ihm nach. Na, den hätten wir
ia sicher. Ja, trink dir nur Muth
Heut schlage ich zwei Fliegen mit einer
Klappe. Den Fred knall ich nieder
wie einen tollen Hund, und dem Mül
ler. dem Geldprotz, geschied ganz recht.
wenn er seinen Einzigen als Wilddieb
sieht."
Rob rieb sich vergnügt die Hände,
Warum hat er mich selbiges Mal von
seinem Hof heruntergejagt, als ich die
Nanni wollt'. Eher wollte er sie todt
seyen. AIs ob ich nicht ein ganz xtwl
tabler Kerl bin. Aber wartet nur, euch
zabi' ich s allen heun!"
Die Paare im Saale schwangen sich
wieder im Tanz. Fred und Nanni
schauten zu.
Komm Nann," sagte endlich Fred,
ich muß fort, ich habe noch einen ton
ten Weg und diesmal möcht ich sie mir
doch nicht entwischen lassen."
Nanni schmiegte sich fester an Fred.
während sie eilig die dunkle Torfstraße
entlang schritten.
Ich weiß nicht. Fred, mir ist so wun
derlich. so Angst, als wenn ein großes
Unglück pa sirte."
Das liegt fo in der Luft, es wird
leicht noch ein Wetter geben."
Sie hielten an einer großen Mühle.
Nanni schlang beide Arme nm Fred's
Hals. Mir ist, als ich dich nimmer
lassen möchte, so Angst hab ich."
Ach geh' du Angsthase! Gute
Nacht!"
Das große Thor fiel hinter Nanni
zu. Fred schritt rüstig dem Walde zu.
Ein leichter Wind hatte -sich erhoben.
Fred hielt tut Gehen inne. Alsgwenn
ihn die Waldsee mit ihren Zauber
armen umspannt hielte, so kam ihm
letzt alles o groß und erhaben vor.
Was er alle Tage sah. erschien ihm jetzt
in ganz anderer Gestalt. Alles so
nissig, fo still. Nur die Bäume rausch
ten und flüsterten in ihrer acheimniß-
vollen Sprache von vergangenen und
kommenden Tagen. Was war der
Mensch mit seinem kleinlichen Denken
und Fühlen gegen dk große, weite
Natur!
Fred kam sich auf einmal so klein, so
erbärmlich vor. War er denn jetzt
nicht auf der Jagd nach Menschen, die
sich nur bei Nacht holten, was andere
des Tages im Ueberfluß hatten?
Ein (Schuß siel vom Anstande her.
Im Nu war der ganze nächtliche Zau-
oer oes 'aiocs oayin. Ter Selbst-
erhaltungstricb trat wieder in den Vor
dergrund. Denn mit dem Fang der
Wilderer war für Fred auch die Zu
billigung eines höheren Gehaltes der
bunden. Bald war er oben. Vorstck-
tig und leise schritt er vorwärts, ab und
zu huschte ein Häschen scheu über den
Weg, welches aus seiner Ruhe aufge
uon worocn war.
Der Wind war stärker geworden.
Fred lauschte. Ein Rascheln und
Flüstern war dicht neben ihm hörbar.
Leise schlich er näher. Aber es war zu
pat. Robert hatte ihn schon bemerkt.
die Büchse aufheben und Zielen war
eins. Der Schuß krachte und ftreh
fühlte einen stechenden Schmerz in den
Schultern. Er legte seine Büchse an,
aber der Arm that nur schwer den
Dienst. Trotzdem stürzte gleich darnach
Robert von einem wohlgezielten Schusse
getroffen. Zum Glück für Karl. Nan.
nis Bruder, hatte Fred einen Ohn
machtsanfall zu überwinden, während
dessen Karl das Weite gewinnen konnte.
Mit Mühe schleppte sich Fred nach
Hause. !
Wie ein Lauffeuer ging es am näch
ften Morgen durch das Torf, als die
Holzknechte am nächsten Morgen den
ledlosen Körper aus dem Walde brach
ten. Ter Arzt wurde geholt, aber für
den rotyhaariacn Robert war freilich
lein Kraut mehr gewachsen.
Fred war nacd einiaen 9Wvn nnn
seiner schweren Verwundung genesen.
AIS schon längst Gras über die Ge.
schichte aewacdsen war und um Tirtb
und seine runde Nanni sich blondlockige
Kinder berumtummelten, da erst ver
traute Karl in einer fn.ian Phinh
seinem Schwager an, daß er eines Wil
dererZ Schwester dazumal gcheirathet
hatte, dazu eines der's gar nicht nöthig
hatte.
H ugeheux, W,lt.
Im Laufe der lebten ahrt K,,k,
die Astronomen vieles zur Erforschung
.;. on.iis.a....i t .
iiiiio jiincii ctiiyuems oeigeiragen,
dcZ sogenannten Procyon. des hellsten
rernes im viide deS kleinen HundeS.
Seit langem war bekannt, daß dieser
gewaltige Fixstern einen Begleiter be
säße, aber erst vor einem Jahre wurde
noch ein zweiter entdeckt. Der erstere ist
ein Stern zwölfter größe und fast eine
Bogenminute von dem Hauptftern ent
fernt. der andere ist von der dreizehnten
virosze uno yat einen Abstand von nicht
ganz o eiunoen von seiner Riesen
sonne. Trotz der unvorstellbar großen
Entfernung dieser Himmelskörper von
der Erde und von ihrem Sonnensystem
überhaupt, das bekanntlich im Ver
gleiche zu den Abständen der Fixsterne
als ein Punkt im Weltenraume zu be
trachten ist. sind die Astronomen nicht
davor zurückgeschreckt, die Beziehungen
zwischen dem Procyon und seinem Be
gleiter zu messen und zu berechnen.
Die Ergebnisse zeigen uns ein System,
gegen das unser Sonnensystem sich wie
ein Zwerg ausnimmt. Der Hauptstem
selbst bewegt sich in einer elliptischen
Bahn, deren halbgroße Achse 3.534
mal länger ist. als die mittlere Entfer
nung von der Erde nach der Sonne,
also 3,534 mal 150,000,000 Kilo
meter. Die halbgroße Achse des dem
Hauptsterne nächsten Begleiters ist noch
sechs mal größer, betrügt also 21,2
jener astronomischen Einheiten. Da
die halbgroße Achse der Bahn des Pla
neten Uranus um die Km,n mir ia
Einzelheiten umfaßt, so würde also die
ganze ayn dieses Planeten um die
Sonne innerhalb derjenigen da li.
nen Procyon Begleiters liegen. Die
gesammte Masse des Systems ist 5955
mal größer als die der Erde und Sonne
zusammengenommen, und der Rnitr
ist der Masse nach der Sonne beinahe
gielchwerlyig. Wie klein erscheint da
gegen unser Sonnensvltem. hn mi6r
dem Centralkörper kein einziges selbst
1 ... j i w m r. t . 1
leucyienoes Gestirn mehr besitzt, und
wieviel dunkle Nlaneten rnWn n
jenen fernen Fixstern umkreisen.
Schweizerische oldatenlebe.
Von einem bekannten MimitimMin
Waffenvlak wird olauides aemrfb,-
Kürzlich ist hier einem . ihnsHMif-ti"
Zustand ein plötzliches, trauriges Ende
oereliei morden. Der Herr Oberst N.
N. hatte schon Jahrelang die Pacht der'
Militär-Kantine inne, und in dieser
Wirths Eigenschaft bediente er höchst
eigenhändig im Verein mit seiner
wackeren Frau sowohl Offiziere als auch
oioaien. die lyre leiblichen Bedürf
nisse in seiner Wirthschaft ,u stillen
kamen. Da konnte man meUen hon
Hohen Herrn in ebrfurcktaebiend?
militärischer Haltung am Büffet han
tiren oder von Tisch zu Tisch eilen
sehen, um Hunger und Durst ganz ge
wöhnlicher Rekruten zu stillen, die (O
Widerspruch der Widersprüche!)' unab
lässig kommandirten: ..frerr Oberst, ein
Glas Bier! Herr Oberst. tmei ir-
ren! Herr Oberst, eine Suppe, Herr
uoeru, eine Wurst ! Herr Oberst, eine
Portion Käse!" Sie schienen es förm
lich darauf abgesehen ,u hahen hi
Dienste des Herrn Obersten" recht viel
in An,pruch zu nehmen; die respektvolle
Bezeichnung frerr Oberst" bei ibrpn
Bestellungen ließen sie schon gar nicht
weg. -o ging es Jahr für Jahr, bis
lchließlich Jemand daran Aeraernik
nahm. Plötzlich erhielt nun der USerr
Oberst" eine Verfügung der Militär
behörde, wonach es ihm untersagt
wurde, in Zukunft die" Gäste der Kan
tine selber zu bedienen. Damit hatte
das Idyll" ein Ende, und die armen
Soldaten müssen sich seither zu ihrem
größten Leidwesen ibre Bedürfniss- nnn
ganz gewöhnlichen Sterblichen befrie
digen lassen.
Rindermnnd.
Der kleine Erni bittet Mama um
Geld zum Ankauf eines Ansichtskarten
Albums. Die Mama bat es ibm sckon
ein paarmal abgeschlagen und entschei-
oei nun enoglliig: ,.va,s' mich in Ruh ',
ich hab' kein Geld!"
..Erni nimmt eine vorwurssnnN
Miene an und erwidert: Das kommt
von den Licbcsheirathen!"
Drei kleine Mädchen viscken nier
und sechs Jahreil spielen im Freien
sie stehen eben beieinander und kritisiren
die vierjährige Ellen, die abseits mit
dem Sande spielt. Ich bitt' Euch,
seht Euch nur das unschuldige Gesicht
an!" spottet eine der kritisirenden klei
nen Damen.
Wenn es in einem Hause am Nöthig,
ften fehlt, ist daran oft der Luxus
chuld.