Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 19, 1899, Image 9

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    I
Ein frichwelkcs Vlatt.
Novkllttie v,n Als, be Reskt.
43 hatte mich fortgetrieben, mit Ge
walt! Hinaus auS dem Überlauten
Getriebe der Weltstadt, hinweg von dem
Flitterstaat und der Schminkeschdnheit
ihrer Vergnügungen. in die Ein
samkeit, in die Wahrheit! TaZ war seit
langer Zeit mein heiße Verlangen.
und nun hatte ich endlich den Muth
gesunden, mich loszureißen. Im Osten
droben wußte ich ein stilles, schönes
Fleckchen (irde und Menschen, die mich
gerne kommen und ungern scheiden
sahen. Torthin war mein Weg. zu
dem alten, biederen Oberst von Bankow
und seiner mir mütterlich zugeneigten
Gattin! Himmel. war eS schön in
dem stillen Nest, dem Bankow. mit sei.
nen unvergleichlichen Wäldern, feinen
prächtigen Aeckern und Wiesen! Ach.
solche Luft habt Ihr denn doch nicht, in
Eurer Riesenstadt! Hier athmet man
KotteSodem. bei Euch dagegen Pou.
dre und Patchouli. Und die liebevolle
Behandlung! Tie Alten hatten nie daS
Glück gehabt, einen Buben oder über
Haupt ein Kind zu besitzen. waS Wun
der, wenn sie sich danach sehnten, daS
große Maß von Liebe auszutheilen, für
das ihnen daS Schicksal so wenig Ver.
Wendung gegeben. Nur eine Nichte war
da. eine Nichte der Frau von Bankow.
Man hatte sie an Kindesstatt angenom
wen und ihr im Hause diejenige Stel.
lung eingeräumt, die ihr als einzige
Erbin des Ganzen zukam. Annchen
Aeßel war längst ein sogenanntes altes
Mädchen" geworden, aber trotz der ver
einzelten Fältchen auf dem Antlitz hatte
sie sich eine solche Fülle von Anmuth,
ein so liebes, anziehendes Wesen be
wahrt, daß ich mich oft im Stillen wun
derte. weshalb sich wohl Niemand gefun
' den hatte, diese Blume zu pflücken, in
ihrer Blüthezcit. Wir wurden gute
Freunde. Annchen und ich, aber auch
nur daS. denn zu anderem waren wir
Beide viel zu alt. und zu vernünftig
geworden. Annchen hatt' sehr strenge
Anschauungen und Grundsätze. wirk
lich Grundsätze! Als sich einmal flüchtig
unser Gespräch darauf lenkte, natür.
lich in aller Harmlosigkeit, erklärte
sie mit einer Energie, die ich nie bei ihr
vermuthet hätte, sie würde niemals.
niemals heirathen und wenn eS unter
den glänzendsten Verhältnissen geschehen
könnte. Da hatte ich die Erklärung
dafür, weshalb sie eine alte Jungfer
geworden war.
Wir waren eben auS der Kirche ge
kommen. Während der Mitinek den
alten Kutschwagen in die Remise bug.
strte, und wir noch auf der Hofveranda
verweilten, kam der Postbote auf den
Hof. Bankow nahm ihm die Sachen ab
und bedeutete ihm durch einen Wink,
sich in der Küche zu erfrischen. Wäh
rend er dann die einzelnen Sendungen
durchblätterte, bemerkte ich, daß er zu
sammenzuckte und haftig nach seinem
Augenglas tastete. Die Damen wur
den ebenfalls aufmerksam. Er riß ein
Ködert auf und überflog flüchtig den
Inhalt.
Erich kommt!" sagte er dann eigen
thllmlich gepreßt.
Erich? Wer war Erich? Nicht
Neugierde, nein theilnehmendes In
tereffe drängte mir die Frage auf, als ich
die beklommenen Mienen der Damen
sah. Man hatte mich im Moment der
gesscn. Gerade dachte ich daran, mich
unbemerkt zu entfernen, als sich der
Oberst meiner erinnerte.
Das ist mein lieber Bruder," wen
dcte er sich erklärend an mich. Ein
verabschiedeter Premicrleutnant.
viel jünger als ich. O. Sie Beide
werden prächtig stimmen!"
Ich wußte , nichts anderes, als mich
verbindlich lächelnd zu verneigen. Es
sah wohl etwas gezwungen aus.
In den drei Tagen bis zur Ankunft
des Besuch? stieg mein Interesse, meine
Erwartung immer mehr. Das mußte
ja ein höchst merkwürdiger Mensch fein,
dieser Herr Erich, von dem Bankow
stets so pietätvoll, als von seinem lie.
den" Bruder sprach, dessen Name in
der Minute wohl zehnmal von den
Lippen der Damen kam! Man schien
sich auf seine Ankunft zu freuen und
schlich doch mit einem eigenthümlich
gedrückten Wesen umher, ja, bei
Ännchen glaubte ich sogar rothgcweinte
klugen zu bemerken. In diesen drei
Tagen lernte ich so recht die Großher.
zigkeit und Güte dieser Leute kennen,
und zwar an der liebevollen Fürsorg,
lichkeit, mit der sie den Empfang des
GastcS vorbereiteten.
Und da war er endlich. Sein Anblick
machte mich starr. Ich hatte geglaubt,
einen gebrechlichen Invaliden zu erbli
cken, und nun stieg da aus der Jagd
britschle leichtfüßig und frohmüthig ein
kraftstrotzender forscher Mann, von
imponirendem Aeußern und hübschen
Gesichtszügen. Sein blondgewelltes
Haar war leicht ergraut und auch der
starke, fchöngeschwungene Schnurrbart
zeigte einige Silberfäden. So viel war
mir klar: als Invalide hatte der nicht
seinen Abschied genommen oder be
kommen. Wie er sich jetzt unS lachend
zuwendete und Annchen in die Arme
schloß, bemerkte ich an seiner linken
Stirnseite einen rothen Streifen,
ine Narbe. Aha. also wahrfchein.
lich ein Duell!
Grüß Gott, HerzenSannchen! Guten
Tag, mein guter Adolph meine lieb
werthe Schwägerin!"
Wie herzlich diese Begrüßung war,
mir wurde ordentlich weh dabei.
Der
Jahrgang 20.
.Ah, ein Besuch! Bankow ist mein
Name!"
.Maßmann!" Ich wollte mich der
neiaen. aber da batte er sckion meine
Hand erfaßt und schüttelte sie in traf.
tigern drucke. -
Wir gingen hinein und alsbald zu
Tilcke. Da harrte meiner eine neue
Uederraschung. Annchen saß zur Rech.
ten Erich s und hatte einen diesen Reis
auf dem Ringfinger der linken Hand,
und ihr Aug' und Ohr gehörten nur
.Erichchen", von dessen Seite sie nicht
mich. Mir war die Situation recht
peinlich, ich wußte mich nicht zu ver
halten. Es fiel daS endlich auf.
.Ach so, Herr Maßmann weiß ja
garnicht," lächelte die glückliche Braut,
wir sind nämlich verlobt, Erich
und ich!"
Ich stotterte etwas von gratuliren
und so.
Ob. daS würde aber scbr txst
festum kommen, Herr Maßmann, wir
sind eS schon, fünfzehn Jahre!"
.ffünnevn saurer Jcy lay ganz ve
troffen zu ihnen hin. Erich nickte weh.
müthlg und der Oberst gab dem le
svräck, mit auffallender Geflissentlichkeit
eine andere Wendung.
Bankow hatte wirklich nicht zu viel
gesagt, wir stimmten prächtig zu ein
ander. Erick und ick. Er war ein sebr
belesener, wissenschaftlich durch und durch
gebildeter Mann, mit oem es vann uno
wann schon einen Disput verlohnte,
dabei von der freimüthigsten Offenheit
und den Umgangsformen. Es war mir
stets ein besonderer Genuß, mit lym
pürschend durch die Wälder und an den
Seen entlang zu streifen, oder in die
reifen Aehrenfelder zu reiten, wo die
Sense klang und daS Juchzen der
lyniiicr eiioiuc.
Wissen Sie Makmann. daß die
Tage kürzer werden?" sagte er mir ei
nes TageS, als das letzte Fuder reife
Aehrenpracht längst über die Tennen
gegangen war und der Wind schon über
kahle Stoppelfelder fegte.
O ja, man merit esr
.eben Sie. daS stimmt mich immer
traurig, wenn ich so daS Werden miede):
gehen sehe."
vml"
Aber Anncben läßt mich garnicht
ausdenken, wenn ich darauf komme.
Annchen ist überhaupt ist über.
Haupt "
Ich sah ihm vcrständnißlos in daS
merkwürdig erregte Gesicht. Seit
einigen Taaen kckon batte icb an ilim
eine' gewisse Unruhe und nervöse Hast
bemerkt. Was mochte lyn veoruaenk
Jetzt starrte er ohne auszureden
regungslos zur Erde, eine ganze
Weile.
..Wahrhaftig, da sehen Sie, schon
ein todtes Blatt!"
Wir standen nicht weit von einer
alten Ulme. Der Wind hatte uns
wirklich ein welkes Blättchen zu Füßen
geweht, das erste, das ich in diesem
Sommer sah.
Kommen Sie, wir wollen es ihnen
;ciaen drinnen." rief er. und ich batte
Mühe, ihm nachzukommen.
Schon stahl sich die Tammerung
durch das Lau 3 in das Zimmer, als wir
eintraten.
Seht Ihr," rief Erich eifrig, und
hielt Annchen auf der flachen Hand das
Ulmenblatt hin, es geht schon an's
Sterben!"
Aber Erich, was willst Tu
denn! Die Hitze ist eben in den letzten
Taacn etwas stark gewesen, und da bat
da und dort ein Blättchen nicht Stand
halten können. Bis zum Herbst lst s
noch weit."
So? Meinst Du. Annchen?"
Er warf sich auf einen Sessel und ver
sank in Nachdenken. Annchen fetzte sich
an den Flügel und spielte eine lustige
Weise, offenbar um ihn aufzu
heitern. . Da fuhr er plötzlich in die
Höhe.
.Annchen, sei lieb! Singe es mir
doch noch einmal, das liebe, alte Lied!"
.Erich ich bitte Dich!"
Nein, nein." Er wehrte Alle ab.
Annchen. ich habe es Dir doch so oft
gesungen, als als mir noch die Welt
gehörte."
Das klang so ernst, und ob sie wollte
oder nicht, sie mutzte beginnen:
Annchen von Tharau ist's, die mir
gefällt.
Sie ist mein Leben, mein Gut und
mein Geld."
Erst war er still, dann aber fing er
leise, ganz leise an mitzusingen, immer
lauter werdend, immer lauter, bis ihm
plötzlich.die Stimme versagte und ein
weheS, thränenloses Schluchzen durch
den Raum drang.
Der Oberst eilte auf ihn zu. um ihn
zu beruhigen, aber er riß sich los und
stürmte hinaus.
Und während sie stumm verharrten,
ein Jedes mit sich selbst beschäftigt,
?MlM,flTlKmTlf
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
schlich auch ich mich davon. auf mein
Zimmer.
Tie ganze Nacht fast hörte ich ihn
oben ruhelos auf und niedergehen. Am
Morgen erschien er bleich und abge
spannt zum Kaffee. Man empfing ihn
mit rührender Liebe. Stumm nahm er,
waS man ihm reichte. Tann streckte er
plötzlich dem Oberst die Hand über den
Tisch hin.
Mein lieber Bruder! Nicht wahr.
Tu bist doch einverstanden, daß ich
heute heimfahre? Ich habe schon alle?
gepackt."
Ter Oberst nickte. .Mußt Tu?"
.Ja, Adolph, Tu weißt doch!"
Hm!!"
Mir fiel die Hast auf, mit der man
feine Abreise betrieb. Mittags schon
brachte ihn der Mitinek zur Bahn.
Da saßen wir nun allein beim Mor.
genkaffee auf der Veranda. Es wollte
keine rechte Stimmung mehr aufkam,
men, seit Erich fort war.
Der Briefträger." rief ich plötzlich,
erstaunt, den Mann so früh in Bankow
zu sehen.
ES erklärte sich bald, er brachte
eine Depesche. Bankow erbrach sie mit
zitternden Händen und wurde bleich bis
auf die Lippen. Stumm reichte er mir,
als dem Nächsten das Papier.
Leutnant von Bankow heute Nacht
am Gehirnschlag verstorben. Erwarten
Ihre Dispositionen.
Provinzial-Jrrenanstalt Schewitz.
Dr. Thiel."
las ich entsetzt.
.Ich reise natürlich sofort!"
.Und ich begleite Sie, Herr Oberst!"
Ja, kommen Sie mein lieber Maß.
mann, wir wollen ihn heimholen,
heim!" Ein tiefer Seufzer hob feine
Brust.
Im Eisenbahn-oupee erfuhr ich von
Bankow dann noch den Rest dieser trau
rigen Lebensgeschichte.
Erich hat als Adjutant beim fünf
ten Regiment von seinem Pferde einen
Schlag vor die Stirn erhalten, Sie
haben ja die Narbe gesehen, und
mußte seinen Abschied nehmen, weil sich
zwei Jahre später periodischer Wahnsinn
einstellte. Da die Anfülle immer hefti
ger wurden und die Aerzte ihn für un
heilbar erklärten, entsagte er dem Leben
und ging als freiwilliger Pensionär
nach Schwewitz in die Anstalt. Vier
zehn Jahre hat er da vegetirt. Von Zeit
zu Zeit besuchte er uns. Wenn er
merkte, daß die Anfälle kamen, eilte er
stets in sein freiwilliges Exil zurück,
wie auch vorgestern. Annchen, seine
Braut, hat ihm die Treue bewahrt.
Das brave, brave Mädel! Wie hat sie
ihn beglückt!"
Ich starrte stumm zur Erde und
dachte an das frühwelke Blatt der Ulme!
Der Zuckerrüben-preis.
Humoreske von Mar Hirscheld.
Tor zehn Jahren war ich Redakteur
des Großholzer Anzeigers", ich meine
des alten Großholzer Anzeigers, dessen
sich alle Großholzer Kinder noch sehr
gut erinnern werden. Der später ge
gründete Neue Großholzer Anzeiger"
war nicht halb so viel werth, das reine
Köseblatt, doch ich will mich nicht
selbst loben. Die Thatsachen sprechen
ja für sich selbst. Während wir über
volle 900 Abonnenten verfügten, brachte
es der Neue" auf kaum hundert.
Natürlich war die Konkurrenz eine
fürchterliche. Wir balgten uns das
heißt entweder moralisch gesprochen oder
durch Vermittlung unserer dienstbaren
Geister um jeden einzelnen Abonnen
ten. Als z. B. der neue Arzt nach
Großholz kam und zunächst im Hotel
abstieg, brachte es der Neue" fertig,
die ganze Nacht auf derTerasse vordem
Hotel zu sitzen, um den Arzt abzupassen
und ihm ein Abonnement aufzuzwingen.
Und doch
Aber ich verliere mich zu sehr in Ein
zclheiten. Ich will nur noch einige
Konkurrenz-Manöver erwähnen, welche
zum Verständniß dieser Geschichte unent
behrlich sind.
Großholz selbst zählte damals nicht
mehr als etwa tausend Einwohner.
Unsere Hauptstütze war daher die aller
dings sehr starke Umgegend, welche fast
durchweg aus , Gutsbesitzern bestand,
unter welchem 'Titel wir die kleinsten
Bauern und die größten Agrarier zu.
sammenfaßten.
Wenn ein Bauer nach unsere Expe
dition kam, hatte mein Verleger, ein
sehr jovialer Mann, er war früher
Hausirer mit Papierwaaren gewesen
die Gewohnheit, dem Manne einen
SchnapS zu verehren. Dieser harmlose,
patriarchalische Brauch wurde von dem
Neuen" plötzlich als Konkurrenz.
Manöver aufgefaßt, und er besaß die
ungeheure Schamlosigkeit, in seinem
Blatte anzukündigen, daß er jedem In.
serenten oder , Abonnenten, der am
Markttage nach der Stadt käme, zwei
V vvvvvy'r yVY
Schnapse, sowie der Gattin desselben
eine Tasse Kaffee verabreichen werde.
Wir hofften zwar, daß unsere Kunden
die Absicht durchschauen und sich verletzt
abwenden würden, sahen uns aber ge
täuscht. DaS Landvolk nahm da
Gute, woher es dasselbe kriegte, und
alte Kunden begannen zu dem Konkur
renten zu gehen.
Mein Verleger wollte in seiner Ver.
zweislung ankündigen, daß er am Markt
tage jedem Kunden ein Mittagessen
gratis gebe.
.Niemals!" rief ich aus, nicht auf
dem materiellen kulinarischen Wege,
sondern auf dem geistig moralischen
wollen wir den Sieg über das freche
Gezücht davontragen."
.Ach. gehen Sie mir! WaS hilft mir
das Geistige und Mansche, wenn die da
drüben mir das Blatt mit Schnaps und
Kaffee ruiniren."
Dennoch drang ich mit meinem Vor.
schlage durch. Ich druckte ein Preis
räthsel in die Sonntagsnummer. Ter
Preis bestapd in einem Werk über die
Pferdezucht, welches sich schon lange in
der Redaktion herumtrieb und gewöhn
lich dazu benutzt wurde, den wackligen
Tischfuß zu stützen. Unser Erfolg ließ
natürlich den Neuen" nicht schlafen.
Er brachte ein Räthsel mit drei Preisen,
und wieder begann sich das Zünglein
der Waage auf seine Seite zu neigen.
Fast wäre ich nun um weitere Aus
Hilfe in Verlegenheit gewesen, da half
mir der Zufall. Ein Gutsbesitzer schickte
mir eine Zuckerrübe mit dem Bemerken,
dies sei unstreitig die größte Rübe, die
in der ganzen Umgegend während des
Sommers gezogen worden sei. Da ich
in landwirthschaftlichen Dingen immer
mehr Instinkt als Kenntnisse besaß, so
war ich von vornherein von der Richtig
keit dieser Behauptung überzeugt und
brachte sogleich eine redaktionelle Notiz
mit der fettgedruckten Ueberschrift:
Die größte Zuckerrübe von Großholz
und Umgegend.
Zu meinem Schrecken 'sah ich bald
ein, daß mein landwirtschaftlicher In
stikt mich im Stiche gelassen hatte. In
nerhalb der nächsten acht Tage erhielt
ich einen ganzen Berg von Zuckerrüben,
von denen wenige kleiner, die meisten
aber größer waren, als die zuerst ge
sandte.
Was nun thun? Ich konnte doch
nicht zwanzig verschiedene Berichtigun
gen bringen. Nach einigem Nachdenken
zog ich mich mit Glanz aus der Affaire,
indem ich gleich zwei Fliegen mit einer
Klappe schlug. Ich quittirte mit weni
gen Zeilen über die Rübensendungen
und setzte gleichzeitig einen baaren Preis
hon 20 Mark für die größte, sclbstge
zogcne Rübe.
Mein Verleger lachte sich ins Fäust
chen. Er konnte eine ganze Wagen
ladung Zuckerrüben verkaufen, die ihm
mehr als 20 Mark einbrachten. Aber
das kam erst ganz zuletzt. Zunächst
handelte es sich darum, wer den Preis
kriegen sollte.
Natürlich der Einsender der größten
Rübe.
Ja, so dachte ich auch, und eben
wollte ich die Notiz abfassen, daß der
Gutsbesitzer Drescher der Glückliche sei,
als an meine Ncdaktionsthür geklopft
wurde und ein junges Mädchen ein
trat.
Es mag wohl fein, daß ich damals
nicht besonders verwöhnt war. In
Großholz waren nicht viel junge Mäd
chen, und unter diesen wenigen kaum
zwei oder drei hübsche. Kurz und gut,
die Eintretende erschien mir geradezu
wie ein Gebild aus Himmelshöhen.
Ich war so geblendet und verwirrt,
daß ich bei den Worten: Bitte, neh
men sie Platz," mit der Hand auf
den Runlelrübenhaufen deutete. Sie
lächelte und setzte sich auf den Stuhl
mir gegenüber.
Ich komme mit einer großen Bitte
zu Ihnen," begann sie, wobei sie es
vermied, mich anzublicken, wahrfchein
lich um mir Zeit zu lassen, meine Fas
sung wieder zu gewinnen.
Und wenn Sie um ein Königreich
bitten, gnädiges Fräulein," rief ich be
geistert, es sei Ihnen gewährt."
Ich wußte nicht, daß Sie König
reiche auszutheilen haben, Herr Redak
teur," sagte sie schelmisch, ich bitte Sie,
mir eins für später zu reserviren, wenn
ich es nöthig haben sollte. Vorläufig
nur eine Frage: Ist der Zuckerrüben.
Preis schon vergeben?"
Allerdings! Ter Name ist eigentlich
Redaktionsgehcimniß, aber wenn Sie
mich gütigst einmal anlächeln wollen,
gebe ich Ihnen denselben preis."
Sie erfüllte meine Bitte in so splen
dider Weise, daß ich, noch ehe sie zu
Ende gelächelt hatte, ausrief: Es ist
der Gutsbesitzer Drescher."
Sofort verschwand das Lächeln von
ihrem Gesicht, ja, in ihren schönen
Zügen erschien sogar ein Ausdruck des
Schreckens.
No. 22.
.Unmöglich." rief sie, ..der darf ihn
am allerwenigsten haben!"
Aber die Gerechtigkeit erfordert es,
und daran laßt sich wirklich nichts
ändern."
Herr Redakteur, eS handelt sich um
mein Lcbensglück." sagte sie mit angst
voller Miene. Geben Sie den Preis
meinem Vater, dem Gutsbesitzer Salz
mann."
Tas wäre eine Fälschung."
Was liegt daran?" erwiderte sie
mit der den Frauen eigenen Nichtach
tung der Moral in kleinen Dingen.
Es ist uns gewiß nicht um die zwanzig
Mark zu thun. Mein Vater beabsich
tigt dieselben dem Perein zur Vermin
derung landwirthschaftlicher Hypothc
ken" zu überweisen."
Hat Ihr Vater Sie etwa abgesandt,
mein Fräulein?"
Das gerade nicht ! Er hat keine Ah
nung davon, daß ich hier bin. Es ist
nicht um das Geld, sondern um die
Ehre, der Züchter der größten Zucker
rüben zu sein. Herr Redakteur, wenn
Sie wüßten, wie brummig mein Vater
seit acht Tagen herumgeht. Er hat
Aerger gehabt und den läßt er jetzt an
seiner Familie aus. Nur wenn er
daran denkt, daß er den Zuckerrüben
Preis bekommen würde, verklärt sich
sein Gesicht vor Freude. Ich möchte so
gern, daß diese freudige Stimmung bei
ihm einige Stunden anhielte ich habe
nämlich eine Bitte an ihn zu richten
eine für mich sehr wichtige und ich
warte nun schon lange, daß er 'mal
einen Tag über gut gelaunt bleibt.
Also nicht wahr, ich darf darauf rech,
nen, nicht Drescher, sondern Salzmann
heißt der Prämiirte?"
Seine Rübe ist erst die zwölfte in
der Reihe," wandte ich ein.
Und wenn auch! ES wird Sie ja
Niemand kontrolliren!"
Und mein Lohn für diese jede Moral
verhöhnende That?"
Sie schlug erröthend die Augen nie
der, an denen ich einige Thränentropfen
bemerkte. Diese besiegten mich sogleich
vollständig.
Werde ich Sie wiedersehen?" sagte
ich, ihre Hand ergreifend. Werden
Sie mich noch einmal hier besuchen?"
Einen Augenblick zögerte sie, dann
sagte sie bestimmt, sogar freudig: Ja.
gewiß!"
Nach meiner Zusage entferntefie sich.
Ich aber strich den Namen Drescher in
meiner Notiz aus und setzte dafür Salz
mann hin. Um mein Gewissen wenig
stens einigermaßen zu beruhigen, fügte
ich hinzu, daß die Rübe Drescher's die
zweitgrößte fei.
Wenige Tage später erfüllte Fräu
lein Salzmann ihr Versprechen, sie be
suchte mich aber in Gesellschaft eines
jungen Riesen, den sie mir als ihren
Bräutigam vorstellte. Beide strahlten
vor Vergnügen und priesen mich als
den Schöpfer ihres Glückes. Ich nahm
dieses Lob mit sehr gemischten Gefühlen
hin.
Was mich besonders überraschte, war
der Name des Bräutigams: Drescher.
Ja, er ist der eigentliche Gewinner
des Preises," bemerkte die junge Dame
auf meine staunende Miene. Ter
Vater war durchaus dagegen, daß wir
uns verhcirathcn sollten'. ' Er hatte mir
einen Besitzer ausgesucht, dessen Alter
und dessen Gut größer ist, als das
meines Bräutigams. Wenn mein Va
ter in besonders guter Laune ist, dann
kann ich durch Bitten viel von ihm er
reichen. Nun denken Sie sich, wenn
mein Bräutigam den Preis gewonnen
hätte er würde ihn mindestens ein
Jahr lang auf's Fürchterlichste gehaßt
haben. Wissen Sie. mit welchen Wor
ten er seine Einwilligung gab? Er
sagte zu meinem Bräutigam: Daß Du
die zweitgrößte Rübe gezogen hast, be
weist Deine landwirthschaftliche Tüch
tigkeit. deshalb sollst Du meine Tochter
haben. Aber wenn Du einmal Lust
verspüren solltest, Dich zu überheben,
so denke daran, daß Dein Schwieger
vater doch noch größere Rüben züchtet,
als Du."
Zum Schluß will ich nur noch er
wähnen, daß der Neue" unsere Rüben
Konkurrenz durch eine Kartoffel Kon
kurrenz zu überbieten suchte, aber er
machte schmähliches Fiasco. Kein Land,
besitz wollte sich nachsagen lassen, daß
er die größten Kartoffeln besitze.
Weibliche Brigante.
In der Nähe von Benevento in
Italien wurde vor Kurzem eine kleine
Räuberbande auf frischer That ertappt
und dingfest gemacht. Als man die
vier noch sehr jugendlich aussehenden
Banditen näher in Augenschein nahm,
stellte es sich heraus, daß man es mit
ungewöhnlich hübschen Frauen im Alter
von 13 bis 25 Jahren zu thun hatte.
Ten schönen Brigantinnen wird eine
ganze Serie von Verbrenn mr Qnü
gelegt. Sie sind angeschuldigt, ein.
irnu einen Mvro oeruvi und dreimal
einen solchen versucht zu haben: ferner
sind diele Personen von ihnen nicht
unerheblich verwundet worden, und die
Lifte ihrer Räubereien, Einbruchsdicd
stähle u.s.m. ist geradezu endlos. Ihre
Schandthaten haben die vier unterneh
wenden Italienerinnen stets sehr klug
geplant und mit meisterhaftem Geschick
zur Ausführung gebracht. Tie sonst
dem zarten (Geschlecht anhaftende Furcht
samkeit scheint diesen weiblichen Wesen
eine gänzlich unbekannte Eigenschaft zu
sein. Mitten in der Nacht brachen sie
oft auS dem Tunkel der Wälder her
vor und überfielen und plünderten die
zu Wagen oder zu Fuß vorüberziehen
den Marttleute und Reisenden. Tasz
es im Lande, wo die Eitronen blühen,
schon zu allen Zeiten weibliche Brigan
ten gegeben hat. beweisen die Ver
brcchcrchronikcn. Zu Anfang dieses
Jahrhunderts hauste in der Umgegend
von Mailand eine große Räuberbande,
deren .Hauptmann" und einzelne Mit
gliedcr nur Frauen waren. Sie klei
beten sich nicht nur wie Männer, son
dcrn trugen auch lange Bärte, um die
Maslirung vollkommen zu machen.
Jahrelang trieben die Unholdinnen ihr
Wesen und verbreiteten überall, wo sie
sich zeigten, Furcht und Schrecken.
Trotz aller Bemühungen konnte die
Polizei ihrer nicht habhaft werden;
eines Tages aber beging ein Mitglied
der Bande Verrath, um die von der
Regierung ausgesetzte kolossale Summe
in Empfang zu nehmen. Tie über
rumpelten Banditinnen wurden inS
gcfammt überführt und hingerichtet.
Ihres Blutgeldes aber durfte sich die
Verrätherin nicht lange erfreuen; sie
fiel der Rache eincS Verwandten der
Hauptmännin zum Opfer.
Auch daS schöne Spanien kann sich
rühmen, weibliche Briganten besessen
zu haben und auch wohl noch zu be
sitzen. Eine ganz vorzüglich organisirte
Räuberinnenbande hat einst lange Zeit
hindurch die Umgebung Madrids im
Umkreis von vielen Meilen unsicher
gemacht. Die überfallenen Reisenden
berichteten immer von einer Rotte bild
hübscher Jünglinge, die ihnen, mit ge
ladenen Pistolen und blitzenden Dolchen
bewaffnet, den Weg vertraten und un
ter vielen höflichen Redensarten und
zart verschleierten Drohungen Alles mit
Beschlag belegte, was irgend welchen
Werth hatte. Als es der Behörde end
lich gelang, der Banditen habhaft zu
werden, verbreitete sich das Gerücht,
daß die schönen Jünglinge" in Wahr
heit junge Frauenspersonen von aristo
kratischem Herkommen seien. Die vor
nehmen Damen hatten das Leben zu
Hause zu alltäglich und uninteressant
gefunden und glaubten ihre Gewaudt
heit im edlen Jagdfport besser auf der
freien Landstraße bethätigen zu kön
nen. Dem Einfluß nächtiger Freunde
hatten die sonderbar veranlagten Sen
noritaS eS zu danken, daß man ihnen
nicht viel zu Leide that, sondern sie
ihren Familien zurückschickte. Jeden
falls waren sie von ihrer Schwärmerei
für derartig gefährliche Mondschein
abenteuer ein für alle Male geheilt.
Zur Ehre weiblicher Briganten sei noch
erwähnt, daß sie nur im äußersten
Nothfall sich einen Mord auf das Ge
wissen laden. Vor einigen zwanzig
Jahren aber wurde in Toledo in Spa
nien eine Straßenräuberin zum Tode
verurtheilt, die während ihrer noblen
Carriere nicht weniger als fünfzehn
Personen kalt gemacht hatte.
Gelöstes Problem.
Draußen regnet es heftig und der
Herr Professor kommt mit a'ufgespann
tem Regenschirm nach Hause. Nach
dem er die Thüre geöffnet hat, versucht
er auf jede nur mögliche Art und Weise
mit dem offenen Regenschirm durch die
Hansthüre zu gelangen, was ihm na
türlich nicht gelingt. Er probirt alle
möglichen Stellungen, tritt in das
Haus und sucht den Schirm nach sich
hineinzuziehen, er stellt sich seitwärts
und will ihn dicht an sich gedrückt
durchzwängen, jedoch Alles vergebens.
Schließlich fragt ein Student, der im
selben Hause wohnt und höflich war
tend eine Zeitlang dem Treiben des
zerstreuten alten Herrn zugeschaut hat:
Haben es der Herr Professor schon mit
dem zugeklappten Schirm versucht?"
Ach. mein Lieber, daran habe ich
noch nicht gedacht."
Er schließ! den Schirm und freude
strahlend betritt er sein Haus.
Individuelle Ansicht.
Kobi und Sami, zwei Knaben von
vier und fünf Jahren, stehen bei einem
Exercierplatz und sehen dem Rekruten
abrichten zu., Kobi (fragt Sami):
Was machen die Leute eigentlich dort?"
Sami: Was werden Sie machen?
Hörste nicht, wie sie rufen fort: eins,
zwei, eins, zwei Rechnen jhun sie
lernen!"
Fatale vergessenk?eit.
Frau (Morgens): Du bist wohl
diese Nacht wieder recht spät nach Haufe
gekommen. Eustachius?"
Professor: Im Gegentheil, meine
Liebe, außergewöhnlich früh. Hast Du
mich denn nicht kommen hören?"
Frau: Nein, aber wo sind denn
Deine Stiefeln?"
Professor: Meine Stiefeln, Ton
nerwetter. die babe ick diese Nckt nur
der Thüre stehen lassen."
Rascher Stimmungswechsel.
Warum heirathen Sie eigentlich
nicht, Herr Baron? Um einen Mann
wie Sie, ist es doch schade."
A
i