Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 19, 1899, Image 12

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    UcberUjkt.
Novlllclie von n l n B a 1 t.
Taä brüte Lauten, tai dcn Abgang
des '.ikachtziigkZ aus der Residenz signa
liüil. erschallt, schon schrillt der Pfiff
der Locomotivk und das Dampfroß
macht bereits den ersten Ruck da
stürzt athemloS ein elegant gekleideter
Mann über den Perron und springt
mit einem gewaltigen Satz in einen
ZKZaggon zweiter Klaffe. Ein mächti
oeZ Pusten der Locomotive und der Zug
setzt sich in Bewegung. Schneller und
schneller wird allmählich die Fahrt, in
summendem Tröhnen entweichen
Qualm und Tamps der Schlote und
die Herzstücke der Weichen poltern unter
den Rädern ! aufathmend lehnte sich der
soeben Eingestiegene in den weichgepol
stertcn Sitz zurück und nimmt die blaue
Brille ab, die seine Augen verdeckt.
Prüfend betastet seine Hand den mäch
tigcn blonden Pollbart. der ihm Kinn
und Wangen umrahmt und von dem
es uns eigentlich dünken sollte, daß er
nicht recht mit dem so jugendlich erschei
nenden Gesichte harmonirt.
Ter Zug eilte an den Weichcnlater'
nen vorüber, und so oft ein greller Blitz
au? einer derselben den Reisenden ins
Besicht trifft, schließt er geblendet die
Augen.
Ta naht der Schaffner, die Karten
zu revidiren und sofort paradirt die
blaue Brille wieder auf der Nase und
das Gesicht wendet sich so weit als mög
lich ab, um nicht von dem Lichte der
Laterne beschienen zu werden.
Durch die stille Nacht fliegt der Zug
dahin und singt sein eintöniges Lied:
Ra ta. ra ta."
Tem Paffagier, der allein im Coupee
geblieben ist, tritt der Schweiß auf die
Stirn und perlt in großen Tropfen
herab. Der Mann unterlegt der Rä
dermusik einen andern Text, ein Wort,
von dem ihm schaudert.
Und das Wort heißt: Dieb!"
Gnadenlos und ohne Unterlaß
dröhnt's ihm in's Ohr.
Er öffnet das Waggonfenster und
lehnt sich weit hinaus, den kühlen Luft
ström, der ihn umweht, saugt er gierig
in seine Lungen.
Bon der Maschine stieben die Jun
ken und in wirbelndem Tanze trügt sie
der Wind davon.
Droben aber im reinen Aether da
wandelt der Sterne unzählige Schaar.
Trost und Frieden strahlen sie in man
ches gequälte Menschenherz.
Doch nicht in daS einsamen Reisen
den, darin weckt ihr Anblick vielmehr
neue Angst und bleiche Furcht. Er
gedenkt des gestrigen Abends da war
er noch ein unbescholtener Mensch, der
jedem ohne Furcht und Zagen inS Ge
sicht blicken konnte, deffen Ehre nicht
den leisesten Flecken aufwies.
Heute aber?
Eine furchtbare Scham vor seinem
besseren Ich ergriff ihn, wenn ihm sein
geistiges Auge die Geschehniffe des Heu
tigen Tages noch einmal wiederschauen
läßt. Er legt die Hand vor die Augen,
um das Schreckbild zu bannen jedoch
umsonst fast greifbar zeigt sich ihm
die ganze Scene er sieht sich wieder
vor dem offenen Geldschrank seines
Ehcfs. sieht das Geld so verlockend
gleißen !
Ein böser Dämon flüsterte ihm zu:
Nimm, Deinem Herrn bleibt noch ge
nug, der kann den Verlust verschmer
zen. Dir aber ist der Weg zum Reich
thum gebahnt. Die Genüsse des Er
dcnlebens stehen Dir offen." In sei
nen Fingern zuckt es, sie senken sich mit
gierigem Griffe und ein Päcklein Bank
notcn von hohem Werthe gleitet blitz
schnell in seine Tasche.
Und dann entflieht er wie von Furien
gepeitscht, um in seiner Wohnung die
Kleider zu wechseln und einen falschen
Bart, den er einst zum Spaße in einer
lustigen Gesellschaft gebrauchte, der aber
heute dazu dienen muß, in Gemein
schaft mit einer blauen Brille einem
gemeinem Diebe zur Flucht zu verhel
seit, in seinem Antlitz einzubringen.
Draußen blitzten' die Telegraphen
drähte in dem fahlen Mondenschimmer,
riesigen Spinngeweben sind sie vergleich
bar. Ihm ist's, als haschten die Rau
pcn. die in luftigem Sausen draußen
vorüverzutanzen scheinen, nach ihm.
Fahr nur zu. durch uns zuckt der
elektrische Funkte und der ist schneller
als der schnellste Zug. Wir halten
Dich, wir lassen Dich nicht entrinnen,"
fo summen die Drähte.,
Wie ein Blitz leuchtet jetzt das Licht
einer Distanzscheibe in das Auge und
der Zug fährt in eine Station ein. Die
Thür fliegt auf und ein großer, statt
lichcr Herr, dem Exterieur nach ein
Gutsbesitzer, tritt herein und nimmt
dem Reisenden gegenüber Platz. Mit
ruhigen Blicken betrachtet er diesen eine
geraume Weile, bis diesem daS unbe
haglich wird und er sich scheinbar in das
Studium der mondbeglänzten Zauber
nacht vertieft.
Der Fremde scheint ein ganz beson
deres Interesse für den Bart des Mit
reisenden zu besitzen, denn er mustert
ihn eingehend, als ob daran etwas ganz
Besonderes zu entdecken wäre. Auch
scheint er gesprächiger Natur zu sein, da
er mit den herkömmlichen Anfangs
punkten einer Konversation, zwischen
zwei völlig Fremden, die im Leben noch
nie einander gesehen und wahrscheinlich
auch nimmer sehen werden, eine solche
in Fluß zu bringen sucht.
Wohl oder Übel muß sich der andere,
um nicht unhöflich zu erscheinen, dazu
bequemen, von Zeit zu Zeit ein Wort
oder eine Frage einzuwerfen, obwohl er
oazu nicht die geringste Luft verspürt
und den ungebetenen Störenfried am
liebsten zum onenen Waggonfenfter
hinauschleuderte.
Schließlich fragt ihn der noch, meß
Stande? er eigentlich fei.
Der Tefraudant geräth durch diese
Frage in die größte Berlegendeit und
giebt endlich nach einigem Stottern und
Zögern die Erklärung ad, er sei Privfl
tier und befinde sich gegenwärtig auf
einer Vergnügungsreise. Um sich
einigermaßen vor den ihm unangenehm
men Fragen seines Gegenübers zu
schützen, beschließt er. aus der Defensive
in die Offensive überzugehen, d. h. an
statt sich befragen zu lassen, selbst zu
fragen.
Erlauben Sie, welchem Stande ge
hören Sie denn an?" fragte er.
Was glauben Sie wohl?"
Wahrscheinlich sind Sie ein Guts
besitz." v
I bewahrt Gott," entgegnete der
also Declarirte mit seiner bis jetzt an
den Tag gelegten Gemüthlichkeit, da
haben Sie aber weit vom Ziele gefehlt."
Nun, als was darf ich Sie denn
ansprechen?"
Ich bin Polizcibeamter."
Momentane Stille folgte dieser AuS
kunst. AuS dem Antlitz des Fliehenden
ist alle Farbe gewichen und eS gelingt
ihm erst nach mehreren Sekunden, sich
dem tödtlichen Entsetzen zu entlassen und
Gleichmuth und Ruhe zu heucheln.
So, Sie sind Polizeibeamter? Rei
seN'Sie dienstlich oder außerdienstlich?"
Dienstlich. Ich will Ihnen sogar
sagen, in welcher Angelegenheit. Aber
Sie dürfen mich nicht verrathen, waS
ich Ihnen anvertraue. Ich bin beauf
tragt, einen flüchtigen Dieb zu fangen,
der die Kaffe feines Herrn um einige
Tausende erleichterte und nun die offene
See zu gewinnen sucht. Er trägt einen
falschen blonden Vollbart, sowie eine
blaue Brille, und ich vermuthe, daß Sie
der Gesuchte sind."
Ein köstlicher Rcisespaß, den man
da erlebt," lachte der Erkannte heiser
auf. Ta werden meine Bekannten
sich amüsiren, wenn ich ihnen erzählen
werde, daß ich auf meiner Reise für
einen steckbrieflich verfolgten Dieb ge
halten wurde.
Mein Verdacht kann ja allerdings
grundlos sein. Durch Vorzeigen Ihrer
Legitimationspapiere vermögen Sie ihn
übrigens leicht zu entkräften."
Gut, meine Papiere befinden sich in
meinem Reisegepäck, in der Endstation
werde ich.Jhnen selbe zur Einsichtnahme
unterbreiten."
Schön, doch vor der Hand möchte
ich mich überzeugen, ob Ihr prächtiger
Bart auch echt ist. Sie erlauben schon,
nicht wahr?"
Mit diesen Worten greift er nach dem
blonden Barte seines Gegenübers, und
ohne daß dieser es verhindern kann,
reißt er ihm den Bart herab.
Aha, ich dachte mirs, daß ich auf der
richtigen Spur bin, sogar die Narbe am
Kinn stimmt," ruft triumphirend der
Polizist.
Nun ist Alles verloren, die Freiheit,
das gestohlene Geld so sagt sich der
Ertappte.
Doch vielleicht bleibt noch ein Aus
weg am Ende ist der Beamte bestech
lich herzlos scheint er durchaus nicht
zu sein.
Herr." jammert der Tefraudant.
machen Sie mich nicht vollends Unglück
lich. Haben Sie Erbarmen mit mir
und lassen Sie mich entrinnen!"
Ich bedauere, beim besten Willen
nichts für Sie thun zu können. Ich
bin Familienvater, mein Gehalt ist
durchaus nicht glänzend und ich kann
daher dcn Preis, der auf Ihre Ting
festmachung ausgesetzt ist. recht gut ver
wenden. Und schließlich darf ich auch
auf ein bedeutend schnelleres Avance
ment hoffen. Und auf alle diese Vor
theile sollte ich aus reinem Mitleid mit
Ihnen verzichten? Sie sind doch sehr
naiv, junger Mann!"
Aus diesen Worten glaubt der Andere
frische Hoffnung schöpfen zu dürfen.
Wohlan," sagt er und zieht die
Brieftasche hervor, die das gestohlene
Gut birgt Dreitausend?"
Bedauere, das ist viel zu wenig,
wenn ich schon auf Ihren Vorschlag
eingehen wollte."
Viertausend fünftausend
sechstansend?" so fliegen die Gebote in
rascher Folge.
So kommen wir zu keinem Ziele."
unterbricht ihn rasch der Polizist. Dabei
nimmt er dem Versucher die mit Werth
papieren vollgestopfte Brieftasche aus
der bebenden Rechten, um sie hastigen
BlickcS zu durchmustern.
Hier haben Sie tausend Mark, die
reichen zur Reise über den Ocean, das
Andere behalte ich nur als Lösegeld für
Ihre werthe Person. Sie werden
sich doch nicht geringer taxiren wollen?
Entweder Sie erklären sich mit meinem
Vorschlag einverstanden oder Sie sind
verhaftet."
Mit diesen Worten steckt er die Tasche
zu sich, während dem Defraudanten
nichts Anderes übrig bleibt, als die
gemachte Proposition anzunehmen.
Da fährt der Zug in eine Station
ein.
Es wird wohl das Beste für mich
sein, hier auszustehen, nachdem unsere
kleine geschäftliche Angelegenheit in der
besten Weise erledigt ist. Genehmigen
Sie die Versicherung, daß es mir ein
Vergnügen war, Sie kennen zu lernen.
Bevor ich scheide, möchte ich Ihnen
jedoch einen freundschaftlichen Rath
geben, den Sie für die Zukunft beherzi
gen wollen. Sollten Sie hm
wieder einmal in solcher Angelegenheit
reifen, dann hüten Sie sich vor falschen
Bärten, 'denn derlei Dinger können vor
keinem nur einigermaßen scharfen Auge
bestehen. Zudem hat ja auch manch
Anderer in derlei Geschichten ein wenig
prattizirt. Nur durch den falschen Bart
kam ich zu der Vermuthung, daß eS mit
Ihnen nicht ganz fo richtig sein dürfte
und verfiel auf den Gedanken, ein
wenig inS Blaue hinein zu operiren.
Siehe da die Sache lieferte gute und
durchaus nicht erhoffte Früchte. Ich
will nun mein Jncognito Ihnen gegen
über aufgeben und Sie damit vertraut
machen, daß ich selber von Ihrem oder
wenigstens von einem recht nahe ver
wandten Geschäftszweige und nur etwas
erfahrener als Sie bin. Na trösten
Sie sich. eZ fällt kein Meister vom
Himmel, auch Sie werden mit der Zeit
famos arbeiten. Talent ist vorhanden.
das haben Sie schon bewiesen also
leben Sie wohl Herr Eollege!"
Mit diesen höhnischen Worten ergreift
der Gauner sein wenig umfangreiches
Gepäck, um das Eoupee zu verlassen.
Schuft. Gauner, ich will mein Geld
zurück." schreit der Betrogene wild auf.
der zu spät zur Einsicht gelangt, daß er
sich durch einen verwegenen Gauner
inS Bockshorn jagen und um seinen
Raub bringen ließ.
Bitte, keine Eomplimente." unter
bricht ihn der Verwegene in kaltem
Tone, sie beruhen auf Gegenseitigkeit
und eZ ist darum wohl nicht nöthig.
solcheArtigkeiten auszutauschen. Machen
Sie lieber keinen Lärm, damit Nie
mand aufmerksam wird und die ganze
Angelegenheit, die sich bis jetzt dank
Ihrer Vernünftigkeit fo glatt abwickelte,
nicht noch einen für Sie recht unange
nehmen Abschluß erhält. Bedenken
Sie. daß in jedem Falle der Vortheil
auf meiner Seite ist, da mir die Aus
rede bleibt, einem Dieb mit List feine
Beute abgejagt und ihn dem strafenden
Arme der Gerechtigkeit übergeben zu
haben. Ja. ich werde so wahrscheinlich
noch dafür belohnt werden."
Zwei Minuten Aufenthalt," ruft
der Schaffner.
Mit höflicher Verbeugung steigt der
kluge Gauner aus. um im Dunkel der
Nacht zu verschwinden.
Der Zug aber donnert weiter und in
dem Gehirn des Ueberlistcten lebt der
einzige Gedanke: Wird es ihm gelin
gen. der Strafe zu entgehen oder wird
man ihn in dem Augenblicke, da er fei
nen Fuß auf die Planken des rettenden
Schiffes fetzen will, erkennen und ver
haften?
Die kleine Tettenborn.
Novelle! te von yh. Z o e l l i r-L i o n h e a r t.
Wir hatten den Kameraden zu Grabe
getragen. Im klingenden Spiel zog die
Regiments-Musik von dem Garnisons
Kirchhof in der Hasenheide ab.
Wir, die wir zum Regiment gehörten
und dem Freunde die letzte Ehre frei
willig erzeigten, schüttelten uns jetzt
zum Abschied die Hände. Einige der
Offiziere bestiegen die harrenden Wagen,
andere zogen truppweise den Pferde
bahnen entgegen.
Freund Waldow hakte vertraulich
seinen Arm in meinen. Hast du Zeit,
alter Junge?"
Als wenn ein Offizier, der eben den
Dienst quitirt, keine hätte! Zu viel,"
sagte ich mit einem schweren Athem
Zuge. Na, dann laß uns zu Fuß gehen,
willst du? Könnten uns bei der Ge
legenhcit auch mal Berlin von der
Kehrseite anschauen, die wir im Westen
nicht zu sehen bekommen."
Ich war einverstanden. Wir schrit
ten eine Weile an den dunklen, ernsten
Tannen auf weißleuchtcndem Sande
hin, hörten von den Schießständen das
dumpfe Knallen, sahen die Kinder des
Volkes sich von den Sandhügcln kol
lern, spendeten einem Pennbruder"
mit rother Schnapsnase. Ballonmütze
im Nacken und Wollenshawl dreifach
um den schmutzigen Hals gewickelt,
unsern Obolus. Tann durchquerten
wir eine der Seitenstraßen und gelang
ten planlos an die schattige Allee des
Kanals.
Maibachufer" las ich ab. Wie der
Name zu dem lauen Frühlingstage
stimmte! Veilchengeruch in der weich
träumerischen Luft, vermischt mit dem
narkotisch süßen Tust der blühenden
Akazien. Wie Kerzenpyramiden standen
die rothblüthigen Kastanien zwischen
dcn saftgrünen Blättern. Sonst hatte
die Gegend mit ihren Schutt- und
Steinplätzen, dem trägflicßendcn,
schmutzig-grauen Wasser nichts Ver
lockendes. Aber sie war menschenver
laffen und gab zweien, die sich seit
Jahrzehnten nicht gesprochen, Gelegen
heit, sich ruhig auszuplaudern.
Waldow fragte nach diesem und
jenem, der mit uns im Lebensmai
Zimmerkamerad auf der Kriegs-Schule
gewesen. Einen hatten wir just zu
Grabe getragen. Drei machten Kar
riere. Von dem kleinen Feldau wußte
ich nichts.
Aber ich," lachte Waldow. Wir
haben in Mainz eine Zeit lang in einem
Regiment gestanden, als er mal dahin
abkommandirt war.
Schneidiges Kerlchen'" sagte ich.
Hm. Meine Frau wollte nichts von
einem Umgang wissen. Die Feldaus
waren uns zu fein. Paßte nicht zu
unsern Verhältniffen. Jmponirte den
andern aber riesig mit feinem Chik,
Weinkeller und künstlerisch stilvollen
Einrichtung."
Heirathete ja wohl damals die kleine
Tettenborn. daS bildhübsche Radieschen
mit der Viertclmillion?"
Richtig. Schlug alle Konkurrenz
glänzend aus dem Felde mittelst seines
nadelspitzen RiefenschnurrdarteZ und
seiner schwarzen Glasaugen und miß
achtete alle Sticheleien von wegen des
dicken, seligen SchviegerPapas. der
als fliegender Wurfthändler" feine
Militärlieferantenlaufbahn begonnen
haben sollte. Hat ja auch ganz recht
daran gethan. Die kleine Tettenborn
war zum Anbeißen niedlich, ganz wil
lenlos. und fügsam wie ein Kind. Und
ein Kind an Jahren und Unerfahren
heit war sie in der That noch, als er die
kleine Waise frisch au der Pension weg
heirathete und Mein Himmel, was ist
das?"
Wir waren bis zu einer Brücke ge
langt, auf welcher ein dicht zusammen
gedrängter Volkshaufen: Arbeiter.
Frauen mit Umschlagtüchern. Kinder
in Pantinen, über das uns abgekehrte
Brückengeländer gebeugt, in das Was
ser zu spähen schienen. Wir drängt
uns mitten hindurch und hielten Nach
frage, weshalb die Schiffer in dem klei
nen Rcttungs-Boot mit Stangen und
Haken im trübflüssigcr Wasser umher
fischten.
Ehe noch eine Antwort kam. hatten
sie den grausigen Fund gethan. Eine
leblose Frau mit zwei Kindern zusam
mengeschnürt zerren sie an die Ober
fläche bis in'S Boot. Durch die johlende
Masse brachen wir uns Bahn an die
Ufertreppe, an der schon zwei Schutz
leute Posto gefaßt und uns höflich Be
scheid thaten. '
Die Frau habe sich vor ein paar
Minuten, als sie sich unbeobachtet ge
glaubt, mit ihren Kindern da vom klei
nen Steg, der zum Spree-Kahn führe,
hinuntergestürzt. Ein Junge habe das
aber von der Luke deZ KahneS mit an
gesehen und Alarm geschlagen. Ter
Schiffer und feine Knechte hätten sofort
das Rettungs-Boot bestiegen und nach
gesucht. Hoffentlich sei noch Leben in
den dreien.
Sollte man es wünschen? Wer den
dunklen Weg beschreitet, thut ihn nicht
gern zurück.
In diesem Augenblick landete das
Fahrzeug.' Die Schiffer trugen ihre
traurige Last hinauf. Ganze Fluthen
von Waffer strömten aus den Kleidern
und Haaren der Unglücklichen. Einen
Blick auf die schlaff Hingestreckte, an
deren Brust geklammert noch die Kinder
lagen, und wir starrten uns tödtlich er
schrocken an. Aeffte uns eine Aehn
lichkeit. oder spiegelte uns das eben
Besprochene nur eine gräßliche Vision
vor? Ich blickte angstvoll forschend
Waldow an. Er war blaß bis in die
Lippen. Und er starrte wieder mich
entsetzt an.
Es kann nicht sein," suchte er sich
zu überreden. Ader dann beugte er
sich kopfschüttelnd doch herab und suchte.
Und sagte schließlich mit heiserer
Stimme: Sie ist's doch!"
Wir überlegten nur eine Minute
Eine Droschke war rasch beschafft, ein
Arzt in der Nähe. Ein Asyl in der
Nachbarschaft.
Eine halbe Stunde bangen, quäl
vollen Ringens um verebbende Men
schcnleben. Dem Doktor stand der helle Schweiß
auf der Stirn, als er uns endlich die
Rettung von zweien meldete. Das
arme Weib," sprach er voll tiefen Mit
leids. Es war ein hartes Stück Ar
beit für nichts. Die Unglückliche klagte
zuni Herzzcrbrechen über ihre Lebens-
erwcckung. Wenn sie erst weiß, daß
das eine arme Wurm dahin ist, wird sie
sich gar nicht fassen können. Meine
Herren, es giebt Fälle, wo die Pflicht-
gebotene Ausführung unseres Berufes
zur Grausamkeit werden kann. Ein
paar Minuten länger und die arme
Frau hätte so schön geruht nach allem
Elend und Erdenleid, das sie sicherlich
durchgemacht hat.
Waldonis, Frau suchte sie am fol
genden Tage im Kranken-Haus auf.
Lindas Wesen wirkt wie eine Lieb
kosung auf kranke Seelen.
Alles aufgespeicherte Weh und Leid
löste sich auf unter ihrem Zuspruch in
Thränen. All ihren Jammer beichtete
die Frau der theilnehmenden Schwester
feele. Es war die alte Geschichte von der
Schutzlosigkeit der Frau gegenüber der
Pflichtvergessenheit Desjenigen, der das
freie Vcrfügungsrecht und die Macht
hat über das, was ihr gehört.
Lange Jahre hatte sie wie im Halb
schlaf sein üppiges Leben getheilt.
Dann wurden ihr von einem warnen
den Freund die Augen geöffnet.
Ein Herz sich fassend, hatte sie ihrem
Gatten Vorstellungen zu machen ae
wagt; schüchterne Fragen über den
Stand ihrer Verhältnisse, die Anlage
ihres Vermögens.
Kleine Frau, darum brauchst du
dich nicht zu kümmern, das ist nicht
Frauensache," hatte er sie gut gelaunt,
lachend, leichtherzig abgefertigt. Und
sie? Sie hatte sich beruhigt und weiter
in den Tag hinein gelebt und genossen.
Sie verstand ja auch in der That nichts
davon. Kein Mensch hatte sie das ge
lehrt, kein Mensch sie je unterwiesen,
zu hüten, was ihr und ihrer Kinder
war.
Dann wurde er in die Residenz ver
setzt und das tolle Leben schlug immer
höhere Wogen bei ihm.
Sie saß ein'am in ihrem Hause und
weinte.
Eines Tages brachte er Papiere nach
Hause. Mit nervös zitternder Hand
tippte kr auf kink freie Linie. Unter
schreib das!" gebot kr.
Sik blickte fragend zu ihm auf. Er
legtk dik Hand auf ihre Schulter. Sie
hatte kin ie'ühl. als wollk rr sik da
durch niederdrücken. Wik seine Finger
flogen!
Schreibt deinen Namen dahin!"
wiederholte kr mit Nachdruck, während
sie das Schriftstück zu überfliegen suchte.
ES waren ihr Hieroglyphen. Jt
mehr sie einzudringen suchte, desto
weniger verstand sie davon. Sie kam
sich ganz dumm vor.
Nur dcn Namen?" fragte sie.
Auch geborene!" trieb er ungk
duldig.
Sie gehorchte mechanisch. Er riß
ihr eilig das Blatt unter der Hand
fort, bewegte eS gegen den Luftzug,
damit es schnell trocknete, kniffte es und
steckte eS in die Brufttakche.
Was bedeutet das, Achim?" fragte
sie nachdenklich.
Er streichelte gönnerhaft ihre Wange.
Laß nur, Kind, du verstehst es doch
nicht." Und plötzlich, in einer jetzt sel
tenen ZärtlichkeitSanmandlung. beugte
er sich nieder und küßte sie. Achim
von Feldau war trotz seines sündhaften
Leichtsinns eigentlich ein gutmüthiger
Mensch. Die kleine Frau that ihm
vielleicht in diesem Augenblick leid! Er
konnte ja aber nicht anders! Nichts
führte zurück.
Und dann war kr fortgegangen auf
Nimmerwiedersehen mit dem Rest ihres
Vermögens. Und nicht einmal allein,
sondern mit Derjenigen, die ihm so
wacker dabei geholfen, daS Vermögen
seiner armen, schutzlosen Frau durchzu
bringen.
Eine kurze Zeit kämpfte die Ehever
lassene für die Existenz, für ihre Kin
der. Die Erfolglosigkeit machte sie
muthlos. daS wachsende Elend ver
zweifelt. Die letzte Zuflucht aller
schwachen Naturen, die nicht lange
ringen mögen, ward der Schlußakt.
Nach ihrer Genesung folgte natürlich
daS gerichtliche Nachspiel. Die Ge
schworenen aber hatten Mitleid mit
dieser Gebrochenen und sprachen sie frei
des fahrlässigen Mordes.
Neben mir in meinem kleinen Land
Haus in Thüringen lebt eine stille, ge
beugte Frau unter dem Titel meiner
Hausdame, und draußen im Garten
hetzt sich ein wilder, achtjähriger Bube
mit meinem Jagdhund. Mattes Roth
ist allmählich auf das vergrämte Ge
ficht zurückgekehrt, aber in den trauri
gen Augen steht ein schreckliches EtwaS:
jene unergründliche Schwermuth des
Menschen, der schon in die Ewigkeit
geblickt hat.
vergleich.
Gräfin (im Gebirge): Ach, diese
abscheuliche Hitze!"
Führer: Niederträchtig! I schwitz'
schon wia a Sau! Sö a, Frau Gräfin?"
Ein beneidenzmerther Gatte.
Sie: Dein Freund Pannemann hat
mich beleidigt Tu mußt ihn for
dern." Er: Liebes Kind, Du verlangst zu
viel! Von Dir werde ich geschlagen,
durch Dich bin ich schon geschlagen
für Dich soll ich mich noch schlagen!?"
Kindermund.
Lehrerin (in der Rcchcnstunde):
Fritzchen, wenn Du nun ein Mann
wärest und hättest dreitausend Dollars,
Du möchtest Dir aber gern ein Haus
kaufen, das zehntausend Dollars kostet,
was brauchst Du da noch?"
Fritz: Eine reiche Frau!"
Auch ein Vorschlag,
Gatte: Sag' mir, liebe Gattin, wie
feiere ich heute unseren Hochzeitstag auf
außergewöhnliche Weise? Denn Essen
und Trinken genieße ich, wie Tu weißt,
täglich gut und reichlich, da meine Mit
tel es mir erlauben. Gieb mir einen
guten Rath, mein liebes Weibchen."
Gattin: Unter solchen Umständen
wäre wohl das Außergewöhnlichste,
wenn Du heute einmal ganz nüch
tern bliebest."
praktisch.
Was stricken Sie denn da
Schönes. Frau Inspektor?"
Ich mache Ueberzüge für unsere ge
häkelten Sophaschoner!"
Modem,
Sie: Und wann bekomme ich den
Verlobungsring von Dir?"
Er: Sobald ich ihn von meiner
früheren Braut zurückbekomme!"
Schmeichelhaft.
A: Nun, wie war's denn im Ge
fängnisse?" B (der ein Vierteljahr gesessen): O,
das kann ich Ihnen nur bestens
empfehlen!"
Der Ehrliche.
A: Was hast denn da für einen
schönen Maßkrug?"
B: Ja, da hab' ich vorhin in einem
Haus im 4. Stock was z' thun g'habt;
wie i' wieder 'runter geh , seh' i' im 3.
Stock am Fensterbrettl den wunderschö
nen Maßkrug steh'n. Schau', schau',"
hab' i' mir denkt, der schöne Krug;
den nimm' i' glei' mit, sonst wird er
z'letzt noch g'stohl'n!"
Tit Iuk. die ich ei.
Die Tugend, die ich meine.
Für die mein Herz in Brand.
Abhold dem eitlen Scheine
Tragt sie kin schlicht Gewand.
Sik rührt den Sinn der Menge
Mit boldem Reize nicht:
Bus ihrem Aug' blickt Strenge,
Ernst ist ihr Angesicht.
Spat reifen ihre Saaten.
Und karg ist ihr Gewinn.
ES reißen ihre Thaten
Nicht zur Bewund'rung hin.
Nach kwig heil'gen Zielen
Führt sie aus rauher Spur,
Gehaßt, veriolgt von Vielen.
Geliebt von Wen'gen nur.
Wer kühn sich ihr will weihen.
Ter nehme wohl in Acht:
Ihm Lorbeer' zu verleihen.
Steht nicht in ihrer Macht!
Mit schmetternden Fanfaren
Begrüßt ihn nicht der Ruhm
In seinem unscheinbaren.
Selbstlosen Heldenthum.
Sik aber, die er schützet.
Der er sich zugesellt.
Nur sie erhält und stützet
Und trägt dcn Bau der Wclt.
Es ist die Hehre. Reine
Zu höchstem Dienst geweiht
Die Tugend, die ich meine,
Ist die Gerechtigkeit.
SchnZb,sch.
Welches ist der Unterschied zwischen
einer Statue und einem Frischling?
A' Schtatue is a Bildsäule, und a
Frischling is a Wildsäule.
Abgewinkt.
Bertha! Himmlisches Wesen. Du
hast mir mein ganzes Herz gestohlen!"
Aber Ferdinand, wie kannst Du die
Wegnahme eines völlig werthlosen
Gegenstandes als Tiebftahl bezeichnen?"
bedenkliche Antwort.
A: Also Sie sind der Schulz, den
ich vor 20 Jahren kennen lernte?"
B: Ja. ich war damals, als Sie
mich kennen lernten, ein recht einfälti
ger Mensch."
A: Hm, Sie haben sich seitdem gar
nicht verändert."
Immer Fachmann.
Doktor jur. Müller: Was macht
denn unser Freund Huber? Ist er noch
immer Wittwer?"
Dr. jur. Meyer: Nein, er ist wie
der in's Ehejoch und dazu an eine Alte
gerathen."
Doktor jur. Müller: Also Rückfall
unt:r erschwerenden Umständen."
kzerausgeplaht.
Fräulein: Also ich bin wirklich die
Erste, die Sie lieben, Herr Müller?"
Er: Ja, mein Fräulein, ich schwöre
eS Ihnen."
Sie: Gut. dann werde ich Ihnen
ein Rendcz-vous gewähren, werden
Sie aber auch pünktlich sein?"
Er: Mein Fräulein, wag Rendez
vous anbelangt, da bin ich die Pünkt
lichkeit selbst."
Poesie und Prosa.
Sie (im Gebirge): Denken Sie,
Herr Doktor, 2,00 Fuß hoch sind wir
jetzt."
Er: Ach; genau fo viel Tollars
Schulden habe ich."
Verwechslung.
Fräulein: Warum sind Sie denn
auf meine Hülferufe nicht herbeigeeilt?"
Hausbewohner: Entschuldigen Sie,
wir dachten Alle, Sie hätten ge
sungen!" Dienstwillig.
Ich habe Ihnen doch gesagt, Minna,
daß Sie Niemand in die Küche lassen
sollen."
Schön, da werde ich meinen Schatz
also von jetzt ab im Parlor empfan
gen!" Wt die Alten sungen u. s. w.
Tie Mama: Weshalb willst Tu
denn nicht mit zu Gehcimraths gehen,
Lieschen?"
Lieschen: Meine Puppe hat nichts
anzuziehen, Mama!"
Gemüthlich.
Richter: Sie sitzen bereits zum zwei
ten Mal wegen Diebstahls auf der An
klagebank." Angeklagter: Nich wahr, noch 'n
mal, dann is det viertel Dutzend voll."
Beim Diner.
Dame: Herr Doktor, halten Si?
Hummer für gesund?"
Doktor: Bedaure. mein Fräulein,
hierüber keine Auskunft geben zu kön
nen, ich habe noch keinen kurirt."
Im fjotel.
Reisender: Sie rechnen mir da ein
Zimmer mit zwei Betten, ich hatte aber
doch nur ein Bett!"
Zimmerkellner: O, bitte, es waren
zwei Betten, ein Ober- und ein Unter
bett." Das macht's.
Aber lieber Freund, so oft ich Dich
bei Deiner Frau sehe, küßt Du sie. küs
sen und immer küssen, was soll das
heißen?"
Was? Tu scheinst zu vergessen, daß
meine Frau eine halbe Million Mitgift
erhielt!"