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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Oct. 19, 1899)
Tom Soitrillc. fonfro. lt. Htinr, iMoACiü'arcrt). Ungewöhnliche Aufregung herrschte an einem Markttage im Juni des Iah S 1785 m valaiZ. Ter Tag ging zur Neige. Tie Bauern wollten ihre Waaren wieder auf die in einer eilen gaffe zurückgelassenen Wagen laden, als ne zu lyrem Nlqi geringen ccqreacn den Abgang der vor die Wagen p,e spanntkn ösel bemerkten. Alle Welt machte sich, wie einft Saul. auf die Suche nach den schmerzlich vermißten Thieren. Vergeblich durchstreifte man die Strafen der friedlichen etslöt, nir aendS fand man die Verlorengegan genen. Ta strengte die Polizeibehörde die Untersuchung an. Bald hatte sie eS herausgefunden, da ein Haufen von Gassenjungen die IHel bestiegen und unter der Führung eines etwa zehn jährigen Knaben in der Umgebung der Stadt nach oldatenaru manövrm hatte. Allein noch waren weder ösel noch Reiter zur Stelle gebracht. Tiefe hatten sich in einen leerstehenden Wa oenschuvven geflüchtet und dessen Thu ren verrammelt. Unter dem Schutze der Nacht wollten sie da? freiwillig ge wählte Gefängniß verlassen. Ter weise Kriegsrath hatte jedoch einen wichtigen Faktor außer Acht gelassen: Ter Hun ger quälte die Esel, die schreiend ihr Recht forderten. Ter Verrott war be gangen. Ter kühne Anführer zeigte sich nun seiner hohen Stellung würdig. Er ließ feine ttnegsgenoisen noch zur rechten Zeit fliehen und wartete allein das (5nde des Abenteuers ab. Es währte nicht lange, und die Thüren der Remise wurden erbrochen. Tie be org ten Bauern führten freudestrahlend ihre theuren Esel mit sich fort. Der kleine Feldherr konnte sich des Lachens ob der komischen Geberden der Opfer seines Uebermuths nicht enthalten. Plötzlich bemerkte er jedoch die herannahenden Polizisten. Sich aus dem Fenster schwingen. Allen, die ihm nachstellten, entschlüpfen und sich in den Fluß ftllo zen. war daS Werk eines Augenblicks. iscomimmcno erreicyic er giuaucg oas jenseitige Ufer, wo ihn eine belustigte Menge freudig begrüßte. Allein auch die Polizisten waren Zeuge dieser küh nen That.. So wurde denn der Held des Tages vor den Wächter der Ordnung geleitet. Das Berhor begann: ..Wie heißt Du. mein Kind ?" .Tom Souville, mein Herr." Mit diesen Worten zog der Knabe einen Zettel aus der Tasche und überreichte ihn dem Polizeileutnant. Tarauf stand zu lesen: Antoine Thomas Souville, geboren in Calais am 24. Februar 1777. Was hat Dein Vater für eine Bc schäftigung?" frug der Mann der Ord nuna. Mein Vater befördert die Menschen vom Leben zum Tode. Was? Ja wohl! Er ist Arzt. ..Bereu Du Deine That?" Ich bedauere es, diese braven Leute geängstigt zu haben; allem gleichviel, ich habe mich gut unterhalten." Nach ernster Ermahnung und stren gcr Zurechtweisung führte der wohl wollende Polizeileutnant selbst den Knaben zu seinen Eltern, denen er das Vorgefallene erzählte. Noch am Abend wurde im Familien- rathe beschlossen, den lebhaften Knaben, der auch früher schon durch eine un überleaten Streiche den Eltern viel Sorge gemacht hatte, zu einer bcfreun beten Familie nach Dover zu schicken Tom war darob ganz glücklich und die Zeit, die er in der englischen Hafenstadt verlebte, wurde für seine Zukunft von großer Bedeutung. Die freie Zeit ver brachte er stctS im Hafen, mit dem arößtcn Interesse verfolgte er die Uebungen der Segler. Er machte sich mit der Schiffcrsprache vollständig der traut. Mit gespannter Aufmerksamkeit lauschte er den Erzählungen der wcttcv harten Matrosen. So wuchs in des Knaben Seele die Liebe zum Meere auf dem er den größeren Theil seines Lebens unter den schwierigsten Verhältnissen verbringen sollte. Als Schiffsiunae begann Tom im Jahre 1788 auf einem Handelsschiffe seine Laufbahn. Allein das Leben auf einem Kauffahrer konnte ihn für die Dauer nicht befriedigen; fein stets wach sendcr Ehrgeiz drängte ihn, sein Glück bei der Kriegsmarine zu suchen. Er war noch nicht 16 Jahre alt, als er die Stelle eines Rudersteuerers aus einem französischen Kriegsschiffe antrat. Un- gewöhnlichen Muth, die größte Kalk blütigkeit bewahrte er während verschieb denen Seeschlachten, an denen er theile nahm. In der im Jahre 1795 zwischen den Engländern und Franzosen in der Nähe von Brest geschlagenen Seeschlacht wurde er schwer verwundet und. da das Schilt, auf dem er sich befand, vom feinde in Brand geschossen wurde. sammt der ganzen französischen Beman nung nach Portsmouth in die Gefangen fchaft geführt. Tom wollte sich nicht durch sein Ehrenwort verpflichten, kei- nach Calais wurde er vor den Flotten commissür geladen. lern hatte näm lich ein.'S Tages in der Nähe von (Ja lais eine Brigg an der Brandung ßran nen Fluchtversuch zu unterneymen, er erklärte vielmehr, Alles daran setzen zu wollen, uin die Freiheit wieder zu er- langen. Allein nach kurzer Zeit schon wurde er mit den anderen Gefangenen auf Grund einer Convention der Eng lündcr und Franzosen entlassen. In Anerkennung seines Muthes wurde bald nach seiner Heimkehr zum Schisss fähnrich in der französischen Marine er nannt.' Einige Tage nach seiner Heimkehr den sehen, sofort löne er ein Boot los und eilte den Schiffbrüchigen zu Hülie. die er euch glücklich rettete. Tie er befreit halte, waren jedoch französi sche Emigranten, die nach dem miß lungenen Ausstände der Chouans ihr Heil in der Flucht nach England suchten. Tom erkannte die mißliche Lage der Geretteten; er mochte sie nicht dem toben den Meere entrissen haben, um sie nun mehr dem mühenden Feinde auszulie sern. er half ihnen darum, die Fahrt fortzusetzen. Teshalb wurde er nun ur Verantwortung gezogen. Auf die Frage, warum er die Vatcrlandsfcinde bade ent chlupsen lallen, antwortete er ärgerlich: .Wenn ich auf dem Meere verunglückte Leute retten will, schlage ich nicht erst das Gesetzbuch auf, son dern trachte einzig und allein, sie in Sicherheit zu bringen. Wenn Sie sie wieder fangen wollen, um an ihnen das Gesetz anzuwenden, so laufen Sie ihnen doch nach. . Ter Commisiär besänftigte ihn und theilte ihm mit. daß er sich auf Befehl der Admiralität nach Paris zu begeben habe, um sich dort zu rechtfertigen. Tom erschien vor dem Staatsrathe, auf den sein offenes, freimüthiges Auftreten einen guten isindrua yervorvracyie. und sein Vergehen wurde gebilligt. Von weit größerer Bedeutung für fein weiteres Leben war eS jedoch, daß ihm die Ausstellung eines Kcpcrbriefcs, der ihn berechtigen sollte, Freibeuterei zu treiben, in Aussicht gestellt wurde. Nun konnte es Tom Souville nicht schwer fallen, in Calais einflußreiche und geldlräftige Männer für seine Pläne zu gewinnen. Tie Brüder Re- nard, die vornehmsten Bankiers von Calais, rüsteten ein Kaperschiff aus. das faktisch dein Befehle Tom's, nach dem er aus dem Staatsdienste entlassen war, unterstellt wurde, wenn er auch nur den Titel eines Schiffsleutnants führte; die Capitänswürde konnte er nicht bekleiden, da er die vorgcschrie denen Prüfungen nicht abgelegt hatte. Nun war Tom in feinem Element. Ohne Unterlaß fügte er dem Feinde England befand sich mit Frankreich im Kriegszustande Schaden zu. Glück- lich wendete er die selbst gesuchten und selbst heraufbeschworenen Gefahren ab, von Tag zu Tag nahm der Glanz seines Namens zu, ward seine Macht gefürch teter. Er machte den Canal la Manche für die englischen Handelsschiffe un er. Mit freigebiger Hand vertheilte der glückliche Corfar die Früchte seiner kühnen Streifzüge, gar oft der eigenen Zukunft vergessend In einer Januarnacht 19 griff Tom Souville in der Nähe von Briqhton ein englisches Schiff an; in der tiefen Dunkelheit vermochte er nicht zu erken nen, daß er den Kampf mit einem Kriegsschiffe aufgenommen hatte. Der ungleiche Kampf war rasch beendet Tom s Kaperschiff fiel mit ammt der Bemannung in Feindeshand, nachdem eS vom Geschützfeuer arg mitgenommen war. Tom sorgte für die Rettung fei- ner Leute, und erst, als er alle geborgen wußte, verließ er sein sinkendes Schiff. Er nannte dem feindlichen Kapitän sei nen Namen und dies genügte, daß die ser sich bereit erklärte, ihn als Gcfan- genen auf Ehrenwort zu behandeln. Kapitän," antwortete Souville, ich kann Ihnen nur versprechen, daß ich die erstbeste Gelegenheit zur Flucht benutzen werde. Bewachen Sie mich also!" Daraufhin wurde er scharf beobach- tet. Er wurde mit seinen Matrosen im Zwischendeck untergebracht, nach Ports mouth überführt und daselbst mit sei- nen schick alsgenotten aus emem Ge- fanqenenschiff intcrnirt. Das war eine traurige Stätte des Elends; in einem engen, luftlosen Raum, den Unbilden des Wetters ausgesetzt, kaum mit der nothdürftigsten Nahrung versehen, waren die unglücklichen Gefangenen zu sammengepfercht. Tie Flucht war, wenn es dem kühnen Flüchtling schon gelungen wäre, von dem Schiffe zu entkommen, mit den größten Gefahren verbunden, denn der Weg zum Ufer führte über einen grundlosen Morast, von dem der Flüchtling in den meisten Fällen verschlungen wurde. Zahlreiche Skelette der bedauernswcrthen Opfer dieser unmenschlichen Behandlung wur den zur abschreckenden Mahnung den Gefangenen der Pontons gezeigt. Als der iunge Tom den schrecklichen Kerker betreten hatte, wurden ihm die Folgen des Fluchtversuchs mit aller Deutlichkeit geschildert; man knüpfte daran die Frage, ob er noch weiter an Entweichung denke; er erwiderte, man möge ihn nur bewachen, denn er werde seinen Vorsatz ausführen. Wochen waren vergangen, ohne daß sich die geringste Aussicht auf die Mög lichkeit der Flucht eröffnet hätte. Ta trat unerwarteter Weise ein Ereigniß em, das die Hoffnung des Gefangenen neu belebte. Ein srarnö t ches Schilf war mit englischen Gefangenen, die gegen französische ausgetauscht werden sollten, in Portsmouth angelangt. Unter den zur Heimkehr bestimmten war Einer, der vor seiner Abreise Tom ein Loch zeigte, das er an der Seiten wand seiner Zelle zu bohren begonnen hatte; er übergab ihm auch die Werk- zeuge, deren er ich dei die er Arbeit oe- dient hatte. Tom leuchtete ein heller Hoffnungsstrahl; es gelang ihm die Zelle seines dienstwilligen, nun glück-. kicheren Schicksalsgenossen zu erhalten. Er machte sich sofort an die Fortsetzung der Vorbereitungen zur Flucht. Sechs Wochen hindurch arbeitete er allnächtlich an dem mühseligen Werke allein trotz allcdem schien der Augen blick, der ihm die Freiheit dringen sollte, noch ln weite yenie gerückt zu sein. Ta machte er eines Tages die Bekannt,chaft des Matrosen Will. Ra?ch war die Freundschaft zwischen ihnen geknüpft. Von dieser Seite sollte nun !o,n die Rettung kommen. Eines Morgens brachte Will seinem Freunde, der noch an der Arbeit war, die Tages ration. Tom siel dessen verstörtes Ge sicht auf; theilnahmsvoll fragte er ihn nach der Ursache seines Kummers, Will berichtete ihm, er habe von Haufe die traurige Kunde erhalten, daß man feine kranke Mutter deloqiren wollte. weil sie den Miethzins nicht bezahlen könne. Tom empfand mit feinem Freunde Mitleid. Er trennte das Fut ter feines RockcZ auf und zog daraus eine Anweisung auf 10 Pfund Sterling hervor, die er seinem Freunde übergab. Will war stumm vor freudiger Auf regunq; er benetzte Toms Hand mit seinen Thränen. Allein wie erstaunte Tom, als Will von diesem Tage an immer kälter zu ihm wurde; ja Will beantwortete von nun an Tom's Fra gen kurz und brüsk. Tom wußte sich dieses Benehmen fei- nes Freundes nicht zu erklären; bald sollte er jedoch eine noch traurigere Er- fahrung machen: Will war plötzlich vcr- schwundcn und kurze Zeit danach erschien in Toms Zelle eine Commission, die ihm die Mittheilung machte, er sei von Will denuncirt worden, daß er die Schiffswand angebohrt' habe. Tie Zelle wurde untersucht und die Anklage er- wies sich als begründet. Tom wurde vor ein Kriegsgericht gestellt. Er leug ncte seine Schuld und erklärte, der frühere Bewohner der Zelle habe die Vorbereitungen zur Flucht getroffen. So zog er sich aus der Affaire. Er wurde jedoch in eine andere Zelle ge- bracht, m die das Tageslicht nicht drin- gen konnte und schärfer bewacht. Trotz alledem verließ ihn das Vertrauen auf einen Glücksstern nicht. Eines Morgens, er lag noch auf sei- ner Pritsche, fiel ihm ein schmutziges, zusammengefaltetes Papier in dieHände. Er steckte es zu sich und benutzte während des Spazicrgangcs auf dem Verdeck des Schiffes einen günstigen Augenblick, um den Zettel zu lesen: Alles ist für den 15. April bereit, die Fluth steigt um Mitternacht." Ties konnte Tom entziffern. Es war ihm sofort klar, daß einer seiner Freunde seine Befrei ung plane. Bis zum 13. April blieb er jedoch im Unklaren, wie dies bemerk- stelllgt werden könnte. In der Nacht dieses Tages bemerkte er endlich an der Schiffswand seiner Zelle einen kleinen Spalt, er untersuchte ihn und fand, daß die nöthigen Vorbereitungen ge troffen waren. Geduldig wartete er bis zum bezeichneten Augenblicke. In der Nacht des 15. April entfernte er die Bretter an der, bewußten Stelle; bald drang das Wasser in seine Zelle, er stürzte sich ins Meer und schwamm mit allen Kräften dem Festlande zu. Ta bemerkte er am User ein uü)t, in dessen Richtung schwamm er nun; schon ergriff ihn Mattigkeit, allein er setzte alle seine Kräfte ein. bis er endlich festen Boden unter sich fühlte. In diesem Augenblicke hörte er von dem nahen Kirchthnm vier Uhr schlagen. Er ruhte ein wenig aus und schlief ein. Toch kaum hatte er seine müden Augen ge schlössen, da wurde er heftig aus dem Schlafe gerüttelt. Ein englischer Ma- trose hielt ihm eine Lampe vor's Ge- sicht. Tom kannte den Mann nicht und glaubte, daß er entdeckt sei. Er wollte sich zur Wehre setzen, doch der Matrose gebot ihm, den Finger an den Mund legend, Stillschweigen. Tom erhob sich und folgte dem ihm unbekannten Mann. Nach wenigen Minuten stan den sie vor einer Fischerhütte; sie traten ein. Zu feiner großen Ueberraschung sah sich Tom seinem Freunde Will ge- genuber. Nun war ihm Alles klar. Will war sein Retter. Tom wechselte die Kleider, ließ sich von Will das Haar abschneiden und zog nach wenigen Wi nuftn weiter. Aber noch galt es, große Gefahren zu bestehen. Tom überwand sie alle und kehrte nach vielen Abenteuern endlich in seine geliebte Vaterstadt Ca lais zurück. Nur kurze Zeit widmete er der Ruhe. Um selbständig das, Kommando eines Schiffes als Kapitän übernehmen zu können, vertiefte er sich so schwer es ihm auch fiel, in das theoretische Studium seines Faches; nicht lange darnach er hielt er den gewünschten Rang. Als Napoleon durch die Continental- sperre England auch materiell zu Grunde zu richten be chlo en hatte, war die rechte Zelt der Corsaren gekommen Wie hätte Tom jetzt seine Abenteuerlust unterdrücken können? Er unternahm wieder seine kühnen Züge zum Schrecken der Engländer, denen er unendlichen chaden zufügte. Allein indem er sich von seiner unbezähmbaren Lust nach Abenteuern leiten ließ, fiel er wieder das drittemal in die Hände der Feinde. Es begann nun wiederum eine traurige Zeit für ihn. In dem dumpfen, ge sundheitsschädlichen Raume eines Pon tonschiffes wurde er in strenger Haft ge halten. Er verzweifelte auch diesmal nicht; er suchte nach den Mitteln zu Flucht. Unter den Gefangenen fand er einen gleich entschlossenen Gesinnung genossen, den Arzt Havas. Rasch war der Plan gefaßt. Mit der größten Ausdauer wurden alle Hindernisse be seitigt. Alles war auks Beste vordcrei tet. Im strengsten Winter stürzten sie sich in die eisigen Meeresfluthen. lom war jedoch noch kaum einen Klafter weit geschwommen, da wurde auf dem Pon tonschiff Alarm geblasen; er wurde so fort verfolgt und bald sammt seinem Gefährten wieder festgenommen. Tie Schuldigen wurden nun in den Kerker de Pontons gebracht. Jetzt schien es. daß ihr Schicksal besiegelt sei. daß sie nie wieder die Freiheit erlangen wür den. und die Verzweiflung bemächtigte sich ihrer. Im Mai des JahreS 1809 sollten nach einem Ucbereinkommen der fran zösischen und englischen Regierung die Gefangenen ausgetauscht werden. Tom Souville und der Arzt Havas jedoch waren als Freibeuter davon ausge schloffen. Kaum war diese Nachricht zu ihnen gedrungen, da hatten sie auch schon den Weg zu ihrer Rettung gefun den. Zwei von den zur Auswechselung bestimmten Soldaten wurden von ihnen gegen eine ansehnliche Geldsumme dafü gewonnen, daß sie mit ihnen die Rollen tauschten. Unter Beobachtung der groß ten Vorsicht wurden gegenseitig die Kleider gewechselt, und so gelang es ih nen in der That, mit den übrigen Ge fangcncn daS Festland zu betreten; doch im letzten Augenblick erkannte, sie der Kommandant des Schiffes und vorüber war der schöne Traum. Eine Zeit neuer Prüfungen begann für sie. Au zwei verschiedenen Gcsangenenschlften wurden sie intcrnirt. Nach sechs Tlo naten jedoch befanden sich Beide wieder auf demselben Schiffe, von dem sie sich glücklich flüchteten, durch die Frau des Kapitäns begünstigt. Noch hatte sich Tom ouville von den vielen Leiden und schweren Mühen in seiner Vaterstadt kaum ausgeruht. da dachte er schon wieder daran, da! Komniando eines Kaperschiffes zu über nehmen. Vergessen waren die Schrecken der Vergangenheit, die Noth der letzten Zeit, die Entbehrungen und Trangsale der harten Gefangenschaft. Tle Engländer sollten theuer bczah Icn. was sie ihm zugefügt, das war ein streben. Er grin ihre öanöcis chiffe an und fugte ihnen großen chaden zu; mehrere führte er 1 Beute in französische Häfen. In An- erkcnnung seiner Verdienste ernannte ihn Napoleon April 1812 zum Kommandeur der Ehrenlegion. Allein em Waqcmuth stürzte ihn wieder ins Verderben; er qerieth zum vierten Mal in die Hände der Engländer. Wieder begann für ihn eine schwere Leidenszeit auf einem unheimlichen Pontanschiff der Engländer. In einer ergreifenden Erzählung, die der kühne Corsar per sönlich Eugen Sue auf deffen Bitten zum Besten gab und die der bekannte französische Romanschriftsteller gewissen haft verwerthet hat, liest man mit stets wachsender Theilnahme die Leiden und Kämpfe Tom Souvilles und die ans Wunderhafte grenzenden Abenteuer, die er bis zu seiner mit schweren Mühen er langten, selbst durchgeführten Be freiung zu bestehen hatte. Und gleich wohl ließ er von seinem bisherigen Leben nicht ab, er suchte nach wie vor den Kampf gegen England und legte die Waffen erst im Jahre 1814 nieder, nachdem der Friede zwischen Frankreich und England geschlossen war. Tie Rolle der Corfaren war hiermit ausge spielt; sie mußten friedlicher Beschäfti gung nachgehen. So schwer es ihnen auch fiel, sie gewöhnten sich mit der Zeit daran. Auch Souville lenkte in friedliche Bahnen ein, und da er trotz seiner großen Erfolge nur ein unbedeu tcndcs Vermögen erworben hatte 'und erst 38 Jahre zählte, nahm er die Stelle eines Kapitäns auf dem zwischen Tover und Calais verkehrenden Poftschiffe an und behielt diesen Posten bis wenige Jahre vor seinem Tode. Er trat aber guch in den Tienst der Humanität, in- dem er die, Verwaltung mehrerer Wohl thätigkeitsanstalten seiner Vaterstadt übernahm und die Interessen seiner engeren Heimath auch isonst förderte. Allgemein geachtet, von seinen Mit bürgern beweint, starb er am 31. Dezember 1839. billige Einkäufe. Häusliche Tkizze von Anna von, Straiidc. Das Born'sche Ehepaar sitzt beim Morgenkaffee und liest die eben einge- troffencn Morgenzeitungen. mau. ina kümmert sich wenig um Politik, sie blättert die Anzeigen durch, Geburten und Sterbefälle, da fällt ihr Auge plötzlich auf ein buntes, umfang reiches Inserat, sie staunt, liest und ruft entzuckt aus: Höre nur, Egon, wie fabelhaft bil- lig dieser Ausverkauf in der Alexander Straße ist." Das wird wieder Schwindel sein," erwiderte ihr Gatte. Schwindel, ach nein! Sie nur ele- gante seidene Kleider 3040 Mark, so billig habe ich noch niemals ein Kleid gekauft, da muß ich gleich heute Vor- mittag hm." Kind, Tu weint, ich habe Nach- mittag Sitzung und muß pünktlich essen. Die Alexanderstraße ist so weit hin aus." ' Es ist jetzt 8 Uhr Morgens, ich habe also reichlich Zeit," antwortete sie fröh-lich. Pünktlich um 1 Uhr kehrte Herr Born zum Essen heim, wenige Minuten spä ter kommen auch die beiden Kinder auS der Schule. Alle Drei sind hungrig und erfahren zu ihrem chreckcn. da& Frau Vina noch nicht heimgekehrt ist. Die Kochin ist rathlos. sie kann das Essen nicht fertig stellen, denn Frau Lina wollte ihr daS Nöthige dazu um 12 Uhr herausgeben. Nachdem eine Stunde gewartet wor den ist und der Papa die hungrig Kinder nur mühsam beruhigen kann laßt er endlich die cuvre bringen. Ta rasselt eilig eine Troschle heran Frau Lina, scuerroth im Gesicht. er scheint gleich darauf athemlo? in der Thür, gefolgt vom Kutscher, der ih eine Anzahl KolliS und Schachteln nachtragt. cielj. was ,ch mitgebracht Alles rasend billig!" rust sie triumphi rend. ib uns zunächst ei,en. Lina, wir warten schon lange und die Kinder hun gern." Eilig stürzt Frau Lina in die Küche um saure ahne zum Braten und Kom pot herauszugeben, die Köchin ja in mert. daß die Kartoffeln gestanden ha den und die Sauce, wenn der Herr nicht warten will, zu kalt hereinkommt Egon, wollen wir nicht etwas war ten, bis das Etl.ni ordentlich fertig ge stellt ist ?" unmöglich, liebes Kind, ich musz um 3 Uhr zur Sitzung," statt daß wir um I Uhr essen wollten, ist es schon zwei." Aber dafür habejch auch fabelhaft billig eingekauft!" Hast Tu denn aber Bedarf für alle diese Sachen? Tu hast wohl den halben Laden aufgekauft ?" O, es ist ein entzückender Bazar, alles, was man nur braucht, ist dort Eilig wird das wenig schmackhafte Essen von Papa und den Kindern Der tilgt, Frau Lina aber ist zu heiß und aufgeregt, um überhaupt essen zu kön nen. Nach Tische, als Herr Born gegan gen, honen die Kinder, Mama werde. wie gewöhnlich, einen Spazicrgang mit ihnen machen, aber die arme Frau ist völlig erschöpft von der Arbeit des Vov mittags und bedarf eines Schlafchens, das sich ziemlich lange ausdehnt, sehr zum Kummer der sich selbst überlassenen Kinder! Pünktlich zur Theestunde kehrte Herr Born zurück und Man Lina begrüßt ihn lebhaft, in froher Erwartung seines Staunens über ihre segensreiche Vor mittagsarbeit: sie packt also die bisher unberührt gebliebenen umfangreichen Packcte aus. Zuerst entnimmt sie denselben einen allerdings sehr eleganten Umhang, der beispiellos billig und chic" ist, wie sie triumphirend bemerkt. Aber paßt er Tir denn," fragt der Gatte. O, ich habe eine Nomalfigur, da paßt Alles." Probire doch einmal." Leider zeigt es sich, daß dieses Pracht- stück nur einem halb erwachsenen Müd- chen passen würde. O, das wird sich leicht andern las en, ' ruft man Lina, aber sich hier. Dutzend schwedische Handschuhe für 0 Mark, während sonst jedes Paar 4 Mark kostet." Aber Kind, was willst Tu denn mit zwei Dutzend anfangen, so lange blel- den sie gar nicht modern." Dabei öffnete Herr Born die wohl- verpackte Handschuhschachtel, die beiden obersten Paare sind tadellos, der Rest aber ist schlechte, fleckige, verlotterte Waare, die wahrscheinlich schon einmal getragen, und neu aufgearbeitet wurde, jedenfalls völlig werthlos ist. Mit den Handschuhen bist Tu schön hereingefallen, Lina, denn Tu haft für zwei Paar 10 Mark ausgegeben, ein herrender Preis, der Rest ist einfach un- brauchbar." mau Lina ist etwas betreten, erholt sich aber schnell und packt fröhlich ein eidcncs Kleid aus, das, unglaublich aber wahr, nur 30 Mark gekostet hat. Ader Lina," rust ihr Gatte entsetzt, die Farbe würde für eine Großmutter passen, Tu kannst das Kleid ja gar nicht tragen." Im Laden, der freilich merkwürdig dunkel war, sah es ganz anders aus und der Kaufmann sagte, die Farbe wäre de onders chic sur iunge Frauen." Herr Born lacht laut auf. Ich fürchte mich wirklich vor weite- ren Entdeckungen." Tas brauchst Tu nicht, Herzens- mann. (ieh hier, die e entzückende Puppe für unser Lenchen. ganz in Sammt und Seide gekleidet und für Bruno diesen kleinen Handwerkskastcn, unglaublich billig und nett, kostet beides zusammen nur 2 Mark. Tich habe ich auch nicht vergessen, ich bringe Tir Zimmtkuchen zum Thee mit. die Tu so liebst." Tie Kinder springen jubelnd herbei und begrüßen ihre Geschenke. Nun habe ich noch Kanten, Bänder, Taschentücher und ein Brod mitge bracht, das ganz besonders schmackhaft sein soll, aber 5 Pfennige weniger kostet, auch 2 Pfund Kaffee, denn er kostet 1,20 Mark das Pfund, während ich hier 1,60 Mark geben muß, ach, es ist ein herrliches Geschäft, wo man Alles und Jedes ganz wundervoll kau fen kann, schade, daß es so sehr weit ist." Herr Born stöhnt nur noch. Tie Zimmetkuchen würden gut sein, wenn sie nicht durch zu langes viegen Geschmack und Geruch von Stoffen und Lcder angenommen hätten, dasselbe gilt vom Brod, der ttassee ist ovcn aus schön und gut, innen ist es aber Bruch- kaffee, den man freilich gebrauchen kann, dessen Werth aber doch gering, mit dem geforderten Preise vollauf be zahlt ist. abgesehen, daß doch immer sin Betrug verübt wurde." ' Unterdessen haben sich die Kinder mit den S vielfachen vergnügt, bis herz brechendes Weinen die Eltern erschreckt. .Mama, die Puppe hat ja gar keine Beine." schluchzt Lenchen. .Keine Beine?" ruft Frau Lina. Unmöglich." Ader eS ist wirklich fo. die Puppe hat gar keinen Balg, sondern ein schön aussehender Kopf aus Pappe, also nur für den Augenblick berechnet, war in ein Knäuel Zeug. daS mit Plüsch. Per len und Flitter benäht, hineingestopft, also höchstens 25 Pfennige werth, wah rend die Puppe I Mark kostete. Brune. der sein Handwerkszeug fleißig probirte. hat schon fast AllcS zerbrochen; auch dieses Spielzeug war völlig wcrthlos. also viel zu theuer de zahlt. Ich begreife nicht, wie daS möglich ist," meint Frau Lina. eS sah AlleS brillant aus. sehr viele Menschen kauf ten dort und jedenfalls habe ich un glaublich viel für mein Geld erhalten.- Möchte Tir das doch endlich zur Warnung dienen, Lina, daß man nicht billiger und dabei noch brauchbar ein kaufen kann, als der Marktpreis der betreffenden Waare zur Zeit ist. Tu hast über 40 Mark ausgegeben für hen. die Tu eigentlich gar nicht brauchtest und nicht einmal verwenden kannst. Tas ist gar nicht billig ge kauft, sondern einfach Verschwendung. Aber Egon." ruft Frau Lina ent rüstet. Ja wohl. Verschwendung fährt ihr Gatte fort. Was hast Tu über Haupt von der ganzen Sache? Tu hast Tich matt und müde gelaufen, eine Troschke verfahren, die ganze Hausord nung umgestoßen, alles ungemüthlich gemacht, hast selbst vor Erschöpfung nicht einmal Mittag essen können, nur um in der Alcxandcrstraßc etwas zu kaufen, waS Tu hier in der Nähe genau gut. bequem und ohne Zeitverlust hättest haben können. Versprich mir, nicht mehr überall nach billigen Ein käufen zu spioniren, die jedes Mal enorm theuer sind. Tu mußt doch zu geben, daß Tu gründlich hineingefallen bist." Frau Lma schweigt. Sie gesteht nie mals einen Irrthum ein und bemerkt nur weise: Es kann nicht alles vollkommen 1 ein. Aber im nächsten billigen Ausverkauf st sie doch wieder zu finden. Eine kostbare Tapete. Taß ein Mensch im Besitz vieler Mil lionen fein kann, ohne eine Ahnung von seinem Reichthum zu haben, das klingt etwas unwahrscheinlich. Und doch traf dieser Fall auf einen Mann zu, der heute einer der reichsten Minen könige Südafrikas ist. Vor noch nicht langer Zeit mußte dieser Krösus tV" Schweiße seines Angesichts harte Tage löhnerarbeit verrichten und konnte trotz aller Anstrengungen nicht so viel der dienen, um sich und seine Familie vor Noth zu schützen. Er gehörte zu jenen Engländern, die vor vielen Jahren auswanderten, um in den ersten im Süden des dunklen Erdthcils eröffneten Goldminen ihr Glück zu versuchen. Wie die Mehrzahl feiner Gefährten er hielt er seinen Lohn nur thcilweise in baarcm Gelde ausgezahlt, die weitaus größere Hälfte mußte er in Form von Antheilsbescheinigungen, die für ihn nicht viel mehr als werthlose Streifen Papier waren, in Empfang nehmen. Als der Ertrag der Minen Jahre lang nur sehr gering blieb, da wurde er der Sache überdrüssig, packte sein bescheide- nes Bcsitzthum zusammen und siedelte mit Weib und Kind nach einer anderen Gegend über. Seine Frau hatte die von ihrem Mann Papiere der Minen sorgfältig anfgehoben, eignetes Material zur klebte sie mit diesen heimgebrachten Company stets und da kein ge- Hand war, be Antheilbescheini- gungen und alten Zeitungen die kahlen Wände ihrer elenden Hütte. Tem ehe maliqen Goldgräber erging es immer schlechter, und eines Tages, als die Leute nicht mehr wußten, wovon sie satt werden sollten, erhielten sie den Besuch eines frisch von England gekommenen Aktionärs. Ter Mann hatte zufällig von der seltsamen Tapete des armseli gen Tagclöhnerhäuschens gehört, und als er diese genauer inspizirt hatte, bot er dem verblüfften Ehepaar eine kolos- fale Summe für die rauchgeschwärzten Papierstreifen. Tem Besitzer der eigen- artigen Wandbekleidung ging sofort ein Licht auf. Ohne auf das Änerbie ten des Fremden einzugehen, zog er Er kundigungen ein, und da stellte es sich heraus, daß er feit Jahren ein mächti ger Theilhaber einer der reichsten Gold mincn des Rand war. Obwohl Mr. W längst vielfacher Millionär ist, hat er nie wieder eine so kostbare Tapete angeschafft, wie er sie als nothlcidender Arbeiter besaß. Tie best Frau. Tie besten Frau'n fo sagt ein Spruch, Ter Viele wohl mag bestechen Sind allemal die, von welchen die Leut' Am allerwenigsten sprechen. Ich aber sage selbst auf die G?fahr, In Wespennester zu stechen Tie besten Frau'n sind allemal die. Tie s e l b st am wenigsten sprechen.