Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 05, 1899, Image 9

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    I
Das Gastmahl dcs !113rjrs.
ZZon 't0lg ? u 1 1 o r..
tf in Klingelzeichen
No. 10 Polizciamt -
Hier Inwckwr Osborne wer
dorr?'
Buchhalter Miller vom Haute Henry
6. Smith. f.. Avenuk 11."
.WaZ giebt tif
Eine schreckliche That ist soeben eilt
deckt worden. Mr. Smith liegt todt in
seinem Bett !"
.Also ein Selbstmord?"
.Nein ein Mord! Der Unglückliche
ist erstochen worden."
Weis; man etwa? über den Thäler?"
Nein, gar nichts."
Wer hat die Leiche gefunden?"
Die Haushälterin Miß AertenS "
Wann?"
Soeben. Es fiel ihr auf. daß Herr
Smith, em großer Frühaufsteher,
heute Morgen gar nicht zum Vorschein
kam. Als die Uhr endlich die achte
Stunde zeigte, ward es ihr bange. Sie
horchte wiederholt an der Thür alles
todtenstill. Sie pochte keine Ant.
wort. Im Begriff, hinuiitcrzucilen,
um im Comptoir Rath und Hülfe zu
suchen, drückt sie zufällig die Klinke
zu ihrem Erstaunen giebt diese nach,
wahrend sich der alte Herr sonst stets
Eingeschlossen hielt. Neugierig wirft
4 sie einen Blick in das Gemach großer
Gott, was erblickt sie? Herr Smith
liegt todt neben seinem Bett, mit Blut
bedeckt, das ganze Bett ist mit Blut ge
tränkt. Schreiend lief sie hinweg, um
' im Comptoir die Schreckensbotschaft zu
verkünden wir folgten ihr hinauf
r.nd fanden Alles bestätigt."
Gut, ich werde sofort kommen,"
lautete der Bescheid deS Inspektors.
Schließen Sie da? betreffende Zimmer
ad, lassen Sie Niemand hinein.
Schluß."
Etwa eine Viertelstunde später er
schien der Polizeiinspektor im Hause deZ
Verbrechens. Ohne Säumen betrat er
mit dem ihn begleitenden Arzte und
einem Polizeidiener das Schlafgemach,
während mehrere andere Beamte das
vor dem Hause versammelte Publikum
vom Eindringen abhielten. Inspektor
Osborne fand AlleJ fo, wie der Buch
Halter es beschrieben.
Mr. Smith, ein alter Junggeselle
von beinahe 70 Jahren, der aber noch
sehr rüstig und arbeitskräftig gewesen,
war durch mehrere Messerstiche in die
Brust getödtet worden. Der Todte
schien im Schlafe überrascht worden zu
sein, denn er hatte sich nicht zur Wehr
, gesetzt. Erst als er die todtlichen Wun
"del7 erhalten hatte, schien er aus dem
Bett gespiungen zu sein, wahrscheinlich
watr daneben zusammengebrochen.
Hülferufe hatte die Haushälterin nicht
gehört; außer ihr befand sich Niemand
im Hause. Im Zimmer befanden sich
mehrere mit Blut besudelte Stellen,
Blutstropfen waren umhergespritzt.
Das Leben war schon seit mehreren
Stunden aus dem Körper entflohen.
Das offene Fenster deutete den Weg an,
dessen sich der Mörder bedient; die von
, innen erschlossene Thür zeigte, daß er
zwar durch das Fenster eingestiegen sei.
zum Verlassen des Hauses aber den
natürlichen Weg gewählt habe.
Mr. Osborne sah zu dem noch offen
stehenden Fenster hinaus eS führte in
einen engen Hof hinab. Eine Dach
rinne zog sich direkt neben dem Fenster
hin, an welcher ein gewandter Turner
mit Leichtigkeit emporzuklimmen ver
mochte. Das Zimmer des Todten lag
im ersten Stockwerk. Der Hof stand
mit ein paar anderen Höfen in Ver
bindung, fo daß man sehr wohl von
der Straße aus dorthin gelangen
tonnte.
Fanden Sie die Hausthür heute
früh offen?" fragte der Inspektor die
Haushälterin.
Miß Mertens verneinte. Verschlos
sen. wie immer."
.Wenn der Mörder aber durch diese,
wie die offene Schlafftubenthür zu be
weisen scheint, das Haus wieder ver
lassen hat, so mußte er einen Nach
schlösse! besessen haben?"
Miß Mertens, mit noch vom Weinen
! geröiheten Augen, zuckte die Achseln.
Befaß er diesen aber, wozu die
mühevolle Kletterei?"
Inspektor Osborne sah sich im Zim
mer um.
.Nichts in Unordnung, nichts ent
wendet ein Raubmord liegt nicht vor.
Vielleicht ein Racheakt? Kennen Sie
eine Person, welche dem Todten feind
lich gesinnt war?"
Die Haushälterin schüttelte den Kopf.
Wer hätte ihn hassen sollen, der so gut
und mildtbätia war?"
i -Öder hatte sonst jemand an seinem
Tode Interesse?"
Weder Miß Mertens noch der Buch.
Halter gaben eine Antwort.
Wer ist der Erbe des Ermordeten?"
Sein Neffe. Mr. Joe Silvan."
I Wo ist er?"
In Philadelphia in einem Bankge-
schüft."
4 :i Wie stand er sich mit feinem On
l lel?"
! Beide liebten einander schr." er-
- widerte Miß Mertens schluchzend. Joe
ist ein braver junger Mann, der seinen
alten Onkel über Alles achtete und der.
ehrte."
Hat man ihn benachrichtigt?"
sofort." .
Der Buchhalter näherte sich dem In I
spektor und flüsterte in vertraulichem
Tone:
Der Todte hat noch einen Erben,
x
Jahrgang 20.
Herr Inspektor oder richtiger eine
Erbin."
Wen?"
Buchhalter Miller deutete auf die
Haushälterin.
Miß Mertens?"
Sie."
Wie hoch ist sie bebacht?"
Mit 5000 Pfund."
Jedenfalls doch, weil sie eine treue
und aufmerksame Dienerin war? Wie
lange ist sie hier im Hause?"
Fünfzehn Jahre."
Nun also "
Aber sie will heirathcn "
Der Inspektor warf einen prüfenden
Blick auf die Frau, die still weinend
am Fenster stand. Sie mochte etwa
scchsunddreißig Jahre alt sein und
konnte als eine noch recht anziehende
Person gelten.
Ich kann so etwas nicht denken,
murmelte Mr. Osborne. .Sie hat
einen guten Blick. Führen Sie mich."
wandte er sich plötzlich laut und be.
fehlend an die Haushälterin, in Ihr
Zimmer."
Erstaunt nahm Miß Mertens den
Befehl des Beamten.
Weshalb?" fragte sie erbleichend.
Hegen Sie etwa Verdacht gegen mich?"
Nein, aber ich muß meine Pflicht
thun."
Die Haushälterin gehorchte. Sie be
wohnte zwei freundliche Räume im
oberen Stockwerk. Der Inspektor ließ
sich alle Kästen öffnen und unterzog den
Inhalt einer aufmerksamen Prüfung.
Bei mir werden Sie nichts finden,"
rief das Fräulein entrüstet.
Vielleicht doch." bemerkte Osborne
finster, indem er aus der Tiefe eines der
Commodenkästen ein scharfes Messer
zum Vorschein brachte, dessen Klinge
mit geronnenem Blut bedeckt war.
Miß Mertens, ich erkläre sie für der
haftet !"
Noch am selben Tage traf der Neffe
des Ermordeten, Joe Sudan, aus Phi
ladelphia ein. Der junge Mann zeigte
sich untröstlich über den Tod seines ge
liebten Verwandten und äußerte in
flammenden Worten feine Entrüstung
über die schreckliche That und den
schwarzen Undank der Thäterin. Wohl
habe ihm Miß Mertens immer Sorg-
fält und Freundschaft bewiesen, aber
dieses Ereignlß lösche alle Empnn.
düngen, die er für sie gehegt, in seinem
Herzen aus. Mit Thränen in den
blauen Augen sollte er dem Sarge des
Mannes, den er seinen zweiten Vater
nannte.
Die Haushälterin leugnete trotz aller
Bemühungen des Inspektors, ihr ein
Geständniß zu entlocken, beharrlich das
Verbrechen. Daß sie sich habe verhei
rathen wollen, entspreche, der Wahrheit,
aber unendlich fern habe ihr trotzdem
auch nur der Gedanke gelegen, ihrem
hochverdienten Herrn um des ihr zuge
dachten Erbtheils willen den Tod 'zu
wünschen wie viel weniger würde sie
im Stande gewesen sein, sich lhütlich an
ihm zu vergreifen !
Inspektor Osborne empfand Mitleid
mit ihr: nach der Lage der Sache konnte
er aber kaum an ihrer Schuld zweiseln
Das offene Fenster hielt er für eine ge-
schickte Spiegelfechterei, um den Ver
dacht abzulenken. Das Messer hatte
sie in der Eile nicht beseitigen können.
Ihr Einwand, daß sie. eine Frau, die
physische Kraft zur Ausführung eines
solchen Verbrechens nicht besitze, sei nicht
stichhaltig. Miß Mertens sei eine kräf
tige Person, und nicht zum ersten Mal
Hütten Frauen auf ähnliche Weise ge
mordet. Die Untersuchung ward bald
geschlossen, und die Unglückliche erwar
tete ihr Urtheil von den in Kurzem zu
sammentretenden Geschworenen.
Inzwischen hatte Joe Silvan die
Erbschaft seines reichen Onkels angetre
ten. Der junge Mann übernahm das
Geschüft, dessen Betrieb er hauptsächlich
dem Buchhalter überließ. Er selbst
führte das Leben eines Verschwenders,
gab Feste über Feste, machte Reisen,
schwelgte in den Genüssen der "jeu
liesse doree".
Es war am Abend vor der Gerichts-
Verhandlung, die über das Schicksal der
Mörderin entscheiden sollte. Völlig ge-
brochen harrte die so schwer Beschuldigte
in ihrem Gefängniß. Das Haus ihres
unglücklichen Herrn aber strahlte in
festlicher Beleuchtung. Joe Silvan
hatte ein glänzendes Gastmahl veran-
staltet; Damen und Herren seiner Be
kanntschaft waren in großer Zahl um
ihn versammelt.
Man sprach von allem Möglichen,
auch von der' morgigen Verhandlung.
Das Publikum sei entrüstet über den
Starrsinn der Berbrecherin. Man
würde sie steinige, wenn sie nicht ge
schützt werde. So einen edlen, guten
Mann auf so schändliche Weise um den
Rest seines Lebens zu betrügen, es sei
himmelschreiend !
Joe Silvan hört? erichuttert zu er
MMltagM
Beilage zum Ncbraska Ztaats-Llnzeiger.
sprach nicht, denn Rührung und
Schmerz machten ihn stumm.
Mr. Osborne war ebenfalls geladen,
er beantwortete alle Fragen nach dem
Verhalten der Angeklagten kurz und
ausweichend, denn sein Amt legte ilim
Zurückhaltung auf.
AuZ Rücksicht auf den Gastgeber gab
man bild dem Gespräch eine andere
Wendung. Eine der Damen hatte am
Vormittag der Vorführung des verbes
scrtcn Phonographen beigewohnt und
lieh beredt ihrer Bewunderung über die
Demonstration Ausdruck.
Nun erst vermag der Apparat die
Erwartungen, die man auf ihn setzen
durfte, voll zu rechtfertigen." resumirte
sie eifrig.
Einige Anwesende widersprachen.
Auch die bereits im Gebrauch be
findlichen Apparate leisteten Vorzüg
liches. Das sei nicht wahr ! '
Ich muß es bestätigen." schloß sich
der Gastgeber dem Urtheil der Gegner
der Dame an. Mein unglücklicher
Onkel besaß selbst einen Phonographen,
der erstaunlich gute und deutliche Re-,
Produktionen lieferte. Wenn Sie er
lauben, hole ich ihn her, um Sie zu
überzeugen."
..Jawohl, lassen Sie uns ihn sehen."
Der Phonograph, ein großer und
eleganter Apparat von vorzüglicher
Construktion, ward herdeigebracht und
äuf dem Tische aufgestellt', wobei der
Nene mit bewegter Stimme erklärte:
Dieser Apparat ist ein theures An
denkeil, meine Damen und Herren.
Nicht nur hielt ihn mein Onkel werth,
sondern der Phonograph befand sich
auch in seinem Schlafzimmer, als die
ruchlose That erfolgte."
Versteht einer der Herren mit dem
Apparat umzugehen?" fügte er nach
einer Weile hinzu.
Zwei oder drei der Anwesenden mel
beten sich, einer von ihnen, Mr. En
ders. trat vor den Phonograph hin und
begann an der Kurbel zu drehen.
Es befindet sich noch eine Platte
darin." sagte er, passen Sie auf.
meine Herrschaften."
In der That während er drehte,
ertönte eine den meisten Gästen be
kannte Stimme, diejenige de Ermor
beten . . . Erschreckt fuhren alle zurück
daS klang wie direkt aus dem Grabe
kommend, so heiser und unnatürlich
drangen die Laute hervor.
Man lauschte mit athemlosen Schwei-
gen.
Noch einige Augenblicke," erscholl es
aus der unheimlichen Maschine, so
habe ich aufgehört zu athmen. Ich bin
im schlaf überfallen worden "
Joe Silvan ergriff todtenblaß den
die Kurbel handhabenden Freund heftig
am Arm.
Halten Sie ein ich ertrage nicht
das zu hören fort mit dem schreck-
lichen Instrument ich "
Er versuchte, sich des Apparats zu be
mächtigen, aber Inspektor Osborne er
griff denselben mit beiden Händen.
Halt ich lege Beschlag darauf im
tarnen des Gesetzes! Wir wollen Alle
hören, was der Todte zu sagen hat."
Und rasch entschlossen packte er den
Knopf der Kurbel, diese langsam in
Bewegung setzend. Während der Neffe
zitternd in seinem Stuhl zurückgelehnt
saß und die Versammlung wortlos
lauschte, sprach der Phonograph in der
früheren Weise die Worte:
man hat mich wundenbedeckt und
blutend für todt liegen lassen. Noch
einmal erhebe ich mich, unsäglich lei
dend ich habe nicht mehr die Kraft.
zu rufen und zu gehen fo vertraue
ich diese Maschine den Namen des Mör-
ders an es ist mein Neffe
Joe (silvan "
Hier endete die Mittheilung, welche
von allen Anwesenden mit Entsetzen in
oen Mienen vernommen wurde.
Plötzlich sprang ein Mann wie rasend
auf und wollte aus dem Zimmer stür-
zen es war Joe Silvan. Zu spät !
Vom Schrecken gefesselt, hatte er zu
lange gezögert. Schon stand Mr. Os.
dorne an der Thür mil auf ihn gerich-
tetem Revolver:
Halt Sie sind verhaftet I"
Wie ein Wahnsinniger wehrte sich der
Unselige, doch mit Hülfe einiger Herren
sah er sich bald überwunden und gefes
seit. Noch am selben Abend legte er
ein Geständniß ab. In lcichtsinniae
Gesellschaft gerathen, hatte er sich in
Schulden gestürzt. Um sich Geld zu
verschaffen, fälschte er Wechsel. Der
Termin der Einlösung nahte, seinem
rechtschaffenen Onkel durfte er sich nicht
andertrauen; fo reifte in ihm der Plan
der entsetzlichen That. , Nachdem er
sorgfältig für ein Alibi gesorgt, reiste
er heimlich nach New Aork. Sn der
Nacht drang , mit der Oertlichkeit ge
nau vertraut, aus die bezeichnete Weise
in oas aus und Zimmer des Onkels
ein, dessen langjährige Gewohnheit, bei
ossenem Fenster zu schlafen, er kannte.
Im Schlaf Überfiel und erstach er den
alten Mann, dann floh er eilig die
Stätte des Verdreck'ens. Diesmal ver.
schmähte er den gefahrlichen Weg durch
da? Fenster, er stieg eine Treppe höher
nach dem Zimmer, das er während
seiner Besuche bewohnte und wozu er
v j.f jirr.i t .: r' j. c.it. i. .
vcn ciymi! oei nai suyrie. zazm
hing der Hausschlüssel, den er gewöhn
lich benutzte. Nachdem er diesen an sich
genommen, wollte er eben leise wieder
hinabschleichen, als ihn beim Anblick
der zu den Wohnräumen der Haushäl
terin führenden Thür der teuflische Ge
vanie durchzucke, den Berdaä!t von
vornherein auf eine falsche Spur zu
lenken. Er iruifcte, daß sie mit einem
reichen Legate bedacht war. Vorsichtig
prodirte er an der Thür, sie war nur
eingeklinkt, da die Dame im hinteren
Zimmer schlief und nur dieses von
innen zu verriegeln pflegte. Noch ein
mal wagte er sich aus den Schauplatz
leiner .yai, volle das bei der Leiche,
die er zu feinem Entsetzen letzt neben
dem Bett liegen fand, zurückgelassene
Messer und verbarg es aus dem Grund
eines Oommodenkastens der Haushal
terin. Sodann verließ er leise das
Haus. Er spielte ein gewagtes Spiel,
aber er gewann es für den Äugenblick.
Niemand erkannte ihn; noch mit dem
Nachtschnellzuge kehrte er nach Pbila
delphia zurück. Seine Wirthin konnte
ihn nicht verrathen, da sie auf mehrere
Tage verreist war, und im Geichäft
vermißte ihn Niemand, da er die Nacht
vom Sonnabend zum Sonntag gewählt
hatte.
Es versteht sich, daß die unschuldige
Haushälterin sofort in Freiheit gesetzt
wurde. Eine glückliche Ehe lies; die
Arme bald die Leiden und die Schmach
ihrer Haft vergessen. Joe Silvan ent-
zog sich durch Selbstmord der gerechten
Strafe.
Die kiebö5zabe.
Hu,!,greske von W i l h e l m H e i fc c r t.
Es ist ein großes Glück, wenn man
über alles Schöne, was die Natur die-
tet. entzückt sem kann.
rauiem Mizzi wanden war ein
solches Glückskind.
Während der sechs Wochen, die sie
mit ihren Eltern am Kochelfee ver-
weilte, freute sie sich täglich, stündlich.
ja man möchte sagen, jede Minute neu
über die Herrlichkeiten, die sich ihr auf
thaten.
Die ragenden Berge, die rauschenden
Wälder, die leuchtenden Fluthen, die
jodelnden, einfachen, gemüthlichen
Leute Alles bezauberte sie.
Sie ging mit einer Liebe auf das
Volk und seine Gewohnheiten und
Gepflogenheiten ein, wie sie den wacke-
ren Menschen, die doch ll,ähd:ch viele
nremde sehen, noch nicht begegnet war.
Du wirst Dich ja zu Tode lang-
weilen, warnte ihre Mutter, wenn
Du wieder nach Berlin zurückkommst !"
Ach. sprich mir jetzt nicht von Bcr-
lin'." gähnte das Mädwen. ..Dieses
Häusermeer dieses Hasten und Lär
men ich wollte, ich könnte ewig hier
bleiben'."
Da ertönte ein greller Pfiff vor dem
Fenster.
O," jauchzte sie und schnellte empor.
mein Schatz!" ,
Was?" riefen ihre Eltern entsekt.
Dein Schatz? Was soll denn dieser
kecke Ausdruck auf Deinen Lippen? Was
fällt Dir ein?"
Sie eilten an's Fenster in der bangen
Befürchtung, einen Leutnant tn Civil.
aber mit umso mehr Schulden oder
einen durchgefallenen Referendar außen
stehen zu sehen.
Aber der da außen stand, hatte weder
Schulden noch Schuhe. Es war ein
kecker Sechzehnjähriger, ein braunge-
branntet Hirteniunge. Die schwarze
Lederhose hatte die Zeiten ihres Glanzes
offenbar lang hinter sich, aber das
derbe Hemd war blühweiß und auf dem
verschlossenen, grüngelben Filzhui
staken ein paar Bergblümlein, die ge
nau so frisch lachten, wie die Augen des
jungen Schelmen.
Geh, komm außi !" sagte er. I
treibs Vieh aufn Berg ausie wenn
Du mitgehst, zeig i Dir Eichkatzeln und
Kukuzer grad genug!"
Ader Tu wirst doch nicht?" rief
banden.
Mizzi bog sich vor Lachen.
..Gelt." saate lie. ..der aerällt Kuck?
Meine erste vollkommen selbftftändige
Eroberung! Er weiß nichts von meinem
Geld, nichts von Papas angesehener
Stellung, nichts von meiner theuren
Bildung feine Freundschaft, die ich
mir aus den Wiesen draußen erwarb.
wo er seine Heerde weidete, ist eine
durchaus selbstlose! Gleich bmm ich,
Schatz!
grau anden ichlug d:e Hände zu-
sammen.
Ihr Mann lachte.
No. 20.
Laß doch den Uedermutlx aewäh
ren!" sagte er.
Ach." entgegnen sie und sch -ute be
sorgt hinter den jungen Leuten her. die
in lebhaftem, unbefangenem Geplauder
die Torfftraße hinaufgingen, wie oft
bat man schon die unalaud'.ichsten
Dinge gehört und erlebt!"
Aber daß unsere Mizzi sich ernftlicd
in einen Hirtenjungen vcrschaut und
Frau Hüteraspira::t;n wird, das erlebst
Tu nicht!" tröstete er mit guter Laune.
Da bad nur keine Sorge! Scherz muß
sein, Kinder müssen spielen, und sie ist
ja noch ein Kind!"
Nach ein paar Stunden kam ds
Madien ce!envergnügt wieder.
..Seht da." saut? sie iriumübirfrift
die seltensten BeracewiiAie h?.t rr mir
mit gemsenartiger Keckheit vom Gestein
heruntergeholt br.5 Schönste sucht er
auf den Fluren "
Nun hör aber wirklich auf !" rief
krau '-anden erdest. Was müßten
Deine Freundinnen von Dir denken,
wenn Du hier mit einem albernen
Jungen herumschäkerst !"
Oho!" antwortete Mizzi. und ihre
Augen blitzten. Er ist nicht fg albern!
Uebrigens,' setzte sie geheimnißvoll
inzu, er yai mir beute etwas ver-
'proben.
Versprochen Er Dir? Da
geht zu weit!" sagte Frau Sanden und
sprang aus. ..örst Tu. Alfred? Jetzt
rufe ich ganz energisch Deine Autorität
an! Daß sich unsere Tochter von einem
jungen Mann auch Hirten sind junge
Männer Geschenke machen läßt das
gegr zu weit r
Herr Sanden legte die Zeitung weg.
..In der Tbat. Wmi fnnf. r
Y - i ' oj-' i ö"ta
Deine Mutter hat Recht! Geschenke
anzuneymen, rann iZi Tir nicht er
lauben!"
..Daß der arme Teufel üietlriM is
neu Vierteljahrslohn an irgend etwas
hin setzt !" eiferte die Mutter. Nki
so spielt man nicht mit dem sauer er-
worvenen Gelde dieses dürftigen Jun
gen!"
Aber ich weiß ja gar nicht, was er
mir llyenien vvmr schmollte Mizzi.
stand auf. stamdste mit i? iin-or
Zierlichen Füßchen und rief: Und ich
wills einmal yaven und er hat mir s
versprochen!"
Beide Eltern sahen sich bedeutsam an
uno im Auge eines Jeden lag der Vor
Wurf: Das ist Deine Erziehung Ver
ziebuna vielmehr!"
Tu," sagte Miz?i Abends zu dem
Hirten, als er die Heerde ins Dorf trieb
und sie ibm mit ibren (Slt? W?
ist es denn etwas so Besonderes! was
Du mir schenken willst?"
Ui !" rief er und schnalzte mit der
en;M. Aas wird wobl was B son-
deres sein!
nimmer!"
kriegfts ganze Jahr
Hab ichs nicht gesagt !" seufzte ihre
s"l" . i rw - . , l '
kurier. Man mutz idm zureden, man
muß ablehnen!"
Na, na." sagte der Junge, der ihre
halblauten Worte offenbar mißverstan
den hatte. Du kriegst nix Du bist
m:r an aver die Jung gel'.
Du!" " '
Und er lachte mit beiden blendenden
.aunreiven
Entsetzliche Menschen das!" stöhnte
mau i-anoen.
Noch von Weitem schwenkte der Hirte
den Hut und rief: Am Sonntag
Mittag komm' i! Da bring i's! Jubu
hui!" Frau Sanden wollte am Sonnabend
abreisen; die Sacke regte sie zu sehr
aus.
Aber Mizzi hatce einmal ihren Kopf
uusge,er uno mus5ke wohl, daß es
een ire cami oei n 5 5, s.. .
Ankämpfen gab.
Da kam der Sonntag.
Die Mutter cüt9lur''nMi
einem Frösteln überrieselt saß halb
rrani m einem hautemi. Jbr Mann
las anscheinend rubia in d,r 'th,
hielt aber doch zum sofortigen Aus
gleich in paar Zwanzigmaristücke in
der Tasche und. wenn etwa nmir, ;
energisches Wort auf den Lippen bereit.
ur Mizzi lag tt beller Ungeduld
am Fenster und seufze alle fürs m
ten: Er kommt nicht! Er kommt
nicht!"
Plötzlich jauchzte sie laut auf.
Jetzt " rief sie, .jetzt!"
..Alfred." saate ftrc: f,nn.
" ' ' ' ' W UUIV
laut, wahrend das Mädchen zur Thüre
eilte, sei ein Mann!"
Grüß Gott bei einander!" machte
der Hirte und ging auf den Tisch zu.
Du, da wirst schauen!" meinte er dort
mit stolzem Triumph zu Mizzi und
schlug em nicht gerade übermäßig sau
beres Tuch auseinander.
Das Mädchen hatte sich tief darüber
herabgebeugt, fuhr aber jetzt enttäuscht
zurück.
Was ist das?" stammelte sie.
Das!" sagte der Junge, der ihr
Erstaunen skr einen Ueberfchwung der
Freude zu halten schien, das U ein
Geburtrtags-SpeKntdel von meiner
Frau Ahndl! Iß nur! Ganz g'dZrt er
Dein'."
Fr.-.u -anden stand sprachlos ihr
Mann begann zu schmunzeln.
Mizzi 'ampste oiienbar zwischen Trotz
und Widerwillen mit sich hin und her.
Als sie aber den gutmüthigen Spott
auf dem Gesichte ihres VaterS las. griff
sie berihaft nach einem Messer, kckmitt
einen Bissen ab und steckte ihn in den
Mund, um im näch?ten Moment wie
der hervorzusprudeln.
Nee." , ief sie im echtesten Berlinersch,
..dZt Knödel schmeckt nicht schön!"
Was?" sagte der Hirtenbub. starr
vor Staunen und Entrüstung. Mei
ner Frau Ahndl ihr Geburtstags
Speckknödel schmeckt Tir net? Du
wärst mir der richtige Schatz! Nachher
iß ich 'n selber hab eh blos dreizehn?
kriegt! B'hüat di Gott. Tu a'scheerle
Moll'n!"
Mizzi stand wie übergössen da.
. Na. was k" lachte ihr Vater. Tein
erster Korb, aber gleich ein kräftiger!
Scheinst ja dier wenig Glück zu haben
als Schatzfir.derin! Vielleicht doch wie
der mal 'n bische Berlin gefällig?"
Humboldt läßt grüfikn".
Herr von R.. der Landrath des Krei
ses Kempen, war ein Herr. der sich
weniger durch seine geistige Begabung,
als einen übermäßigen Dünkel aus.
zeichnete. Eines Tages fuhr besagter
Landrath mit der Eisenbahn von Köln
nach Berlin. Es erregte bereits feinen
Unwillen, daß er auf dem Bahnhöfe in
Köln kein leeres Abtheil erster Klasse
mehr fand, und übelgelaunt nahm er
in einem Abtheil Platz, in dem sich ein
einzelner Herr befand. Die Musterung
des Letzteren feiten? des Herrn Land
raths ergab für diesen das Ergebniß,
daß er es mit einem nicht als voll an
zusehenden Reisenden zu thun habe.
Sehr ungehalten wurde daher der Herr
Landrath, als nach einiger Zeit sein
Begleiter eine Unterhaltung mit ihm
anzuknüpfen suchte, und gab ihm nichts
weniger als freundliche Antworten.
Als der fremde Herr, hierdurch offen,
dar mehr belustigt als beleidigt, seine
Unterhaltungsversuche nicht einstellte,
fuhr der Landrath ihn an: Herr. ver
schonen Sie mich mit ihrer geistlosen
Unterhaltung. Jedenfalls sind Sie
auch nur durch einen Irrthum in ein
Konpee erster Klasse gerathen. Im
Uebrigen scheinen Sie nicht zu wissen,
wen Sie vor sich haben. Ich bin der
Landrath von Kempen." Ja, dann
verzeihen Sie, hochverehrter Herr Land,
rath." erwiderte der Fremde, das habe
ich allerdings nicht gewußt. Dann ist
mir Ihr Wunsch natürlich Befehl."
Und bis Berlin herrschte von da ab,
im Abtheil tiefes Schweigen. Als der
Zug in Berlin einlief, trat an das
Abtheil König Friedrich Wilhelm IV.,
umarmte und küßte den Reisebegleiter
des Herrn Landraths von Kempen und
rief: Mein lieber Humboldt, wie
freue ich mich über dieses Wiedersehen
nach fo langer Zeit!" Alexander von
Humboldt kehrte von einer längeren
'Reise zurück.
Der Landrath wollte sich schleunigst
verziehen, doch mißlang ihm dies, da
Humboldt laut zum König sagte: Ge
statten Majestät,! Mein freundlicher
Reisebegleiter, der Landrath von Kem
pen. der mir die Zeit während der
langen Fahrt durch feine liebenswür
dige Unterhaltung so angenehm wie
möglich verkürzt hat."
Das war hübsch von Ihnen, Herr
Landrath, daß Sie meinem besten
Freunde so gut die Zeit vertrieben
haben." wandte sich der Könia an den
Landrath.
Der arme Landrath, über und über
roch, vermochte nur unzusammeii
hängende Worte zu stammeln und
athmete erst wieder etwas erleichtert
auf. als der König mit Humboldt da
vongefahren war.
Der König amüsirte sich natürlich
himmlisch, als 5iumboldt isim fhu-
die näheren Aufklärungen gab.
.m Jahre darauf besuchte Friedrich
Wilhelm IV. die Rheinprovinz und
kam auch nach Kempen, wo Herr v. R.
noch als Landratb waltete. u k,i,r-
liche Rede, mit der er den König be
grüßte, ging bald in ein ununter
brochenes Stottern über und wrsat.
endlich vollends ganz, als er es um
den Mund des Königs fo ironisch
zucken' sah.
Na. lieber Landratb. lassen Si's
nur out sein. Ich bin auck so bnn
Ihrer und Ihrer Stadt loyalen Ge
finnuna übeneuot. Uebriaens fislftc i
bald etwas vergessen. Humboldt läßt
öle arüken "
Schlagfertig.
Hausirer: babe h'wr ,in sehr
wertbvolles Bück, in dem i für 9rn.a
Rathschläge finden."
Hausfrau: ..So! Stebt nuA hnrin
wie man einen aufdringlichen Hausirer
is miro k"
Hausirer: ..Eewin! Indem Si? ifi
ein Exemplar abkaufen."
KlugttKati,.
Emma, der Serr Doktor bat 3)ir
zu Deinem Namenstag diesen herrlichen
'vazmui ge,q:t und der Sekretär dies
zuauel'."
Ach. Mama. tatW rannhirlW
Blumen sag' selbst, find sie nicht ds
schönere von beiden Geschenken?"
vergleiche in acht Tagen wieder!"
V