Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 28, 1899, Image 9

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    V
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Die blaue Hase.
tinr uznsch ufamil)umottf vo
J,sef IRaettl.
1.
t Oberst deS in einem jlavonisch.
unflartfvtrn Grenzftädtchen garnisoni
renden Xten HusarkN'RkgimentS hatte
soeben die telegraphische Nachricht er
halten, dak der Herr Brigadckomman
deur General Möslami am nächsten
Adend zur Jnspijirung dcS Regiments
kintreffe.i werde.
tiefe Botschaft wirkte auf die im
Kasino versammelten Offiziere gerade
nicht in der erfreulichsten Weise, denn
dem alten Husarenaeneral ging der
Ruf voraus, daß er nicht nur ein sehr
strenger, sondern auch in sehr seltsamer
Herr war. Er war noch einer von der
alten Echule. der sich unter Radeßki
seine zahlreichen Narben in Italien ge
holt hatte, und dessen Meinung von der
lüchiigkeit und Leiftungssahigkeit des
Kavalleristen in sehr vielen Fallen von
seinen Untergebenen natürlich in
aller Unterthanigkeit angezweifelt
wurde. General MSSlami, ein filber
-haaliger Sechziger, über besten buschi
gem, weihem Schnurrdart ein Unikum
von Nase in unverfälschtem Wcinblau
thronte, ging nämlich von der Ansicht
. aus. daß zu einem guten Husaren drei
Dinge gehören, nämlich unverbrüchliche
Treue zu dem Kaiser, ein gutes Reiten
und die Kabe des Trinkens denn im
ersten und letzten erblickte er die Macht
mittet, die dem Husaren einua und
allein nur Kraft und Muth zum zweiten
verleiben.
Sein erster Blick galt bei seiner An
tunkt in einer (Garnison stets der Nase
des Kommandeurs und deren seiner
OsUjiere. Waren sie geblaut",
dann überzog sein narbendurchfurchtcs
Antlitz stets das Lächeln der Zuversicht-
uchsten Zusrieoenhett. er war von vorn
herrfr überzeugt, daß 'ein Regiment,
welches o schiieidige Os fixiere hatte,
auch etwas ganz Außerordentliches im
Dienst leisten mukte. Webe aber den
armen Soldaten, die nicht so glücklich
fichtsvorsprung zu besitzen! Sie tonuien
versichert sein, sie taugten nichts, wenn
ste auch noch so tüchtig waren, sie erhicl
ten-en Titel: Schlapvefte Schwefel
bande im heiligen römilche.l Kaiser
reiche' und die Ofsiu'ere wußten,
dak sie von dem allen MöSlami nicht
eben am besten .oben" angekreidet
wurden.
Und die Aussicht auf das Letztere war
eS auch, was an jenem Abend die sonst
so fröhliche Tischgesellschaft im Offi
zierskasiuo zu Zk. mit banger Besorgnis;
erfüllte. Wohl trugen sie das Bemußt
sein in der Brust, daß sie mit jedem
anderen Regiment an Leistungen erfolg
reich konkurriren konnten, sie waren
kaisertreu bis zu den Schnurrbärtcn.
die sie nach dem Muster ihres obersten
Kriegsherrn trugen, aber eine blaue
Nase, das Merkmal eines schneidigen
Husaren für den Brigadier, die besaß
nicht ein einziger, selbst der alte Oberst
nicht, der schon seit einem Jahrzehnt
täglich auf den liZeneralshut wartete.
Wohl waren sie keine Feinde des edlen
Traubenblutes ' aber Zechen, dein
Sinne des Papa Möslawi nach, das
konnten sie nicht, und deshalb erglänz
ten auch ihre Nasen in dem unichul
digen Weißroth der gewöhnlichen Men
schenkindcr. .Was thun?" seufzte der Oberst,
welcher bereits im Meiste den bekannten
blauen Brief vor sich sah. und blickte
rathloS auf feine Kameraden.
Tercmtcte!" fluchte plötzlich ein klei
ner Oderleutnant, indem er aufsprang
und wie ein siegreicher Feldherr die
Versammlung überblickte. Hob ich
am Mittel, wenn Herr Oberst er
kaubt." Raus mit ihm! Sprechen!! schrie
man von ollen Seiten, und Jeder sah
mit ängstlicher Spannung auf den
Rettungsengcl.
Muffen wir eben hoben auch blaue
Nosen" rief der Oberleutnant, im
BewußNein, den weisen Columbus
Zbertroffen zu haben.
Wo hernehmen!" bemerkte der
Oberst, ärgerlich darüber, daß der
schlaue Rathgcber zu so ernster Stunde
noch schlechte Witze riß. Wollen Sie
sich vielleicht eine über Rächt wachsen
lo.rt.rnr
Jo. zu Befehl. Dos haißt nicht
wachsen, aber molen werd' ich mir
aine, und der General soll nicht wissen,
ob sie is aus Forbe oder Notur."
Sie sind wohl toll?" meinte sein
Rittmeister. Denken Sie denn, der
Brigadier ist blind, oder daß wir uns
zu diesem gewagten Scherz hergeben
werden?"
Ober hergeben muffen!" bemerkte
der Oberleutnant mit Nachdruck. Wos
iS besser, oine klaine Fälschung von
Notur, wie sie jo die Damen olle betrei
ben, oder eine schlechte Zensur noch
oben. Werden sehen, ich werde mochen
aine Probe mit mir. Hob' ich zu Hause
für meine Postellmolerei aine ganz aus
gezeichnete Forb', die is so gut wie
echte. Adies, ich laufe, um mich anzu
blauen." Kopfschüttelnd sahen die Besorgten
dem alle Zeit zu schlechten Witzen aufge
legten Offizier nach.
Ein großes Wagn! wäre so eine
harmlose Nachhilfe sicherlich nicht, da
der General nicht gut steht." bemerkte
einer der Herren, der bereits mit dem
Gedanken des Oberleutnants sympathi
firte: ,Aber die Leute," schloß er, die
Leute?"
, : ...
m ÄgMlagSgajI.
Jahrgang 20.
.WaS gehen uns die Leute an?"
sagte ein Anderer. Eine gute Kritik
ist uns die Haupisache."
' Während die Herren noch im Wei
teren das Für und Wider zu dem Vor
schlag des Oberleutnants erörterten,
trat dieser wieder in daS Zimmer und
prüsentirte sich dem Oberst mit einer so
kunstvoll angedlauten Nase, daß dem
gestrengen Kommandeur ein lautes
Ah!" der Verwunderung entschlüpfte.
.Großartig, nicht zu unterscheiden,
ob Kunst oder Natur!" ging eS im
Kreise herum, und der Erfolg dieses
Kunststückes war der, daß sich einige der
Herren sofort bereit erklärten, sich zur
Probe auch andlauen" zu lassen.
Konn laich gemocht werden!"
meinte der Künstler. .Hob' ich Forbe
mitgebracht, weil ich waiß. vasz main
Mittel wird acceptirt werden müssen."
Und wegen das Saufen werd' ich
auch machen." versicherte der Oberleut
nant. Wir mischen Wein unfrige
mit Wosser und können so olteS Papa
MöSlami unter Tisch trinken."
.Bravo. Kamerad. Sie sind ein
Prachtkerl," rief der Oberst erleichtert
aufatbmend.
So wurde denn abgemacht,' daß
Punkt fünf Uhr die Herren sich zur Na
senmalcrei im Kasino einzusinken hät
ten, der Oberst und die fünf Ritt-
meister in erster Reihe, da ste den Gene
ral auf dem Bahnhof zu empfangen
hatten.
Es war um die zehnte Abendstunde,
als der Kommandeur mit den Schma
dronschefs auf dem Perron der Ein-
fahrtshalle erschien. Verwundert blick,
ten der Bahnhofsinspektor. die 8eam
ten und das wenige Publikum auf die
im Paradeanzug auf und nieder pro-
mernrenden Offiziere und schüttelten
den Kopf, erstaunt darüber, daß sie es
erst beute bemerkten, daß die Herren
mit Nasen behaftet waren, die nur zu
deutlich die Vorliebe für den echten To-
kayer verriethen.
Die Offiziere schienen die ihnen wer
dende Bewunderung gar nicht zu bemer
ken, nur der Oberst, dessen Nase noch
obendrein mit einigen Pockennarben
versehen worden war. und deffen Wan
gen in der Nähe des herrlich anqeblau
ten GcstchtsvorsprungeS ebenfalls eine
bläuliche Schattirung erhalten hatten,
sah mitunter nervös auf die Uhk,
gleichsam als könnte er die Minute nicht
erwarten, die den hohen Vorgesetzten
bringen mußte.
Endlich wurden die Gluthaugen der
Lokomotive sichtbar, der Zug dampfte
in die Halle, und das edle schnauz-
bärtige Antlitz des Papa Möslawi er
schien am Eoupeefenster.
Mit noch jugendlicher Lebhaftigkeit
sprang er darauf aus dem Wagen und
empfing, formell mit der Hand salu-
tuend, die Meldung des Obersten.
Seine finstere Miene heüte sich aber
sichtlich auf. als er näher an den Kom
mandeur herangetreten war und einen
forschenden Blick auf dessen Gencht ge
morsen hatte.
Freundlich lächelnd reichte er ihm die
Hand. Scheinen schneidiges Regl
nient zu führen." sagte er. Bitte,
mich den Herrn Schwadronschefs vorzu-
stellen."
Ein Ah!" des Staunens entfuhr
ihm. als die Herren vor ihm standen
und er sie einzeln gemustert. So viel
Schncidigkeit hatte er, seit er Brigadier
war, noch bei keinem Regiment gefun
den.
Wie gesagt ehr erneut mur-
nielte er in gerechter Verwunderung.
auch den Rittmeistern die Hand
reichend. Muß ein herrliches Regi-
incnt sein, das Sie führen, liebe Käme-
raden."
Wir glauben den Herrn General
hoffentlich zufrieden zu stellen" der
setzte der Oberst mit einiger Belle m
mung, auch der vorige Herr Brigadier
hatte an uns nichts auszusetzen, als daß
mir hier unS etwas mehr mit Bachus
befreunden, als er es für nöthig hielt."
Der General Zögenh war ein guter
Mann, aber kein Husar.'' meinte der
Brigadier geringschätzend. Ich habe
eine andere Meinung: Der edle Wein
giebt Kraft und Schncidigkeit. und wer
ihm abhold ist. ist kein Soldat."
Zwanzig Minuten später schrie der
Posten vor Gewehr an der Kaserne, in
welcher sich auch das Kasino befand,
lein schmetterndes .Wache raus!" Der
General war angekommen und wurde
sofort nach dem Bankctlsaal qesührt.
wo seiner die ..angeblauten" Offiziere
in Paradeuniform harrten.
Sprachlos vor freudigem Erstaunen
stand der kleine Brigadier inmitten des
Kreifcs. Jeder der Offiiicre hatte seine
blaue", und ganz vorschriftsmäßig, in
mehr oder minderem Grade, je nach
dem Dienstalter, sogar bei dem neun
zehnjährigen Junker zeigten sich schon
die Ansätze der zukünftigen Tüchtigkeit
im Dienst.
f2 r ist
r
Beilage zum Nebraska
Gratulire. Herr Oberst, gratulire."
seuszie der General vor Wonne förmlich
auf. als die Vorstellung zu Ende war.
Ich beneide Sie um Ihre Offiziere,
die jedem Garde-Regiment zur Zierde
gereichen würden. Ein Regiment, das
von solchen Herren geführt wird, muß
tadellos fein bis auf den letzten Mann
und Pferdefchmeif." -
Und nun begann das Bankett, und
der Verlauf desselben brachte für Papa
Möslawi eine lange Reihe freudiger
lleberraschungen.
So wie diese Offiziere tranken, hatte
er noch nie trinken sehen. Ihre Kehle
schien unergründlich. Und was sür
eine Marke hatten sie auf den Tisch ge
bracht! Der General der schon gar
Manchen unter den Tisch yelrunken.
mußte heute schließlich zurückbleiben.
um nicht betäubt zu werden. Erst spät
nach Mitternacht war , die Kneiperei zu
Ende, und in etwas schwankendem Zu
stände schritt der General nach dem
Wagen, der ihn in sein Hotel bringen
sollte.
3.
Die ganze Stadt war in Aufregung.
und alles was Beine hatte, eilte nach
der Husarenkaserne, wo bereits das Re
giment in Reih und Glied zu Pferde
hielt.
So etwas war noch nicht dagewesen
War das Maskerade, oder waren
sämmtliche Einwohner bisher blind ge
mesen?! Die guten, bisher soliden Of
.'tflyo-n x fcjta. äst f .mrttim I
Die iviiimlien. in denen ke higher
zum Austausch schöngeistiger Gedanken
verreyrten..maren lonsternnt. und gar
manche die sich in einen der hüb
schen Leutnants verliebt balte.. weint
heiße Thränen über den Falschen, der
tte mit Tusche und sonstigen Kunftmit
tcln über die wahre Farbe seiner Rase
hinweggetäuscht.
Ja beute, wo der General zur Bist
tativn gekommen war. beute mukte die
ser Trug verschwinden, die Visitation
hatte es an den 7an nebnisftf hn6 hn
gcsammte Offizierkorps sich dem heim-
ucyen xrunl ergeben hatte.
So dachte aar manche Mutt,r und
dieselbe Ansicht hatten auck die Snl-
Daten, denen für jede lächerliche Miene,
oie ne etwa beim Angllck ihrer ange
blauten". Offiziere verziehen würden.
zehn Tage Kasten" versprochen worden
war.
Endlich erschien der General. Mit
etwas trüben Augen ritt der Geftrmgc
oie (front av. und so oft er einen alten
Wachtmeister kab. deffen Ns hWM,
schuldigst in dem geliebten Blau er
glänzte, hielt er an. fragte ihn nach
Name und Dienstalter und nannte ihn
aller Kamerad '.
.Das Reaiment. Nkerd? wie Mnn
schaft. geradezu musterbakt !" rnnnhre
er sich zu seinem Adjutanten, welcher
ein am sruuen Morgen eingetroffen
war. Dann aber befahl er den Ab
marsch nach dem Erernervlak.
Mit klingendem Spiel rückte das Rc
giment durch die Straßen. Die Jun-
gen. Banner und grauen jubelten und
schrieen, sobald sie einer blauen Nase
anncuiig wurden; alle Fenster waren
besetzt, der Marsch des Regiments fand
unter einem Zulauf statt, wie man ihn
bisher in dem kleinen Städtchen noch
nie erievi Halte.
Papa Möslawi war weit entfernt,
den wahren Grund dieser stürmischen
Begeisterung zu ahnen, .herrlich
großartig, dieses Einvernehmen dcr-Be-
votkerung mit dem Militär." murmelte
er. .err Ober, ick beaMmin
Sie, ich beneide Sie um das Glück, an
der Svide dickes Regiment tu
stehen
Der Kommandeur stammelte km
vernehmbare Worte der konuentil,?Npn
Höflichkeit.
Man erreichte den fireriterhlafc rtfc
die Uebungen begannen.
Wie nickt anders rniWiifi
sie das unbeschränkte Lob des Generals,
ocr ocm Adjutanten heilig versickerte,
noch nie ein so sckneidiaes unh W
Mcs Regiment gesehen zu haben. Die
angeviauten" Cspjtere athmeten auf.
das Schlimmste war vorüber, nur noch
wenige Stunden, und sie konnten ihre
Maske wieder ablegen, die der alte
Papa Möslawi für Natur gehalten.
Doch mit des Geschickes i
kein cm'ger Bund zu flechten, und das
llnalück schreitet schnell" sinnt &mu
ler, und so sollte eS auch den wackeren
Huiaren ergehen.
Jupiter Pluvius schienen die sism
Rasen geärgert zu haben. Es fing an
zu regnen. Vorerst ganz vereinzelt,
aber gar bald in Strömen, und mit
Entsetzen bemerkten jetzt die angeblau
ten"' Schlaumeier, dak ikr? i?nst
Wasser saufen" aina und da he-.
rühmte Blau anfing, sich in Mobl,?'-
fallen aufzulösen und aus ölnnn
chnurrbart und Kinn ber,ik,
r ,
Tcremtete. hilf woZ helfen mög,"
Staats-?lnzeiger
fluchte der Kunstmaler angesichts der
scheerung. die seinen unsterblichen"
Werken durch des Himmels Tücke ge
morden. Mit der Spitze des Degen? hob er
eine Portion Schlamm vom Erdboden
auf und schmierte sich diesen lnS Gesicht
auf die Nase. Mochen'S auch so. Herr
Oberst," nef er dem Kommandeur zu.
.Dreck iS sich immer besser, wie schlechte
Zensur."
In Ermangelung eines Besseren
konnte der Kommandeur Nicht ohnhin.
diesem Beispiel zu solgen. und alsbald
hatten sämmtliche angedlauten Offiziere
ihre .Ehre" mittels einiger Finger
Lehm gerettet.
Zu ihrem Glück sollte dieser Ausweg
von Papa Möslawi gar nicht bemerkt
werden.
Da der Regen immer dichter stoß, be-
fahl der General Regiment einrücken!"
er selbst aber sprengte mit seinem Adju-
tanten voraus, um sich ins Trockene zu
bringen.
Ein Seufzer der Erleichterung ent
stieg den Herzen der Offiziere. Nun
waren sie gerettet. Wenn sie erst in
der Stadt waren, hatten sie ja Zeit,
den Schaden bis zum Diner wieder zu
repariren, und Papa Möslawi konnte
dann nicht ahnen, ob das Blau" ihrer
Nasen im Regcnstrom gelitten hatte
oder nicht.
Der Einmarsch durch die Straßen
der Stadt vollzog sich trotz des strömen
den Regens unter demselben Gejohle
ttct
Es
OTwrmuTi'u 'M uct aiibiimnch.
war ein reines Spießruthenreiien
durch eine Gaste von Gaffern, welche
sich herandrängten, um sich über die be
schmutzten Gesichter der Herren Offiziere
zu verwundern
Endlich war man auf dem Kasernen-
Hofe angelangt, und die Offiziere der-
Ichmanden aus das schnellste in den
äumen des vn chmiegenen Kasinos.
wo der Leutnant sofort wieder eine
Thätigkeit an den Nasen seiner unter-
deffen umgekleideten Kameraden
gann.
Eine halbe Stunde genügte, um die
verwässerte" Schncidigkeit wieder her
zustellen, und als bald darauf der
General erschien, prangten die Gesichts-
vorsprunge schöner denn zuvor in dem
von ihm so geliebten Traubenblau.
Bruderherz," sagte der General
welnselig zu dem Oberst, als ihm dieser
beim Abschied in den Wagen half. .,i
habe es versprochen, daß ich es melden
werde, wie prächtig sich Ihr Regiment
gehalten hat. Ich bin hocherfreut und
hachkefriedigt von der Haltung Ihrer
snziere. aber eins ist mir aufgefallen,
und Sie nehmen es mir nicht Übel,
wenn ich es sage, mich dünkt. Ihre Of
fiziere sind fürchterlich eitel. So oft
sich einer die Nase schneuzte, ging er
zum Spiegel, gleich als wollte er nach-
leben, ob ihm nicht irgendwo eine
Weinader geplatzt sei. Das. mein Lie-
der. ist ein kleiner Fehler, und den
müssen sich die Herren abgewöhnen
was war oas Einzige, was ich an
Ihrem Regiment auszusetzen hätte.
Adieu !"
Nigoletto.
Bon Michael Earri,,
Das Scalatheater hatte damals eine
glänzende Saison. Die länger waren
brillant, die Opern gesielen so sehr, daß
man mit einer oätte auskommen können
mären nicht sünf verschiedene gewesen,
der Impresario konnte also vollauf zu
frieden sein lind bätte weder eine
Gastes noch sonst einer Sensation be-
durst, wenn wenn nicht ein Bries
gekommen wäre, der ibm einen Gast
unter ganz seltsamen Bedingungen an
bot, unter Bedingungen, die an und
für sich schon eine Sensation gewesen
wären, selbst wenn der Gast aar nichts
getaugt hätte.
Der Brief trua so ein Di,:a van
einem Siegel und aus dem Siegel ent
nahm man. daß das Schreiben aus den
Bureaux der italienischen Gesandtschaft
aus Madrid komme.
l Teufel binein! Von der Gesandtschaft
nein, mehr noch, von dem Gesandten
clver. Venn Die er schrieb:
Sie würden mir einen aroken Dienst
erweisen, wenn Sie meine oder vielmehr
die Bitte eines hochangesehenen Lands
mannes von mir füllen würden. Es
handelt sich um einen Mann von ganz
außerordentlichen künstlerischen Fähig
keilen. Ein glänzender Sänger und
chauspicler. wünscht er vor ein Publi
kum zu treten, das ihn nicht seiner Per
söulickkcit nach bcurtbcilt. sondern lekiia-
lich nur nach seinen künstlerischen Lei
stungcn, unbekümmert um den Rang
und die Stellung, die er sonst in der
lÄeselllchast einnimmt.
outen Sie bereit sein, ibm zu einem
Dcbnt zu .verbellen, stellt er nur drei
Bedingungen. Die erste ist die. daß er
als Rigoletto" auftritt, die zweite die,
No. 19.
daß er keiner Probe beizuwohnen
braucht, weil er daS nicht für nöthig
hält; die dritte die, daß er von Nie-
mandem vor seinem Austreten gesehen
wird, selbst von Ihnen nicht.
Der Generalprobe möchte er unge
sehen in einer Loge beiwohnen, um sich
mit dem Tempi bekannt zu machen, in
denen der Orchcfterchef daS Orchester
leitet.
Wenn Sie diese Bedingungen an
nehmen, wird mein Schutzbefohlener
rechtzeitig in Mailand erscheinen. Na
türlich verlangt er leinen klingenden
Lohn, er dürstet nur nach dem Ruhme.
ihn lockt nur die Palme des Sängers
So weit der Brief. Natürlich nahm
der Impresario die Bedingungen sofort
an. Die Zeitungen bemächtigten sich
der Sache. Man ncth hin und her.
wer der Geheimnisvolle sein könne.
dessen Theatername in capitalen Lettern
auf den Afsichen schon stand: Pianti
Ein seltsamer Name: Thränen". Ver-
barg sich nicht auch dahinter ein Ro
man? Erzählte nicht dieser Name allein
schon vielleicht die Geschichte des Man
nes? Und ein wahrer Legendenkrcis
bildete sich noch vor dem Debüt um die
sen interessanten, außergewöhnlichen
Debütanten.
Das Interesse wuchs von Tag zu Tag
mehr, je näher der T der Aufführung
heranrückte. Die Billets waren schon
alle längst im Borverkaufe weg, zu
ganz fabelhaften, ganz außergemöhn
lichen Preisen, wie man sie sonst nur
sui ein. Pult, zahlt. ' Du Miicwipwi
fand statt. Man bestürmte den Im
presario. den LoaenschlieKer. All?
Alles zu sagen, was sie wußten. Allein
Keiner wußte was. stin Diener war
gekommen, hatte siff? Loae beseben
hatte dafür gesorgt, daß kein Müßiger
oa war. kein eualeriaer. Niemand
dann war der Gast gekommen, unae.
leycn von Jedem, und so war er auch
r . ' n-
gegangen
Die Ungeduld des Publikums er-
reiaile durch all das Geheimnißvolle
beinahe den Fieberarad des Varorvs-
MUs. Am Abend der Vorktelluna in
oem UvertUllten beater ene Unruhe
die großen Ereignissen stets voranzu
gehen pflegt. Eine große Unruhe, die
aucy oie ganger aus der. Bühne da
oben, die Musiker im Orch?kterrm
unren iumie.
Und nun nun trat er aus. Nnn,
ersten Ton. von der ersten Stell? nn
merkte man: ja, man stand hier einem
großen Künstler gegenüber, und das
Publikum brach in eine spontane Bei
fallsscene aus.
Es war ein Triumph, wie ibn hie
Annalen der Theater nur selten ver-
zeicynen.
Herrlich", sagte man sich, jfinife-
artig". Noch nie wurde der tle'ne, ver
krllvvclte Narr so realigisch. fn ,ikn-
zend verkörpert wie hier. Rock ni er
schien der Narr so abstoßend in seiner
verzerrten lör'chetnung. noch nie so groß,
so ergreifend in seinem seelisch? 9tt?K
So. ja nur so konnte der Dichter seinen
ungiucillchen yelden sich gedacht haben.
Und der Beifall des ublikum mur.
Zum Orkan. Zehn, fünfzehn, zwanzig
imi mußte der Künstler vor der Rampe
erscheinen, und ..Pianti! Piantil
oie cenge immer wieder und wieder.
yllvilues drängten auf die
Bükne. Dränaten zur GmrkrnK? s
Künstlers und fanden verschlossene
Zi.uuren.
Nach der Vorllclluna mnrUu &
Publikum am Bühnenausgang zu
i'unoerien, zu z.au,enden, um den
Künstler zu sehen, ibm eine StHn
zu bereiten. Aber er kam nicht. Er
war längn durck einen ndn
gang schon fort.
Am andern Morgen konstatirtem alle
Vianer oen aronen. den n???i
zig dastehenden Triumph. Der Mann
muß der Kunst, mußder Bühne erhal
ten bleiben!
Der Impresario aber erbielt fnU,
. . ,
den Brief:
.Mein Herr!
Ich bin Ihnen eine Erklär,!,-, m,t.
dig und einen heißen, innigen Dank.
Sie haben mir die größte Freute den
größten Schmerz meines Lebens iWi
tet. Wcsbalb? ck will ? s, r.
- ' - U"-" W-
gen.
Ich habe immer davon aetwinml- mi.
auch in der Kunst einen Namen
chen. ' Der Name, den ich ererbt, ge
nügte mir nicht, so glänzend er auch ist.
,e ?taiur gab mir nach einer Seite
hin die Mittel, ein Kkinsts?r ,
Die Seele des Künstlers, eine Stimme.'
wie ne Wenigen eigen, und das Talent.
Nach der anderen Seite nahm sie mir
Alles. Sie nabm mir die riA,irif5
ein Künstler zu sein. Eine Rolle nur
chuf der Meister, eine Rn!l? f.
mich paßte: den Rigoletto. Denn
Rigoletto bin ich. Mißgestaltet, ver
zerrt und verwachsen wie er 7w
aoletto von gestern war keine Maske
oer migolelto war ,ch. Das erklärt
llleS. Meinen Namen wohl auch, den
Namen, den ich gewählt.
Damit war daS Geheimniß gelöst.
Wer aber der verwachsene Zwerg mit
der großen Seele, der großen Stimme,
dem großen Können sonst war. daS bat
Niemand erfahren.
Tat mißglückte Hurrah.
Von der Parade in Kassel am 15.
v.M. erzählt die Wcserztg." folgende
heitere Stllcklein: Die Truppen hatten
im offenen Viereck dem königlichen
Schlöffe gegenüber Paradeausflelluna
genominen, während der Kaiser noch
im Thronsaale der ahneunagelung
beiwohnte. Den Truppen war von den
Osfijieren bekannt gemacht worden,
wenn der vor der Front zu Pferde hal
tende Brlgadckommandeur die Säbel
klinge Über seinem Haupte schwinge
werde, so fei dies ein Zeichen, daß der
Kaiser vom chloe herannahe und die
Leute Hurrah rufen müssen. Dir Mann
schuften sollten dcsbald das Auge un
verwandt auf den Brigadekommandeur
gerichtet halten. Die Disposition war
getroffen und die Leute gaben sich alle
Mühe, den Befehl buchstäblich wie
möglich auszuführen. Alles würde auch
vortrefflich geklappt" haben, wenn
nicht ein loser Kobold dem etmaS kurz
sichtigen Herrn Brigade Kommandeur
einen schlimmen Streich gespielt hätte.
Er hielt nämlich den aug der Richtung
des Schlosses hcrangcspengten Flügel
adjutanten für den Kaiser selbst und
ließ sofort die Säbelklinge einige Dul
zend Male pfeifend um sein Haupt
kreisen. .Die Truppen begannen sofort
mit dem Hurrahrufcn, daS sich mit den
Klängen des Heil Dir im Sieger
kränz" donnergleich von Reg-ment zu
Regiment die ganze Paradeaufftellung
entlang fortpflanzte, sehr zum Entsetzen
des kurzsichtigen Offiziers, der inzwi
fchen feinen Irrthum erkannt hatte und
nun aufs Neue mit der Säbelklinge i
der Luft herumzufuchteln begann, dies
mal jedoch, um dem Hurrahrufen Ein
halt zu thun. Allein die Leute hielten
fest an ihrer Instruktion. Wenn der
Herr General Major miem Säbel
wink?, müffc ftnrnrb neriH wei den.
war ihnen gesagt worden, uns, s,
schrieen sie denn Hurrah, bis sie kirsch
roth im Gesicht wurden. Je mehr der
verzweifelnde Brigadckommandeur mit
der Säbelklinge winkte, um so lauter
und kräftiger schallte das Hurrah der
Truppen, bis endlich der Kaiser selb
erschien, gerade noch rechtzeitig genug,
um wenigstens noch einen kleinen Theil
der an die Adresse des Flügcladjulanten
gerichteten Kundgebung zu ernten.
eöculap af Reife.
Sie werden wirklich nickt all di
Leichtgläubigen. Ein ganz erstannlicher
rtu miro aus Paris berichtet. Da lieb
iünast ein Ebarlatan. der in mit Wh
blech ausgeschlagenes Fuhrwerk und
ein yuvicyes Faschingskostüm zu seinen
hervorragenden Besitztümern zählt,
seine abgetriebene Rofinante auf dem
Marktplatze eines kleinen Ortes in der
Nähe'von Paris Halt machen. Weithin
schallende Trommelwirbel und Trom
pctenstöße lockten etwa 4 bis 50 Gimpel
männlichen wie weiblichen Geschlechts
znm vielversprechenden Gefährt. Meine
Damen und Herren," sagte der Mann,
ich habe mich an dieser Stelle nicht
angefunden, um Ihnen Rasirseifen
oder Althäapasta oder Sareptasenf
anzupreisen, nein, der Grund meines
Kommens ist, Ihnen die größte
Errungenschaft des Jahrhunderts, die
Röntgenstrahlen, deren Erfinderich bin,
vorzuführen. Sie alle haben schon vo
meinen Strahlen gehört, durch die ich
jegliche Krankheit zu heilen im Stande
bin. Befindet sich also ein Kranker unter
Ihnen so mag er sich ohne Bedenken
meiner Heilmethode anvertrauen!" Auf
diese verheißungsvolle Aufforderung hin
erhielt der Doktor" Woolnoff so
nannte er sich alsbald den Besuch der
reichen Madame Dubouchet. die seit
langem an einem schmerzhaften Uebel
laborirte. Sie thun Recht daran,
Madame, sich in meine Behandlung
zu begeben." meinte der sogenannte
Doktor, sobald ich meine X-Strahlen
bei Ihnen in Anwendung bringe, wird
Ihr Leiden gehoben werden." ' Frohen
Herzens ließ Madame Dubouchet den
Doktor" gewahren, der sie vor einem
photographischen Apparat poftirte und
nach Ablauf einer balben Stund
triumphirend zu ihr sprach: Jetzt habe
ich lzeraus. was Ihnen fehlt. Sie sind
brustleidend. Doch das bedeutet nicht
viel. Sie brauchen nur diele Ar,ni ,
nehmen, um wieder gesund wie ein
Fisch im Wasser zu sein." Für diese
seltsame Konsultalion strich Doktor"
Woolnoff 320 kranken ein und rnnAt
sich nach einem so günstigen Erfolge
seiner Reife mit seinem Krame schleü-
nign aus dem Staude. Als die arme
Kranke auch nach niedreren Stocken feine
Besserung ihres Zustandes verspürte,
machte sie der Poliiei vo dem kliimin-
dcl Anzeige. Aber der Aeeln mit
seinem vergoldeten Fuhrwerk war nicht
meyr zu nnoen.
Der Glucklichere.
A: Wer ist glücklicher, der Mann
der eine Million sein eiaen nennt nh?i-
der. den Gott mit sieben Töchtern ge-
icgnci gan-
B: .Nun. selbst erändsi,1i her Mil
lionär."
A: .Durchaus nicht. 5Vr BeRticr
einer Million wünscht sich immer noch
mehr, der Mann mit sieben Töchtern.
aber oat vollauf genug."
)