Die Turfschwindler. PIkgksr!ile Novkllklte von S. ?. EmIIH. nlorisirt f'fikfutJ)Ug K. ,Lnmeg. OH .Im Iahn 18 so erzählte mein Freund, der Polizei . Jnspeclor West ood, .schrieb mir mein alter Kamerad Mallhews. der jetzt Polizei Tir.llor in Ztockdridge ist, und lud mich ein. einen Theil meines Urlaubs bet ihm in seinem Wohnorte zu verleben, einer langweiligen, kleinen Stadt, die nur das einzige SehenSmerthe auszuweisen hat. daß dort eine Woche in jedem Jahre bedeutende Rennen abgehauen wurden. Der Rennplatz liegt auf einem hohen Plaieau, etwa drei Meilen nordwestlich on der Stadt, so daß die Einwohner die Rennen von ihren Dächern auS mit Hülfe von ttrimpechern beobachten lön en. Ich nahm Matthew's Einladung an. denn er ift ein liebenswürdiger Mensch nd hält einen guten Keller. Zlußerdem bedürfte ich einer Erholung, doch leider war eS mir nicht vergönnt, mich dasei ben zu erfreuen. Die Rennen begannen zufällig nach meinem Eintreffen, und in der dem ersten Renntage voran gehenden Nacht wurde in dem Post Bureau, daS der Polizei Station und dem Hause des Direktors gerade gegen über liegt, eingebrochen. Merkwürdiger Weise aber lieh sich nicht feststellen, daß die Diebe nur das Geringste mitqe nommen hatten. Das Motiv des Ein bruches war also augenscheinlich nicht im Dtedflahl zu suchen. Die genaueste Untersuchung des Bu reauS durch MatthcwS und mich liefer ten unS auch nicht den geringsten An Haltspunkt, und abgesehen von der im Raume herrschenden Unordnung und den abgebrochenen Schlüsseln konnte man daran zweifeln, daß überhaupt ein Einbruch stattgefunden hatte; denn die Eindringlinge waren mit leeren Händen hgkjogen. Wir konnten in der Angelegenheit nichts entdecken und gaben auch schon lle vHoZfnNng auf; denn Matthcws' -TrmTr nin-ii nrniin an iiiiiii Hin iiiim Gesinde! zu beaufsichtigen, das auf jedem - v U M (1 " " " - Rennplätze auftaucht und eine bedeu tende Gefahr für die anständigen Leute bildet. Da Ich, wie ich bereits bemerkt, der Erholung bedurste, so ging ich auch nicht zu den Rennen; doch da das Wetter sehr schon war, so machte ich mir das Ver anUgen. auf das Dach von meines Wirthcs Haus zu steigen und die Rennen durch ein Opernglas zit verfolgen. Ich hatte eine prächtige Aussicht, doch von Zeit zu Zeit wurden die Sonnenstrah lcn durch eine Art Spiegel vom Hlenn platze her in meine Augen reflektirt Das war sehr störend, und deshalb wandte ich meine Aufmerksamkeit nach meinem Gegenüber, nach dem Dache des an das Poft Bureau stoßenden Hauses. dessen Bewohner genau dasselbe that wie ich, nämlich, die Rennen beobachtete. Die blendenden Strahlen des Spie gels schienen ihm aber auch störend zu sein, denn plötzlich flieg er schnell von dem Dach herunter, und einen Augen- blick später hörte ich die Thüre zuschla gen, als wenn er das Haus verlassen hätte. Mistreß Matthews theilte mir mit, datz das Haus, in welchem er lebte. übe? ein Jahr unbewohnt gewesen; erst vor Kurzem sei ein alter Herr mit seinem Sohne hineinaezogen. Sie be hauptete, der Name des Miethers sei Martin. Er stand im dem Rufe eines schwäch- lichen und excentrischen Menschen, und das Letztere war er auch sicherlich, denn ich beobachtete ihn zwei Tage hinter einander auf seinem Dache, wie er den Rennen zusah, bis die Strahlen des Spiegels ihn in Wuth zu versetzen schie nen, denn er trat sofort hinter den Schornstein und bewegte heftig die Arme, um vielleicht seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Dann verlies er wieder schnell das Dach, und eine Mi te später hörte ich, wie die Thüre zu geworfen wurde. Am Abend des drittm Renntages trat Matthews in mein Zimmer und sagte zu mir: .Ach. thun Sie mir doch den Gefal- len und kommen Sie einen Augenblick in mein Bureau. Der alte Monty Read, der Buchmacher und Geldwechs- ler ans der North Street ift da, und wünscht Sie sehnlichst zu sprechen. Er meint, er wäre beschwindelt worden, ob wohl es mir ein Räthsel ist, wie ein Buchmacher beschwindelt werden kann, er hat mir eine lange wehmüthige Veschichle erzählt; er sei ruinirt und dergleichen mehr. Kommen Sie und hören Sie sich an was er will; Sie er weisen mir damit einen großen Gefal len.' Ich solgte Matthcws in sein Bureau und sah dort einen kleinen, häßlichen, alten Mann mit einer Hakennase, auf dessen gelbem Gesicht Habgier und Lift deutlich zu lesen standen. Er trat auf mich zu und sagte: .Ach, Mister Weftmood. ich habe ge hört, daß Sie hier sind. Helfen Sie mir doch, Sie sind ja ein kluger Mann. Ich bin alt und arm und bin in dieser Woche dreimal beschwindelt worden; ich bin meiner Sache ganz gewiß. Man wird mich ruiniren und ich werde noch in einem Armenhause sterben." Räch diesen Worten begann er heftig zu schluchzen, und nur mit großer Mühe konnte ich Folgendes aus ihm herausbe kommen: Er war ein Buchmacher und Com missionär, der Eeldwcttcn von feinen Kunden annahm, vm die betreffenden Summen aus die bestimmten Pferde zu setzen. Zuweilen schloß er auch nach telearupdiktikn Instruktionen ad. die die ihm vom Rennplütze aus gesandt wurden, doch mußte die betreffende Te pcsche mindestens vier Minuten vorher aufgegeben worden sein, ehe daS Ren nen, auf das sie sich bezog, gelaufen wurde. An dem Tage vor dem ersten Rennen deponirte ein junger Tourist Namen eott, der im George Hotel wohnte. 2000 Pfund bei ihm und erklärte ihm. er würde ihm alle Instruktionen tcle graphisch kurz vor den Rennen mitthei len. Read meinte, dieses Verfahren wäre etwas ungewöhnlich, trotzdem nahm er die Commission an und gab eine Oit tung sür das Depot, worauf Scott ihm erklärte, er selbst dür te kein Rennen besuchen, wenn er nicht eines bedeuten den Legates verlustig gehen wollte, das ihm ein Verwandter, ein grimmiger Feind des RennspsitS, hinterlaffen hatte; glücklicher Weife hatte ihm der selbe aber nicht verboten. Wetten ab zuschließen. Bleueicht erinnert man sich noch, daß in diesem Jahre alle Rennen von Out stoers gewonnen wurden. Wle man sich denken kann, wurde eine Menge Geld ausbezahlt, obwohl der grdkte Theil der Wettenden leer ausging. Der Gewinner dcS Melville Cup" war Eaucy Jane, für den ü0-fachcS Geld gezahlt wurde. Kaum war das Rennen gelaufen es fand um 2 Uhr statt als Read von Scott folgende telcgra- phlsche Depesche erhielt: .Setzen Sie 50 Pfund zu Startpred sen auf Saucy Jane für mich. Scott." Auf der Depe che stand: .Aufaeae- den tn Roabridge um 1 Uhr 45 Minu ten Nachmitags.' Das war 6 Minu ten. bevor das Rennen gelaufen wurde. obwohl scead das Telegramm erst spä ter erhielt, fivar wüthend, denn er hatte bereits kl verloren; doch da die Instruktionen vollftandla in Ord- nung waren, so mußte et die Summe WMNM'- ii,il,ii, cm ummiuitu cuu uus zahlen. Am nächsten Tage ereignete sich das- selbe. Der Larriß Purse" wurde von einem anderen Qfltfio gewonnen, für den der Totalisator 50 zu drei zahlte Kurz nach dem Rennen erhielt Read von Scott ein Telegramm, das sieben Minuten, bevor das Rennen gelaufen wurde, abgegeben war, und in welchem er die Jnftrukiion erhielt. 50 Piund auf Doctor Jack zu setzen. Dieses Pferd war der Sieger, und am Abend dieses Tages war Scott wieder um eine große Summe reicher, während der Unglück liche Buchmacher in Verzweiflung ge- rieth. Als dasselbe sich aber auch am nüch sten Tage ereignete, gericth er fast in Raserei und weigerte sich, zu bezahlen. Er erklärte, die Telegramme seien durch Bestechungen hergestellt worden; einer von den Telegraphen Beamten stände mit Scott im Bunde und helfe ihm. die Telegramme zu fälschen, und der, gleichen unwahifcheinliche und nqlaub, liche Behauplungen mehr. Dem alten Knaben schienen die ungeheueren Ver- luste zu Kopfe gestiegen zu sein, und er bat uns mit Thränen in den Augen. den Schwindel aufzuklären und ihm wieder zu seinem Gelde zu verhelfen. Es ist eben thöricht wie gefährlich von Ihnen, Beschuldigungen gegen Postbeamte zu erheben, sür die Sie auch nicht den geringsten Beweis haben. Mister Read.' sagte ich. .Es ift ja möglich, daß tn der Zeitbestimmung der Telegramme ein Irrthum unter- laufen ist. oder daß die Uhren bei Starters und diejenigen des Teleqra phen-BureauS differiren. Kommen Sie mit hinüber nach dem Bureau, wn wollen zusehen.' Wir gingen hinüber, und Matthews interpellier den Poftlneister und er klärte ihm die Sache. Da die meisten Leute auf den Ren- nen sind, !o befindet sich augenblicklich nur ein Sekretär im Bureau, und zu dem habe ich unbegrenztes Vertrauen," sagte der Postmeister. .Jrrdeffen kön- nen fote ihn ja fragen, wenn Sie wollen." Das thaten wir denn auch, und er erklärte uns, die Zeiten, zu denen er die Depe chen aufgenommen, stimmten mit denen im Telegramm angegebenen voll- ständig uberein. Daß die Zeit auf dem Post-Bureau und auf dem Rennplatze fast auf eine Sekunde stimmte, wurde auf telegraphischem Wege festgestellt, und der Gedanke, e bestände ein Ein Verständniß zwischen Scott und einem anderen Beamten wurde von dem Wirth dcS George - Hotels widerlegt, und mit größter Bestimmtheit behauptet, Scott hielte sich den ganzen Tag über in sei- nem Zimmer auf und verlasse dasselbe nur, um kurz vor den Rennen zur Post zu gehen. Die ganze Anklage uf Betrug schien unbegründet und nur eine Ausgeburt des erregten Hirns Read'ö zu sein, dem Matthews ernste Vorstellungen machte. ndem er ihm sagte, er möchte sich ruhig verhalten, wenn er sich nicht einen gan- zen Rattenkönig von Beleidigungs-Pro-zeffen zuziehen wolle. Am nächsten Tage ging er wieder auf das Dach, um dem Rennen wie vorher zuzusehen, und wieder erregte der seltsame Spiegel auf dem Renn platze meine Aufmerksamkeit. Plötzlich bemerkte ich eine gewisse Ordnung in den Lichtstrahlen, und nun wurde mir die Wahrheit klar. Die Strahlen be deuteten eine Botschaft, die von einem Heliographen nach Art der Moise-Tele graphie abgeschickt wurde, die ich glück llcher Weise ganz genau kannte. Ja so war es; die Lichtkreisen gaben den Namen eines Pferdes wieder: Prije os the South", und dieses Pferd sollte für daS große Rennen des Tage? ge lauen werven. as war Alles, nur der Name deS PferoeS lehrte noch zwei mal wieder, diclleicht bedeutete, daS daß eS der Favorit oder der Sieger war. Wenn dem aber so war. an wen sollten die Botschaften geschickt werden Schließlich konnte doch an Read' Behauptung, er wäre betrogen worden etwas Wahres fein. Wie aber and es da mit den Zeiten, die auf dem Tele gramm angegeben waren? In demselben Augenblicke bemerkte ich, als ich hlnunterblickte. einen jungen Mann, der das gegenüber liegende HauS verließ und in die Poft hinein ging. Sosort ging auch ich hinunter und begab mich in daS fast leere Post Bureau, um dort einen kleinen Einkau zu machen, während ich noch über den seltsamen Vorfall grübelte. Eine merkwürdige Geschichte, dacht ich. das Rennen war für I Uhr ange ctzt. wie spät ift es etzt? Mit die en Worten blickte ich auf die Uhr im Bureau, wo ich etwas bemerkte. was mich zu dem Ausrufe: .Seltsam, seltsam!" veranlaßte. Was giebt's denn?" fragte der Beamte. Oh. nichts, es ift mir nur etwas aufgefallen," versetzte ich ausweichend xann ging co nacy au e. um mir die Sache weiter zu überlegen. Es schien mir. als bestehe zwischen den strahlen des Spiegels und dem. was ich im Postbureau gesehen, ein Zusam menhang. und je mehr ich über die Sache nachdachte, desto mehr war ich überzeugt, daß Read Recht hatte und hier ein Schwindel vorlag. Ich zog Matthews ,n S Vertrauen wir hatten Beide an dem Abend eine längere Unterredung mit dem Post- meister; in der Nacht betraten wir alle Dxd lile, da3.Pftreauuud.äk. men die Uhr von der Wand, Amt kleine, anscheinend elastische Drähte kamen zum Vorschein, die sich cnt- sprechend verlängerten; wir legten die Uhr auf den Tisch und öffneten das Gehäuse. Nun bemerkten wir. daß der stäh- lerne Minutenzeiger gar nicht zu dem Stundenzeiger paßte, sondern daß ein anderer Zeiger angebracht war. der mi! einer leichten klebrigen Maffe überzogen war. so daß er von Zeit zu Zeit haften blieb. Der Zeitunterschied konnte in der Stunde nur wenige Sekunden aus machen, die aber im Laufe eines Tage jtch zu mehreren Minuten vergrößerten Als wir unsere Untersuchung forlscd ten, nahmen wir oav Zifferblatt ab und entdeckten nun zwischen Werk und Deckel einen flachen, kurzen Eisenring. der mit dünnem Telegrophcndraht umwickelt war. ve en ,ortlcunq die von mir erwähnten Fäden bildeten. Diese Fä den aber führten durch die Wand in das neben dem Post-Bureau liegende Haus. xtx ganze Schwindet war uns nun klar. Die Geheimnisse des Einbruchs. die Lichtstrahlen des Spieaels und Scott's wunderbares Glück waren uns kein Geheimniß mehr. Die Einbrecher. Martin, sein Sohn und Scott hatten ihre Aufmerksamkeit auf die Uhr gerich tet, als sie in das Post-Bureau ein- brachen und den großen Zeiger mit ihrem eigenen vertauscht, dann hatten iie den kurzen, eisernen Ring, der nichts weiter als ein kräftiger Elektromagnet war, hinter das Zifferblatt gesteckt, ein dünnes Loch durch die Wand gebohrt und die Drähte von den, Magneten in das andere Haus hinüber geleitet. Dann hingen sie die Uhr wieder sorg sültig an die Wand und gingen ver gnügt von bannen; denn Alles war ja zu ihrem Schwindel bereit. Klugerweise openrten die Gauner nur einmal am aat. denn sie sagten sich mit Recht, daß die Sache in diesem Falle nur durch einen großen Zufall entdeckt werden könnte. Zu diesem Zwecke hatten sie den Elektro-Magnetcn angedracht, der durch die Drähte mit einer Batterie in dem Nebenhause, in welchem sie wohnten, verbunden war. Waren nun die Drähte und die Batterie verbunden, so zog der Magnet das Ende des Minutenzeigers an, und hielt den selben auf dem Zisserblqtt in richtiger Lage, so daß er bis auf Weiteres die richtige Zeit angab. Bor dem Rennen jedoch wurden die Drähte abgestellt und der Magnet hörte auf, die Zeiger anzuziehen, wodurch der Letztere um etwa 10 Minuten zurück siel. Infolge dessen ging dann die Uhr natürlich nach. War das Rennen zu Ende und selten dauerte es länger als zwei bis drei Minuten, so helio graphirte einer der Gauner auf dem Rennplatze das Resultat dem Manne, den ich auf dem Dache des gegenüber liegenden Hauses bemerkte; dieser be wegte zum Zeichen, daß er verstanden, heftig die Arme, und der Mann auf dem Nennplatze sah dieses Signal durch ein Teleskop. Der Schwindler auf dem Dache ging dann hinunter, brachte ein schon vorher fertig gemachtes Tele gramm in's Bureau und sagte zu dem Beamten: Setzen Sie die Zelt bei, und schicken Sie es bitte sofort ab. Es ist eine Wette für das Rennen, das gleich gelaufen werden soll." War das Telegramm abgeschickt, so wartete der Mann noch einige Minuten, setzte dann wieder die Batterie an. und die Uhr zeigte bis zur Manipulation des nächsten logeS die richtige Zeit. Tief ?cederta!Ikn des ."JeiaerS war mir im oft-Bureau aufgefallen. Wir erlangten einen Verhaftsbesehl und begaben unS nach dem Nebenhause, wo wir die Bewohner wegen Einbruch und gatlchung von Telegrammen ver hasteten; auch Scott wurde wegen Bei hülfe im Gcorge-Hotel festgenommen Wir fanden viel Interessantes in dem Hause: Einen Heliographen, sowie eine Menge elektrischer Apparate, Batterien u. i. m. i'larlin war nocy nicht ganz angekleidet, als wir eintraten; denn an statt des alten, schwachen öjährigen Mannes fanden wir einen krüfligen Menschen von kaum 30 Jahren, der ohne den weißen Bart und die weiß, PerrÜckc, die auf dem Tische lagen, gar leinen so üblen Eindruck machte. Scott war sein Zwillings Bruder. und die Beiden sahen sich so ähnlich wie ein El dem anderen. Martin .Sohn" der Eomplice, der die Rennen besuchte entpuppte sich als ern der Polizei wohl bekannter Schwindler. Natürlich ging Scott nie nach dem Post-Bureau. sondern Martin verließ, nachdem er erfahren, welches Pferd ge mannen, da? Dach des Hauses, nahm seinen falschen Bart und feine Perrücke ab, trat als Scott, dessen Ebenbild er war, in das Post-Bureau, und so ge lang eS ihm, die Beamten hinsichtlich einer Identität zu täuschen. Das verbrecherische Trio besindet sich letzt in stiller Zurückgezogenheit im Ge fängnisse zu Devonshire. Für die näch sten fünf Jahre dürfte die Welt vor ih ren Echwinoeleien wohl sicher sein." Sein erstes Bild. Ektzie von N. Stell 1. Soeben hat man den kleinen Knaben llir Irbtrn !,in, neirnnrn IV ä hust auf und blüht auf dem fielen Grabe von Rosen und Veilchen. Mitten im Frühling, zur Blüthezeit. aus seinem (un-fatt, MehefiJituuniv r ortgeranl von einer indeilrankeit. Alle, die ihn gekannt, hatten den klei nen luftigen Knaben gern.mhabt, der mit seinen Pausbacken unsren sonni- gen Blauaugen, dazu die weichen gold bloiidkn Löschen, fo hübsch und gut aussah. Sein ganzes kurzes vierjäh riges Leben war eitel Frohsinn und Sonnenschein gewesen. Er hatte oe acht und gejauchzt vom frühen Mor gen bis zum späten Abend. Sein Froh unn wliiie an icaeno aus Aue. i'iun war er todt. Vorbei das helle sorglose Kinder- lachen, vorbei. Stumm, thränenlo halb verzwe,- seit kehrt die Mutter vom Friedhofe zu- rück in ihr verödetes Haus. Der Hin, mcl hatte sie hart geprüft, vor 3 Iah ren verlor sie den Gatten und nun. da ein wenig die Wunde vernarbt, als sie wieder fröhlich sein konnte mit ihrem lachenden, sonnigen Knaben, nahm ihn hr der unerbittliche Tod. Zwar stand nicht ganz allein. Sie hatte noch einen tknaden. einen stillen, bla en Jungen von 14 Jahren, doch all' ihre Liebe, all' ihre Zärtlichkeit hatte sie dem Kleinen gegeben. Der Andere verlangte nicht darnach. Still, der Wollen, vetnaye gtctcyqiltiq war er fast gegen Alles. Still, fremd gingen Mutter und Sohn nebeneinander her. das Nothwendigste wurde nur gespro- chcn, sie verstanden sich nicht. Und die Mutter haderte mit dem Schicksal, daß es ihr den Liebling genommen, weiter zwar dachte sie nicht, wollte sie nicht denken. Und doch, hätte sie es ändern kön- nen, der kleine Knabe wäre bei ihr ge blieben und doch der Tod fragt nicht, er ist unerbittlich. Er nimmt die Mutter von der Wiege des Kindleins. er holt das Kind von der Mutter und manch Einen, der sich nach ihm sehnt. der nach ihm verlangt, den ,lüßt er eben. Der 1t jährige Knabe sitzt stillt in der Ecke. Seine großen, traurigen, fchüch ternen Augen sind fest auf das Antlitz der Mutter gerichtet, heimlich wischt er ch ad und zu eine Thräne von den Wimpern. Weint er um den kleinen todten Bruder, oder ahnt er die Gedanken der Mutter; fein Blick verräth nichts. Die Mutter aber fühlt nichts von den. Blick des Knaben, sie sitzt verzweifelt da, ruft sich all' die harmlos glücklichen Stunden mit ihrem todten Liebling zurück und hadert mit dem Schicksal, Dabei denkt sie voll heimlicher Sorge an den anderen, an den Duckmäuser, wie sie ihn so oft laut und in Gedanken genannt hatte. Still hat der Knabe Alles über sich ergehen lassen, mit keinem Worte sich vertheidigt, seige, energielos nennt ihn dieMutter. Alles vergeblich, noch ftillcr. noch in sich gekehrter, noch verschlossener wird er, verständnißlos sieht die Mutter st zu ihm hin. Kein Verstehen hinüber und herüber. Was soll daraus wer- den?" fragt sie sich oft. Dann ging sie früher zu dem Klei- nen, dem Liebling, und fpieltc mit ihm. derweil der Acltcste sinnend in einer Ecke saß. Das frohe Jauchzen von Mutter und Kind schallte dann oft zu hm herüber; wehmüthig, verlangend. beinahe hungrig, sieht er zu. doch er rührt sich nicht, er spricht nicht, er be- theiligt sich nicht an dem frohen Spiel. Nun ist der Kleine todi. Doch an dem Leben von Mutter und Sohn än dert sich nichts. Die Mutter treibt einen stillenKursuS mit den Spielsachen. den leblosen Resten ihres todten Lied lings. Ost böite sie der Sohn hcim lich Zwiesprache mit den todten Gegen stände halten; ihn, den Lebenden, ihren einzigen Sohn, beachtet sie nviii gcr fast als früher Gleichgiltig gehen Mutter und Sohn Jahr um Jahr aneinander vorüber. Der Sohn hat Zeichenunterricht gehabt und w,u V.alcr werden. v Die Mutter sträubt ,ch dagegen. drollose unfl nennt sie das. Trotz dem die Lehrer ihr von dem Talent ihres SohneS sprechen, sie. die Mutter. glaubt nicht daran. Ihr Sohn wird nie etwas Besonderes leisten. auZ ihm wird nie etwas werden, sagt sie, Doch als nun auch der inzwischen zum Jüngling herangewachsene Sohn mit einer an ihm fremde,, Energie ver, langt Maler zu werden, ergiedt sich die Mutter auch hierin, ihr ,ft ,S so gleich giltig. so furchtbar gleichgiltig. In den langen Winterabenden, wenn tunde um Stunde verrinnt und Mut- ter und Sohn sich schweigend gegen übersitzen. er emsig zeichnend, sie mit einer Rähcrei bcschüstigt, dann fliegen die Gedanken der Mutter zurück in die Vergangenheit, sie denkt an ihren tod ten Liebling. Denkt wie groß er nun schon sein würde, wie fröhlich und liebe voll er mit ihr plaudern würde, und ein tiefer Seufzer entringt sich ihrer Brust. Ver emsig Zeichnende hört den Senf- zr und fühlt, wem er gilt, und mit leidig sieht er zu der Mutler, die den Blick fest gesenkt hat, hin. doch er sagt nichts, kein einziges Wort. 2. Wieder sind Jahre dahingezogen. Es ist ein ungewöhnlich schöner. warmer Herbsttag. An diesem Taae ft die Kunstausstellung eröffnet wor- den. Die Portale des aroßcn. vrack- tigen Gebäudes sind weit geöffnet und das Publikum strömt nur so herein. Da sieht man Alles. Ofsizicre. alte Männer mit grauem Bart, wie iunac. geckenhaft gekleidete Stutzer. Ernst ausieyendk, grüblerische Gelebrte und (.fc.... Alles strömt herein. h,er aus Jnter e,e, dort auS Neuglerde. Jene fein geputzte, behutsam ausschreitende Dame edoch wieder, weil s Mode ist Schüchtern, beinahe scheu bricht sich eine altere, gut gekleidete ffrau Bahn Ehe sie hineingeht, sieht sie sich verstob len nach allen Seiten um. dann erst tritt sie naher. zur soyn yai ein eines aus- gestellt. Seine Lehrer haben sich sehr lobend darüber auqcsprochcn. haben ibr von feinem Talent, von seiner großen Zuiun t erzählt. Aüe glauben an bn. nur iie nicht, die Mutter, Ruhig, fast geschaftsmäßia. bat der isol,,, ,hr mitgetheilt, daß er auch ein Bild ausgeltellt habe und sie dann ge beten, der Form wegen, mit rubiaem gletchgtltigei, Gejtcht. es sich anzusehen. Hart, beinahe schroff hatte die Mutter es verneint. Was interesiirtc sie das Bild, wußte sie doch noch nicht einmal. welches Subjekt es darstellte, der Sohn hatte ihr nur die Nummer aenannt. 11. Bei ihrer schroffen Ablehnung. es sich anzusehen, hatte keine Muskel in einem Gellcht gezuckt, er hatte es nicht anders erwartet. Doch als der Sohn gegangen, da hat es trotz allein die Mutter hingctrieben zur Ausstellung. Sie wußte, der Sohn würde nur Halbes, Stümperhaftes fer tigbringen die Urtheile der Lehrer be- ruhigten sie nicht, sie kannte ihren Sohn besser. Und doch zog eS sie hin. zu fei- nem Bilde. Wie eine Verbrechern,, sich ängstlich nach allen Seiten umsehend, schreitet sie vorwärts, von Saal zu Saal. Jedes Bild sich genau betrachtend, sich von manch einem fesseln lassend, hier län gere, dort kürzere Zeit verweilend, sucht Nch noch immer vergebens nach 54 l o wandert sie weiter, ohne das Bild gefunden zu haben. Endlich fragt sie nen Aufseher 541", der Mann denkt nen Moment nach, dann zuckt er die Achseln. Ein beinahe verächtliches Lächeln kräuselt die Lippen der Mutter, sie kümmert sich nur noch um die klei- nen. beinahe versteckt in einer Ecke hän- genden Bilder. Aber auch hier sucht sie vergebens nach 541 Endlich gelangt sie in einen sehr großen, sehr überfüllten Saal, äugen- chelnlich den Hanplsaal. Hier stauen sich sörml ch die Menschen. Die besten Bilder, von bedeutenden Künstlern, von anerkannten Talenten ausge stellt, hän- gen hier. Ziemlich in der Mitte des Saales hat sich eine große Menge angesammelt. Neugierig kommen mehr und mehr hinzu. Die Mutter hat schon die Hoffnung aufgegeben, das Bild des Sohnes zu nden. Fast mechanisch nähert sie sich der Gruppe vor dem Bilde, doch vergeb lich versucht sie einen Blick darauf zu werfen, zu erkennen, was es sei, die Menschen verdecken eS vollständig. Nur verschiedene Ausrufe hört sie, wie groß artig, packend, genial, ein großesviel- versprechendes Talent, ein bedeutender junger Künstler." Schon fast gewohnheitsmäßig fragt sie einen vor ihr stehcndm älteren Herrn nach der Nummer des Bildes 541", ift die Antwort, entschieden das beste das eigenartigste Bild von al len, dabei das Erstlingswerk eines jun gen Künstlers. 541", das Bild ihres Sohnes, ein Kunstwerk? Die Mutter kann es nicht fassen, ihr Sohn, der Duckmäuser, der stille verschlossene Mensch sollte ein große? bedeutendes latent haben u' denkbar. Beinah, rücksichtslos brach sich dj? Mutter Bahn. Lie wollte sehen, sehen, ihre ganze Seele lag ,n ihren Augen, bann stand sie vor dem Bilde. Was sie da sab. ließ sie beinahe ohn machiig zurücksinken, so packle es sie. so lebenswahr war es dargestellt. Mi! Gewalt hiclt sie sich aufrecht. Sie sah ein kleines, wohnlich ringe richtelcS Zimmer, ihr eigenes Wohn zimmer. wie es jetzt noch war. In die fem Zimmer stand ein Sarg, ein tiw sachkk kleiner ttindcrsarg und ein blond lockiger Knabe lag darin, mit ruhige friedlichen Zügen, fast als schliefe 'er. Und Alles, der Sarg und der kleine Zodte, waren über und über mit Rosen bedeckt, so daß nur das Gesicht des Kna den frei blieb. Neben dem Sarg aber den Kopf j die Hände vergraben, kniete eine schwarz., gekleidete Fraucngrftalt. In der gan zen Haltung derselben prägte sich ei solcher Schmer,,, eine foUbt Venroeif. lung aus, daß Jeder sichtlich davon er griffen wurde. Und ganz hinten an der Tbür. aan: in die Ecke gedrückt, stand ein 14iäbri ger blasser Knabe. Seine großen seelen vollen Augen sahen mit grenzenloser Verzweiflung auf die im Sckmer, suntene Frau. AllcS an dem Knabe machte einen packenden, veriweifelten Eindruck, es schien, als wollte er sagen: Sieh mich an, ich bin doch auch noch da, ich lebe, laß mich nicht fo allein ich will Dich ja trösten." Thräne um Thräne rann über hit Wangen der Frau. Das Bild hatte ihr Sohn gemalt, ihr Sobn. den sie s verkannt, all' die Jahre. Dem sie nie ein freundliches, liebevolles Wort ge gönnt hatte, den sie verkannt halle sein ganzes Leben lang. Dessen scheues, be scheidenes Wesen sie für Untüchtigkcit, sür Feigheit gehalten hatte. Den sie neben sich geduldet bntte. weil er nun 'mal da war. dessen ?in teressen niemals die ihren gemeinsam waren iih drr fii h?tn,ii u;.,, Uiw.w .' :-''!I'.'!Tä.'w. TT.W 'JII.UUI UllMilt UUllC. Wie eine Binde fiel es ihr von den Augen, das wag sie für Verstocktheit, für Feigheit gehalten hatte, es war nur Stolz, ei,, Stolz, der eine Lieblich nicht erbetteln, erzwingen will. Wer so malen kann, der hat Gefühl, der kann nicht feige fein. Doch sie wollte gutmachen, sie die Mutter, nun sie den Sohn erkannt, wollte sie all' ihre Liebe ihm zeigen. Noch einen Blick warf sie auf das Bild, dann wandte sie sich erschüttert ab. Als sie sich umwandte, sah sie den Sohn vor sich. Einen Moire, t sahen sich Mutter und Sühn still in die Augen, die der Mutter kühlten sich langsam mit ThrS nen. wahrend in die Auaen des SobneS ein stilles Leuchten trat. Tann streckte ihm die Mutter still wortlos die Hand entgegen und der Sohn hielt sie fest und drückte sie. Dann zoa er den Arm der Mutter durch den seinen und ging wortlos, glückselig lächelnd mit ihr'fort na Hauje. Sie halten sich gefunden, um sich nie mehr zu verlieren. Jivei paar Stiefel. Vor Kurzem hat sich im Grand Hotel in Paris ein sehr drolliger Schwindel zugetragen: Ein elegant gekleideter Herr, der sich als Sir James H., Ba ronet aus England, ins Fremdenbuch einschrieb, micthcle für einige Tage mehrere fein eingerichtete Zimmer in besagtem Hotel. Dann begab er sich nach dem Boulevard des Capucincs und trat dort in einen der fasbionabclstcn Schuhläden ein. um sich ein paar der theuersten Lackstiefel anmessen zu lassen. Stiesel inußtcn zu einem bestimm ten Tag um 10 Uhr Vormittags fertig sein, da der Gentleman mit dem 12 Uhr Zug nach Marseille fahren wollte. Nachdem alles zur Zufriedenheit be prochen war, suchte er einen anderen Schuhmacher, dieses Mal am Bonle- vard des Italiens, auf und machte die- cm genau dieiclde Bcstelluna noch ein- mal. nur mit dem Unterschiede, daß die Stiesel anstatt um 12 Uhr Mittags um 3 Nhr Nachmittags im Hotcl abzugeben elen, da er den uinfuhrzua ach Brüs- srl nehmen müsse. Pünktlich zur be stimmten Stunde erschien Schuhmacher Aummer ilns aus der Bildflacke mit einen Erzeugnissen. Sir James vro- birte sie an, sie gesielen ihm außeror- dentlich. sie waren entzückend, auch nicht zu theuer, nur drückte der linke Stiefel auf den Zehen, der Meister möge ihn deshalb über den Leisten ziehen und morgen abliefern, der andere könne ru- hig Hierbleiben und da er. Sir James. doch geschä tlich noch einen Tag länger Paris aufgehalten sei. habe die kleine Verzögerung nichts zu bedeuten. Na- türlich war der Schuhmacher mit diesem Vorschlag einverstanden, und er zog hierauf mit seinem einsamen Stiefel ab. Am Nachmittag stellte sich der zweite rZ'n vi.t.ii.. - . ., .Humnc im, uii-uuc 5zene ivicoeriMle sich, nur mit dem Unterschiede, dak dieses Mal der rechte Stiefel drückte und sein Vcrfertiaer diesen wieder mit ortnahm. An, nächsten Moraen tra- en, fast wie auf Verabredung die bei den Meister zur alci,ben Seit in, .fiotel ein, der eine mit dem linken, der andere mit dem rechte Helden, der licbens-. würdige Besteller hatte aber bereits am Abend vorher das gastliche Varis ver- asscn und trägt jetzt das so fein errun- gcne Paar Stiefel wahrscheinlich in London spazieren.