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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Sept. 21, 1899)
Sie weiß sich zu Keifen. (Hui dem ngll'chkN ) JA wußte im Poraus. wie ti tom . OTfn uürb," sagte flirt. Mynton. Ihr könnt eS bezeugen, Mädchen, daß Ich eS vom Anfang an voraussagte. Sie ist nicht kräftig genug, um in einem Laden zu stehen; im Hause ift sie jU nichts nutze, und nun liegt sie uns zur Last durch ihre Krankheit, und Niemand weiß, wie lange diese dauern wird. Dazu haben wir eine Doktor Rechnung zu erwarten, gar nicht vom Apotheker zu sprechen, und Mynton'S Vehalt ist gerade jetzt wegen der schlech ten Zeiten herabgesetzt, und " .Still, Mama!" sagte Angelina Mynton. indem sie ihren Zeigefinger warnend erhob. .Sie kann Dich hören." ' Und so war es. Der Nebel, welcher Phöbe Clissold'S Geist umnachtet hatte, schwand allmählich: die Worte, welche ihr zuerst wie das entfernte Summen eines Bienen SchwarmeS geklungen hatten, nahmen deutliche Gestalt an. .ES thut mir sehr leid, Tante Mynton sagte sie. Ich will mich bemühen. Euch keine Last zu sein. Wirklich," fuhr sie fort, indem ein schwache? ' Lächeln um ihre Lippen spielte, .ich fiel nicht absichtlich in Ohnmacht; aber im Laden war es so heiß und die Ventilation so schlecht wenn ich um einige Tropfen Wasser bitten dürfte." Phöbe Clissold war mit neunzehn Jahren Waise geworden. Ihr nächster Verwandter ein, Bruder ihrer der storbenen Mutter war in einer Bank in New York angestellt, und zu ihm hatte sie ganz natürlich ihre Schritte gelenkt. ES war ihm gelungen, ihr eine Stelle in einem großen Galanterie aeschäft zu verschaffen, und hier hatte sie im ersten Vierteljahr diese schwach volle Niederlage erlitteu. .Sie kann die vielen Stunden Arbeit, ganz von der frischen Luft abgeschnit ten, nicht vertragen," meinte Dr. Falk ney. .Viel Bewegung und Luft sind ihr durchaus nöthig. Die jetzige Lebens weife kann sie nicht aushalten." Bewegung in der freien Luft?" wiederholte MrS. Mynton, deren Herz durch jahrelange Entbehrung und an gestrengte Arbeit bitter geworden war. .Aber, Dr. Falkney, wir haben nicht Pferd und Wagen, und Zeit, um im Park spazieren zu gehen, haben wir auch nicht. Frische Luft! Wir wohnen m einer Micths-Wohnung, die Schlaf zimmer werden mit Gas erleuchtet und durch den Schornstein gelüftet und dem ift nicht abzuhelfen, scheint mir." Dr. Falkney schüttelte den Kopf. .Langsames Gift," sagte er. ..für, ein Mädchen wie sie." Phöbe, welche im Nebenzimmer auf dem Sofa lag und langsam an einem Paar Strllm pfen für den jüngsten Mynton strickte, hörte dies Alles und überlegte, was zu thun fei, .Hier möchte man mich am liebsten loS Mn," dachte sie traurig. Ich bin ein unnützer Esser, und Dr. Falkney sagt, ich darf nicht mehr in den Laden zurückkehren, die Frage ist: Was soll ich thun? Bewegung? Frische Luft Tante Mynton hat recht, dieser Luxus scheint nicht für mich da zu sein." Als sie so dalag, beobachtete sie Angelina Mynton. welche versuchte, ihren vorjährigen Strohhut mit einem drei Ellen langen erdbeerfarbenen seide nen Bande und einem Bouquet gelber Primeln zu garniren. Es war deutlich zu sehen, daß Ange lina keine Putzmacherin war. Sie drehte das Band nach allen Seiten; sie brachte die Primeln erst auf einer Seite, dann auf der andern an und schleuderte endlich Hut, Band und Blumen mit einem Ausruf der Verzweiflung von sich. Häßliches, altes Ding!" rief sie aus, .ich kann nichts daraus machen." Pböbe legte ihr Strickzeug beiseite. .Gieb eS mir!" sagte sie. Einige zier llche Schleifen, ein geschicktes Anbringen der mißhandelten Primeln, und Phöbe ,zKte den Hut den bewundernden Blicken Angelinas. Me gefällt er Dir jetzt?" ,Oh, reizend!" rief sie voll Bewunde rung aus. .ES ift gar nicht wie der selbe Hut. Wie hast Du es angefangen. ÄSbe?" 2jch weiß nicht," antwortete Phöbe. .Ich habe immer meine eigenen Hüte 'und die von meiner Mutter garnirt; es macht mir Spaß." .Du solltest Putzmacherin werden." agte Angelina, .aber," fragte sie sich erinnernd hinzu. .Dr. Falkney sagt, Du darfst Dich nicht in einem Laden einschließen, und eine Putzmacherin sann sich auch nur wenig Bewegung in .der frischen Luft machen." Ja." stimmte Phöbe seufzend bei. Doktor Falkney war ein ruhiger, -wortkarger Junggeselle von vierzig Jahren. Er hatte zehn Jahre lang an demselben Ort seinen Beruf aus geübt und nie empfungen. daß ihm etwas fehlte. Aber an diesem frischen Frühjahrsmorgen saß er nachdenklich in seinem Arbeitszimmer, indem er daS große Skelett, das hinter einem Gazevorhang in der Ecke aufgestellt war. aufmerksam betrachtete und dabei mit dem Lineal auf dem Tisch klopfte. Ihre Augen gleichen denen eines aufgescheuchten Rehes," sagte er zu sich selbst. .Und eine so sanfte, liebliche Stimme! Sie schwatzt nicht, wie ihre Eousinen. Sie spricht in einer ruhigen . Weise, die dem Ohr wohl thut. Und , T M SmnkagsgA Jahrgang 20. Beilage zum Nebraska Ttaats-Anzeiger. No. Ist. sie steht so ganz allein in der Welt! Ja, ich will sie hcirathen. wenn sie mich mag." Wenn Dr. Falkney einmal einen Entschluß gefaßt hatte, zögerte er nicht lange mit der Ausführung desselben; darum ging er noch am selben Nach mittag zu Mrs. Mynton und verlangte Miß Clissold zu sehen. .Wissen Sie nicht, daß sie fort ift?" sagte Mrs. fliynton, die wie immer mit Strümpfestopfen beschäftigt war. Fort?" fragte Dr. Falkney erstaunt .und wohin?" Es ist die merkwürdigste Sache der Welt," erwiderte MrS. Mynton, wir wissen es selbst nicht unö'ich bezweifle, daß sie es selbst weiß. Sie sagte, sie wollte ihre Vorschrift befolgen, Dok tor." Meine Vorschrift?" Bewegung und frische Luft hatten Sie ihr vorgeschrieben, wie Sie Sich erinnern werden. Sie sagte, nach einigen Wochen würde sie zurückkom men und uns mittheilen, wie es ihr ge gangen." Dr. Falkney's pechschwarze Augen brauen zogen sich zusammen." Und Sie ließen sie fortgehen?" sagte er. So jung, so hübsch und so uner fahren! Wo waren Ihre mütterlichen Gefühle. Mrs. Mynton?' Ich weiß nicht, waS die mütterlichen Gefühle hierbei zu thun haben." sagte Mrs. Mynton etwas beleidigt. Sie ist ja nicht mein Kind, nur die Nichte meines ManneS. Und ich habe selbst vier Töchter, für die ich verantwortlich bin; außerdem habe ich keine Autorität über Phöbe Clissold." Sie mögen recht haben," antwor tete Dr. Falkney. Aber ich hoffe, sie kommt bald wieder." Phöbe hatte einen Entschluß gefaßt. Ich will versuchen zu haufiren." sagte sie zu sich selbst. .Einen Theil meiner Waaren trage ich auf dem Arm. den andern im Kopf." Am selben Tage, als Mrs Perkin gerade den Mittagstisch deckte, klopfte Phöbe Clissold an ihre Thür. Mein Gott!" rief die Frau des Pächters aus. indem sie vor Erftau nen beinahe ihre größte blaugeränderte Schüssel fallen ließ, sind Sie das. Phöhk?" Ja," nickte Phöbe. Wie gut Ihr Mittagessen riecht, Mrs. Perkins! HUH nerpaftcte? dachte Ich es mir nicht! Und ein Pudding! MrS. Perkins, darf ich bei Ihnen zu Mittag essen?" .Sie sind willkommen," sagte die gute Frau. Aber ich dachte, Phöbe, Sie wären zu Ihren Verwandten nach New Vrk gegangen, Sie haben Sich doch hoffentlich nicht mit ihnen ent zweit?" Oh nein," sagte Phöbe. Ich ent zweie mich nie mit Jemand, Mrs. Perkins. Aber ich muß mich selbst er nähren. Onkel Mynton ist nicht reich, und ich kann ihm nicht zur Last fallen. Ich versuchte daS Leben in einem Laden, aber ich schien nicht kräftig genug zu sein. Darum mußte ich etwas Anderes probiren. Nun bin ich eine herum reisende Putzmacherin." Was?" rief Mrs. Perkins aus, die Theebüchse hoch über der glänzenden Theekanne haltend. Phöbe deutete auf den leichten Korb an ihrem Arm. In diesem Korbe," sagte sie lachend, sind drei Abtheilungen. Die eine ist voll von den modernsten Hut-Fassons, ganz eng zusammen gepackt; die zweite enthält Blumen, und die dritte Bänder von allen Farben. Sie kaufen Ihren Frühjahrshut bei mir. nicht wahr, Mrs. Perkins?" Na. wie glücklich sich das trifft!" sagte Mrs. Perkins. Morgen wollte ich mir einen kaufen!" ,, .Sie werden mit mir ebenso zufrie den sein, wie mit einer anderen Putz macherin." sagte Phöbe. .Und ich will auch billig sein. Versuchen Sie es mit mir, mehr verlange ich nicht." .Das will ich thun," sagte die gute Dame. Sie waren immer geschickt mit der Nadel. Das Mittagessen ist fertig, und ich werde Mr. Perkins rufen. Setzen Sie Sich, Phftbe, und nehmen Sie vorlicb, wie Sie es sin den." Nach dem Essen arbeitete Phöbe fleißig an dem neuen Hut für Mrs. Perkins. Scharlachrothe Mohnblumen, schwarzseidenes Band und der in Puffen gezogene, schmarzseidene Hut entzückte die gute Frau vollständig. .Noch nie habe ich einen hübscheren Hut besessen." sagte sie. , .Acht Dol lars? Natürlich will ich Ihnen 'acht Dollars bezahlen!" Ich hatte mich auf zehn vorbereitet, und dieser ift hüb scher, als ich ihn wo anders bekommen hätte." Dieser Erfolg entschädigte sie einiger maßen für das Kritisiren und Handeln von Seiten Mrs. Deacon Roots, die im Nebcnhausc mit ihren drei Töchtern wohnte. Phöbe mußte die Familie für sechsundzwanzig Dollars mit Hüten versehen, wovon kaum ihre eigenen Ausgaben gedeckt wurden. Dann packte sie wieder ihren Korb und begab sich von Neuem auf den Weg unter den blühenden Bäumen und auf den schattigen Wegen, wo das Gras mit den goldigen Blüthen des Löwenzahns wie besät war. .Dr. Falkney hatte recht," sagte sie zu sich selbst. Luft und Bewegung sind mir nothwendig. Ich bin ein ganz anderer Mensch geworden nur thut eS mir leid, daß ich Dr. Falkney's freundliches Gesicht nie mehr wieder sehen werde!" Nur einen Augenblick lang schimmerte das , ferne Blau deS April-Himmels durch einen Nebel von hervorbrechenden Thränen. Wie thö richt ich bin!" dachte Phöbe. Dann klopfte sie bei Mrs. Parthan an und fragte, ob sie das Neueste in Frühjahrshüten zeigen dürfte. Die frischen, glänzenden Bandrollen, die zarten Rosen und Narzissen, die hüb schen Fassons in Stroh und Spitzen, und Phöbe's natürliches Talent im Zu sammenstellen aller dieser Herrlichkeiten, erwies sich bei der Landbevölkerung als unwiderstehlich, und in Kurzem hatte Phöbe ihren ganzen Vorrath ausver kauft und kehrte mit einer beträchtlichen Summe als Reinertrag nach der Stadt zurück. Dies," sagte sie freudig zu sich selbst, will ich Tante Mynton geben für die Ausgaben, die ich ihr verur sacht habe." Als sie über die Straße ging, um sich nach dem düsteren, rothen Gebäude zu begeben, wo Mynton'S zusammen mit einem Dutzend anderer Familien wohn ten, hielt Jemand plötzlich sein Pferd an mit dem Rufe: Wollen Sie überfahren werden Phöbe?" Sie sah auf. es war Dr. Falkney. .O, Doktor," rief sie ftrahclnd, ich habe Ihre Vorschrift befolgt, und Sie können Sich kaum denken, wie gut es mir gethan hat!" Der Doktor sah ebenso glücklich aus wie sie selbst. Ich werde heute Abend zu Ihnen kommen," sagte er. Wieder eine Vorschrift?" fragte. w-.iu vyone. Und dann dachte sie mit plötzlichem Srröthen daran, daß sie seine Rechnung noch nicht bezahlt hatte Aber jetzt kann ich sie bezahlen!" dachte sie, als sie seinem davonrollenden Wagen nachblickte. Wenn seine Sprech stunden anfangen, will ich zu ihm gehen. Ich will nicht warten, bis er mir seine Rechnung bringt." Zu Dr. Falkney's Ueberraschung war sein erster Patient an diesem Nachmit tag Phöbe Clissold. Doktor," sagte sie, ich bin gekom men, ' um meine Rechnung zu bezahlen mit selbstverdientem Gelde." Habe ich sie Ihnen geschickt?" fragte er. Nein. Aber" .Auch beabsichtige ich nicht es zu thun!" erklärte er. Phöbe, ich denke daran, mir einen Compagnon zu neh men." Dann wird Ihr Compagnon gewiß darauf bedacht sein, alle die alten Schulden einzutreiben," sagte sie, mit dem Kopf nickend. Das weiß ich nicht. Ich denke an einen Compagnon für's Leben, Phöbe nicht an einen für meine Praxis und der Compagnon, den ich haben will, bist Du mein liebes Wäschen!" Dies klang vielleicht etwas unbe stimmt, ober sie verstand es augenblick lieh. Ihre Wangen rötheten sich; ihre langen braunen' Augenwimpern senk ten sich. Soll es heißen Dr. Falkney und Frau, mein Liebling?" sagte er, ihre Hand in die seine nehmend. ?!etzt kamen andere Patienten, und nach dem einen Blick in ihre nußbrau nen Augen wurde Dr. Falkney von nem Zweifel gequält. .Dies war das Ende von Phöbe's Putzgeschäft. Aber ich werde mich stets glücklicher und unabhängiger fühlen," sagte sie, nun ich weiß, daß ich mir selbst mein Brod verdienen kann." ZU viel Glück. Von Ludmig Ganghofe r. Zu höchst im Dorfe, auf einem aus dem sanft geneigten Berggang vor sprengenden Grashügel, den nur wenige Obstbäume beschatteten, stand sein kleines Häuschen. Innerhalb der vier rissigen Wände gab es nicht viel des Sehenswerthen; ein wahrer Schatz an Reichthum und Schönheit aber war die Aussicht, die man von der Hausbank über das liebliche Waldthal, über den tiefblauen See und das am Ufer freund lich hingclagerte Torf mit seinen weiß blinkenden Häusern genoß. Um die- ser Aussicht willen stiegen die Som mergäfte gern zu dem kleinen, hochge legenen Häuschen hinauf. Und wenn der Naz nicht grade auf der Wände rung war. dann machte er gern den Wirth und bot seinen Gäften ein GlaS Geißmilch zur Erfrischung an. Fragte man ihn, waS man für den Trunk zu bezahlen hätte, dann drehte er den Rücken und brummte: Ah, lassen S' mich aus, was wird's denn kosten." Doch wehe dem Gast, der nach diesen Worten nicht auf den Einfall kam, ein ausgiebiges Trinkgeld auf die Haus dank oder auf das Gesims des immer offenen Fensters zu legen. Ihm wußte der Naz mit seiner gewetzten Zunge gar Übel zuzusetzen. Denn auf das Geld ging er aus. Wo eS nur auf eine Meile weit einem Groschen zu riechen gab, da war der Naz gleich unterwegs. Das war ihm nun freilich nicht zu verdenken. Denn der Verdienst, den sein .Geschäft" ihm abwarf, hätte kaum die Mäuse in sei nem stillen,z einsamen Hause ernährt. Unser Naz. . . ., seinen vollen Namen habe ich niemals nennen hören, zuwei len nur geschah es. daß er zum Unter schied von irgend einem Namensbruder der Glaser-Naz" genannt wurde , unser Naz also war wohlbestellter Glasermeister für das Dorf und eine weite Umgegend: an die vier Stunden hätte er wohl wandern dürfen, um einem Concurrenten in's Gehege zu kommen. Daraus mag auch zu schließen sein daß sein Geschäft alles Andere eher war, als eine Goldgrube. Was Wunder also, daß innerhalb der zwan zig Jahre, seit denen Naz die Gläserei betrieb, im Dorfe und all den umlie genden Gehöften kein noch so häßliches Dirnlein sich gefunden hätte, das der Versuchung, Frau Glasermeisterin zu werden, nicht leichten Herzen? entron nen wäre. Einsamkeit zehrt. Und da der Naz auch außerdem wenig zu beißen hatte, so wurde mit der Zeit aus dem heiteren Burschenein zaundürres, eingetrocknete? Männlein mit einem welken, furchigen Gesicht,' daS schon ein recht greisenhaf tes Ansehen zeigte, obwohl der Naz die Fllnfzig noch lange nicht erreicht hatte. Die saure Gurkenzeit feines Geschäftes tvtt er Winter. Vom ersten Schnee fall bis zum letzten . Thauwettertag brauchte der Naz keine Hand zu rühren. Die Leute im Dorfe lieben es nicht, im Winter ihre Zimmer zu lüften, denn die Ofenwärme hat flinke Füße. Und wo die Fenster nicht ftrabbizirt werden, da zerschlägt man wenig Scheiben. Und wenn das Unheil dennoch einmal ein Fenster klirren machte, dann wur den die Sprünge mit Papier verklebt, da? that schon Dienste bis zum Früh jähr. Wenn aber der Föhn die-Berge frei geblasen hatte vom drückenden Schnee, und die Zeit der Märzenftürme vorüber war, dann kam für den Naz eine harte Zeit. Da mußte er an jedem grauenden Morgen die schwere Glaskraxe auf den Rücken nehmen und über hohe Berg Pässe aus und einwandern, um in den weit zerstreuten Gehöften die Schäden zu heilen, die Winter und Föhn unter den Fensterscheiben angerichtet. Ein schwerer, saurer und dabei recht kärg licher Verdienst. Aber je knapper dem Naz die Freu den des Lebens zugeschnitten waren, um so bockbeiniger ward seine Zuversicht, daß auch ihm noch einmal bessere Tage blühen müßten. Wenn er, mit seiner centnerschweren Kraxe beladen, in der brennenden Sonne über rauhe Wege dahinstolperte, war es ihm wohl zu verzeihen, wenn er von angenehmeren Zeiten träumte, von einem sorglosen Alter, von einem Schäfchen im Trocke nen," und wenn er sich sonst noch mit allerlei freundlichen Luftschlössern die Mühsal erleichterte. Und wer weiß, ob seine bescheidenen Träume sich nicht in Wirklichkeit ver wandelt hätten, wenn das Glück nicht über ihn hergefallen wäre, jäh und ver wirrend, wie ein Unglück. Es war an einem Abend im Hoch sommcr. Zwei Damen faßen vor dem Häuschen des Naz und schlürften die frische Geißmilch. Wir müssen eilen," meinte die Eine, hinter den Bergen steigt es ganz finster herauf, 'wir be kommen vor Nacht noch ein sehr schweres Gewitter!" Gewitter! Der Klang dieses Wortes goß einen hellen Glanz über das Ge ficht des Naz. Sich nur, sagte die andere Dame, die Wolken nehmen eine so seltsam gelbliche Farbe an. Das pflegt auf Hagel zu deuten." Hagel." Dieses Schlagwort" zau berte einen ganzen Sonnenaufgang über die Züge des Naz. 'Was für ge wohnliche Menschenkinder eingezogener Lotteriegewinn ist, das ungefähr be deutete ein ausgiebiger Hagelschauer für den Glaser-Naz. 'Er achtete kaum mehr deS freundlichen Grußes, mit dem sich die beiden Damen entfernten. Breitspurig stellte er sich unter die Hausthür und blickte den dick aufstei genden Wolken mit so freundlichen Augen entgegen, wie ein Hirte seinen fetten Schafen. Und je finsterer der Himmel wurde, desto heller stieg die Hoffnung im Herzen deS Naz empor. Als die ersten schweren Tropfen fielen, trat er in sein Stäbchen und schloß alle Scheiben. Er war mit diesem Geschäfte noch kaum zu Ende, da begann schon der Regen niederzuklatschen, schwer und grau. Raz wanderte von einem Fenster zum andern und blickte erwartungsvoll zu den wirbelnden, fahl gefärbten Wolken empor. Der erste Blitzstrahl zuckte nie der gegen den See, und ein raffelnder Donnerschlag machte die Lüfte beben und alle Fensterscheiben zittern. Das Klirren des Glases schien Musik in den Ohren des Naz, denn ein vergnügtes Schmunzeln spielte über seine welken Lippen. Nun plötzlich hob er den Kopf mit einer Bewegung, als möchte er die Ohren spitzen. Es klang und klirrte seltsam aufeinander dann jählings wurde die dämmernde Abendluft ganz weiß vom dicht fallenden Hagel. Als die erste Fensterscheibe zerschmettert in die Stube fiel, rieb sich Naz vergnügt die Hände und lachte! So is' recht! Nur einig'haut, daß Alles kracht! Nur einig'haut! Einig'haut!" Es war, als hätte der böse Geist des Unwetters diese Worte vernommen und als wollte er so recht nach der Meinung des Naz sein unheimliches Geschäft er füllen. Denn rings um das Haus herum erhob sich ein Knattern und Prasseln, ein Schmettern und Dröh nen, ein Toben und Stümen, daß ein abergläubisches Gemüth hätte fürchten können, das Ende der Welt sei gekom men. In allen Häusern des Dorfes, in allen Gehöften weit umher, mochte wohl in dieser sturmvollen Stunde Schreck und bange Sorge die Gemüther der Menschen bedrücken. In der Seele des Naz aber herrschte heller Jubel. Und als unter der schlagenden Wucht des Hagels, der in wallnußgroßen Körnern und in ungeheuren Massen fiel, eine Fensterscheibe um die andere, bis auf die letzte, zerschmettert vor den Füßen deS Naz auf den Dielen klirrte, da überkam ' ihn ein völliger Freuden rausch. Er sprang und tanzte wie ein Narr in der Stube umher und schrie und lachte: Jetzt krieg' i' Arbeit! Kruzitürken! Däs giebt aber z'schaffen! So is Reckt! Nur einig'haut! Einig' haut!" Durch die zerschlagenen Fenster peitschte der Sturm den Hagel in die Stube, daß der graue Bretterboden weiß übersät wurde. Aber darum kümmerte sich der Naz nicht mehr, Er begann die Arbeit. Hinter dem Ofen schleppte er seinen ganzen Glasvorrath zusammen und machte einen Ueber schlag. Für etwa hundert zerschlagene Scheiben mochte wohl sein Vorrath reichen und vierzig ' Pfennig reiner Gewinn an jeder Scheibe das waren vierzig Mark an sicherem Profit! Für ;den Naz das große Loos! Das Ungestüm der Freude machte seine Hände zittern, die Erregung machte ihn hastig und so geschah es, daß eine der großen Glasscheiben in Scherben ging. Nur erklaßte und un ter wirrem Stottern las er die Stücke zusammen. , Das waren ja schon vier Fensterscheiben weniger. Und wenn der Hagclsturm an jedem Hause gewüthet hatte, wie am Hause des Naz. dann wären wohl mehr als hundert Scheiben zerschlagen, mehr als zwei-, drei, vier hundert, mehr als tausend! Was gab es da zu verdienen! Aber woher ! Und woher die Zeit. Eine halbe Stunde für jedes Fenster mit vier Scheiben ge rechnet und wenn er vom frühen Morgen bis zum späten Abend schaffte, volle fünfzehn Stunden das machte etwas über hundert Scheiben jeden Tag! Aber der Weg von einem Haus zum anderen kostete wieder Zeit, werth volle Zeit! Und die Leute würden mit ihm reden, ihm vorjammern, ihn stören in der Arbeit! Nein, er durfte nicht mehr als achtzig Scheiben rechnen auf jeden Tag. Und wenn es tausend Scheiben einzuschneiden gab vierhun dert Mark Gewinn an tausend Schei bcn, ein Vermögen! Da hätte er schwere Arbeit durch vierzehn Tage! Würden denn die Leute sich so lange gedulden? Würden sie nicht aus der nächsten Stadt einen Glaser" kommen lassen? Nein, nein, das thäten ihm die Leute doch wohl nicht an, sie waren ihm ja gut, er war ja ein Kind des Dorfes! Das dürfen sie nicht es war ja sein Recht, es war sein Glück! Aber woher das Glas nehmen, das Glas, das Glas-. Es wurde dem Naz ganz wirr im Kopfe. Wo er hingriff mit seinen Händen, zerdrückte er eine Scheibe, m er hintrat mit seinen Fußen, da gab eS Scherben und dann, noch ehe das Unwetter zu Ende war. in sinkender Nacht, rannte er aus dem Hause rannte durch alle Straßen deS Dorfes, und als er Haus um HauS kaum mehr eine einzige unversehrte Fenster scheide fand, da lachte er. und lachte, lachte. Die Leute, die ihn sahen und erkann ten. riefen ihm jammernd zu: .Nazi Nazi, da schau. döS Unglück. Alles is hin. Alles. AlleS! Komm nur gleich in aller Früh. gelt, komm' aber nur gleich!" Er aber rannte davon und lachte nur und lachte, so daß ihm die Leute kops schüttelnd nachschauten: .Was hat r denn, der Naz, was hat er denn?" Am anderen Morgen gab es eine förmliche Wallfahrt nach dem Häus chen deS Naz. Jeder rief seinen Namen, Jeder wollte ihn und seine Arbeit zuerst haben. Im Häuschen aber blieb Alle? stille. Und als die Leute schließlich in ihrer Ungeduld die Thür eindrückten, fanden sich Scherben überall umher. Und vom Geländer der Treppe, die zum Bodenraum empor führte, hing ein regungsloser Körper nieder. Naz hatte sich erhangt. Das Glück, das ihm der Sturm gebracht, war zu groß für ihn gewesen. Manch ein Leser mag zu dieser Geschichte ungläubig den Kopf fchüt tcln. Und ich gebe zu, die Geschichte erscheint unwahr und unmöglich. Aber daS Leben erlaubt sich zuweilen solch einen verrückten Einfall; denn diese Ge schichte hat sich vor Jahresfrist zu Tegernsee in Baiern wirklich ereignet. ebendigbkgrabtnwerde der" reis. Der grausame Gebrauch. Greise, die erwerbsunfähig sind, lebendig zu be graben, um sich der Last ihrer Ernäh rung zu entledigen, liegt in Deutsch land noch nicht so weit zurück, als wohl vielfach angenommen wird. Dafür spricht wenigstens eine gräflich Mans fcldsche Aufzeichnung, der Folgendes zu entnehmen ist. Im Jahre 1322 fuhr eine Gräfin v. Mansfeld, geb. LÜchow, durch die Lüneburger Heide, um ihre Verwandten in Lüchow zu be suchen. In einem Walde, weit ab von menschlichen Wohnungen, vernahm sie nebst ihrer Begleitung ein Klagen und Hülferufen. Sie befahl, nach der Rich tung zu fahren, aus der die Stimme gehört wurde. Als mit dem Wagen nicht mehr weiterzukommen war, be auftragt? sie einen Diener, zu Fuß die Richtung zu verfolgen und zu ermifV teln, was vorliege. Derselbe kam mit der Meldung zurück, die Klagctöne kämm von einem alten Manne, oer ge fesselt unter einem Baume liege, und der Sohn des Hauses werfe eine Grub aus, um feinen Vater zu begraben. Da begab sich die Gräfin mit Beglei tung selbst nach dem Orte, und sie machte dem Sohne Vorwürfe wegen seines grausamen unchristlichen Unter nehmens: Gnädige Frau, was soll ich thun? Ich habe eine zahlreiche Familie. Meine Kinder schreien nach Brod, und ich kann mit meiner Frau trotz allen Fleißes und aller Entbehrungen ihren Hunger nicht stillen. Soll ich diesen den nothdürftigen Bissen vor dem Munde wegnehmen, um den Alten zu ernähren, der nicht mclir im Stande ist, sich nützlich zu machen, der nicht nur meiner Familie, sondern auch sich zur Last lebt? Richtiger ist es doch, diesen aus dem Leben zu schaffen, um die Kinder zu erhalten!" Die Gräfin ant wartete, die Noth entschuldige ein so unmenschliches Verfahren nicht. Es gebe ja wohlhabende, reiche Leute, die gern geholfen haben würden. Der Sohn entgegnete: Die Reichen haben kein Erbarmen, und die Armen haben mit ihrer eigenen Noth zu viel zu thun, um helfen zu können. Darauf gab die Gräfin dem Sohne eine Summe, ge bot, dem Greise die Fesseln abzuneh men und die Grube zuzuwerfen. Dann versprach sie noch, in Lüchow Anord nung zu treffen, daß dem Alten ferner geholfen werde, wenn es noth thue, und sie hat, wie der Bericht bekundet, nicht nur dieses ihr Wort gehalten, sondern auch dafür gesorgt, daß be sannt werde, wozu es führe, wenn die glücklich gestellten Menschen sich nicht um die Noth ihrer armen Mitmenschen kümmerten. Der Erfinder des Hammerklavterö. Aus Nordhauscn wird geschrieben: Zweihundert Jahre waren am 10. August darüber vergangen, daß der Erfinder des Hammermechanismus im Klaviere, Christian Gottfried Schröter, dessen hiesiges Wohnhaus eine vom wissenschaftlichen Vereine gestiftete Ge denktafel schmückt und nach hier auch eine Straße benannt ist, zu Hohenstein in Sachsen geboren wurde. Schröter's epochemachende Erfindung füllt in das Jahr 1717. Da er jedoch mit ihr nicht hervortrat, kam ihm 1719 Chriftofati in Venedig zuvor. Das Modell Schrö tcr's wurde dem sächsischen Hofe 1721 vorgeführt, diente aber erst seit 1730 bei Fertigung von Pianofortes zum Muster, und zwar in der berühmten Werkstätte Gottfried Silbcrmanns in Dresden. Am Gedenktage wurden in unserer Stadt, in welcher' Schröter von 1732 bis 1780 als Organist an der Hauptkirchc thätig war, Compositionen desselben öffentlich vorgeführt.