Die erste 2lcc. Ion '. H i l I i g e r ft;lim. Soeben sah ich Baron Prägers Wa gen vor Eurer Villa. Aline! Er ist mein gefährlichster Rivale, denn er hat alle Ehancen sür sich. Glaubst Tu wirk lich, daß sür Trine ehrgeizige Mutter e ne Wab in ffraae lommt jwi ajen dem Baron und mir, dem einfachen Ingenieur?" .Und zweifelst Tu etwa an meiner Treue. Viktor? ffiir otchcn revc. sollte ick Tick eiaentlick strafen! Aber sieh, mein Herz schlägt so heiß sür Tich, dak ick Tir Liebes erweisen muß. auch wenn Tu mir, wie soeben. Schmerz bereitest! Hier, nimm diese beiden Rosen, die eine weiß, die andere dunkel glühend sie sind symbolisch für meine Empfindungen! Und nun sage selbst: wer so rein, so stark liebt, wird doch festhalten an seinem Glück!?" Viktor Seger küßte die Rosen und dann verstohlen einen der dunklen Zöpfe, die schwer, in gesundem Glanz über Alinen'S Nacken hinabhingen. All die tiefe, unbeschreibliche Zärtlich keit. die er für dieses schöne, reiche Mädchen hegte, lag in seinem Blicke und in der Bewegung, mit der er fast schüchtern, als berühre er ein Heilig thum. über ihre sammetwciche Wange ft"ch. . r w Dann schritte sie Hand m Hand tiefer in die grüne Dämmerung des Zhicrgartens hinein. Nur eine Viertel stunde war ihnen zu diesem heimlich beglückenden Beisammensein vergönnt. Tu liebst die Rosen sehr?" fragte Viktor endlich, verstohlen in Alines vornehmem Antlitz forschend. Sie antwortete nicht sogleich. In ihre blauen Augen drang ein feuchter Schimmer. .Rosen," sagte sie dann leise, haben sogar eine bestimmte Be deutung für mich, besonders die mit der tiefrothen Farbe." Dann knüpft sich eine besondere , Erinnerung für Dich an die Blumen kör.igin?" Allerdings, und zwar an die erste Rose, die mir von einem jungen Manne verehrt wurde." Von jenem, welcher Tir zum ersten male von Liebe sprach?" O Tu bist der einzige Mann, dem ich bisher gestattete, mir von Liebe zu sprechen. Nein, sicher nichts der gleichen. Es handelt sich um eine rüh rende. halbveraeffene Geschichte, an die ich aber seltsamerweise gerade in der letzten Zeit oft erinnert werde." Ein leises Lächeln umspielte Viktors geistvollen Mund. Tu machst mich neugierig, Geliebte " Sie sah ihn zärtlich beruhigend an Ich habe Dir längst verrathen, daß mein Väter nicht immer den stolzen Titel eines Barons führte. Ich müßte also hinabsteigen zu den simplen, bür gerllchen Teselers. wenn ich Dir mein Erlebniß erzählen wollte. Aber wie gesagt, es ist mir nicht mehr gegenwär tig. Ich könnte glauben, der ganze Vorgang beruhe auf Einbildung, wenn meine wohl behütete Rose nicht einen greisbaren Zeugen bildete." Wie, die Rose haft Tu aufbe wahrt?" Nicht eigentlich ich, sondern Mama. Später habe ich die sorgfältig gepreßte Blume dann in meinem Raritäten schränkchen geborgen." Deine Mutter ?" Aber schnell, dunkel erglühend, un terbrach sie seine Worte, die so starken Zweifel ausdrückten: Tu darfst Mama nicht für herzlos halten, nein, nein. Du thust ihr Unrecht damit! Sie ist eitel, hoffärtig, zugegeben! Reich thum und Titel sind ihr ein wenig in den Kopf gestiegen, aber im Gründe besitzt sie ein treues, biederes Herz, an das ich sicher nicht vergeblich appelliren werde!" Und Tu, Aline? Gelten Tir Rang und Name so wenig?" Jedenfalls nicht genug, um ihnen mein Glück, meine Ideale' zu opfern. Ich bin sogar entschlossen, noch heute der Heimlichkeit ein Ende zu bereiten, und mich Mama anzuvertrauen." Halte treu und fest zu mir. Aline. auch in Stürm und Kampf! Tu bist ja mein alles, meine Hoffnung, mein einziger Stern." Erschüttert schmiegte das schlanke Mädchen sich enger an seine Seite. So lieb hast Tu mich." flüsterte sie ticfbe glückt, .nun lerne es noch, mich ganz zu verstehen, dann wirst Tu nie mehr an mir zweifeln." Baron Präger war von der Baronin Tescler empfangen worden. Willkommen, bester Baron, be grüßte die kleine Tame ihn mit der traulicher Herablassung, wie wird meine Tochter, die leider nicht daheim ist, es bedauern " Oh glauben Gnädigste?" machte Präger moquant, Komteffe lustwan delt heute wie täglich mit dem Inge nieur Seger im Thiergarten Tie Be gcgnungcn sehen verabredeten Zusam menlünftcn verzweifelt ähnlich Kom tesie kompromittirte sich." Tie Baronin rang nach Athem. Tas thörichte, verblendete Kind! Ge loben Sie Schweigen bei Ihrem Man neswrrt. lieber, verehrter Baron! Das hat mein Mann nun von seiner Menschenfreundlichkeit! Er schützt in Seger einen tüchtigen, talentvollen Ar beiter 'und hat ihn mehrfach dadurch ausgezeichnet, daß er ihn in unser Haus lud " Den Knaben aus der Fremde," er günzte Präger gecizt, Niemand kennt j die Vergangenheit dieses Seger. oder vielmehr, die Wenigen, die etwas wif scn. hüllen sich in absolutes Cchmei acn. Aa meinem Erstaunen hat er Aufnahme in unserem Klub gefunden. der dunkle Ehrenmann, ich aber prophe zeie, daß er eines Tages hinausfliegt fliegt, versichere ich Sie, meine aller- gnädic'ste Frau!" Sie behaupten. Baron, man kenne die Vergangenheit des Ingenieurs nicht! Welch' eine Bcwandtniß mag es damit haben? Längst schon drängte ich mir die Vorstellung auf, als sei ich Seger bereits vor langen Jahren begegnet. Bei welcher Gelegenheit aber? Auf diese Frage soll er selbst mir die Ant wort geben! Ich werde Aline von ihrer romantischen Anwandlung gründlich kuriren!" Und darf ich hoffen, gnädigste Ba ronin, daß Sie meine Fürsprecherin sein werden bei Komteffe?" Ich verspreche es Ihnen hoch und heilig!" rief die Baronin pathetisch, und Prager verabschiedete sich in der sicheren Hoffnung, daß der Fang des kapitalen Goldfisches" zweifellos ge lingcn müsse. Als die Baronin eine Stunde später bei ihrer Tochter eintrat, lehnte diese träumend in einem Schaukelstuhle. Ein paar Sonnenstrahlen verloren sich in der dunklen Haarpracht, die Alines schön geformtes Köpfchen schmückte, ihre blauen Augen aber strahlten wieder von jenem Feuer, das aus der heiligen Tiefe des Herzens em porflammt. Der Anblick dieser blühenden Wan- gen und des gluaverllärten Antlitzes gemahnte die Mutter recht unbequem an die eigene Jugend, wo sie Vettern und Basen zum Trotz dem Einen Treue gehalten, der sie hoch emporgetragen hatte über .den ganzen Vcrwandtenkreis, welcher ihr zu danken wußte durch ein Leben voll Pflichterfüllung und uner müdlichcm Fleiß. Aline eilte der Mutter entgegen. Ach. Mama, liebste Mama. komm. setze Tich in meinen kleinen Lehnstuhl, und dann schließe die Augen, so. wie Tu es früher machtest, wenn ich Tir etwas anzuvertrauen hatte " Die Baronin wollte strenge sein, und sie war es. Tu bist kein Kind mehr, Aline," sagte sie tadelnd, und müßtest doch bedenken, daß ein erwachsenes Mädchen ihren Eltern Kummer bereitet, wenn es den Leuten Anlaß zu mäßigem Geschwätz giebt." Aline wollte antworten, die Baronin aber fuhr schnell fort: Wie durftest Tu einem Menschen Tein Vertrauen schcn- kcn, der jedenfalls alle Ursache hat, feine Vergangenheit in ein gchcimnlßvolle Dunkel zu hüllen." Der unerwartete Angriff betäubte das junge Mädchen fast, aber ihr Stolz und die Liebe gaben ihr schnell die Gci- stcsgegenwart zurück. Man hat Viktor und mich bei Dir angeschwärzt, Mama!" rief sie, fest cnt- schlössen, sich serner durch nichts beirren zu lassen, wie willst Du es aber der- antworten, wenn Du über jemand den Stab brichst, dessen Vertheidigung Tu nicht gehört hast! Ich liebe Viktor und glaube an ihn, oder ich müßte denn aus seinem eigenen Munde erfahren daß er meines Vertrauens unwcrth ist." Gut," 'sagte die Baronin, ich nehme Tich beim Wort! Ich werde Seger in meinem salon empfangen, und Tu magst, ohne ihm Deine Gegenwart au verrathen, Zeugin unserer Unterredung sein." Ich habe doch wohl kein Recht, mich auf eine so wenig würdige Weise in Viktors Geheimnisse zu drängen," mur melte das junge Mädchen beklommen, der bestimmte Ton der Baronin äng stigte und verwirrte sie. Ader ebenso schnell schüttelte sie die dumpfe Furcht ab, wie ein lästiges Gewand, ihr Auge blickte klar, ein Leuchten ging über ihr schönes Antlitz. so mag mein festes Vertrauen Dei- ncm Mißtrauen gegenüberstehen." ent- schied sie ruhig, was Tu auch mit mei- nem Verlobten zu verhandeln haft, ich bin überzeugt, seine Ehre geht sieghaft aus dieser Prüfung hervor." Dein Verlobter ich bitte Tich, Aline" Tie Baronin eilte an's Telephon. Viktor befand sich, wie es ihr erwünscht war. im Klub. Sie bat ihn höflich, er möge sogleich zu einer Unterredung zu ihr kommen. Er versprach, ihrem Wunsche zu willfahren. In bangem Herzklopfen verbrachte Aline die nächste Viertelstunde. Endlich aber war auch sie überstanden. Das junge Mädchen vernahm die Stimme des Geliebten. Sie schlüpfte auf ihren aucherposten. Der Diener meldete und gleich darauf auftrat der Ingenieur ein. Handelt so ein Ehrenmann?!" rief die Baronin entrüstet, nachdem sie den jungen Mann sehr oberflächlich begrüßt hatte, wir öffneten Ihnen unser Haus, und Sie lohnen durch schnöden Undank unser Vertrauen, indem Sie unsere ein zige Tochter kompromittiren!" In den Augen der Welt habe ich ein Unrecht begangen, wenn ich mit Ihrer Fräulein Tochter einige Tage nachcin ander ein Zusammentreffen verab redete," entgegncte Viktor ernst und in nig. aber ich bitte, entziehen Sie mir deshalb nicht Ihr Vertrauen, gnädigste Frau. Die Ungleichheit unserer Ver Hältnisse allein ist schuld, wenn Aline und ich uns nicht vor allen Dingen Ihres Segens zu unserem Bunde, sowie der Einwilligung des Herrn Barons versicherten." Und anstatt der Komtesse dieser Un gleichheit der Verhältnisse wegen fern zu bleiben, bethörten Sie das lelchtglüu bige Mädchen " .Diesen Vorwurf weise ich entschieden zurück. Ich habe Ihre Tochter, die ich anbete, weder bcthört, noch auf ihre Leichtgläubigkeit spckulirt " Nicht? So haben Sie Aline Ihre Vergangenheit offenbart?" Eine pcinlicke Ueberraschung ver- ricth sich bei dieser Frage in den Zügen des iunqen Mannes. Nein, das habe ich nicht gethan " antwortete er zögernd. Aha! Jetzt kommen wir Ihren Heimlichkeiten schon auf die Spur! Ich bin Ihnen übrigens bereits früher ein mal begegnet sehen Sie. wie verlegen sie werden, sicher willen sie ganz genau, wo wir vor langer Zelt einmal zusammengetroffen sind, leugnen Sie es, wenn Sie können!" Ich vermag es nicht zu beftreiten " Tie Baronin triumphirte. So! Nun kommen Sie doch einmal meinem Ge- dächtniß zu Hilfe. Verehrter, ich entsinne mich nämlich trotz angestrengten Nach- dcnkens nicht mehr " Jetzt befreite sich der Ingenieur encr- gisch von einer Pein, die seine Gesichts züge so deutlich verriethen. Ich bitte Sie. gnädigste Frau, mir diese Auf klärung einstweilen noch zu erlassen," bat er in einem Ton, der mehr einer stolzen Forderung glich, der Herr Ba- ron kennt mich als einen strebsamen Arbeiter und hat stets meinen Leistun gen die beste Anerkennung gezollt. Mag vorläufig doch die Vergangenheit ruhen " Tas ist feige." sagte die Baronin mit vernichtender Stimme, und mag ein Mensch das Aergste begangen haben, so versagt man ihm eme gewisse Achtung nicht, wenn er den Muth der Wahrheit besitzt " Wenn ich zu schweigen wünlche, so geschieht es Ihretwegen, Frau Ba ronin, um Sie zu schonen!" ries nun auch Viktor unbedacht, mit erhobener Stimme. Sind Sie denn wahnsinnig? Sie wollen m i ch schonen, mich, die Baronin Teseler? Ich befehle Ihnen, zu sprechen, ich will wissen, ob ich in Ihrer Schuld bin. ob Sie mir je einen Ticnst erwie sen haben, für den ich Sie nicht gelohnt hätte!" Ich bitte, ich beschwöre Sie, Frau Baronin " Es traf ihn nur ein Blick eisiger Per achtunq. Viktor zögerte noch einige Sekunden, dann sagte er ruhig: Als ich vor Jahren, es war uch an einem solch blüthenreichen S mmer abend, die Fricdrichstraße hinabfuhr, bemerkte ich eine einfache, junge Frau, die fast ohnmächtig am Pfeiler eines Miethpalaocs lehnte. Es begannen sich bereits Neugierige um sie zu sammeln, so daß in kurzer Zeit ein Auflauf ent- stehen mußte. An die Kleider der halb Bewußtlosen klammerte sich ein kleines Mädchen, dessen blasses Gesichtchen und erschreckte Augen mich besonders tief be wegten. Ich sprang aus dem Wagen, verscheuchte die Zudringlichen und schenkte der Kleinen, da ich im Moment nichts anderes hatte, die Rose, die ich im Knopfloch trug. Von der jungen Frau erfuhr ich noch, daß sie auf der Durchreise begriffen und das Opfer eines Gaunerstreiches geworden sei. Man hatte ihr nicht nur ihre Effekten, sondern auch das Baargcld ab genommen. In ihrer gänzlichen Un- crfahrenheit war die Aermste der Ver zweiflung nahe " Der sie durch Ihre thatkräftige Hilfe, denn außer der Rose spendeten Sie noch fünf blanke Goldstücke, ent- rissen wurde," ergänzte die Varonin mit brennenden Wangen. Das Geld ist uns zum Segen geworden, aber nie mals konnte ich meinen Dank oder die Schuld abtragen, denn Sie nannten damals einen Namen, dessen Träger nicht zu ermitteln war!" Graf Seger Landsberg " Ah ganz recht! Aber wcs halb?" Meine theure, gnädige Frau, das Leben führt uns oft seltsam verschlun gene Wege. Damals besaß ich einen Titel und Vermögen und .Sie waren unbemittelt, und heute ist das Umgc kehrte der Fall. Ich bürgte für einen Freund und verlor durch dessen Leicht sinn mein Kapital, und da ich nicht von den Unterstützungen meiner Standes genossen leben wollte, so legte ich den mir lästigen Grafentitel ab und begann zu arbeiten. Erst feit dem heutigen Tage, wo Aline mir die rührende Ge schichte ihrer ersten Rose andeutete, wurde mir zur Gewißheit, was ich vor her nur vermuthete." Tie Baronin war eine von den prächtigen Frauen, die begangenes Un recht einsehen. Auch auf ihren Wan gen brannten jetzt dunkle Rosen die Gluth einer ehrlichen Schani. Verzeihen Sie," bat sie schlicht und herzlich, wahrhaftig. Sie haben qe- handelt wie ein echter Edelmann! Da das Schicksal unsere Lebenswege nun aber vereinigt, so dürfen Sie sich auch den Luxus gestatten, Rang und Titel weiter zu führen!!" Sobald ich mir durch angestrengten Fleiß ein entsprechendes Kapital erwor ben habe, gnädigste Frau." Dabei blieb es.. Aline verrieth es dem geliebten Manne niemals, daß sie Zeugin dieser Unterredung gewesen war. Sie er kannte, daß sie ihre Mutter nicht noch tiefer demüthigen durfte. Die Geschichte der ersten Rose wurde nie erörtert zwischen den jungen Gat ten. Es giebt auch Geheimnisse, die man ehren muß, denn sie sind berufen. Segen zu stiften ohne Ende. Auch eine yisrnarcf - rin ncnuuV. Nach Minhkiluiigcn kinks deuijchkn riegers von A. C o 1 1 w a l b. Eine der köstlichsten Erinnerungen meines SoldatenlcdenS verdanke ich dem Umstände, daß meine engeren Kameraden im Siebziger Kriege mich scherzweise Blsmarck" zu nennen pfleg ten. Wie ich zu dieser schmeichelhaften Benennung gekommen bin. weiß ich heute selbst nicht mehr recht. Man nannte mich, wie ich glaube, nur des halb so. weil ich schon damals ein glühender Bismarck-Vcrehrer war und bei jeder Gelegenheit meiner Schmar merei für den Mann in jugendlich- enthusiastischer Weise Ausdruck gab. Ich machte den Feldzug als Unter Offizier im hanseatischen Infanterie- Regiment mit. Es war an einem schö nen März-Morgen. als unser Bataillon auf der Heerstraße von Rouen nach Tieppe marschirte. Tie Friedenspräliminarien waren unterzeichnet und die frohe Aussicht, nach so vielen Strapazen und Gefahren bald die liebe Heimath wiederzusehen. rfüllte alle Herzen mit beschreib- lichem Jubel. Nachdem wir das schöne schloß Fon- taine le Bourg passirt, rückten wir mit Tritt gefaßt" mit klingendem Spiel in den Flecken Arques ein, der sich in einem Thalkessel malerisch hindehnte. Ich wurde beim Pfarrer des Ortes einquartirt und erfreute mich der lic- benswürdigsten Bewirthung. Beim Kaffee lenkte ich das Gespräch auf die Naturschönheit der Gegend und erfuhr, daß die Ruine auf dem Berge da dro- ben einst ein Schloß gewesen, worin König Heinrich der Vierte an der Seite seiner Gabriele die schönsten Tage sei nes Lebens verbracht. Ich beschloß, die Ruine gleich in Augenschein zu nehmen. Schon hatte ich mich dem Fuße der Anhöhe genähert, als lauter Wortwech- sei aus dem nebcnliegcnden Bauern- hause meinen Schritt hemmte. Eine unserer Requisnionspatroulllen hatten dort ein Stück Rindvieh entdeckt und wollte dasselbe gegen die übliche Bestätigung wegführen. Es war die letzte Kuh der armen Leute, das konnte ich nicht zugeben. . Gut," entschied mein Duzbruder Schmied, der Patrouillenfuhrer war. lassen wir den armen Ludersch die Kuh, wenn's der Bismarck so haben will. Adieu. Bismarck!" Tie Patrouille entfernte sich. Mir fiel auf. daß die Bäuerin und ihre Tochter, ein wunderschönes, schwarz äugiges Kind der Normandie, mich nach den Worten Schmiedet s: Adieu Bis marck!" aus respektvoller Entfernung mit offenem Munde wie etwas Unge hcuerliches anstarrten. Das Mädchen gewann zuerst die Fassung wieder. Ah. Sie sind Bismarck?" 0ui! Je suis si libre!" erwiderte ich höflich. Da mein freundliches Verhalten sie zutraulich machte kam sie zu mir und drückte mir innig die Hände.. Mille graces, Monsieur Bis marck, veras nous avez rendu un erancl service!" (Taufend Tank, Herr Bismarck, Sie haben uns einen großen Gefallen er- wiesen.") Frie, prie, mon belle eniant, wehrte ich ob, cela sest passe volontiers!" (Bitte, mein schönes Kind," wehrte ich ab, das ist gern geschehen!") C, wie können wir Ihnen danken. mein Herr Bismarck!" laucyzte, nocy feuchten Auges, das Mädchen. Ich wies icden Tank ab und bat ne, mir nur den Weg zur Ruine zu zeigen. Sie erklärte sich sofort dazu bereit und wir schritten gemeinsam der Ruine zu. Sie erzählte mir, lie heiße Gabriele, sei erst achtzehn Jahre alt und habe schon drei Bewerber ausgeschlagen, den Henri Roauet. Henri Millard und Henri Poisard.- Ich bemerkte scherzend, daß' ich auch Heinrich heiße, was dasselbe sei wie Henry, ich sei also für sie Heinrich der Vierte, ob sie meine Gabriele sein wolle k Sie klatschte in die Hände vor Freude über dies mich selbst frappirendc Zu sümmcnstimmen der Namen, ohne die Frage zu beantworten. Alles an ihr war köstliche Naivetät. Wir traten aus dein Waldesdunkcl in den hellen Sonnenschein. Ein prächtiger Rundblick bot sich von hier dem Auge dar. In der That, Heinrich der Vierte hatte, eines der schönsten Plätzchen in seinem schöben Frankreich zu seinem nick d'amour" (Licbesneste) erwählt! Wir setzten uns nebeneinander auf die steinerne Bank im Erker der Ruine. Gabriele war wieder ernster gemor den; sie schien sich daran zu erinnern, daß der mächtige Bismarck. der größte Feind ihres Vaterlandes, neben ihr sitze. Nicht wahr, meine Heimath ist ein schönes Land!" rief sie. auf das Herr liche Panorama vor uns deutend. Und doch" ihre Augen füllten sich mit Thränen ein so unglückliches Land! Ter Krieg hat uns so viel ge tostet, an Menschenleben und an Hab und Gut. alles haben wir verloren und man sagt, 5 Milliarden Kriegskosten seien noch aufzubringen. 5 Milliar den! C, Monsieur Bismarck" ich warf mich im Gefühl meiner Würde stolz in die Brust und bemühte mich, möglichst ftaatsmannisch auszusehen. .O. Monsieur Bismarck." fuhr Gabriele fort und warf sich in einem Ausbruch leidenschaftlicher Aufwallung schluch zend über mich hin. können Sie wirk lich so hart sein? Fünf Milliarden für das arme Land!" Aha! Nnu merkte ich. worauf die Kleine hinauswollte! Tas schlaue Ting wollte mir etwas von der Kriegslon tribution herunterhandeln. Tarauf konnte ich als kluger Staatsmann unter keinen Umständen eingehen. Jsnich!" war ich im Begriff zu rufen, da hatte sie das 'Köpfchen meinem Gesicht ge nähert und blickte mich, init der rechten Hand meine Wange liebkosend, mit der linken meinen Schnurrbart zivir beliid. so treuherzig flehend an. daß ich eine höchst undiplomatiicye AUyrung nicht zu unterdrücken vermochte. j Ich will Sie auch recht lieb haben eher Monsieur Bismarck," bat sie sich zärtlich an meine Schulter schnne gend. Donnerwetter! Es überlief mich bald heiß, bald kalt. Ein Beben, wie ich es in keiner Schlacht gefühlt, erschütterte mich bei der sanften Berührung dieser schönen Feindin. AIs ich noch zauderte, brach sie von neuem in Thränen aus. Tas hielt ich nicht mehr aus. Ter Diplomat in niir machte kläglich Fiasko vor dem Unter offizier Heinrich Schulze, der mit seinem leicht entzündlichen Naturell im Frie den vor so mancher Schürze kapitulirt hatte. Na." beschwichtigte ich, nicht wei nen, Kind, man hat ja auch kein Tiger herz im Leibe. Darüber läßt sich ja noch reden! Mir fiel in diesem Augenblick ein Vers ein, den unser Einjähriger chwarz gestern auf ein Papier qe schrieben und in seiner Duselei natüv lich verloren hatte. Wohl nenn ich meine Feinde Frank reichs Söhne', Weil ihre Waffen unser Land bedroh- ten, Doch um so mehr lieb ich die fränk'sche schöne Mit ihren Aeuglein süß, dein Mund, dem rothen." Ich will ja gerne eine Milliarde heruntergehen, mein Schätzchcn," er klärte ich dann wohlwollend, wenn Tu mir einen recht hübschen Kuß giebst. Eine helle Gluth ergoß sich über ihre Wangen. Sagen Sie zwei Milliarden, lieber Bismarck, eine ist trop peu." Nichts da, zwei Milliarden ist mir trop viel für einen Kuß. Unser Kriegs-Reglement schreibt feste Preise vor." sie tchlang ihre Arme um meinen Hals, spitzte ihr Mündchen und schmatz! war eine Milliarde weg. Leider war mein Verlangen nach die- scn rosig frischen Mädchenlippen damit noch nicht gestillt. Ich riskirte noch eine zweite Milliarde, dann auch die dritte, vierte und fünfte, so daß binnen einer Viertelstunde die ganze Kricgs-Kontri- bution zum Kuckuck war. Wer weiß, ob ich nicht noch weitere Konzessionen an den Feind gemacht hätte, der in so lieblich lockender Ge stalt neben mir faß und mit dem Feuer seiner zärtlichsten Blicke meine Position bedrohte: ich besann mich aber noch rechtzeitig, daß ich meinem Namen keine Schande machen dürfte, und erhob mich, indem ich erklärte, daß ich die Verhandlungen für abgeschlossen hielt; weitere Zugeständnisse seien unmöglich, da ich auf tein:n Fall Schulden auf die Kricgskassc machen dürfte. Ter selige König Heinrich der Vierte hatte wohl kaum geahnt, daß an der stillen Stätte feines Liebesqlücks der- einst der Unteroffizier Heinrich der Vierte. Schulze aus Lübeck mit einer anderen Gabriele über das Wohl und Wehe Frankreichs unterhandeln werde. Am Waldessäume verabschiedete ich mich von dem Feinde noch mit einigen herzhaften Küssen, die mir ohne jeden metallischen Beigeschmack kostenfrei zu gebilligt wurden, da die Kleine offen bar eingesehen hatte,' daß jeder Ver- uch, mich auch noch zum Verzicht auf Elsaß-Lothringen zu bewegen, an mei- ncr Festigkeit gcichcltcrt wäre. Gabriele schärfte mir noch ein. ia mein Versprechen bezüglich der Kriegs- entschadigung zu halten, und Iprang dann in muntern Sätzen die steile Höhe hinab. Tie zwischen mir und der niedlichen Gabriele auf dem Luftschlossc Heinrich des Vierten geschlossenen riedensbe dingungcn wurden bekanntlich durch den wirklichen Bismarck später wcsent- ich modisizirt. Wir verblieben bis zum Friedens- chluß in Tieppe. dann ging es endlich zur Heimath zurück. Ein glücklicher Zufall fugte es. oatz die Marschroute unseres Heimweges wieder durch Arques führte. Tie kurze Marschrast war nur äußerst willkommen: ich flog mehr, als ich ging, nach dem Haufe Gabriclcns zu. Tie alte Mutter, freudig überrascht, mich wiederzusehen, theilte mir mit. Gabriele sei in den Wald, um Holz zu holen. Ich schlug den Weg nach der Ruine ein. zu der es mich mächtig hiiiwg. Meine Hoffnung, sie dort zu treffen, täuschte mich nicht. Als sie meiner a: sichtig wurde, siel ihr vor Freude ihr Bündel Holz vom Arm. Sie ließ es liegen und eilte mir mit ausleuchten dem Blick entgegen. Auf einmal schien sie sich auf etwas zu besinnen i sie ließ die Arme, die sie zärtlich um meinen Hals schlingen wollte, wieder sinken und reichte mir statt jeder wärmeren Begrüßung nur zögernd ihr Hündchen. Sie haben mich getäuscht. Herr Bismarck. mir werden doch die Milliar den bezahlen müssen." Ich suchte sie zu trösten, so gut ich konnte. ES ging wirklich nicht. Kind!" ver sicherte ich aus vollster Ueberzeugung. Tu glaubst nicht, was mich der Krieg selber gekostet hat! Damit Du ahcr siehst daß ich kein unehrenhafter Feind bin. will ich Dir die Küsse alle rollzäh lig wiedergeben!" Sie war mit dieser Lösung der Ent- schädiglingsfrage sichtlich zufrieden. Bald verließen wir unter den rau schenken Klängen der Musik das lieb liche Arques. Ich mußte noch einmal zur Ruine hinaufblickrn. da wehte mir ein weißes Tuch vom Erkcrstübchen den Abschicdsgruß zu. Berkehrtt Welt. Tie Pariser Gesellschaft amüsirt sich über einen ergötzlichen Vorfall, der sich zwischen der Gräfin de Fontenay und ihrer Küchenfee abspielte. Die Gräfin, besaß seit drei Jahren eine unvcrglcich- liche, aber unausstehliche Köchin, den Launen und Bosheiten sie nur ihrem Feinschmecker von Gatten zu Liebe er trug. Vor Kurzem verreiste der Graf, und nun wurde Mlle. Louise so unvcr schämt, daß der Gräfin endlich die Ge duld riß und sie ihr kündigte. Am anderen Morgen triumphirte die Köchin, daß sie von der Baronin Z). angestellt werden würde, deren Gemahl ebenfalls ein großer Epikuräer ist und der Gräfin manche Schmeichelei über ihr borzüg liches Effen gesagt hatte. Madame." schloß Louise ihre Mittheilung, wer den mir, bitte, ein Zeugniß ausstellen. Nicht über mein Kochen das ist be kannt genug aber über meine Ehr lichkcit und alles Andere." Mlle. Louise ist nun ohne Frage vollendet im Zubereiten herrlicher Saucen, aber sie kann Gedrucktes nur mühsam entziffern und geschriebene Buchstaben sind für sie Hieroglyphen. Ohne das Papier, das ihr die Komtesse gab, auch nur eines Blickes zu würdigen, begab sich die Küchenfee damit in das Haus ihrer künftigen Herrin. Wie erstaunte sie, als die Baronin, nachdem sie das Zeugniß" gelesen, in lautes Lachen ausbrach und mit abwehrender Hand bcwegung sagte: Meine Liebe, ich fürchte, daß Sie für mich nicht zu ge brauchen find!" Tas Schreiben aber lautete: Ich. Comtesse de Fönten. bestätige hiermit, daß ick drei lanae Jahre hindurch im Tienst der genial?. Köchin Mlle. Louise Girot gestanden habe, und daß ich stets mein Möglich stes that, um sie in allen ihren An fordcrungen zufrieden zu stellen. Es hat mich geschmerzt, als ich erkannte. daß mit ihrem eigenartigen Tempera ment nur schwer fertig zu werden war; versuchte ich immer von Neuem. mich gut mit ihr zu stellen, da ihre aucen. die Monsieur le Comte so sehr liebt, in der That ausgezeichnet sind. Ich würde gern in Mlle. Girots Ticn- ten geblieben sein, obwohl meine Börse und meine Geduld beständig in An. pruch genommen werden. Bezüglich ihrer Ehrlichkeit enthalte ich mich jeder Bemerkung. Zu weiterer Auskunft gern bereit. Eomtcsse de Fontenay." Die Gräfin ist von der höchlichst ent- rüsteten Köchin zwar verklagt worden und hat auch ein kleines Reugeld zahlen müssen, aber ihren Spaß hat sie doch gehabt. 5s gelang. Ter Bursche eines Offiziers in Tilsit klopft vor der Thüre Hosen und Rock eines Herrn aus. Ein vorübergehen- der Langfinger betrachtet mit Wohlgc- allen die schönen Beinkleider. Er tritt an den Bur chcn ycran, chreibt auf einen Zettel einige Worte, steckt ihn in ein Eouvcrt und übcrgicbt dasselbe denn Burschen mit der Bitte, es doch sofort dem Herrn Leutnant zu bringen. Ter Bursche geht und läßt die Kleidungs stücke unten. Ter Offizier liest die äthsclhaficn Worte: Gelingt es. ist es gut; gelingt es nicht, ist es auch gut" und schickt den Burschen hinunter, den fremden Herrn zu fragen, was er denn eigentlich wolle, er möchte doch hinauf kommen. Aber der Fremde war in dessen verschwunden, und weinend kommt der Bursche zurück mit den Wor ten: Herr Leutnant, es ist ihm ge- lungen. Er ist mit Hosen und Rock davongegangen." Wahrheit. Hast Tu ein krummes Bäumlein draus. Bieg's mit Gewalt; Hast Tu ein böses Bübchen z' Haus. Zieh' es fein bald. Hat erst das Bäumlein Reis und Propf, Biegst Tu es schwer. Wuchs Dir Tein Büblein über'n Kopf, Ziehst Tu's nicht mehr. l'cshcit. Herr (zu einem Plagiator): Sagen Sie mal von wem war denn Ihr Gedicht in der heutigen Morgenzei-hing?"