t Lin schwerer Junge." Von Ih. WdtibtTt, t:oIiiiIcumant 0. X. (i"lin.) TeS Ehrennamens" ein .schwerer Junge" erfreut sich in T'erbrecherkreiskN und die Berliner Kriminalpolizci hat diesen Namen adoptirt nur ein Mensch, der nicht mit Kleinigkeiten sich adgicbt, der mit besonderer Kalt blutigteit und Raffinirtheit die schreie rigsten Einbrüche inszenirt und dem es. falls die Gelegenheit sich bietet, auch auf einen Mord nicht ankommt. ES ist nicht gesagt, das; jeder Todtschlüger oder kaltblütige Mörder für einen sol chen schweren Jungen" gilt. eS kommt vielmehr auf die Art und Weise an. wie daZ geplante Verbrechen ausspio nirt. vorbereitet und schließlich ausge führt worden ist. Ter schwere Junge" kann ein ganz gutmüthiger Kerl sein, der, wie man sagt, keine Fliege an der Wand beschädigen kann man muß sich nur hüten, ihm bei Ausführung feines mit Mühe ersonnenen verbrccheri schcn Borhabens unvorbereitet in den Weg zu treten, denn in solchem Moment handelt eS sich allerdings stets um Sein oder Nicht-Sein'." Ich habe in meiner langjährigen Praxis vielfach mit derartigen Brüdern zu thun gehabt und wundere mich eigentlich zuweilen, daß es immer so glimpflich für mich abgelaufen ist; der Grund lag einfach wohl darin, daß es mir jedesmal-gelang, den Verbrecher vollständig zu überraschen und dann ohne jegliches Bedenken selbst fest zu zugreifen, so daß dem Ueberrumpeltcn auch nicht die geringste Spanne Zeit blieb, sich zu revanchiren; abgesehen aber hiervon ist es zweifellos das dürfte Vielen paradox erscheinen daß das Gesetz gerade auf die Gesetzlosesten, die sich völlig außerhalb desselben ge stellt, den lähmendsten Eindruck macht. Nachdem ich dann den, wenn es nicht anders ging, an Ort und Stelle nieder geschlagenen Verbrecher auf meinem Bureau hatte, hütete ich stets, ihm un- nöthige Harte zu zeigen, that vielmehr Alles. waS in meinen Kräften stand, um ihn zu erquicken und ihm rein menschlich gegenüber zu treten; in Folge dessen erfreute ich mich einer ganz be vorzugtcn Beliebtheit unter den gcfähr lichen Menschen. So äußerte einst ein Kerl, der schon fünfzehn Jahre wegen schweren Einbruchs im wiederholten Rückfalle im Zuchthause zugebracht, und den ich. nachdem ich wochenlang vergeblich mich bemüht, ihn in seinem mir bekannten Zufluchtsorte wegen eines abcrnialigcn Einbruchs zu überraschen, durch einen Schlag gegen die Schläfe besinnungslos zu Boden gestreckt, zu mir auf meinem Zimmer, dachdem ich tom Cognac eingeflößt und ihn schließ lich eine ganze Flasche Rothwein hatte austrinken lassen, es fei ganz gut, daß ich ihn dumm gemacht" (sollte heißen. überrumpelt hatte), denn er würde mich kalt gemacht haben, wenn er auch nur für einen Moment Zeit dazu gehabt hätte, und ich fei doch ein so gemüth licher Kerl! Natürlich that diese offen herzige Aeußerung unserer gegenseitigen Zuneigung keinen Abbruch. Vor ein paare Wochen stellte mich ein Mensch auf der Promenade, dicht bei meiner Wohnung am Lützow Platze, vor dem ich im ersten Augen blick etwas zurückprallte, denn ich er kannte in ihm einen alten Zuchthäusler der ebenfalls die letzten zwölf Jahre, die er abgerissen", ganz speziell mir zu verdanken hatte. Er grüßte mich sehr höflich, streckte mir vertraulich seine Rechte entgegen und meinte, er habe mich besuchen wollen, um mich um mei jun Rath zu bitten, denn, so meinte er ' wörtlich: Se waren ja immer ecn orndlichcr Mann. Herr Hauptmann, un denn sin m'r ja ooch Bcede von's Jeschäft jewesen, Sie so. un ick so. un nu hab il m'r uns alle Bcede zur Ruhe jesctzt. Se sehen jut aus. immer noch flott uff de Bcene; na, Se waren ja noch drinne in'n Knast (im Zuchthaufe also); Frau Jemahlin doch munter un der klccne Ticke doch ooch?" Ich muß hier einschalten, daß dieser Mensch mir eines Morgens im Winter, vor jetzt etwa 13 Jahren, nach dem Bureau ge bracht worden war; zwei Beamte mei ncs Reviers hatten ihn bei einer auf's Geradcwohl abgehaltenen Razzia in einer Kaffecklappe getroffen und, ob wohl nichts Bestimmtes gegen ihn vor lag, mitgenommen, damit er er stand unter Polizeiaufsicht sich aus weise. Ich ließ ihn. da er mich zu sprechen verlangt hatte, in mein Zimmer kommen, woselbst ich beim Kaffcetrinkcn auf dem Sopha faß. während mein kleiner dreijähriger Junge, unter dem Tische sitzend und ab und zu unter der Tischdecke hcrvorlugend, mit mir gerade Versteck spielte. Ich hatte den Jungen völlig vergessen, er aber war. bei dem Eintritt des fremden, ruppig und struppig aussehenden Menschen ans sei ncm Versteck hcrvorgekrochen und hatte den Kerl, der ihm wohl etwas unhcim lich vorkommen mochte, bei der Hand genommen und, ihn mit den großen blauen Augen halb ängstlich ansehend, treuherzig zu ihm gesagt: Nicht wahr, Onkel, Du beißt mich nicht?" Natürlich brach ich. und auch der Verbrecher-1 Onkel" schließlich, in em lautes Geläch ter aus. so daß der Junge zu feiner eben eintretenden Mutter flüchtete und seinen Kopf in den Kleidern dcrselbeu barg. Tahcr also die freundliche Erkun digung nach meinem Familienstand. Ob es nun wahr war oder nicht, daß der Mann mich aufsuchen wollte, will ich dahinzestellt sein lassen, jedenfalls theilte er mir mit, daß die Behörde ihm einenAusweisungsbefehl habe zukommen lassen, da er russischer und nicht deutscher Unterthan sei. Wie er sich verhalten solle; sein Vater sei vor 50 Jahren, als er selbst zwei Jahre alt war. aus Ruß land nach Teutfchland gekommen; er sei hier Soldat gewesen, habe den großen Krieg gegen Frankreich 1S70 1871 mitgemacht und schließlich fast zwanzig Jahre in preußischen Zuchthäusern zugebracht und nun, wo er ehrlich ge worden sei und sich als Handelsmann anständig nähre, solle er hinauszcwor fen werden! Ich gab dem Mann eine Cigarre und dann meinen Rath, von dem ich mir allerdings selbst kaum einen Erfolg versprach (seiner schweren Vor bestrafungen wegen), und ließ mich mit ihm in ein längeres Gespräch ein, das, wie der geneigte Leser noch sehen wird, seine guten Früchte getragen hat. Zuerst kam ich auf die Vergangenheit zu sprechen und er erzählte mir, wie er schon als Junge von 6 Jahren von fei nem Vater dazu benutzt worden sei. in Kellcröffnungen, die einem erwachsenen Menschen nicht zugänglich waren, ein zukricchen, von dort einen Weg in das Haus zu suchen und schließlich irgend ein Fenster zu öffnen, durch welches dann der Vater mit leichter Mühe sich Zugang verschaffen konnte. So jing es denn fort, un mit achtzehn Jahre machte ick jedes Schloß uff un kroch wie een Kater uff det steilste Dach un durch de dinnste Ritze. Tet erschte Mal grif fen se mir als ick von'n Kommiß los kam, un denn hat mir Wollschina (ein jetzt verstorbener Kriminal -Kommif sarius) zwcemal jcfaßt, na, un denn kamen Sie damals, Se wissen ja!" Dabei schielte er mich so komisch von der Seite an, daß ich laut auflachen mußte und, ihm einen Schlag auf die Schul ter versetzend, ausrief: Ja, alter Junge, damals bist Du auch zu dumm gewesen!" (Es wird so manchem der Leser auffallen, daß ich den Menschen Tu" nannte, während er natürlich zu mir Sie" sagte-. Es ist dies eine alte Sitte geworden, und jeder bcrlcncr wirkliche schwere Verbrecher würde es geradezu als eine Beleidigung auf fassen, wenn der Polizci-Leutnant oder der Kriminal-Kommissar, der mit ihm zu thun hat, Sie" zu ihm sagte. Je- densalls wäre es völlig ausgeschlossen. daß er auch nur ein Wort gesteht, viel weniger noch würde der Beamte irgend etwas Anderes" von ihm erfahren.) Wie ich dem geriebenen Verbrecher damals das Handwerk legte, will ich möglichst kurz erzählen. Während der warmen Sommernächte hatten verschiedene Bewohner von ersten Stockmerken in der Potsdamcrstraße die Unvorsichtigkeit begangen, ein Fenster der Wohnräume offen zu lassen. Tiebe waren hineingestiegen und hatten zw meist reiche Beute, bestehend in Uhren, Silbcrfachen und andern Wcrthstücken, mitgehen heißen. Man nahm allgc mein an, daß zwei Thäter bctheiliat ae wesen. von dcnen der eine auf die Schulter des andern geklettert war, um den Balkon erreichen zu können. Von hier aus hatte, in einem Falle, wie die Fußspur zeigte, der Dieb sich auf das obere Gesims eines Parterrefenstcrs ae stellt, hatte dann, die Brüstung des Balkons loslassend, das untere Gesims des seitwärts darüber gelegenen offenen Fensters ergriffen und sich nun Eingang verschafft. Ter Dieb blieb unentdcckt. Dann wurde mit bespiclloser, geradezu räthsclhafter Verwegenheit ein Einbruch in einem Hause der Wallstraße ausge führt. Die Rückseite dieses Hauses ist direkt aus der Spree herausgcmauert und hat eine Höhe von mehreren Stock- werken. Der Dieb, oder, wie damals angenommen wurde, die Diebe, waren über einen Bretterzaun geklettert, wcl chcr da Rachbargrundstück nach einer andern Straße." der Grünstraße, ab schließt. Hier lagen auf dem Hofe so viel Tonnen ausgeftapclt. daß sie fast bis zu dem nicht sehr hohen Dach hin ausreichten; diesen Weg benutzten die Künstler. Von hier aus konnten sie das etwas höhere Dach des anstoßenden Gebäudes der Wallftraße erreichen. Sie kletterten nun nach dem andern Ende des Daches und der eine von ihnen hatte, von seinem auf dem Dache der bleibenden Komplicen an den Händen gehalten, seinen Körper nach der Spree feite des Gcbäudcs herabhängen lassen. Auf diese Weise vermochte er mit den Fußspitzen die -chcibe eines Fensters einzustoßen und hatte sich dann, die ihn haltenden Hände loslassend, auf dem Fenstcrkreuz nur mit den Fußspitzen stehend und sich an die senkrechte Wand fest anschmiegend. Zoll um Zoll in die Kniebeuge hcrabgesenkt. bis er dann den senkrechten Theil des Fcnstcrkreuzcs mit den Händen fassen konnte; dann hatte er sich wie ein Aal durch die kleine Ocffnung des Fensters hindurchgc zwängt. Im Innern schnitt der toll kühne Einbrecher die Füllungen mch rerer Thüren heraus und gelangte end lich in den parterre gelegenen Laden eines Uhrmachers, wo er Uhren und Schmucksachcn im Werthe von etwa 2000 Mark zusammenraffte und in einem Qucrsack auf seinem Rücken barg. zu seinem Acrgcr aber die Ladcnkasse, die gewöhnlich gut gefüllt zu sein pflegte, leer fand. Als er sich nun bei dem Scheine , von großen Wachsftrcichhlözcrn, sogenannten zehn Minutcn-Brenncrn, genau umsah, entdeckte er eine verstellte Thür, welche in den Nachbarladen eines Kaufmanns führte. Auch hier schnitt er mit feiner haarscharfen, gut geölten Stichsäge die ! Thürfüllung aus. kroch durch die Oeff nung und erbeutete drei Hundertmark Scheine und 00 Mari in Gold; Silber und Nickel verschmähend. Tann hatte der Einbrecher weil die schwere Hausthür seiner Stichsäge widerstand und das Schloß mit seinem .Haken" (Dietrich) sich nicht öffnen ließ, denselben halsbrecherischen Weg, den er gekommen, wieder zurückgelegt ! Als mir der überaus heikle Fall am andern Morgen gemeldet wurde, begab ich mich sofort an Ort und Stelle. Ich verfolgte nun im Verein mit einem sehr intelligenten gerissenen Schutzmann, der in seiner Jugend, bis er Soldat wurde, Seiltänzer und Schlangen mensch" gewesen war, die Spur und kam jo, bei dem Kaufmann mit meinen Recherchen beginnend, durch den Uhr macherladen, drei Treppen hoch zu dem zerbrochenen Fenster an der Sprccscite. Es war das Flurfenster, ein Beweis, daß der Einbrecher sich vorher genau informirt hatte, denn in der Wohnung da oben schliefen in jeder Stube, selbst in der Küche, Menschen, die schwerlich das Klirren der eingestoßenen Scheibe würden überhört haben. Zuerst nahm ich an, daß der Ein bruch von der Spreeseite mit Hülfe einer Leiter bewerkstelligt sei; dem widersprach aber einmal die Höhe des Hauses nach dieser Seite hin und dann die Tiefe der Spree gerade hier. Also mußte der Vebrecher von Oben, vom Dache aus. sich Eingang verschafft ha den. Wir begaben uns daher, ich erst, nachdem ich mich durch eine neue Waschleine, die ich um Leib und Schul tern legte und deren Ende auf dem Boden um einen . Schornstein ge schlungen war, vor einem etwaigen Sturze gesichert hatte durch eine Luke auf das Dach. Nachdem ich hier bis an den Giebel gerutscht war und das nur wenig tiefere Nebenbuch bemerkt hatte, ging mir ein Verständniß auf. Wein Schlangenmensch", der mir ge folgt war, sprang auf daö andere Dach, das fast ganz platt war und rief mir ein ruhiges ..Ich hab's" zu. Wir be gaben uns nun vom Dache herunter und gingen in das vorerwähnte Grund stück der Grünstraße, von wo aus man den Weg mit den Augen genau verfol gen konnte, den die Verbrecher benutzt; mein Begleiter erbot - sich, denselben Weg zu gehen und das ganze Kunststück nachzumachen, ein Vorschlag, den ab zulehnen ich aber für weise hielt. Als wir uns dann anschickten, wieder an die Orte der That zu gehen, be merkte ich ein paar Schritte von dem untersten Fässer Stapel entfernt eine kleine längliche Schachtel liegen, die ich aufhob. In derselben befanden sid große, ziemlich starke Wachs-Streichhöl zcr, noch G Stück, und unter denselben lag em schmutziger, schmaler Zettel, 'zerknittert und wieder geglättet, auf welchem zu lesen war, daß der Empfän ger für den Tag vorher Mittaas um 1 Uhr nach dem Tönhoffsplatze bestellt worden war; unterschrieben war der schmierige und doch für mich so uncnd- lich wichtige Wisch mit K. r. Fr. Al ich meinen Fund, und den Zettel vor Allem, dem Schutzmann zeigte, stieß dieser einen wilden Freudenruf aus und sagte bestimmt: Katcr-Fritz" ist es gewesen; den Weg hätte auch kein Anderer machen können als der oder ich." Wics0'Katcr-FritzV rcplizirte ich, den kenne ich ja noch gar nicht." Nun wurde der Beamte etwas der legen und meinte: Er hat lange im Knast gesessen, ich kenne ihn von früher, habe zusammen mit ihm am Trapez gearbeitet"; der läuft aus dem Dache herum wie ein Kater und daher haben wir ihm damals den Namen ae- geben, so unter uns; jetzt heißt es so beim Geschäft. Es ist für mich ganz sicher, daß kein Anderer es ge wefen ist und ich glaube, er hätte die Geschichte auch allein machen können; aber ich sehe hier zwei verschiedene Fuß spuren." Wer der Einbrecher war. wußten wir also ziemlich sicher, ,mir wollte es nur nicht so recht in den Kopf, daß ein so gewiegter Verbrecher sollte irgend etwas verloren haben, was immerhin auf seine Spur hindeuten konnte, aber eine Dummheit macht schließlich auch der Klügste! Katcr-Friße" gehörte nun zu den gesuchtesten Persönlichkeiten Berlins, aber alle Mühe war umsonst. Da brachte mir mein Schlangenmensch" eines Nachts einen Kerl an. den er in verdächtiger Nähe eines offenbar eben eingedrückten Fensters getroffen und mitgenommen hatte; es war klar, daß er hatte dort einsteigen wollen. Schon wollte ich ihn abführen lassen, als der Kerl, mich so recht frech anblinzelnd meinte: Wenn Se mir jloben, Herr Lcitnant. det ick diesmal unschuldig bin, erzähle ick Sie eene Jcschichte; Sie aber bloß alleenc!" Ich ließ den Beamten abtreten und der Mensch meinte ruhig: Wenn ick det nächste Mal verknackt werde, jiebt's Zuchthaus; nn wenn ickfstifter ausgesetzt find?" ooch hcite janz unschuld'q bin. jlooben duht m'rs doch Keencr" (natürlich nicht). Wenn Sie s mir aber ilooben un mir loofcn lassen, sage ick Ihnen, wo Kater Fritze stecken duht." Ich sprang auf und sah den Kerl scharf an. Wann Du mir sagst, wo Kater-Fritze sich auf hält, glaube ich Dir heute Nacht Alles. mc,n Junge; wenn Tu aber sandelst (lügst), dann nimm Dich in Acht!" Da reichte mir der Kerl seine Hand und sagte: Uff Ehre Sie jlooben mirs" Richt ein .Wort, alter Junge; aber ich lasse Dich laufen und der- gcsse die ganze Geschichte, mein Wort daraus!" So gelang es mir damals. deS Katcr-Fritz". der, wie ich schon erzählt sich so gemüthlich mit mir auf der Pro menOde des Lützom-Platzks unterhielt, habhaft zu werdm. Ich hatte vorher die Absicht gehabt, in einem in der Nähe gelegenen Restau rant ein GlaS Bier zu trinken und da ich noch heute gewöhnt bin, einer Au genblickS-Eingebung zu folgen, so lud ich meinen eigenthümlichen Bekannten, der äußerlich ganz manierlich und solide aussah, ein, mein Gast zu sein. Er nahm mit einer gewissen Feierlichkeit an, und da ich weiß, daß derartige Leute immer Hunger haben, ließ ich die Speisekarte kommen und ich hatte mich wieder einmal nicht geirrt und recht hiermit gethan. Wir kamen nun auf die neuesten Er eignisse, und da berührte ich denn, mit meinem Gaste anstoßend und das dritte (Äa3 Echtes" bestellend, die neueste Berliner Senfations-Affaire, die Moa biter Brandstiftungen. Für den ferner Stehenden muß ich Folgendes erklärend anführen. Dumpfe Gewitterschwüle schwebte über dem im Nordwestcn gelegenen Stadttheil Moa bit. Alltäglich, fast scit Monaten schon, dasselbe Bild: Rauch, der sich langsam erhob, dann die herausschla gende Flamme; dann die hcranraffclnde Feuerwehr mit der bewunderungs werthen, fast eleganten Genauigkeit ihrer Arbeit; endlich nach Nicderwer fung des entfesselten gierigen Elemen teS genaue Nachforschungen nach dem Brandhecrde, mit dem Resultate: mch rere Brandheerde, also vorsätzliche Brandstiftung! Ter Stadtthcil Moabit gehört zu den jüngsten Angliederungen Berlins und im Wesentlichen ist er wenigstens als Masscnquartier, nicht viel älter als die Großstadt Berlin, als das Teutsche Reich selbst. Vor fünfundzwanzig Iah ren zählte Moabit nur ein paar Tau send Einwohner, heute hat es die ersten Hunderttausend schon überschritten. Gleich hinter den Bahnhöfen begann damals die Haide, heute erheben sich dort massige, weit ausgedehnte Häuser viertel mit einer fleißigen, emsigen Be völkerung. die plötzlich aus ihrer Ruhe und Sicherheit durch die fast täglich wiederkehrenden Brandstiftungen aufge scheucht wurde. Und diese Aufregung theilte sich auch der übrigen Bevölkerung Berlins mit. denn ist es ein Einzel- ner? Sind es Mehrere? Ist es Haß. Bosheit, wilde Schadenfreude, oder ist es Wahnsinn, welcher die Hände de Brandstifters leitet? Haben sich Mehrere zu diesem Zweck verbunden, oder hat eines Mannes Beharrlichkeit im Ver brechen Anderen dieselbe grausige Idee eingeimpft? Ter materielle Schaden, den die, seitherigen Brände angerichtet, ist ein sehr hoher, aber wie stark auch die Beträge sich summiren mögen, sie reichen bei Weitem nicht an die Höhe des moralischen Schadens, der gestiftet worden ist. Tenn, wie schon gesagt, die Ruhe und Sicherheit einer sehr be deutenden Mittelstadt, war verschwun- den; mit Sorge sah Jeder der Nacht entgegen und, wenn diese verstrichen, dem kommenden Tage. Tenn nicht nur das Eigenthum ist gefährdet, son dem auch das Leben wird durch die Entfesselung des wüthenden, tückischen Elementes bedroht. Jeder Arbeiter, der am Morgen auf seine Arbeitsstätte sich begicbt, muß befürchten, bei seiner Rückkehr am Mittag oder Abend sein bescheidenes Heim als wüsten Trümmev Haufen zu finden, jede Mutter, die ihre Kleinen allein in der Wohnung zurück lassen muß, vermag dies nur mit Furcht und Grauen vor etwas Entsetz lichcm zu thun. Tenn es ist gerade die am härtesten mit dem Leben käm- pfende Menschenklasse, welche die ober- stcn Stockwerke und Mansarden be wohnt. Bisher wollte es der Polizei nicht gelingen, troß der größten Anftrcn- gung, des oder der Thäter habhaft zu werden. Für mich persönlich schien es schon nach den ersten Bränden festzustehen, daß nicht sämmtliche Brände von den gesuchten Brandstiftern herrühren, daß vielmehr auf deren Konto von noch ganz anderen Leuten, denen Niemand es zutraut, gesündigt wird. ,,ie werden sehen, Herr Haupt mann," meinte nach vielfachem Hin und Hcrrcden mein Nachbar mit plög lich ganz veränderter tiefer Stimme, welchen Umstand ich dem fünften Echten" zuschob, det det Zündeln in Moabit balde uffhört, det jeht nachher so ribcr nach Schenebcrg." Hier legte ich meine Hand auf seinen Arm und sagte lcise. aber bestimmt zu dem Manne: Tu weißt etwas, alter Junge; wie kommst Tu auf Schöncberg? Du weißt doch, daß von dem Hausbesitzer Verein in Moabit und von der Behörde zusammen mehr als tausend Mark Be- lohnung für die Entdeckung der Brand- Jeht mir nischt an," rcplizirte der Mensch ruhig, abcr ick dcnke mit dct so!" Das Nachfolgende kann ich nur. ohne jeden Kommentar, ganz schlicht erzählen. Ader es war merkwürdig; die Brände in Moabit hörten wirklich Äuf und es brannte kurz hintereinander dreimal im Westen Berlins und dann zweimal in chöncberg. Ein mir befreundeter Oberlehrer be- wohnt mit seiner Familie die dritte Etage eines in Schöncberg gelegenen sogenannten herrschaftlichen Hauses. Er hat vor einiger Zeit einem (angcd lichen) früheren Schuldiener, der wegen Körperverletzung mit dem Stra'gcsctz in Konflikt gerathen, , deshalb feine Stelle verloren hatte und obdachlos war. der ihm von befreundeter Seite empfohlen worden, auf dem ihm ge hörigen Bodenverichlage ein Unterkom mcn gewährt. Tiefer Mensch machte sich des Nachmittags auf einem in der Nähe befindlichen Holzplatze nützlich, putzte die Morgens im Haushalt im Gange befindlichen zehn paar Schuhe lind Stiesel, holte dem Mädchen das Holz und Kohlen aus dem Keller u.f.w. und erhielt dafür eine tüchtige Stulle mit Kaffee und wohl auch noch eine warme Mahlzeit, wenn, was fast rcgcl mäßig der Fall, etwas vom Mittagessen übrig geblieben war. Er kam jeden Abend erst kurz vor Schluß des Hauses zurück, um in seinem Verschlage aus dem Boden unter eine Pferdedecke und auf einem Strohsack von den Mühen des Tages sich auszuruhen. Am 4. April war der Oberlehrer etwas spater als gewöhnlich nach Hause gekommen und hatte sich eben zur Ruhe begeben, als er durch das Winseln seines Stubenhündchens. das vor seinem Bett auf einem Teppich zu schlafen pflegte, aus dem ersten Schlummer emporschreckte. Ta der Hund stch nicht beruhigte, steckte er Licht an und hörte nun ganz deutlich die Thür seiner Schlafstube führt nach dem Korridor an der Korridorthür ein leises Klopfen. Während er sich schnell an kleidete, betrat einer seiner Söhne, der in seiner Stube noch arbeitete und der das Gcbahrcn des Hündchens gleich falls vernommen, die Schlafstube und ging, die Lampe nehmend, mit dem Vater, der nun die Korridorthüre leise aufschloß. Ter Obdachlose vom Bo den stand, einen Finger auf den Mund gepreßt, vor dem Oeffnenden und er zählte in fliegender Eile, es sei auf dem Boden ein fremder Mensch, der sich dort überall zu schaffen mache. Er habe vor Zahnreißen nicht schlafen kön nen, sei aber dann eingedusselt und plötzlich aufgefahren, da es ihm so ge schienen, als sei Jemand bei seinem Verschlage vorbeigchuscht. Er habe nun deutlich gehört, wie Jemand die verschiedenen Bodenverschläge geöffnet habe, und als der Betreffende ganz hinten gewesen, fei er lcise auf dem Bauche hcrvorgckrochen und barfuß die Treppe heruntergegangen. In diesem Augenblick drang durch die gcöffncte Bodenthür ein Heller Schein mit ein paar Säßen war der Oberlehrer die Treppe hinaufgcsprungcn und prallte oben gegen einen Kerl, der wie ein Aal sich seinen Händen entwand und die Treppe hinuntcrrutschte. Oben auf dem Boden prasselten die Flammen, in ra fcndcr Eile von einem Verschlage zum anderen springend und durch die Git tcrthüren in das Innere schlagend. Feuer. Feuer." gellte es nun durch das ganze Haus; der Oberlehrer warf seine Familie . fast aus den Betten, dann eilte er eine Treppe tiefer, mit Hand und Fuß an die dortigen Koni dorthüren donnernd und überhörte in der Aufregung das Getöse eines heftigen Kampfes, der sich auf dem Treppenpodest der ersten Etage unten fortspielte. Der ehemalige Schuldiener", der aus Gnade aufgenommene Obdachlose, hatte den Brandstifter gefaßt und war im Ringen mit demselben zwei Treppen hinuntcrgekollert aber er lag auf jenem. Ter junge Mann, der die Lampe noch in der Hand hielt, hatte zufälliger- und glücklicherweise den Hausschlüssel in der Tasche er eilte davon und nach einer bangen, uncnd- lich langen Viertelstunde kamen die ersten Spritzen angesaust: das Feuer hatte das Tach, dessen Luken geöffnet waren, durchbrochen und die Flammen schlugen fast haushoch zum Himmel empor. Man löschte das Feuer, das noch keine rechte Zeit gehabt, festen Fuß zu fassen und nch kräftig zu entwickeln. ehe es noch in die nächst untere Etage, die Wohnung des Oberlehrers, durchbrennen konnte, wenngleich der Wasserschaden ein nicht unbedeutender war. Ter Oberlehrer, der dem Schuldic ncr" zu Hülfe gesprungen, mußte fein ganzes Änschcn in die Wagschale legen, um zu verhindern, daß die aus dem Schlafe so jäh aufgeschreckten, empörten Bewohner den gefaßten Verbrecher nicht geradezu todt schlugen; man übergab ihn der Polizei. Bei den Aufraumunqsarbeitcn am folgenden Morgen der Brand war acgcn 1 Uhr in der Nacht ausqcbrochcn fand man, daß das Feuer mit großer achkenntnib und Umncht angelegt war und es konnte nur als ein ganz besonderer Glücksumstand angesehen werden, daß der auf dem Boden Räch tigcnde noch zu rechter Zeit erwacht war. um das Buocnstuci. wenn man ganz zu verhindern, so doch weniger gefährlich zu machen. Die Brcttcrver schalungcn der einzelnen Abtheile waren sämmtlich mit Petroleum getränkt: alle Lattcnthüren zu denselben geöffnet und die am leichtesten Feuer fangenden Ge genftünde unmittelbar hinter den Thü ren aufgestapelt und ebenfalls mit Pe trolcum begossen, wie trotz des Brandes noch Spuren deutlich erkennen ließen; die Bodenluken waren, um den nöthi acn Zug herzustellen, sämmtlich gcöff- nct; in einem der Verschlüge fand man eine lccre, 10 Liter fassende Petroleum kanne! . 1 Der Brandstifter, ein früdcrcr SIonermcistcr und vcrkracdter iwis- dckncr. dem man zuerst aus ein niiatSwache seine nicht unerhedlicken, vom Richter Lynch ihm zugeten V'. lctzungen hatte verbinden Ictjen. gab' bei seiner Vernehmung an. er habe ein mal schcn wollen, wie eS bei einem Brande überhaupt zuginge, denn m nächster Nahe habe cr bisher dies ncch nicht beobachten können. Er habe sich eine Kanne Petroleum gekauft und ki gegen 1 Uhr Mittags, da er annahm, daß dann sämmtliche Familien beim Mittagessen seien, in ein beliebig HauS gegangen, sei ganz harmlos die. Treppen emporgestiegen und schließlich aus den unverschlossenen Boden gelangt. Hier habe er in aller Gemütsruhe seine i Vorbereitungen getroffen und habe. , ohne irgend Jemand auf der Treppe z.i oegcgncn, oas aus omunni. .irz vor 10 Uhr sei er in daS Haus und in die nach dem Hofe zu gelegene unver schlossene Waschküche gegangen, um hier abzuwarten, biS der Portier das Licht auf den Treppen und Korridoren aus gelöscht und das Haus verschlossen ha den würde. Hier müsse er eingeschlafen sein, denn als er erwacht, sei er ganz steif gewesen. Dann sei er in Strüm pfcn nach dem Boden geschlichen, habe nach vielen vergeblichen Versuchen end lich daZ Feuer in Gang bekommen und demnächst den Rückweg angetreten; hier sei ihm das Unglück passirt. auf den Oberlehrer zu stoßen und schließlich ge faßt zu werden. Wäre er ungesehen die Treppen hinabgekommcn, so würde er wieder in die Waschküche gegangen sein und hätte dann doch deutltSJ ver nehmen können, wie der Rummel" losgezangcn und sich weiter entwickelt habe. Sobald man dann, sei's nun von außen, sei's von innen, die Haus thür geöffnet also um Hilfe zu brin gen oder Hilfe zu holen würde es sich harmlos in den eindringenden oder hin auscilenden Mcnschenschmarm. je nach dem. verkrümelt" haben! Tie Sache war demnach gar nicht so übel ausgetüftelt, wenn nun wenn der niederträchtige Anschlag nicht schließlich einen Ritz bekommen hätte! So ungefähr, wie ich eben angege den, lauten die ersten Auslassungen des Verbrechers; aber es werden nicht seine letzten sein! 'Jetzt ist der Kerl bemüht, wie ich aus besser Ouelle erfahre, den Eindruck eines völlig Stumpfsinnigen hervorzurufen; er will glauben machen, daß man es mit einem Idioten zu thun habe. Tem widerspricht aber seine ganze Vergangenheit. Nachdem er vor Iah ren, wie man so sagt. Gott und alle Welt betrogen, gcricth er einem noch schlaueren Hallunken in die Finger, der ihm fein erschwindeltes Haus wieder abnahm. Wovon er seither gelebt? Er weiß es nicht nachzuweisen und alle die Angaben, die er blöde lachend darüber machte, erweisen sich als un wahr. Aber bei fast allen Moabiter Bränden wurde in der ersten Verwir rung gestohlen, Schreibtische u. s. w. erbrochen vielleicht liegt hitzrin die Lösung des Räthsels der Brände sowohl wie der Erwerbsquelle des Verhafteten? Gegen das soeben von mir angeführte ..Vielleicht" svrickt freilick fAeiiihnr her Umstand, daß der Verbrecher in mehre ren auen der lonstatirten Brandstif tung in der Lage gewesen ist, sein Alibi " unzweifelhaft danutbun: nun hi.n.;,f mag der Herr Untersuchungsrichter fest- flrt . r , ' -r ' I juneuen, oay. wie icy schon angedeutet, gerade in diesen Füllen Andere, denen aus den Bränden direkter 9WHiif . wuchs, auf eigene Kosten gesündigt ha um 41U viviii verra: Mein alter freund . .Zatr-ik" ;n ...ti. " l vcr,z)ivllnoen. r yar, ohne zu ver suchen, die Entscheidung der Behörde seine Ausweisung betreffend, rückgängig ' zu machen,' Berlin verlassen, was ihm um so eher möglich war, als er durch einen ganz besondern Elücksumstand aber auf ehrliche Äcise, in den Besitz einer für seine Verhältnisse ziemlich be deutenden Geldsumme gelangt ist. Das Klavierspiel in England. Eine amüsante englische Statistik über Zeit und Geld, die alljährlich in England dem Klavier gewidmet wer den. theilt die Neue Musikzcitung" mit: 45 Millionen Einwohner zählt das Jnfclreich, und diese wohnen in etwa 7 Millionen Häusern. Jm Tui) schnitt kann man auf jedes siebente Haus ein Klavier rechnen und als mitt leren Preis 20 Pfund Sterling annch men, also kosten alle diese Klaviere 20 Millionen Pfund Sterling, gleich 400 Millionen Mark! Im Allgemeinen aber werden die Instrumente alle zehn Jahre erneuert, so kämen also 40 Millionen Mark auf das Jahr. Wird auf jedem Klavier nur zwei Stunden täMfa n. spiclt. so macht das zwei Millionen Stunden pro Tag. Und diese zwei Millionen Stunden sind ganz unnütz , i, auVaI Vau Siuf.st . . . . j . . uiitmniuii, ucuii ut'iuoe unervmliche Statistik hat hcrausgschnct. daß von 10.000 Sviclcrn immer nur rin-s , etwas bringt, so daß von einer Million Svieler nur 100 aute, firnnoiw ooo 900 schlechte Klavierspieler fein würden. cLin Gewcknheitsnlesch. iran Müller: ..Mit wem frn-Mit ho,. Ihr Mann da im Nebenzimmer?" Zrau Schmidt: ..Mit sick Wh! Wissen Sie. scit kurzer Zeit rasirt er sich selbst; weil er aber noch gewöhnt ist daß ihm der Barbier beim Rasiren Al lcrlci vorschwätzt, erzählt er sich jekt selbst Geschichten. 16 y '