Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 17, 1899, Image 10

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    Die Flucht.
r;ahl.,ng von S m i I A , r i n g
Christian BcliK war eine in sich gc
festete PcrSi:lichkcii. Schon äußernd)
machte er einen durchaus soliden, wi
traucncrwca'cnden Eindruck mit seiner
mittclaroxcn. breitschultrigen Gestalt.
dem blonden, sorgialtiz gescheitelten
Haar, den grauen, nicht übermäßig
Ilua blickenden Augen.
bereits elf abre diente er dem
renommirtcn Berliner Banthause Köl!
mt .V Korn, erst als Lehrlina drei
?labre. dann als Buchhalter, gcgcnwciv
tig a!S Asststcnt des ersten Kassncrs. ein
Bertrauenöprsten, für welchen ihn seine
Shcfs trog seiner verhältnismäßigen
Iuacnd er war 30 Jahr für
qualisimt erachteten, eben weil sie nach
iabrrlanarr Beobachtung volles Vcr
trauen zu ihm hatten, Er hatte große
Summen unter den Fingern gehabt.
hatte Beträge bis 60.000 Mark zur
Reichsdank getragen. Porto-und Cou.
ponkasse mehrere Jahre mit peinlichster
Ordnung geführt und schien mit seinem
(ehalt von 900 Thalern sehr gut aus.
zukommen. Seiner erwerbsunfähigen
Mutter, die in einer kleinen Stadt
Schlesiens lebte, schickte er regelmäßige
Unterstützungen. Seine Braut. Heb
wig Kcrkens. die Tclcphonistin war.
verleitete ihn auch in keiner Weise zu
Extravaganzen; denn sie war ein
liebenswürdiges, verständiges Mädchen,
das nur in letzter Zeit durch den Tienst
etwas angestrengt war. Es war vcrab
redet worden, daß die Heirath stattfin
den sollte, wenn Bclitz 3000 Mark Ge.
halt hatte. So .war alles schön glatt
und ruhig, und die Entwickelung dieser
beiden Leben hätte normal vor sich
gehen können, wenn wenn nicht ....
Ter erste Kassirer des Bankhauses
war an Influenza erkrankt, seit Mitt
woch fehlte er im Geschäft und Bclitz
vertrat ihn. wie es natürlich war. Herr
Korn, der Eine der Ehcfs, unterstützte
ihn hierbei in jeder Weise, überzeugte
sich aber schon am nächsten Tage, daß
Bclitz vollständig eingearbeitet war und
mit Banknoten und Geld in absolut
sicherer Weise hantirte.
Bclitz war die Ruhe selbst, und als
er Freitag Abend mit scincr Braut zu
sammen war. lobte ihn diese sehr und
war glücklich über die große Auszcich
nung, die ihm mit dieser Vertretung zu
Thkil geworden war. Merkwürdiger
weise ging Bclitz nicht wie sonst auf ihr
Gespräch ein. sondern blieb einsilbig
und verstimmt.
Was hast Tu nur. Christian?"
fragte sie. Anstatt Tich mir mir zu
freuen, bist Tu so ernst und nachdenk
lich?" Laß nur." sagte er abwehrend, es
war sehr anstrengend, wollen wir noch
ein Stündchen in den Thiergarten
gehen r
Gern," erwiderte sie, ich habe auch
etwas Kopfschmerzen von dem ewigen
Geklingel." Tann zog sie ihren Maiv
kl an, und bald gingen beide die
Bcllevue Straße entlang.
Christian," sagte das junge Mäd
chen, wenn Du jetzt nicht redest, werde
ich besorgt. Tu hast irgend etwas Gc
Heimes. Trückt Tich etwas, so sage es,
das erleichtert."
Ja, ja," erwiderte bclitz bcttom
mcn und finster zugleich. Ich bin
furchtbar aufgeregt und weiß kaum,
was ich rede."
Was ist es, Christian?" fragte sie
angstvoll, bist Tu krank oder sie
zögerte oder ha t Tu cm Manko in
der Kasse?"
Nein, keine Spur! Tie Kaffe stimmt
aufs Haar."
Nun also, so rede doch wcitcr!"
drängte sie.
Ich kann nicht." Sie weinte
Hast Tu kein Vertrauen, Christian?"
Er kämpfte mit sich. Gut, Tu
sollst es wissen, Tu bist mir ja das
Liebste hier."
Er stockte, sie sah ihn an.
Ter Versucher ist an mich herangc
treten. Morgen werden in unserer
Kasse am Wochcnschluß über 300,000
Mark an."
Sie faßte ihn kramfhaft am Hand-
gclenk. Und, und V
&te vogcn in kinc seitntauee ein.
Er fuhr leise fort: Ja. ich will damit
fliehen. Ich habe es satt, Jahr aus,
Jahr ein hier in Berlin den Commi
zu spielen und den Luxus der Reichen
von weitem mit anzusehen. Es giebt
schöne Städte in der Welt, wo man von
hunderttausend Thalern sehr angenehm
leben kann."
,,Christian!" schrie sie auf. Er hielt
ihr den Mund zu und tagte: Be
herrsche Tich! Hätte ich lieber nichts ge-
sagt."
Sie brauchte einige Minuten, um
sich zu erholen, dann rief sie mehr, als
sie redete: Ist das Tcin Ernst, bist Tu
irre geworden? So willst Tu Tich vom
Bösen umgarnen lassen?"
Mach' "nicht viel Worte." sagte er,
es fitzt schon zu fest bei mir, ich kann
n'cht anders. Ein Vermögen zu errin
gcn, ar schon von jeher mein sehn
lichster Wunsch."
Aber durch Ticbstahl. Christian,
durch Vcrtraucnsbruch?"
Er zuckte zusammen, dann suchte er
seinen Worten eine leichtere' Färbung
zu geben: Ach was! Tie Großen stehlen
auch, nur auf andere Weise."
Christian, ich kenne Tich nicht wie
der." Ich mag solche Gefühlsduselei
nicht," sagte er unwillig. Rede was
Tu willst, morgen wird
Wert gesetzt.
die Sache ins
schont fragte sie er
Morgen
schrecken.
Natürlich. Tas ist der letzte Point.
Am Montag übernimmt Werter wieder
die ane
Und wenn sie Tich abfassen, dann
kommst Tu in S Zuchthaus
Ich habe alles sorgfältig überlegt
und schon so .lange Borbereitungen gc
tronen. sodaß es glücken muß."
So konntest Tu Tich verstellen?'
sagte sie vorwurfsvoll. .Und denkst
Tu nicht an mich und Teine Mutter?
Was soll aus uns werden?
Sobald ich reich bin. kann ich für
Euch bcner sorgen, als jetzt. Im
Ausland angekommen, werde ich Tich
nach einem Jahre heimlich nachkommen
lassen
..Ein Jahr. Christian! Ein Jahr
allein?" ie weinte furchtbar.
Nein, lieber zeige ich Tcin Vorhaben
Teinem Chef an."
Tumme Gans, erwiderte er, was
würde dann? Ich würde entlassen und
mit uns beiden wäre es erst recht vor
bei." Es war ja nicht mein Ernst,
Christian. Nur die Angst."
Lächerlich. Tie Hauptsache ist. daß
ich keine Angst habe."
So nimm mich mit." sagte sie ent
schlonen. Wo Tu bist, will auch ich
sein. Tu bist mein und ich bin Tern
Er blickte erstaunt auf. Was Ihr
Weider für eine Logik habt, erst Vor
würfe, dann willst Tu mitthun."
Weil ich Tich liebe, weil ich nicht
ohne Tich hier sein kann."
Es geht aber nicht," sagte er. Tu
würdest mich schwer belästigen. Wir
würden aussallen und schließlich beide
vielleicht gefaßt werden.
Ich werde mich schon vorsehen."
sagte sie entschlossen, nichts thue ich
ohne Teine Zustimmung."
Es käme mehr darauf an. was Tu
auf meine Anordnung thun müßtest.
Aber es geht doch nicht."
ie flehte, sie bat. Endlich gab er
nacy. cruyrt sagte er: ..Nun, ich
habe Tich ja auch sehr lieb und werde
in Teincr Gesellschaft vielleicht noch
wüthiger und vorsichtiger vorgehen.
-chlieölich verlierst Tu hier nickt viel.
Tas Tclcphonircn hat Tich schon halb
kaput gemacht."
Ja, ich bin in letzter Zeit sehr
nervös geworden," sagte sie.
Und ich erst," lachte er. Na. wir
werden uns schon erholen."
Wohin willst Tu denn. Christian?"
Tas erfährst Tu erst unterwegs, das
ist mein tiefstes Geheimniß, auf welches
alles ankommt. Man muß die Ver
folger irreführen."
Ader wenn Tu mich hintergehst.
Christian, und mich irgendwo sitzen
ließest, ich stürbe."
Sei ruhig, so bin ich nicht,"
erwiderte er. Ich nehme Tich mit.
Aber Tu darfst nun nicht mehr miß-
tramsch fein, darfst nicht fragen, mußt
blindlings thun, was ich von Tir vev
lange."
Alles will ich." lächelte sie unter
Thränen; aber schwöre mir bei allem
was Tir heilig ist, daß Tu mich nicht
vcrlülzt
Aber gewiß, ich schwöre es Tir,"
?ag:e er. ,;mt tu es jetzt auch ganz
iieo. Also jet morgen Abend elf llh
aus dem Meyner Bahnhof
Nach Hamburg willst Tu. " fragte sie
Tu sollst doch nicht fragen." meinte
er lächelnd. Um fünf Uhr wird die
Bank geschlossen, dann habe ich noch
wichtige Besorgungen. Um elf Uhr
rayren wir,
Aber Tu könntest doch schon früher
fahren r
Mach keine Einwendungen, es ist
alles überlegt. Wir haben den antuen
Sonntag zur Flucht. Nimm weuiZ
Mpack mit, aber ein anderes Kleid
Bedenke die Möglichkeit. Tich schnell
zu verandern. Haare und so weiter."
Ich werde schon." tagte tie schlau
Vom letzten Maskenball habe ich noch
eine Pcrruae, die nehme ich mit
Bei der Abreise bleiben wir genau so.
wie wir immer gekleidet sind, erst unter-
wcgs ersolgt die, Verwandlungskunst.
Las i t chon crprsbt. Tu kannit.
fügte er nachdenklich hinzu, bei Tci-
ner Wirtinn wie zutallia das Wort
Hamburg" einstießen lassen.
Warum denn," fragte sie
Tarum " sagte er kurz. Thue.
was ich sage, und nun lebe wohl. Ich
kann Tich heute nicht nach Saus
begleiten
-ie waren auf ihrem Rundaana am
Brandenburger Thor angekommen
Adieu. Christian! Also morgen Abend
11 Uhr bestimmt und unabänderlich?
'Natürlich. sei nur punktlich."
Sie seufzte und stieg in die Pferde-
bahn, erfüllt von sorgen und Zweifeln.
Er gab sich den Anschein des Muthes
und ging noch m ein fashionable
Restaurant Unter dcn Linden. Tie
Nacht verbrachten beide fast schlaflos.
sonnavcno sruy stand Bclik wie
immer an feinem Schalter, nahm
Taufende in Empfang, Iicß sie notiren,
auittiren und gab Tausende heraus.
Tie Checks flogen hin und her. Jetzt
trat scin Chef Herr Köllncr an ihn
heran und bemerkte: Na. so flott!
Freut mich, lieber Bclitz, daß Ihnen
alles so von der Hand geht."
Bclitz dankte und rechnete dann die
lange Kolonne der Eingänge zusammen.
Neue Kunden kamen, Boten anderer
Banken. Lchrlinge, die Geld holten sür
ihre Geschäfte zur Lohnzahlung. Gegen
4 Uhr trat Herr Korn zu Bclitz und
fragte obenhin: Wie viel Bestände
können ie haben?" Bclitz antwortete:
Etwa 240,000." .Tanke." Herr
Korn ging.
Um halb '. Uhr wurden 08,000 Mi.
von der KontektionS'irma z'tenen ein
gezahlt. Um 5 Uhr wurden die Schalter
actchloffen.
Tie beiden Beamten entfernten sich.
die Boten des eigenen Geschäfts wurden
mit den letzten Austrägen abgefertigt
Noch drei Buchhalter blieben. Bclitz
zahlte die Bestände. Tie Bücher wurden
abgeschlossen, auch die beiden letzten
College gingen.
Endlich allein! Tie Uhr zeigte 5
noch eine Viertelstunde, und der Haus
diencr kam zum Schließen. Er mußte
eilen, scine große That drängte.
Er trat an den Kanenschrank und
entnahm ihm zwci Bündel, welche j
hundert Stück Taufcndmarischcine ent
hielten, sodann die 06 Stück Noten
der Firma Mcrsen.
Tie Bündel wanderten in die inneren
Taschen der Weste und des Rockes.
Nun zog Bclitz einen großen ledernen
Beutel aus cinem Schubsach hcrvor
und füllte mehrere Rollen Goldes, loses
Gold und Hundertmarkscheine hinein,
zusammen über 30.000 Mark. In sein
Portemonnaie steckte er etwa 20 Gold
stücke, mehrere Thaler und Markstücke
Tie Kaffe war gründlich geleert, nur
einige Tausend Mark Silber ließ er
als zu schwer zurück. Tann schloß er
sorgfältig den Gcldschrank. die Schlüssel
mtinchmend. Er zog dcn Uebcrzichcr
an. in die linke Tafche schob er dcn
Beutel mit Gcld. Nun fort! Tie Uhr
schlug halb sechs.
Ter alte Teufen trat ein und sagte
freundlich: Na. Herr Belitz. es ist Zeit.
Sie sind doch immer der Letzte."
Tie Pflicht, die Pflicht." erwiderte
Belitz. wer soll die Arbeit machen?
Nun. Montag haben sie es wieder
leichter," meinte Teufen gutmüthig und
schloß die Laden.
Ich danke," sagte Bclitz. Adicu!"
Er ging hinaus.
Teufcn war es, als habe er an der
Thür ein leichtes Klirren, wie von Geld,
vernommen. Er achtete nicht darauf
und drehte das Gas ab. Belitz ging
durch mehrere Straßen und betrat gc
gen sechs Uhr scine Wohnung. Hier
stand ein kleiner Koffer fertig gepackt.
Er nahm ein Packet mit Tausendmark-
scheinen, legte es in eine kleine scste
Holzkassctte und stellte diese wieder in
dcn Koffer, dcn Beutel hinzufügend.
Tann schloß er den Koffer, überlegte
einen Augenblick und setzte sich an dcn
Schreibtisch zu folgendem Briefe:
Liebe Mutter! Sorge Tich nicht um
mich, ich mußte so handeln, wie ich that.
Tü wirst ein Jahr keine Nachricht von
mir erhalten. Fürchte nichts, ich lebe
gut und sicher in einem fernen Lande.
Tu wirst von mir hören, auch rcqcl-
mäßig Gcld erhalten, worüber Tu
aber schweigen mußt. Beiliegend sünf
hundert Mark, die verstecke sofort im
Garten. Nun gräme Tich nicht um
Teincn Tich liebenden Sohn
Christian.
N. B. Hedwig gcht mit."
Er schob fünf Scheine in den Brief,
schloß ihn, frankirte ihn mit 20 Pfg.
und steckte ihn in die Brusttasche.
Tann verließ er das Zimmer, zu seiner
Wirthin im Vorübergehen sagend: Ich
oin morgen nicht yier. ich sayre zu
meinem Onkel zur stlbcrncn Hochzeit
Adieu!"
Adicu, Herr Bclitz." ricf die dicke
Frau, in der Küche hantircnd, viel
Vergnügen."
,Traußen sprang er in eine Pferde
bahn, die nach dem schlefllchcn Bahn
of führte. Um i Uhr war er dort
und stieg in einen Vorortszuq nach
Erkncr. Tahin lautete auch fein Billet
Auf Station Jricdrichshagcn stieg er
aus, es war inzwischen schon dunkel ge-
worden. Mit sicheren schritten ging
er dem Ausgana zu und wandte sich
dann rechts zum Walde. Bald war er
dort allein, alKr er fand sich nicht zu-
recht. Etwa eine Viertelstunde ging er
geradeaus, dann wieder rechts er
suchte. Trotz der Tunkelheit oricntirte
er sich. Gerade vor ihm stand ein mäch-
tigcr Baum, der an der Wurzel hohl
war. Belitz griff mit dcr Hand hinein.
inncn war in Höhe von einem drittel
Meter ein Vorsprunq wie eine Stufe.
Er öffnete dcn Koffer, nahm das Käst-
chen heraus, schob es, auf der Erde
knicend, langsam in dcn Baum und
stellte es auf den Vorsprung.
Tas soll erst jemand finden." fagtc
er. Xas ist mein Reservefonds." Er
fühlte noch einmal, dann nickte er be-
friedigt und entfernte sich. Mit dem
Zug um dreiviertel 9 Uhr fuhr er wie
dcr Bcrlin zu. dics Mal glcich bis zum
Lehrtcr Bahnhof. Um 10 Uhr war er
dort, ging in den Wartefaal und ließ
ich ein Schnitzel geben und ein Glas
Echtes. Mit außerordentlicher Ruhe
und bewundcrnswcrthcm Appctit aß er.
Um halb 11 Uhr kam Hedwig. Sie
hatte eine Handtasche bei sich und sah
erregt, aber sehr hübsch aus. Er freute
ich und bcqruszte sie: Also doch Punkt-
lich, Hcdchen?"
Ach, ich bin dcn qanzcn Tag aus
dcr Sorge nicht herausgekommen," er
widerte sie leise, ich mußte mich im
Tienst und zu Hanse so verstellen"
Hat man nichts gemerkt," fragte er.
Ich weiß es nicht," flüsterte sie.
meine Wirthin horchte sehr, als ich sie
ragte, ob sie Hamburg kenne."
sehr gut. sehr gut." meinte er und
rieb sich die Hände. Bis jetzt ging al
Ics brillant." I
Ich verstehe Tich nicht Christian,
klagte sie. erkläre mir nur. . .."
Zu
Jetzt nicht, mein Schatz, spater
wenn wir m Sicherheit sind, alles,
Er bestellte Esten für fie, obwohl sie
ablehnte. Während sie ein wciilg
genießen versuchte, löste er die Billets
Zwei Zweiter Hamburg," forderte er
mit lauter stimme. Um II Uhr 2.
Minuten ging der Zug. Sie faßen
beide in einem molligen Coupes, nur
ein älterer Herr theilte dastclbe mit ih
nen. achtete aber wenig auf fie.
Um 5 Uhr 33 Minuten Morgens lie
dcr Zug in Hamburg. Klostcrthorbahn
Hof ein. Tie beiden Flüchtlinge stiegen
aus. Auf dem Perron ging ein -chutz
mann auf und ab. Belitz ricf laut die
Trofchke hcran und befahl Nach dem
Hafen."
Gehen wir gleich aufs Schiff?"
fragte Hedwig ängstlich.
Nein. Närrchcn, wir gchcn garnicht
aufs Schiff, das ist alles Komödie, um
unsere Verfolger irre zu führen."
Ach, yristian, bist 'ü ein großer
Verbrecher!"
Er zuckte zusammen und lehnte sich
in das Polster der Trv'chke zurück
Pah, Verbrecher! Gebrauche nicht solche
Ausdrucke. Nur schlau, rasnnirt bin
ich. Ich habe diesen Rciseplan Wochen
lang überlegt und ausgearbeitet.
sie schwieg. Man war am Hafen
angekommen und hielt an der großen
Landungsbrücke in St. Pauli. Sie
stiegen aus. und Bclitz sragte cincn
dort stehenden Beamten, wenn der
nächste Postdampfer nach New Z)ork
ginge.
Heute Mittag 12 Uhr fährt die
Columbia" von Curhaden ab." war
die präzise Antwort.
Und wie kommen wir am besten an
Bord r
Sie können die Blankcnsce" be
nutzen, die um 7 Uhr von hier nach
iuriiavcn fahrt oder den von dcr Vackct
fahrt gestellten Extragzug. der um halb
10 Uhr vom Hannoverschen Bahnhof
abgeht.
Ich danke Ihnen sehr, ich werde
das Letztere thun." erwiderte Bclik
Tann ließ er den Troschtcnkutschcr zum
Hannoverschen Bahnhof sahrcn.
Tie Trofchke war in einer halben
smnoe auf ocm Part er Baynho so
wird er in Hamburg auch genannt.
Bclitz und Hedwig betraten die Warte
räume. Ueber zwei Stunden mußten
sie warten, wahrcnddcm sie wenig spra
cn.
Belitz ging zum Billctschalter. löst,
aber merkwürdigerweise keine Karten
nach Cuxhaven, sondern nach Brcmcn.
Er benutzte auch nicht dcn Ertrania.
sondern den gleich nach 10 Uhr abgehen
dcn Bremer Schnellzug.
Wo willst Tu denn hin ?" fragte
Hedwig.
Kreuz und quer," erwiderte Bclitz
In Bremen stiegen sie aus und ließen
sich auf dem Bahnhof sehen. Eine
stunde später 2 Uhr ging dcr
Zug nach Köln. Hier saßen die Bei
den wieder. Hedwig schon recht er-
chövft.
Abends 10 Uhr langte man in Köln
an. sie begaben fich in ein kleines,
am Bahnhof gelegenes Hotel. Jetzt
erst wurde Bclitz unruhig. Hedwig
war zu müde, um es zu bemerken. Sie
verlangte nach ihrem Zimmer, und er
gclcitcte sie hinauf, ihre Handtasche
tragend, an der er sich zu schaffen
machte. Tann sagten sie fich Gute
Nacht".
Im Gastzimmer angelangt, ließ
Bclitz sich Papier und Feder geben,
schrieb cine Seite des Briefbogens voll,
couvertirtc und übergab den Brief dem
Oberkellner mit dem' Auftrag, ihn dcr
Tame morgen früh beim Frühstück zu
zustellen. Gleichzeitig bezahlte er die
gesammte Rechnung nebst einem guten
Trinkgeld. Tann begab er sich zum
Bahnhof zurück, schlug den Rockkragen
hoch und löste ein Billet zum Schnell-
zug nach Wien, dazu die Schlafwagen-
karte. Er ließ sich eine Schlaffe an
weisen und nun forderte auch bei ihm
die Natur ihre Rechte. Er sank in ci-
nen tiefen Schlaf, während dcr Zug
gcn Ostcn dahinstürmte.
Am andern Morgen ging Hedwig.
neu gestärkt, in das Frühstückszimmcr,
wo sie sich nach ihrem Begleiter umsah.
Er war nicht da. Statt dessen über
reichte ihr dcr Oberkellner einen Brief.
Böses ahncnd, ritz fie ihn auf. Er
lautete:
Meine liebe Hedwig! Verzeihe mir;
aber ich konnte nicht anders. Wir muß
tcn uns zeitweise trennen, sonst war es
mir unmöglich, meinen Verfolgern zu
entkommen. Tas Signalement lautet
sicher auf ein Pärchen. Tcnkc aber
nicht, daß ich Tich sitzen lassen will.
Meinen Schwur halte ich. Wir müssen
nur jcder allcin Weiterreisen. Ich bin
gestern Abend noch nach Wien gcfah-
rcn, ich bitte Tich, mir mit dem nüch-
sten Zuge dorthin nachzufolgen. In
Wien anqckommcn, nimmst Tu sofort
cin ncucs Billct für dcn Oricnt-Expreß-zug
und fährst übcr Budapest bis Bcl
grad in Serbien, dort erwarte ich Tich
auf dem Bahnhof. In Teine Hand
tafche habe ich den Bcutcl mit Scheinen
und Gcld qcstcckt, nimm davon, soviel
Tu brauchst und laß Tir nichts stchlcn.
Im Ucbrigcn handle genau so, wie ich
hier vorschreibe;' auch wird es gut sein,
wenn Tu unterwegs Lcinc ioilcnc
wechselst und die Pcrrücke benutzt. Ich
überlasse die Einzelheiten Teincr Klug-
hcit und bin mit herzlichem Gruß und
Kuß Tcin Tich liebender Christian.
P. S. Beherrsche Tich bei dcr Lck-
tiire und verrathe Tich nicht, stecke dcn
Brief sogleich ein und lies ihn später in
Ruhe noch einmal."
Sie nahm fich auch gewaltig y.ihuu
inen, obwohl sie völlig er'chuitert war.
Tas Frühstück rührte sie kaum an. Ter
Kellner achtete nicht auf sie. Sie schritt
nach ihrem Zimmer hinauf: Richtig, in
der Tal'ckie beiand sich dcr Beutel mit
;'.0,0m Mark, wie er ihr gc'agt hatte.
Al'o schien er doch treu zu sein! sie
mußte vertrauen, es blieb ihr keine
Wahl. In dcn Morgenstundcn des
Ticnstag langte fie in Wien an. um
alsbald mit dem Elprcßzug wcitcrzu
reisen. Am Montag früh erwachte Bcrlin
nach dcr fonntaglichcn Ruhe- und Vcr
gnügungsrcise zu neuer Arbeit. Um
9 Uhr wurde das Bankgeschäft Köllner
& Korn eröffnet. Wie dcr Zusall oft
cigcnthünilich spiclt. war zu Ansang
wcder einer dcr bcidcn Chcss, noch die
beiden Kassirer dort. Herr Korn halte
Sonntag Abend cine große Privaiscst
lichkcit mitgemacht, von deren Stra
pazcn er noch im weichen Pfühl aus
ruhte. Herr Köllncr war in Oicschäiten
nach Frankfurt a. M. gereist, von wo
er erst Tienstag zurückerwartet wurde.
Tcr crstc Kassircr war noch nicht ganz
wicderhcrgcstcllt und hatte cincn Botcn
mit cincr Entschuldigung gcsandt. So
kam cs. daß zwar das ganze Personal
versammelt war. aber die Cicldschränkc
nicht geöffnet werden konnten. Man
war rathlos. Endlich schickte dcr ältcstc
Buchhalter nach dcn Chefs, eine halbe
Stunde später cs war mittlerweile
sast 10 Uhr gcwordcn war Herr Korn
da. Er mußte sich gewaltsam zusam-
mennchmen, um Ruye und einen klaren
Kopf zu bcwahrcn. Zunächst sandtc
er zwei lungere Komptonsten in die
Wohnung des bisherigen Kassirers
Bald kam dcr Erste zurück und bracht,
den Bcschcid, Herr Bclitz sei zur silbcr
nen Hochzcit scincs Onkcls gcrcist und
noch nicht zurückgekehrt.
Herr Korn entschlon sich, die vcr
siegelten Rcscrvcschlüsscl zu holen. Tcr
Gcldschrank wurde gcönnct, alle tau
Hielten zurück. Allcs leer! Keine Rollen
Goldcs, keine Packcte mit Banknoten
nur in dcr Ecke cin Kästchcn mit Tha
lern. Fünf- und Ein-Martstückcn. Tcr
schrank war beraubt von Bclitz
Korn war furchtbar crfchuttert und
kcincs Wortes mächtig. Tie Bücher
wurden geprüft und dcr vorhanden ge
wcsene Baarbcstand auf 304.6-10 Mar
festgestellt. In silbcr waren Vorhan
den 3530 M.. fodaß die Unterschlagung
sich aus 1301,110 M. bclics. Ein schwe
rcr Verlust sür das Bankhaus!
Inzwischen dchntc die Polizei die
Recherchen auf die Bahnhöfe aus und
ließ die Beamten vernehmen, die Sonn-
abend Abend dort Tienst hatten. Von
dem Onkcl war cin Telegramm einge
gangen, daß ihm von dcr Ankunft sei
ncs iucnen nichts veiannl ei. auch
eiere er keine silberne Hochzeit, da er
unverheirathet fei. Tie Tepeschen nach
den Hafen- und Großstädten sowie nach
den Hauptstädten des Auslandes er
gaben kein greifbares Material. In
Hamburg stockte die ganze spur
uhrunq. Tie Kriminalbeamten stell
ten fest, daß die Beiden auf dem
Klosterthorbahnhof angekommen waren,
daß sie sich per Trofchke nach dein
Hafen begeben und sich nach dem
chiff erkundigt hatten. Tie spur
wies auf die Columbia". Mit Ungc
duld erwartete man die New Yorker
McldunL von ihrer Verhaftung. Umso
unangenehmer war die Ucberraschung
am siebenten Tage ein längeres
al
Telegramm einlief, daß der Bundes-
marschall in Begleitung des deutschen
Konsuls sowohl die Columbia", wie
die Lahn" von oben bis unten rcvi
dirt, aber kein flüchtiges Pärchen, auf
das Signalement auch nur annähernd
paßte, cntdcckcn konnte. Auch dcr
Kapitän vcrncinte entschieden, daß in
Cuxhaven Bclitz an Bord gekommen
sei. Tas war eine nette izieschichtc. Wo
in aller Welt steckten denn die beiden
Berliner?
Wo man fie am allerwenigsten suchte:
In dcr märchenhaft schönen Stadt am
Bosporus, in Konstantinopcl. Sie
halten sich in Belgrad prompt getroffen
und waren mit der Oricntbahn alsbald
wcitcr gcrcist. Tie Fremdcnpolizci ist
auf der Balkauhalbinscl, wo sich zahl
reiche Auswürflinge aus zwei Wett
theilen herumtreiben, cine sehr Mangel-
hafte. Ecwisz wäre auch allcs für die
Flüchtlingc ganz gut gegangen, wenn
die holde Weiblichkeit nicht gewesen
wäre.
Hcdwig bemerkte bald, daß Christian
erheblich kühler gcgcn sie wurdc, und
zwar seit dcm Äugenblick, wo er in
einem Cafe in Pcra cine bildschöne
Griechin kennen gelernt hatte. Erst
hielt sie cs nur für cine flüchtige Be
kanntschaft, zu ihrem Leidwesen lraf sie
aber Bclitz eines Abends mit dcr Neben-
bu hierin Arm in Arm spazierengehend
Sie wußte nicht, was sie thun sollte.
Sie war verzagt und vcrzweitelt, und
in dieser Stimmung schrieb sie einen
Brief nach Berlin an ihre Schwester,
ihr ihr Leid ilagend und ihre Sehn-
sucht nach der Hcimath schildernd. Noch
am Abcnd trug sie dcn Brief auf das
deutsche Postamt. Sie ahnte nicht,
daß auf derartige verwandtschaftliche
Korrespondenz Flüchtiger seitens dcr
Polizei jcl,arf gefahndet wird. Nach
zwci Taqcn gcrieth sie in eine uncr-
klärlichc innere Unruhe, ihr war, als
schwebe drohendes Unheil über ihr, und
auch Bclitz bemerkte dies, mmcr mir:
iranisch und ängstlich,' forschte und
fragte er und erfuhr endlich von dem
Briefe. Sofort machte er ihr die
Keniaten Vorwürfe und sprang aus.
..Wir sind verloren!" rief er. hätte ich
Tich nur nicht mitgenommen!" Weine?,
ging sie in ein Nebenzimmer. Er er
griff sein K Reichen, warf schnell Vcr
IchiedeneS hinein und eilte fort zum
Haien hinunter.
Tort lag ein großer Posldampfcr
zur Abfahrt nach Alcrandricn bereit.
Belitz stürmte übcr die Landungs
bxüdc, schon genau von einigen Herren
beobachtet, die am Quai standen. Er
war eben im Begriff, eine Fahrkarte
erster Kajüte am Schalter zu losen, als
ein stattlicher Herr, begleitet von lürki
schcn Polizisten, an ihn herantrat und
seine Vcrhaslung erklärte, ihm auf dcn
Kops zusagcud. daß er Christian Belitz
sei. dcr 300.000 Mark in Bcrlin
untcrschlagcn habe. Ter Herr der
deutsche Konsul holte seine Photo
graphic und dcn Steckbrief hcrvor. vcr
glich und Bclitz crgab sich in scin
Schicksal.
Er kowie Hcdwig wurden in sicheren
Gewahrsam genommen, bis Kriminal
bcamtc aus Bcrlin antrafen, die die
Ucbcrführung nach dort leiteten. An
baarem Gelde hatte man ca. I60.000
Mark beschlagnahmt. Ueber 20.000
Mark wollte Bclitz vcrausgadt haben
für Reisen und Unterhalt. Wo war
dcr Rcst von I00.0"0 Mark? Tcr Tag
dcr Hauptvcrhandlung kam hcran.
Bclitz blicb hartnäckig. Allcs gestand
cr cin bis auf dir hundcrttauscnd
Mark. Ticscr Fonds schicn ihm eine
genügende Belohnung für die zu er
wartende Strafe, und gegenüber den
Versicherungen, daß man ihn auch
nachher nicht aus den Augen lassen
werde und cr an cine ruhige Bergung
des Raubes nicht denken sönne, blieb
cr taub. Tic Strafe wurde demnach
unter Ausschluß mildernder Umstünde
erhöht und lautete auf 5 Jahre Ge
fängniß. Ehrverlust und Polizeiauf
sicht, Hedwig Kerkens erhielt wegen
Beihilfe, Begünstigung und Hehlerei
ein Jahr Gefängniß.
Er trat die Strafe an und saß sie
ab. Fünf lange Jahre vergingen.
Nach seiner Entlassung aus dem Ge
sängniß erlangte er mit Mühe eine
kleine Stellung und schien ihr auch mit
Eifer obzuliegen, wenigstens bemerkten
die ihn sorgfaltig beobachtenden Tetek
tivs nichts Auffälliges an ihm. Einen
Tag wie den anderen versah er seinen
Tienst. Auch Hedwig hatte nach Ab
büßung ihrer Strafe eine Stellung ge
funden, war aber nur einmal mit
ihrem früheren Verlobten zusammenge
troffen. Er ha;te ihr gesagt, daß er
bei seinem jetzigen kleinen Einkommen
an eine Heirath nicht denken könne, und
sie blieb gleichgiltig dabei.
So vergingen wiederum . Monate,
An einem heißen Sommerabend kam
Belitz erschöpft nach Hause. Ein hu
weiter schien heraufzuziehen, schon
grollte leise der Tonner. Er stand am
Fenster und blickte zu den Wolken
empor, dann ging er unruhig, wie ein
Raubthier, im Zimmer auf und ab.
Es war mittlerweile 10 Uhr geworben.
Plötzlich kam er zu einem Entschluß.
Er zog den Ueberzieher an, schlug den
Rockkragen hoch und ging hinaus. Es
begann zu regnen. Bald war er auf
der Stadtbahnftation Alexanderplatz
und löste ein Billet nach Friedrichs-
agen. Nach kurzer Zeit war er dort.
Tas Gewitter war ikkzwischen nach
Osten mitgezogen. Blitz, folgte auf
Blitz. Schlag auf Schlag. Ter Regen
strömte wolkenbruchartig. Bclitz achtcte
nicht darauf und schritt dem Walde zu.
Wieder war cs, wie damals, tiefe
Nacht, auch dicsmal fand er den Weg
leicht und fchncll. Tort drüben mußte
der Baum scin. Aber was war das?
Ein Heller Feuerschein leuchtete herüber
war cs möglich? Belitz sprang mehr
als cr ging, dic Auacn wcit aufaeris-
cn. Aber cr täuschte sich nickt.
Tcr altc Riese, gerade sein, sein
Baum stand in Flammcn. cin Blik-
irahl hatte den mächtigen Stamm gc
roffcn. Nicht nähcr als auf zchn
Schritt konntc Bclitz hcran. Er starrte
in dic Gluth, die seinen wohlverborgc-
tn schätz verzehrte.
Keine Hilfe, keine Rettung! Er sank
in die Knie. Jetzt erst war scin Ver
brcchcrmuth gebrochen, cr weinte wie
cin Kind. Tas Strafgericht des Hin,
mcls hatte ihm seinen Raub im lcktcn
Augenblick entrissen.
Ter Namensvetter Andreeö.
In militärischen Kreisen wird folgende
Anckdolc erzählt: Bei einer dcr letzten
Rckrutenbcsichtigungcn fragte dcr Kai
scr cincn angehenden Vatcrlandsvcr
thcidigcr: ..Wie heißt Tu, mein Sohn?"
worauf dcr Rckrut mit möglichst regcl
mäßiger Schncidigkcit Ändrcc, Ew.
Majestät!" antwortete. Auf dic Fragc
des Monarchen: Weißt Tu auch, daß
Tu einen berühmten Namensvetter
hast ?"
Zu Bcfchl. Ew. Majcstät!"
Wcr hat Tir das gesagt?"
Tcr Herr Hauptmann!" erwiderte
der Rckrut.
So." entgegnctc dcr Kaiscr lächcnd,
und was hat der Herr Hauptmann
.ir von Teinem Namensvetter cr-
zählt ?"
Ew. Maicstat. dcr Herr Hauptmann
hat gesagt, wenn Tir Andrce man ooch
bloß mitgcnommcn hätte!" war die
Antwort des strammen Kriegers.
Sie ober Idnen.
Herr: Gnädiges Fräulein ich ver
ehre Sie" Schauspielerin: ,.
Nicht Ihnen ?"