Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 10, 1899, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Paul Genese.
(in dkiilscher Tkchcld fct iüü'hnlen IaKr
huüdcill.
ttt Name Paul Benckes. der durch
sein, Kühnheit und großartigen Erfolge
am Ende des 15. Jahrhunderts das
finkende Ansehen der Hansa für eine
Zeit lang wieder mächtig zu heben
wußte, ist es wohl werth, der unver
dienten Vergessenheit entrissen zu wer
den. Es ist sehr bedauerlich, das;
Teutschland das Andenken seiner See
Helden denn ein solcher war Paul
aus jener Zeit so wenig in Ehren ge
halten hat. Bon den früher bekannten
und uns überlieferten Ehroniken werden
kaum ihre Namen genannt, und doch
haben sie oft so viel dazu beigetragen,
den Ruhm deutschen Namens zu mehren.
Ueber Paul Beneke berichtet der alte
Lübecker Lesemeister Rcimar Kock. doch
schildert er nur in ziemlich naiver Weise
ktwas eingehender seinen letzten Kampf
mit einem großen englischen Schiffe, so
wie dcffcn Eroberung, wodurch schließ
lich der Utrechter Friede herbeigeführt
wurde, während von seinen übrigen
Thaten weder bei ihm noch bei anderen
Näheres verlautet.
Wir würden deshalb auch über diesen
Mann, der einen so hohen Platz im
deutschen Seewesen einnimmt, nichts
' weiteres wissen, wenn es nicht der Zu
fall gefügt hätte, daß um die Mitte
unseres Jahrhunderts die Ehronik eines
Tanzigcr Bürgers aufgefunden wurde,
welche den Zeitraum von 1440 bis 1490
behandelt, und nicht nur Paul Bencke
näher erwähnt, sondern auch noch wei
teren Aufschluß über wichtige politische
und städtische Verhältnisse jenes Zeit
abschnittcs giebt, die wesentliches In
tereffe bieten. Turch die gleichzeitige
Entdeckung von einigen fünfzig Briefen
eines Tanzigcr Rathshcrrn. Berndt
Pawcst, an den Rath feiner Baterstadt
wird jene Chronik in vielen Punkten
noch ergänzt. Pawest war vom Rath
mit dem Befehl über den Peter von
Danzig" betraut worden, der Sache
aber durchaus nicht gewachsen, und auf
sein wiederholtes dringendes Ersuchen
wurde er schließlich in feinem Kommando
durch Bencke abgelöst.
Jene alten Dokumente erweisen, daß
letzterer ein Mann war, der eine solche
Zahl der verwegensten und von den
weittragendsten Folgen für Deutschland
und besonders für Tanzig begleiteten
Thaten vollführte, daß sein Name der
Geschichte angehört und wohl verdient,
namentlich in der Jetztzeit, wo nach
langem Schlummer das Interesse für
die Marine endlich wieder im Volke
rege geworden, in das Gedächtniß zu
rückgerufen $a werden. War er doch so
demselben entschwunden, daß bis vor
nicht langer Zeit niemand mehr wußte,
wie das berühmte Gemälde des flandri
schcn Malers Hans Memling das
jüngste Gericht" in die Marinckirche
nach Danzig gekommen sei, das dort
über dem St. Georgen-Altare aufgc
hängt ist und die Bewunderung der
fremden Besucher erregt.
Nun, jene alte Ehronik und die Pa
wcst'chcn Briefe ergeben, daß er eine
Trophäe Paul Bcnckes ist. die dieser
von den Engländern erobert und in die
Kirche gestiftet hat.
Es dürfte deshalb von Interesse sein,
dem Leser ein Lebensbild des kühnen
Scchcldcn vorzuführen, soweit dies auf
Grund der verschieoenen Quellen moa
lich ist.
Pauls Geburtsort ist unbekannt.
eben o sein Geburtsland. Er war ein
Findling und zwar ein solcher des
Meeres, das auch später wieder seine
Hcimath und der Schauplatz seiner
Thaten werden sollte.
urt Voketmann, auch einer jener
tapferen und waqemuthiqen Seebesehls-
habcr, die eine hervorragende Rolle ge
spielt haben, befand sich im Oktober
1442 mit seinem berühmten Tanzigcr
Kriegsschiffe, der Frcdekoppe Marien-
drache", von einer Kreuztour gegen
Seeräuber zurückkehrend in der Ostsee,
als er in einer nebligen Oktobernacht,
deren Dunkelheit keinen Ausblick gc
stattete, ein fremdes Fahrzeug über
segelte, das sehr schnell sank.
Obwohl Bokclmann, der selbst auf
Deck war, sein Schiff sofort zum Still-
stand brachte. Boote aussetzen ließ und
Hilse zu bringen suchte, war das im
glückliche Schiff spurlos in der Tiefe
verschwunden. Nur einige Wrackstückc
Ichwammcn auf den Wellen und wun
oervarweie ,aus einem oeyciven ein
Bcttkorb, in dem unversehrt ein etwa
1 fahriger Knabe lag ton t war
nichts Lebendes zu entdecken.
Das Kind konnte nur undeutliche
Laute sprechen, und so hat man nie ex
fahren, woher es stammte. Bokclmann
nahm den Knaben, dem der Oz-an
buchstäblich als Wiege gedient, nach
Tanzig und übergab ihn dem reichen
und angesehenen Rathsherrn Bencke,
der des vcrwittwcten Kurts Schwester
zur 5xa11 hatte, und m dessen Hause
bereits Kurts eigener, um ein Jahr
älterer ?ohn, Elcr. erzogen wurde
Tas Ehepaar adoptirte den hübschen
Jungen, der nach dem Kalendernamen
seines Auffindungstagcs Paul getauft
wurde.
Ueber die Jugendgeschichte des letz
teren erwähnen die Chroniken nichts,
doch darf man wohl voraussetzen, daß
in dem vornehmen Patrizirhause an
seiner wie an feines Pflcgebruders Er
Ziehung nichts versäumt wurde, und
ebenso, daß beide Knaben den see
männischen Beruf wühlten, denn in
dem Berichte über die berühmte See-
schlackt, welche Bokclmann 1455 mit
drei Schiften gegen 16 dänische siegreich
lieferte, nndcn lud sowohl Elers wie
Pauls Namen auf dem , Marien
brache", und letzterer, obwohl kaum 15
Jahre alt. hatte nch ' tapser benom
men. daß er bei Rückkehr der Schiffe
nach Tanzig durch den Bürgermeister
NicdcrhoN öffentlich belobt wurde.
Ta geschah eS im Jahre 1408, daß
Kaufleute von Lynn ctfgcn den Frie
densvertraa zwischen England und
Dänemark zum Handeln nach Esland
fuhren, dort nach ausgcbrochcnen tret
tigkeiten den königlich dänischen Vogt
erschlugen, die Insel verheerten und die
teuertanen beraubten.
Natürlich brachte dieser Friedens,
bruch den König Christian I. m Zorn
er ließ Auslieger ausrüsten und setzte
angeworbene hanmche Kapitäne daraus,
die er nach den gemachten bitteren Ev
fahrunqen wohl für tüchtiger und that
kräftiger halten mochte, als die eigenen
Landsleute, die so oft von jenen arge
Niederlagen erlitten hatten. Alsbald
rechtfertigten ste auch ihren wohlvev
dienten Ruf und brachten eine Reihe
englischer Schiffe auf.
Tami hatte Eduard IV. von Eng
land den langersehnten Porwand ge
funden, der ganzen Hansa den Krieg zu
erklären. Er beschuldigte die Kaufleute
des itahlhofes. den berühmten beut
schen Kontors in London, die Sache
angestiftet zu haben. Tersclbe wurde
geschlossen, sämmtlich dort angestellte
Teutsche wurden gcsüngllch eingezogen.
ein Theil von ihnen erwürgt und der
König forderte 20.000 Pfd. Schaden
ersatz für die gekaperten englischen
schifte, während er gleichzeitig I
Kriegsschiffe ausrüstete, um über die
hansischen Scestreitträfte herzufallen
und sie zu vernichten.
Die erste Kunde von diesem barbari
schen Gewaltakt, wenn auch noch nicht
in seiner vollen Ausdehnung, erhielten
die Brüder, welche im Auftrage des
Tanzigcr Rathes einen Convoi von ca
100 Seglern nach der flandrischen Küste
geleitet hatten, bereits zwei Tage nach
der Schließung des Stahlhofcs durch
das hansische Kontor in Brügge mit
der Warnung, Zween nicht zu verlas
sen, da fünf englische Schiffe, idarunter
ein sehr mächtiges, der t. John, gegen
ne ausgelaufen seien.
Doch diese Warnung verkannte völlig
den Charakter Pauls, durch deften gcr
stiqe Ucberlcgcnheit auch Eler Botet
mann beherrscht wurde, so daß er sich
willig den Rathschlägen und Anordnung
gen des Pflcgebruders fügte und diese!
den unterstützte. Jener faßte sofort
einen kühnen Entschluß, nun den Stier
bei den Hörnern zu ergreifen und beide
Schiffe verließen noch am selben Abend
Zween, um nach der englischen Küste zu
steuern.
Am andern Morgen ankerten zwei
stattliche Fahrzeuge unter französischer
Flagge unweit, des Städtchens Deal in
der Nähe von Dover.
Am Ufer hatte sich eine große Men
tcycnmenge angesammelt, um den in
diplomatischem Auftrage zu Ludwig
XI. nach Paris entsandten Lord Mauor
von London, Thomas Cook, zu erwav
tcn. der mit zwei frunzösifchcn Schiffen
zuruckgeleitet werden sollte.
Der Bürgermeister begab sich an Bord
zur Begrüßung des hohen Herrn, war
aber nicht wenig erschreckt, statt seiner
sich in der Gewalt der Ostcrlinge als
Gefangener zu schcn. Er wurde von
Paul gezwungen, im Namen des Lord
Mayor einen Brief zu schreiben, durch
welchen er die angesehenen Manner,
welche ihre Aufwartung zu machen ge-
dachten, einlud, dies an Bord zu, thun,
da er gleich die Themse hinaufsegeln
wolle. Die Botschaft sendete Paul aber
mit einem eigenen Boote und behielt
das des Bürgermeisters an Bord.
Bald erschienen auf den Brief hin
einige dreißig der Herren, um ebenso
gefangen genommen zu werden wie der
unglückliche Schreiber des Briefes.
Paul Benete hatte damit einen Haupt-
schlag geführt und sich einer großen
Zahl Geiseln bemächtigt. Tas genügte
in aber nicht; ein wichtigerer Fang
war der des Lord Mayor selbst und er
bcschlolz, ihm entgegen zu segeln. Bov
her jedoch beabsichtigte er, den perfiden
Engländern noch eine furchtbare Lektion
zu geben.
Bevor feine schiffe Anker lichteten.
hißten sie die Danziqer Flagge, welche
die Landbewohner in starrem schrecken
erkannten. Zwar stand er davon ab.
die Stadt in den Grund zu schießen.
aber er strafte sie in anderer empfind
lichcrcr Weise. Die Boote wurden ent-
fandt und bald standen achtzehn engli-
lege Handclsschlfte, die im Hafen lagen,
in Flammen.
Tas war die deutsche Antwort auf
Eduards unerhörte Krieqkcrklärunq :
dann gingen die Tanzigcr südwärts
nach der franzönschen Küste zu.
Wenige tundcn daraus kamen zwei
sranzönsche chine m Sicht. Es waren
die Madeleine" von Cannes und Le
Cogne" von Ticppe, auf deren ersterer
sich Thomas Cook befand.
Ein Schusz genügte, um die beiden
kaum bewaffneten Fahrzeuge zum Bei
legen zu zwingen. Cook wurde als
Gefangener an Bord der Anholt" ge
nommen, alles an Bord befindliche
englische Gut konfiszirt und auf den
Mariendrache" gebracht, die Franzosen
sonst frei gelassen, und danach steuerten
die beiden Tanzigcr der französischen
Küste zu.
Dem Wüthigen ist das Glück hold:
das alte Sprichwort bewährte sich auch
hier, und Fortuna hatte die kühnen
Deutschen außerordentlich begünstigt.
Der Wind war entgegen und erst am
dritten Tage sichtete man die Küste von
Flandern, erblickte aber auch zugleich
die Maftspitzen von fünf englischen
Krlkgsschlnen. darunter die eines seh
großen. cie ankerten draußen vor
dem Hafen von Zween, um die vcr
muchlich drinnen liegenden Tanziger
zu blockiren.
Bei diesem Anblicke entstand in
Pauls erfinderischem Kopfe sofort ein
neuer Plan, um dem Feinde einen
bösen Streich zu spielen und zwar be
hielt er sich bei dem Wagniß die Haupt
rolle vor.
Er hielt mit beiden Schiffen weiter
nach Ter, um von den Engländern nicht
gesehen zu werden, und segelte erst nach
Tunkelmcrden landwärts, um sich leise
und vorsichtig zwischen die Küste und
daS feindliche Geschwader zu schieben
und dort zu ankern.
Die Witterung war günstig, der
Wind ablandig und ein feiner nieder
rieselnder Regen machte die Finsterniß
noch dichter.
Etwa, nach Mitternacht rief ein mit
zwei Leuten besetztes Fischerboot das
englische Admiral-Schiff St. John
an und bat um Erlaubnis;, sich hinter
dem Schiffe festmachen zu dürfen, um
sich vom langen Rudern zu erholen und
sich zur Erwärmung eine Biersuppe zu
kochen, wozu um etwas trockenes Holz
ersucht wurde.
Der wachhabende Offizier ließ das
Boot beleuchten, da jedoch nur zwei
cfanz durchnähte Manner und ffischcr
geräth sich darin befanden, wurde die
Bitte gewährt und das Boot blieb fer
ncr unbeachtet.
.i'ie vn a en machten aus einem
kleinen Tteinherdc Feuer, setzten den
Kessel daraus und wärmten ihre et
starrten Glieder. Nach einer halben
Stunde wurde das Boot vorsichtig
unter das bei den damaligen größeren
Kriegsschiffen hoch aufgebaute und sehr
wcit nach hinten überhängende Heck ge
holt, wo es vom Teck aus nicht gesehen
werden konnte und der eine Mann goß
mit einem großen Löffel einen Theil
der Biersuppe" in einen der über
Wasser befindlichen Fingerlinge, der
Ocscn, in denen sich das Ruder mit
seinen Haken dreht, um dann da
Boot ebenso leise wieder zurückalciten
zu la en.
Eine Zeit lang lauschten dann noch
die beiden Männer; als icdoch an
Bord alles still blieb und sie daran
schließen konnten, daß ihr Vorhaben
unbemerkt geblieben, riefen sie da
schift wiederum an, dankten dem
wachhabenden Offizier für die gewährte
Erlaubniß, sich ausruhen zu dunen,
und ihr Boot verschwand in der Tun-
kelheit.
Mit Tagcsanbrnch folgte dem Regen
ein Nebel, welcher Pauls Plan einer
Ucbcrrumpclunq der Feinde sehr be-
günstigte. Die Teutschen lichteten
Anker, machten mit großer Sorgfalt
ihre Schiffe gefechtsbereit und wurden
bei der unsichtigen Luft erst in wenigen
hundert Schritten Entfernung von dem
Feinde entdeckt. '
Bevor diese sich icdoch von der qren
zenlosen Ucbcrraschunq erholen konn-
ten, erhielt auch schon ihr erstes Schiff
eine so .vernichtende Breitseite aus
Pistolenschußweite von vorn und dann
nach einer Wendung von hinten, daß
es kampfunfähig wurde, das Teck vom
Blute der niedergemähten Mannschaft
chwamm und Mast und Stengen von
oben stürzten.
Sofort kappten die übrigen ihre
Ankertaue, um sich zum Gefecht zu
rangiren, aber wer beschreibt den
chreckcn der kleineren, als sie den
groszcn st. John steuerlos und mit
backen Segeln mit dem ablandigen
Hmde nach sce zutreiben sahen.
Sie ergnftcn die Flucht, die Deut-
chcn sandten ihnen einige Kugeln
nach, ohne sich indessen vorläufig weiter
um sie zu kümmern, und hielten auf
den St. John" zu, um in Sprech-
weite hinter dessen Heck hcrumzukom-
men.
Streicht die Flagge!"
donnerte die
Wenn wir
iiinrne 4muu uinuoer.
gewendet haben und die Flagge ist
nicht herunter, so bringen wir Euer
Schiff zum Sinken. Quält Euch nicht
weiter mit Eurem Ruder." fuhr er
höhnend fort. Die Biersuppe von
heute Nacht halt es gut seit, es war
geschmolzenes Blei."
Die Engländer schäumten vor Wuth.
ich von den Teutschen so überlistet zu
sehen, aber aller Widerstand war außer
frrage, ihr schift unbeweglich. Am
Heck fuhrtcn die Schifte damals noch
keine Geschütze, nur in der Breitseite,
sie waren deshalb wehrlos und mußten
sich ergeben. Nun machte sich der
Mariendrache" auf den Weg, um noch
einen der entflohenen Engländer einzu-
holen. Dem großen Schifte gegenüber
wagte dieser keine Gegenwehr und sehr
bald kehrte die Kogge mit der Prise
zurück, während die beiden anderen
Fahrzeuge entkamen.
Ohne einen Mann zu verlieren, hat-
ten die beiden Tanziger den Englän
dern eine furchtbare Niederlage beige
bracht, und als sie mit ihrer Kriegs
beute nach Zween eingelaufen waren.
erfüllte namentlich Pauls Ruhm, der
die eigentliche Seele des Ganzen gc-
wcscn, das Land, und Hunderte von
magcmuthigcn Seeleuten strömten von
allen Seiten herbei, um sich auf den
St. John", dessen Bcfchl Paul übcr-!
ahm und dcr nach Instandsetzung be '
RudcrS vollständig krikgs- und seedereit
war. anwerben zu lüften.
Als die Gewaltmaßregeln Eduards
,n Tanzig besannt wurden, lies; der
Rath durch Bardewig sofort acht Aus,
lieger seesertig machen, aber die Freude
über Paul s große Thaten erfüllte d
Bürger mit so hohem Muthe, daß sie
tein Opfer scheuten, die Flotte noch
mehr zu verstärken und zwar durch eine
machtige Liburne. Sie war Ursprung
lich ein französisches Handelsschin
wohl eines der größten seiner Zeit, hieß
Peter a Rupellis Rochclle), war mit
schwerer Havarie in Tanzig eingelaufen
und Eigenthum der Stadt geworden
da dcr Besitzer die für die Reparatur
ausgenommene Schuld gar nicht bczah
lcn konnte.
Sie wurde jetzt in ein Kricgsschi
verwandelt, wie dies zu damaliger Zeit
meistens geschah und lediglich für die
Kriegszwecke selten Fahrzeuge gebaut
wurden. Man bewaffnete sie mit 20
Karthauenen (12Psündcr) und zehn
Feldschlangen (0 bis 8-Pfünder)
Leider fehlte es an einem geeigneten
Befehlshaber, da alle tüchtigen Führer
in see waren, und man beging den
großen Mißgriff, den Schiffsahrts
dcputlrten Rathshcrrn Berndt Pawcst
denselben, aus dcsscn aufgefundenen
Briefen an den Rath von Tanzig wir
das Nähere über diese ereignißvollc Zeit
erfahren haben, dazu zu ernennen, ob
wohl er auf See durchaus nicht hei
misch war.
Tie Besatzung des Schiftes bestand
aus 210 Seeleuten und 15 Ruters.
aber ebensowenig wie Pawest See
mann war. verstand er Mannszucht zu
halten. Tie Ruters meuterten: er ge
brauchte nicht weniger als drei Monate
Zeit, um von Tanzig in die Nordsee
zu kommen, ohne etwas auszurichten
und schrieb Berichte an den Rath, ihn
von seinem Posten, dem er sich durch
aus nicht gewachsen fühlte, zu ent,
heben.
Ader erst als er vor Sorge und vor
Aufregung über seine wilde Mann
schaft, von der er klagt: Se furchten
noch Gott, edder den Tüvcl. eddcr den
Menschen," schwer erkrankte, wurde er
feiner Stellung enthoben und auf sei
neu Borschlag Paul Bencke über da
in Peter von Tanzig" umgetaufte
Schiff als Befehlshaber gesetzt, welcher
dann auch, wie später gesehen werden
wird, die auf ihn gesetzten Hoffnungen
glänzend erfüllte.
Paul erhielt Befehl, mit dcr Liburne
und vier Humburger Ausliegern an der
spanischen Küste auf Engländer zu
kreuzen, da diese im Kanal sich nicht
mehr sehen zu lassen wagten. Indessen
hatte er anderes im Sinn. Tie Ham
burger waren ihm zu schlaft und nicht
unternehmend genug; er wollte deshalb
ans eigene Faust, handeln.
Er hatte erfahren, daß in sluy
zwei reichvetadene schifte lagen, die er
abzufangen gedachte, sie waren lta
licnischen Ursprungs, das eine sehr
groß, wie damals im Mittelmeer über
Haupt die größten Schiffe gebaut wuv
den. aber in englischen Besitz überge.
gangen und ebenso war die Ladung
englisches Eigenthum. Aus Angst vor
dem Peter von Tanzig" waren sie je
doch durch Scheinvertrag an Thomas
Portinari. den Geheimrath Karls des
Kühnen, verkauft, fuhren unter Buv
gundifcher Flagge und hatten italienische
Besatzung, wodurch Bencke, der genaue
Kunde von den wirklichen Verhältnissen
besaß, sich jedoch nicht ine führen ließ
Er lief vor die Maas und erwartete
ie dort. Klugerweise folgte er ihnen
und griff sie nicht eher an, bis sie in die
englischen Geioässer kamen und er den
damals scerechtlichen Grundsatz feint
liehst Boden, feindliches Schiff" für sich
geltend machen konnte, umsomehr als
Tanzig alle Neutralen rechtzeitig ge
warnt hatte, dem Feinde keine Waaren
zuzuführen.
Nur in einem Punkte hatte er sich
geirrt; feine Leute hrohten ihn im
tiche zu lassen. Turch seine Energie
hatte er zwar in die durch Pawest's Un
ähiqkeit völlig verwahrloste Bande bald
wieder Mannszucht hineingebracht, aber
sie waren noch lange nicht die tapferen
kühnen Mannschaften des Marien
drache", der Anholt" und des St
John", die ihrem Führer begeistert von
icq zu Sieg folgten, vor nichts zurück
schreckten, und mit denen er deshalb
selbst gegen die größte Ucbcrmacht so
bedeutende Erfolge erzielt hatte.
Hören wir die Beschreibung dieses
merkwürdigen, in seinen Folgen sür
zig und die ganze Hansa so wich
tiqen Kampfes, der den Ruhm bei
Bundes für eine Zeit lang wieder auf
die alte Höhe hob, wie sie uns der alte
Lübecker Lesemeister Reimar Kock über-
liefert hat:
Aber weil der Wind gut war, lief
Paul Bcncke unter die Küste von Flau
dern; denn es wurde ihm zu wissen, wie
zu Brügge etliche Florentiner von den
Engelschen groszes Geld empfangen, da
mit sie unter ihrem Namen jenen das
Gut zugehen ließen, auch daß sie zu
Sluys (Hafen und Brügge) eine große
und kleine Galeyde gemiethet, die hier
mit Geschütz und Volk mächtig ausgc-
rüstet und mit Wappcn und Banner
des Herzogs von Burgund geziert,
auch, damit es umsowcniger auffiele,
Welsche und Florentiner darauf gcfctzt
hatten.
Als Paul Bcncke das hörte, hatte er
das Verlangen, sich die Galcydcn zu er-
sehen. Es dauerte auch nicht lange,
da kamen die Florentiner damit in See
und die große erschien, als ob ein
Schloß oder eine Burg daherschwämme.
Panl Beneke näherte sich, bot ihnen
seinen Gruß und fragte, woher sie
kamen und wohin sie willens wären.
Ader der Patron der großen Galcgde
gab ihm fpötttfche Antwort, was er da
nach zu fragen hatte, ob ihm nicht das
Wappen in der vlagge bekannt sei. wo
er zu HauZ gehöre.
Tenn dcr hochfahrige Lombarde ließ
sich bedeuten, dcr Deutsche mit feinem
Schiffe müsse dem Welschen wohl
weichen. Aber er fand einen rcchtschaf
........ V. . . . . ; i. Ml . f ; irv.a
iciicii vc,,uirii i'iuiiii vor jiaj. wes
halb sprach Paul, er solle streichen und
die Güter herausgeben, die den Engel
seyen geyorien; wenn et aoer nicht in
Güte wolle, so solle er das Streichen
schon lernen.
Aber diese Worte erachtete der
Welsche für große Thorheit; er ließ
vielmehr statt der Antwort eine Buch
fcnladung auf die Teutschen abknallen
Alsbald aber war Paul Beneke und
fein Volk fertig, setzten bei und schar
mutzirtcn mit den Welschen eine Zeit
lang.
Weil aber das Schiffsvolk sah. daß
die Welschen in dcr Galcyde an Geschütz
und Volk überlegen waren, so wurde
es zaghaftiq und nahm den Wich. Tas
sahen die Welschen und sie schrieen ihnen
aus Leibeskräften nach.
Ta hob Paul Bencke zornig und
traurig zugleich an und sprach zu den
-einen: ..Ach. Gesellen, was machen
wir da k '.'as soll daraus werden, wie
sollen wir den Feind erwarten? Wollte
ich doch, ich hätte nie den Tag erlebt.
da ich mit eigenen Augen sehen muß,
wie so mancher deutsche Seemann und
Kriegsmann von den Welschen verjagt
wird und die Flucht nimmt. Wäre es
nicht ehrenvoller, daß wir alle vor
unseren feinden um unseres Vater
landes Freiheit stürben und auf dem
Platze blieben, als daß wir unser Leben
lang die schände tragen, daß die Kin
der mit Fingern auf uns weisen und
uns nachschreien: Tas sind die, die sich
von den Welschen haben jagen lassen!"
Tas wird den Engelschen Muth
machen, und sie werden alle Zeit ge
winnen und wir davon laufen. Wie
manchen deutschen frommen und braven
Seemann und Ziausmann werden wir
um veiv und Gut bringen. Ach,
waren wir nur nicyl losgeqanqen, es
wäre ja besser, daß uns die Welschen
ihr Leben lang nicht mit Augen ge-
sehen.
Habe ich Euch nicht vorher gesagt.
Gesellen, das wäre wohl eine gute
Beute, aber sie wird Arbeit kosten. Und
wolltet Ihr alle, wie ich, mit Ehren
darauf und dran, so sollte sie uns nicht
entstehen, aber unerschrockene Herzen
und Gäuste gehören dazu. Tie Galeyde
ist groß und' wie ein scheußliches Beest
anzusehen, dessen Ihr nicht gewohnt
seid, dazu viel größer als unser Schiff
und mit vielem Volk und Geschütz aus
gerüstet, jedoch es sind Welsche und
keine Teutsche. Wollen wir nach unserer
Väter Art mit Herzen und Fäusten
Teutsche sein, so soll die Beute uns
nicht entgehen und uns unser Leben
lang gut thun.
Ta riefet Ihr alle, ich sollte Euch
nicht anders befinden, als wie es deut-
chen Männer wohl anstünde. O,
großer Gott, nun muß ich mit eigenen
Ohren anhören, daß uns die Welschen
nachrufen, so müsse man deutsche
Hunde jagen, sollte ein ehrlicher
Teutscher nicht eher sterben als das
anhören?"
Mit solchen und ähnlichen Worten
machte Paul Beneke seinem Volk das
ölut wieder warm, daß es sprach:
Lieber Herr Hauptmann, hier ist noch
nicht Großes versehen. Tenn wenn wir
eine Wendung machen, kann uns viel,
den Feinden keinen Nutzen bringen.
Laßt uns jetzt nur alles auf das Beste
einrichten. Wir find doch Teutsche und
wollen uns auch als Teutsche sinden
lassen. Aber führe uns nochmals ge-
gen den tfemd. M Weis chen sollen
Hunde finden, die nicht laufen, sondern
weidlich beißen können."
Als nun Paul Beneke merkte, das;
der Kriegsleute Blut wieder warm und
hitzig geworden, wollte er sie nicht höher
erbittern, sondern gab nun dem Steuer-
mann gute Worte, daß er das schift an
die große Galcyde steuere.
Ta entfiel den Welschen der Muth,
da begannen die Preußen sich als
eutsche zu erweisen. Wie Löwen
aszen sie dem eino im Aaaen und
packten ihn, und ehe er sich versah.
neien die mneryalen uno ie waren m
dcr Galcyde und begannen zu würgen,
was ihnen in den Weg kam.
Ta hätte man Wunder schcn mögen
wie dcr große Patron von dcr Galcyde,
dcr vorher alle Teutschen allcin fressen
wollte, und die anderen Welschen auf
die Knie fielen, sich vor die Brust
chluqen und die Teutschen wie die
Götter anflehten.
Und hier liesz Paul Beneke sich aber-
mals wie ein Teutscher hören und
sehen, dann, wiewohl die Welschen mit
Ihrem Hohn an den Teutschen kein
Gutes verdient, konnte das edle deut-
chc Blut nicht anders als Barmherzig-
keit erweisen über die, welche über-
wunden sich demüthigten und Gnade be
gehrtcn." Wollte Gott, das; solcher deutschen
Hauptleute viele wären!" schließt der
hrsame Lcscmcistcr, dem gewiß selbst
ein echtes deutsches Herz in der Brust
chlug. seinen naiven Berscht.
Mit welcher Wuth Paul's Mann-
schaft gekämpst haben muß. geht daraus
hervor, das; die feinde 18 Todte und
100 Verwundete hatten, während auf
deutscher Seite 3 Mann gefallen und
20 verwundet waren.
(iiwn lkdknde ropp,lgäng,r
ZU besitzen, hat zuweilen sein Unange
uebmcS; nun aber erst, wenn Einer
selbst der Doppelgänger eines Ver
storbcncn ist. noch dazu eines Versterbe
nen. der dcrühmt. zugleich aber auch
gefürchtet. mitunter sogar gehaßt war'.
Der Pariser Vertreter der Frkf. Ztg."
berichtet über einen Doppelgänger deS
kürzlich verblichenen bekannten' Thea
tcrtritikcrs FranciSque Sarccy Folgen- .
des:
Trotzdem Sarcey todt, ganz todt ist.
giebt es Leute, die mit schreckensbleiche
iesichtern erzählen, daß sie den todten
Kritiker, frisch und gesund in den
Straßen von Paris gesehen haben.
Dieser schreckeiierrcgcnde Geist ist ein im
Viertel dcr Batignolles wohnender
Lederhändler, der dem todten Kritiker
unglaublich ähnlich sieht, so ahnlich,
daß die nächsten Bekannten Sarcey'S
bei dcm Anblick dcs Lederhändlers zu.
sammensahren. Diesem guten Manne
ist die Achnlichkeit höchst unangenehm,
und am liebsten ließe er Jedermann
cinsperrcir. der ihn mit Sarcey vcr
wechselt. In dcr Rue Duai. wo
Sarcey gewohnt hat. wage ich gar
nicht mehr zu gehen. 7 sagte er. Jeden
Augenblick begegnet mir da ein Mensch,
der erschrocken zurückfährt oder gar
wohl mit einem Angstruf davonläuft,
sobald er mich sieht. Vor ein paar
Tagen bin ich in dcr vcrwünschtcn
Straße cincm hübschen Mädchen bc
gcgnct. Auf einmal fällt ihr Blick auf
mich und sie stürzt mit lautem Auf.
schrei zu Boden. Ich helfe sie in eine .
nahe Apotheke bringen, wo man sie
wicdcr zu sich bringt. Sie schlagt die
Augen auf, ficht mich, fängt an
zu zittern und murmelt mit klap.
pernden Zähnen: Er ist's, er ist's."
Natürlich meinten die Umstehenden, ich
aller die arme Kleine beleidigt. Sie
singen an, mich auf die ungcmüthlichste
Weise von der Welt anzurempeln, und
um Thätlichkeiten aus dem Wege zu
gehen, mußte ich mich durch eine' Hin
tcrthür retten. Und dann spielt man
mir alle möglichen Streiche. Leute.
die ich in meinem Leben nicht gesehen
habe, reden mich an und sagen: Ban
jour, mon oncle," weil der arme Sarcey
diesen Spitznamen hatte. Neulich sitze
ich Abends im Konzert der Ambaffa
deurs". Yvette Guilbcrt singt etwas,
sieht mich in der ersten Reihe der Par
kettsitze, wird todtenblcich und hält in
ihrem Gesang inne. Jedermann im
Saale sieht erschrocken zu ihr hin und
fragt: Aber was ist ihr denn ae-
schehen?" Auf einmal fängt sie an zu
lachen und singt etwas, worin von
sarcey die Rede i,t. Dabei winkt sie
so deutlich nach mir hin, daß sämmt
liche Zuschauer mich ansehen, und so-
fort bricht die ganze Gesellschaft in ein
wahres Lachgchcul aus. Vielleicht
finden Sie das komisch? Ich nicht! Im
Gegentheil! Ich habe die Geschichte
satt, und dcr Erste, der sich noch ein
mal untersteht, seine Witze übcr mich
zu machen, der kriegt es mit m,r zu
thun!" So sprach der Lederhändlcr,
der das Unglück hat. unserem Onkel"
ähnlich zu sehen, und hoffentlich neh
men sich die Spaßvögel seine Warnung
zu Herzen und lassen ihn künftig zu-
rieben.
Tas Vrkennungswort.
Eine der bekanntesten Persönlichkeiten
der englischen Aristokratie. Baronin
Burdett-Coutts. machte vor Kurzem bei
hrem letzen Aufenthalt in Paris eine
recht unangenehme Erfahrung. Wie
viele ihrer vornehmen Geschlechtsgenos
sinen findet sie Vergnügen daran, die
Kaufhäuser zu durchmustern nnd per-
sönlich ihre Einkäufe zu besorgen, n
einem der vornehmsten Geschäfte fiel es
yr aus. daß jedesmal, sobald sie von
einer Auslage zur anderen geleitet
wurd, der Angestellte sie. seinem Kol-
legen mit den rätselhaften Worten
Teux-diz" anempfahl. Tiefe sonder
bare Formel berührte Lady Coutts
höchst peinlich, und sie konnte sich nicht
enthalten, beim Verlassen des Hauses
dem Besitzer die Frage vorzulegen:
Bitte, was hat cs eigentlich auf sich,
daß Ihre jungen Leute stets Zwei
zehn" zu einander sagen?"
O, nichts Besonderes," entgegnetc
der Befragte, es ist nur ein Paßwort,
das sie auszutauschen pflegen."
Ter Baronin wollte diese Erklärung
nicht einleuchten; sie nahm sich vor. den
Boten, der ihr die erstandenen Waaren
in 's Haus brachte, darüber auszufor
schen. Mein Junge." wandte sie sich an
den Laufburschen, möchtest Tu Tir
wohl 5 Franken verdienen?"
Recht gern." lautete die bescheidene
Antwort.
Tann sage mir. was bei Euch im
Geschäft das Paßwort Teux-dir" be
deutet." ..Tas wissen Sie nicht. Madame?"
meinte der etwas naive junge Mensch
erstaunt; es heißt: Haltet Eure beiden
Augen auf jene zehn Finger da!"
Tas Räthsel war gelöst: man hatte
die reichste Frau Englands für eine
Ladcndiebin gehalten.
Neue cLntsettungs Rr.
Wie haben Sie es nur fertig gc
bracht. Herr Toitor, daß sich die 'dicke.
trage Frau Wamperl so viel' Belegung
machte V
Ich theilte ihr tüalick eine Wemc
Geheimnisse mit, und da ist sie von
früh bis spat bei ihren sämmtlichen
Verwandten und Bekannten herum-gelaufen!"
y