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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Aug. 3, 1899)
Unbegreifliche Dummheiten. i!on Ib. w au keil. Im allgemeine-, ist die Anncht ver breitet, daß in Nm Verbrccherthum ein sehr hoher Grad von Intelligenz stecke Und wenn man der vielen Fallen und Schlingen gedenkt, in denen die Zunft der Gauner. Hochstapler und Beutel schneider ihr Opfer zu fangen weitz. ist diese Ansicht auch völlig gerechtfertigt; andererseits aber kann man sagen, daß selbst die geriebensten Verbrecher oft die allergewöhnlichsten Regeln der Klugheit und Vorsicht außer acht lassen und sich so selbst an? Meffer liefern, wie dies zwei besonders markante Fälle aus jüngster Zeit schlagend beweisen. Im Jahre 1887 hatte die belgische Staatsbank in Brüssel auf einen von dem Frankfurter Bankhause Oppen heim ausgestellten Check, welcher brief. lich und telegraphisch avisirt worden war. an einen Engländer ein Per mögen in baarem Gelde ausgezahlt: es waren 150.00 Francs. Nach Empfang des brieflichen Auftrages war. wie dies im internationalen Bankvcrkchr üblich ist. der Sicherheit wegen eine tcle graphische Bestätigung der Zahlungs ordre erbeten worden, die denn auch pünktlich einging. Zwei Tage spater traf der avisirte öheckinhaber ein, und das Geld wurde ihm anstandslos aus gezahlt. Als dann die Firma Oppcn heim von der Ausführung des Auf. träges benachrichtigt wurde, stellte es sich heraus, daß die Bank einem schlau ein gefädelten Betrüge zum Opfer gefallen war, denn das erste Schreiben, das Telegramm und der Check waren ge fälscht. Der Empfänger der Geldes war eine hohe imponirende Erscheinung mit blondem Haar und Bart, und der Kassirer entsann sich seiner genau. Hatte er dem Fremden doch selbst die großen Scheine in die mit einem fchwar zen Handschuh bedeckte Rechte gelegt. Tenn es war ihm aufgefallen, daß jener mit der rechten Hand ziemlich unbehilf lich die Scheine zusammenschob, da ihm augenscheinlich der Mittelfinger dersel den fehlte. Der Handschuh war nach diesem Defekte gearbeitet und wies nur den Daumen, Zeige-, Ring- und klci nen Finger auf. Natürlich kam die ganze Polizei deS Kontinents und Englands auf die Beine. Der Betrüger hatte nur ein mangelhaftes Franzosisch mit engli schcni Accent gesprochen, aber obwohl der Telegraph sofort die genaueste Per sonenbeschreibung des Mannes mit dem fehlenden Mittelfinger in alle Weltgegenden trug er blieb ver schwunden. Es ist bei der Berliner Kriminal Polizei, und auch wohl anderwärts, üblich, daß die Akten unentdeckt ge blicbener Verbrechen in keinem Falle völlig beiseite gelegt, sondern viertel jährlich nachgesehen werden, wie denn auch die Nachforschungen niemals gänz lich aufhören. Auf diese Weise bleiben nicht allein die mit dem Kriminalfall speziell betrauten Beamten, sondern auch alle übrigen stets genau orientirt. Nun kam kürzlich die Nachricht aus Wien nach Berlin, daß dort eine Frau verhaftet worden sei, welche mit der flüchtigen Ehefrau des Raubmörders Göncz'i. der im Herbst 1898 die Ren tiere Schulze nebst deren Tochter in Berlin ermordet hatte, identisch scheine, obgleich es völlig widerfinnig schien, daß das raffinirte Verbrecherpaar, das absolut gar keine Spur hinterlassen, doch noch in Europa, noch dazu in sei ner Heimath Oesterreich aufhalten sollte, wurde doch ein Berliner Eom missar, dem die Frau persönlich be kannt war, nach Wien abgesandt. 'Die Verhaftete war nicht Frau Gönczi, aber der Beamte war trotzdem nicht umsonst gereist. Beim Passiren der österreichischen Grenze wurde sein Gepäck von den Grenzbeamten unter sucht, und mit dem seinigcn zugleich das eines in Brasilien ansässigen Fran zoscn. Da dieser Fremdling den Steuerbeamten ziemlich schroff begeg ncte, nahmen diese es mit der Revision recht genau und warfen ihm den In halt des ganzen großen eleganten Kof fers heraus -und völlig durcheinander. Plötzlich sah der Berliner Beamte, wcl cher dabei stand und mit Ungeduld auf seine eigene Abfertigung wartete, aus einer am Zmischendeckcl des Koffers an gebrachten Tasche einen alten schwarzen Handschuh herausfallen, der nur vier Finger aufwies und augenscheinlich eigens für Jemand angefertigt war, dem der Mittelfinger fehlte. Es war ein Handschuh für die rechte Hand! Das Gesicht des französischen Brasilia ners färbte sich für einen Augenblick dunkelroth und schnell schob er den Handschuh in die Koffcrtasche zurück. Der Berliner Comniissar, von dessen geübtem Auge sofort der vor elf Jahren geschehene Brüsseler Bankraub ganz deutlich stand, machte kurzen Prozeß. Er legitimirtc sich durch seinen von dem österreichischen Botschafter in Bcr lin beglaubigten Paß bei dem öfter rcichischen Grenzkommissar, sagte dem erbleichenden Brasilianer den Brüsseler Gaunerstreich auf den Kopf zu und hatte die Genugthuung, daß der öfter reichische Kollege den vornehmen Frem den verhaftete und mit demselben in seiner und noch eines Beamten Beglei tung nach Wien abdampfte. Hier war man im ersten Augenblick über das schnelle Verfahren etwas be treten, aber die Wiener Polizei greift trotz aller Liebenswürdigkeit und Ge- müthlichkeit fest zu; der vicrftngerie alte, augenscheinlich langst vergessene Handschuh verfehlte seinen Eindruck nicht. Man bedielt den Fremden unge achtet seiner anscheinend richtigen Lcgi timationspapiere in Haft, und tele graphirte sofort nach Brüssel. Drei Tage später fanden sich auf der Wiener Stadthauptmannschaft zwei Herren ein: es war der Hauptkassirer der Belgischen Bank in Brüssel und ein alter Bote derselben, welcher den angeblichen Eng ländcr eingeführt hatte. Beide Herren erkannten den Betrüger, trotz der vielen inzwischen vergangenen Jahre, mit aller Bestimmtheit wieder. Da auch alle Angaben des Brasilianers über seine Herkunft, sowie über sein Borlcben sich als lügerisch erwiesen, so ist es sicher, daß man in ihm ein hervorragendes Mitglied der internationalen Gauner banden ergriffen hat. Wie war es möglich, so muß sich jedermann fragen, daß ein so gcrie bener Spitzbube so dumm sein konnte, diesen unglückseligen Handschuh, nach dem er seinen Zweck erfüllt und die Polizei irregeleitet hatte, nicht zu der Nichten? Der Spitzbube hat natürlich alle seine Finger, vermag aber, wie vielfache Experimente festgestellt haben, den Mittelfinger ganz flach gegen die Handfläche zu legen. Eine unglaub liche Nachlässigkeit war dieses Aufheben des Handschuhs! Und doch eine That sache. Was den zweiten Fall von geradezu verblüffender Dummheit anbetrifft, so hat sich im Laufe des Januars 1893 ein sehr angesehener Einwohner des un mittelbar bei Berlin liegenden großen, 63.000 Einwohner zählenden Rirdorf als ein alter berüchtigter Einbrecher und Zuchthäusler entpuppt. Der Mann führte ein Doppelleben. Bei Tage war er der ehrenfeste fleißige Tischermcister, der Pferde und Wagen sich hielt und zehn Gesellen beschäftigte des Nachts war er Dieb und Einbrecher. Wie viel Schlauheit, welch eiserne Energie ge hört nicht dazu, solch ein Doppelleben jahrelang fortzuführen! Und doch kam er zu Falle durch eine Dummheit, die selbst bei einem Ansän ger unbegreiflich gewesen wäre. Er wollte nämlich im September 1897 ein gestohlenes Werthpapier von 1000 Mk. bei einem Berliner Bankier verkaufen. Der Kassirer sah natürlich vor der Auszahlung des Betrages die Liste der verloren gegangenen und als gestohlen gemeldeten Papiere durch. Die Num mer des Papiers befand sich unter den letzteren, und der Tischlermeister wurde verhaftet. Er gab sich nun einen fal schen Namen, behauptete ein in Amerika geborener Pole zu sein und führte die Polizei und den Untersuchungsrichter durch immer neue Ausflüchte derartig in der Irre herum, daß diese vor einem schier unlösbar scheinenden Räthsel standen. Während dieser Zeit befand sich die Tischlerwerkstätte in Rixdorf. ja die ganze dortige Einwohnerschaft, in großer Aufregung wegen des spurlosen Ver schwindens des Tischlermeisters, und, so unglaublich das klingt, die Behörde, auch die natürlich benachrichtigte Bcr liner Polizei, neigte zu der Annahme, daß der allbekannte wohlhabende alte Herr einem Verbrechen zum Opfer ge fallen sei. Denn für sein Verschwinden gab es absolut keine Erklärung, er er freute sich des besten Rufes, seine Ver mögenslage war eine durchaus gere gelte, und sein Geschäft, das vorläufig von dem Altgesellen weiter geführt wurde, ging flott. Da hatte in den letzten Tagen des Januar der in Rixdorf stationirte Gendarmcrieoberwachtmeister in Moa bit einen Termin wahrzunehmen. Wüh rend er auf dem Korridor von dem Verhandlungszimmer auf und ab ging, wurde ein Untersuchungsgcfangener, der auf dem weißen Pappschild vorn auf der Brust die Nummer 79 in großen schwarzen Zahlen trug, zum Verhör bei ihm vorbeigeführt. Trotzdem der Ge fangene das Gesicht abwandte, schien seine Figur dem alten Wachtmeister bekannt.' Zwei Schritte und der Beamte stand vor dem verschwundenen Tischlermeister. Nun rollte sich der Vorhang sehr schnell auf. Man hielt bei dem wohl habenden, ehrenhaften Tischlermeister Haussuchung ab, fand viele, ebenfalls aus Einbrüchen herstammende Werth Papiere, Juwelen und Schmucksachen, konnte feststellen, daß der brave Mann einen ganz anderen Namen hatte, als er in Rixdorf führte, und endlich, daß er bereits viele Jahre im Zuchthause gesessen hatte! Trotz der Gewandtheit, mit welcher der Mann sein vergangenes Leben zu verschleiern wußte, trotz der Energie und Kühnheit, welche er bei feinem Doppelleben entwickelte, hatte die Dummheit einer schwachen Stunde ihn ins Verderben geführt. Und so er geht es den meisten Verbrechern. Mamsell Gittchen. Skie nachdem Leben von R. Ritkweger. Frau von Osten ist sehr unglücklich. Zum ersten Mal in ihrer Ehe. die nun schon drei Monate alt ist. hat ihr Ee mahl ihr einen Wunsch abgeschlagen. Sie hat ihr Köpfchen darauf gesetzt, das Radeln zu erlernen. Er thut es doch auch, und sie hat sich das so aller liebst gedacht, mit ihm in die Stadt radeln zu können in einem recht chiken Kostüm, aber er hält es für unwciblich und ist nicht zu bewegen, ihr die Er- Lubiiiß zu ertheilen. Er sagt, ihr standen jederzeit Wagen und Pferde zur Verfügung, sie tonne fahren und reiten, so oft sie' wolle. Er selbst habe nur anS pratliichen Gründen sich ein Rad angeschafft, und er fei ein Mann, und er wolle ihr gern alle Wünsche erfüllen, soweit dies möglich, aber ihr das Radeln gestatten nimmermehr! Mit diesem grausamen Bescheid, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig gelassen, war er vor einer Halden Stunde davongeradelt, nachdem sie ihm sehr häßliche Worte gesagt hatte. Heftig erregt rennt Henni von Osten im Frühstücks'zimmer auf und ab sie will ihm schon zeigen, daß sie sich so etwas nicht bieten laßt, sie will sie will ja. was will sie denn? Sie hält ihre Schritte an und legt die kleine Hand an die Stirn. Und dann hat sie. Ja. sie will fort, zu ihren Eltern, heute, gleich, sobald der nächste Zug geht. Papa wird ihr sofort ein Rad kaufen, und wenn Lothar sie wieder haben will, soll er sie nur holen, aber mit ihrem Rad. Ihr Entschluß ist gefaßt. Sie geht jn ihr Schlafzimmer und beginnt ihre Sachen zusammenzulegen, nur das nothwendigste vorläufig. Tann sieht sie nach dem Fahrplan, schellt und be fichlt den Wagen zur Station auf elf Uhr. Und dann schreibt die eigensin nige kleine Frau ein paar Zeilen an den Gatten: Sie sei todtunglücklich, weil sie die Ueberzeugung gewonnen, daß er sie nicht so liebe, wie sie ihn, denn sonst Hütte er ihr unmöglich den Wunsch abschlagen können, und sie halte es für besser, eine Zeit lang zu ihren Eltern zu reisen; sie sehne sich nach deren opferwilliger Liebe, die ihr bis jetzt nie etwas versagt habe. So, der Brief wird geschlossen und auf des Gatten Schreibtisch gelegt. Es klopft, und Nanette. das Zim mermädchen, tritt hastig ein, sichtlich in großer Aufregung. Ach bitte, gnädige Frau, erschrecken Sie nicht. Denken Sie sich nur Mamsell Gittchen als ich ihr eben das Frühstück bringen wollte ich hatte schon vor zwei Stunden geklopft, gnä dige Frau und ich bin immer sehr aufmerksam für Mamsell Gittchen ja, da antwortete sie nicht, so daß ich dachte, sie schliefe noch und da wollte ich nicht stören ich bin immer so rück sichtsvoll, das wissen ja gnädige Frau und ich dachte, der alten Person ist der Schlaf zu gönnen. Ja, und nun war ich eben wieder oben, mein Gott, die Treppen sind ja hoch, aber, ja und " Um Gottes willen, Nanette, reden Sie nicht so lange, sagen Sie mir end lich, was ist denn passirt, was ist mit Mamsell Gittchen?" Ach ja, also, ich klopfte wieder und sie hörte nicht, und da dacht' ich doch, es könnt' ihr etwas zugestoßen sein, und da hu hu da. als ich die Thür aufmachte, da sah ich's gleich " Ja was denn?" Daß sie todt war, die Mamsell Gittchen! Wahr und wahrhaftig todt ! O. den Schrecken, den ich hatte! Und ich lief gleich nach unten in die Küche, und nun. da der gnädige Herr nicht da ist, meint' ich, die gnädige Frau müßten es doch erfahren, und ob man den Tok tor holen soll " Gewiß, sofort, Nanette. Nein, so plötzlich Mamsell Gittchen todt und wie leid mir das thut ! Der Herr hängt so sehr an ihr. Schnell. Johann soll sofort nach dem Kreis Physikus fahren, und eins soll inzwischen den Bader aus dem Torfe holen ich will auch gleich selbst nachsehen, vielleicht ist es gar nicht wahr, nur eine Ohn macht " Die junge Frau zittert am ganzen Körper, und als jetzt die Wirthschafterin eintritt und in ruhigen Worten Na nette's Botschaft bestätigt, bricht sie in Thränen aus. Der Tod unter dem Dache! Das ist ja doch immer etwas Ernstes, Schweres! Sie selbst hat der Verstorbenen erst seit kurzer Zeit nahe gestanden, aber dennoch empfindet sie das Scheiden schmerzlich. Mamsell Gittchen ist auf dem Gute alt geworden. Sie konnte schon seit Jahren nichts mehr leisten, als ein bischen stopfen und flicken, sie konnte nicht mehr aus ihrem Stäbchen heruntergehen, der Treppen wegen, aber es wurde treulich für sie gesorgt von dem Sohn und Enkel ihrer früheren Herrschaft. Mamsell Gittchen hatte durch zwei Menschcnalter Freud und Leid mit der Familie von Osten getragen. Als die junge Fräu vor drei Mona ten in's Haus kam, da hatte ihr Gatte sie am ersten Tage gleich in das Man sardenstübchen geführt und öer Alten sein Glück vorgestellt. Verwundert hatte da Henni sich in dem Gemach umge schaut. ES war ihr wie ein Märchen erschienen: die alte Frau, das Spinn rad in der Ecke, die Möbelstücke aus vergangenen Zeiten in Dornröschen's Zauberschloß fühlte sie sich versetzt ! Gar liebe Worte hatte Mamsell Gittchen für das junge Paar gehabt, und mit fast ehrfürchtigen Gefühlen hatten die zwei glücklichen Menschen den Raum verladen. Noch manchmal hatte Frau Henni dann bei der Alten gesessen. Der Bader kommt und fast zur sel den Zeit der Herr Physikus. Der Tod ward konstatirt. Frau Henni ist mit in das Sterbe zimmer gegangen. Jn stummer Ehr furcht steht sie am Lager der Schlum- mernden sie hat noch nie einen Tod ten gekeden, aber dieser friedliche Anblick schreckt sie nicht. Sie beugt sich über das stille Antlitz und schrickt zusammen, als der Arzt jetzt fragt: .Wie ist der Name der Verstor denen?" Mamsell Gittchen.- so erwidert sie. und über die ernsten Züge des Arztes fliegt ein Lächeln bei dieser Antwort. Mamsell Gittchen. TaS kann mir nichts helfen ich muß den ganzen Namen. Vor und Zunamen und den Geburtstag wissen." Die junge Frau erröthet. Wie selt sam. sie weiß gar nicht, wie Mamsell Gittchen eigentlich heißt. Sie schellt die Wirthschafterin erscheint. Auch die weiß den Namen nicht sie ist noch neu in ihrem Amt. Ader sie wird unten fragen, bei den Leuten. Nach kleiner Weile, kommt sie ganz bestürzt wieder. Niemand im Haus kennt Mamsell Gittchens" Familiennamen. Es wird nichts übrig bleiben, als in ihren Sachen zu suchen. Der Arzt meint, dann wolle er erst seine Paticn ten im Torf besuchen und spater noch inals vorsprechen. Tie Wirthschafterin erbietet sich, in Gegenwart der gnädi gen Frau die Kommode zu öffnen es müsse sich doch etwas finden. Aber Henni weist die Hilfe zurück. Es widerstrebt ihr, die Fremde in der Habe der alten treuen Hausfreundin wühlen zu lapen. Sie selbst will es thun. Tie Wirthschafterin geht und Henni kniet vor der alterthümlichcn Kommode nieder und schließt das unterste Fach zuerst auf. Ein Duft von welken Rosen und Reseda strömt ihr entgegen, und sie erblickt saubere weiße Wäsche, jedes Stück mit B. S. gezeichnet. Henni sieht Alles durch und zuletzt findet sie das Gesuchte in einer ziemlich großen Schatulle in der hintersten Ecke der Schublade. Ein starker Lavendel duft steigt aus der Schatulle es ist der Tust der Vergangenheit! Da ist der Taufschein von Mamsell Gittchen: Brigitte Saatmüller, Tochter des In spektors Johann Christian Saatmüller und dessen Ehefrau Jakobine geb. Holzmanii. Dann folgten die Tauf pathen und die Unterschrift des Geist lichen. Henni legte das Dokument sorglich auf den Tisch und beschwert es mit dem Nühstein. Wenn der Arzt zurückkommt, ist es zur Hand. Dann unterzieht sie die übrigen Papiere einer flüchtigen Durchsicht: Impfschein, Konsirmations schein, den Trauschein der Eltern, ein Sparkassenbuch, alte vergilbte Briefe und zuletzt, auf dem Boden der Scha tulle. ein Packet, umhüllt mit einem starken Papicrbogcn und schwarzem Rand. Es tragt die Aufschrift: Tie ses sind die Briefe meines geliebten Bräutigams, mit dem ich drei Jahre einen glücklichen Brautstand geführt habe. Vier Wochen vor dem zur Hoch zeit bestimmten Tag hat ihn ein jäher Tod von mir genommen. Ich bin nun ganz allein in der Welt und bin erst zweiundzwanzig Jahre alt. Wer nach meinem Tod diese Briefe findet, soll sie unbesehen verbrennen. Brigitte Saatmüller. Frau Henni starrt eine ganze Weile schweigend auf das Packet, und dann schluchzt sie auf. Ein ganzes Men schenlcben liegt vor ihr in diesen Worten. Noch einmal tritt sie zu der Todten, und ganz andächtig streicht sie über die kalten Hände, über die geschlossenen Augen. Tann nimmt sie die Briefe an sich, verschließt die Kommode sorg fältig und steigt langsam die Treppe hinab. Sie geht in ihres Mannes Arbeitszimmer; dort, im Kamin, will sie. den Wunsch der Todten ehrend, die Briefe verbrennen. Kein Auge soll sie erblicken. Tiefes Roth steigt Frau Henni ins Antlitz, als sie von der Schreibtisch Platte den Brief, den sie an den Gat ten gerichtet, leuchten sieht. Ihr ist, als fei eine unendliche Zeit vergangen, feit sie ihn geschrieben. Mit' rascher Bewegung ergreift sie ihn und über giebt erst ihn, dann das Packet den Flammen. Und sie schänit sich, schämt sich ihrer Thorheit, ihres Eigenwillens, und dann freut sie sich ihres Glückes! Jn ein paar Stunden wird er wieder bei ihr sein, der liebste, beste Mann und sie wird ihm Alles erzählen, und er wird ihr verzeihen und sie herzen und küssen, und sie wird nie wieder so thö richt fein, ihm zu zürnen, wenn er ihr einen Wunsch abschlügt. Sie ist ja so glücklich! 2luf der Lokomotive. Tk Vcschichie einer wilden Falirk, Von H. de d'raffigny. Am 27. April 1831 war die Loko motive Constantine" in's Depot von Algier zurückgekehrt, um dort einer ein gehenden Reinigung unterzogen zu wer den; der Heizer und der Lokomotivfüh rer waren damit beschäftigt. Während der Zugführer und der Heizer sich von dem Aufstande unter hielten, der unter den West und Süd stämmcn Algiers ausgebrochen war, fand in dem Bureau des Chefingenieurs eine Unterredung statt. Herr Kerguevond, der Ingenieur, unterhielt sich mit General Letcral, dem Militärgouverneur der Stadt Algier. Die Kabel, welche Tunis und Go- lcta mit Constantine und Algier ver banden, sind abgeschnitten." sagte er. wir haben nicht eine einzige Tcpcscde erkalten. " Wie soll man es nun anfangen, um mit dem Westen der Kolonie, mit Guelma. Tebcssa, Bone und Philippe ville zu koricspoiidircn?" Herr Kerguevond wollte eben ant Worten, als es an der Thür tlopste und der Subdircktor der algerischen Ostbahn mit verstörter Miene eintrat. Die Züge Passiren nicht mehr zwi schen Saida und BenKedir," rief er der Stamm der Uled Sciamads hat die Schienen an mehreren Stellen in einer Länge von 10 Kilometern ge sprengt." Der Militargouvcrncur wurde blaß und murmelte mit erstickter Stimme: Ader der General Logerot mußte doch von dem Vorgefallenen untcrrich tct werden und die Munitionen und Lebensmittel erhallen, um die er ersucht hat." Wir müssen einen Entschluß fassen." sagte Herr Kerguevond und fragte den Subdircktor: Haben Sie unter Ihren Lokomotivführern kühne, energische, muthige Männer?" ..Gewiß." versetzte dieser, daran fehlt es nicht." Lassen Sie einen kommen!" Der Subdirektor verneigte sich und kebrte bald in Begleitung des Loko motivführers Laurent zurück. Der Ingenieur betrachtete ihn einen Augenblick schweigend. Die Telegraphendrahte," sagte er sind auf der Strecke von Guelma nach Golcta durchschnitten worden; die Schie nen sind in Brüchen von 20 bis 25 Metern zwischen Saida und Ben-Bebir zerstört, der Feind rückt nach der Sta tion vor, und der General Logerot er wartet einen Zug Lebensmittel und Munition. Glauben Sie im Stande zu sein, einen Zug bis Mendjana zu führen?" Ja." versetzte Laurent einfach. Gut. setzen Sie Ihre Maschine in Stand, Sie werden heute Abend um 8 Uhr abfahren." Laurent verließ das Zimmer; als er verschwunden war, wandte sich Herr Kerguevond zu dem Subdirektor und dem Militürgouvcrneur, die Zeugen dieser Unterhaltung geblieben waren. Der General Logerot wird seinen Zug haben," sagte er zu ihnen. Eine Stunde später stieg Laurent auf die Plattform der Constantine". Er war von seinem Heizer begleitet, dem er in zwei Worten alles erzählt hatte. Im Hintergründe ließ der Stations Vorsteher unter der persönlichen Leitung des Herrn Kerguevond, der eben ange langt war, Lokomotive und Waggons zusammenkoppeln. Der Gouverneuer übergab dem Loko motivführer die Depeschen, die er dem General Logerot zukommen lassen sollte. Vorwärts!" Die Constantine" hatte den Bahn Hof zu Algier um 7 Uhr verlassen, eine Stunde später bog sie bei der Station Bab-Azun ab und fuhr jetzt auf dem Wege nach Setif dahin. Der Lokomotivführer und der Heizer wechselten kein einziges Wort. Ledert stand neben dem Ofen, stopfte in regelmäßigen Zwischcnräumen unge heure Haufen Kohlen hinein. Jetzt heißt es fahren," sagte Laurent zu seinem Geführten. Ich bin bereit." entgegncte der Hei zer entschlossen. Tie Schnelligkeit wurde wieder ge müßigt wegen der Kurven zwischen Guelma und La Vcrdure, doch als diese letzte Station passirt war, öffnete der Zugführer das große Tampfventil voll ständig. Tie Schnelligkeit der Fahrt wuchs nach und nach. Tie Constantine" lief mit entsetzlicher Schnelligkeit. Hier ist die Strecke zerstört," rief Laurent seinem Heizer zu. Bon der Schnelligkeit von 35 Metern in der Sekunde fortgerissen, fuhr der Zug darüber hinweg und fiel wieder auf die Schienen zurück. Der gefährlichste Punkt der Fahrt nahte; die Lokomotive war auf dem höchsten Punkte angelangt. Tie letzten Kohlen wurden in das Feuer geworfen, der Zug fuhr den Berg hinunter, als ein Musketcnfeuer losbrach. Tie Araber, die sich in den Felsspal ten versteckt hatten, stießen ein wüthen des Geheul aus. Um das Unglück voll zu machen, hatte der Hochdruck nachgelassen; die Constantine" machte noch einige Räder Umdrehungen und blieb dann stehen. Nun entspann sich im Dunkeln ein schrecklicher, entsetzlicher Kampf. Der Heizer und der Zugführer schos sen; als ihre Waffen leer waren, be waffncte sich Laurent mit einer Schau sel, Ledert mit einem Fcuerspieß, und der Kampf wurde fortgesetzt. Sie waren verloren, als plötzlich in schwacher Entfernung ein Gcwehrfeuer sich vernehmen ließ. Tie Feinde!" riefen die Araber und entflohen. Im Augenblick, da die Soldaten den Zug erreichten, schleppte sich der Zug führer. der wieder zu sich gekommen war, mit blutüberströmtem Gesicht zu dem Offizier und rief: Hier ist der Zug mit Lebens Mitteln: die Depeschen des Generals Logerot befinden sich in dem Tender kästen." Tann stürzte er ohnmächtig zu-samwen. lNßftb. A. : Hallen Sie die Ncumaiin's für wohlhabend ?" B. : Ne. sie fahlen ja nicht 'mal Rad." u!rt. Adeliger Tichterling: Meine Ahnen haben auch alle gedichtet." Herr: .Ta fudren Sie wohl einen Papicrtord im Wappen." Gut gcwäklt. A.: Wie, Sie glauben, daß ihr Bräutigam einmal einen reckt sorg samcn Ehegatten abgicdt ?" Fräulein: Ja. den hat bereits seine Wirthschafterin unter dem Pantoffel!" Zurechtweisung. Alter Verbrecher: Warum Tu alle weil mitrcd'st, Schorschel. dös begreif i nöt. Tu darfst Ti do mit Te'iiicn lumpigen zwa Jahrln Zuchthaus nöt so breit machen." Zum Uebcrznz. Onlel (zum Neffen, der Student ist): Nun. nachdem Tir der Arzt den Alko hol gründlich verboten, gewöhnst Tu Tich langsam ans Waffer ?" O ja. habe heute schon drei Cognac glaser voll getrunken." Zweideutige Antwort, Herr: Aber. Meister, die vielen Nä gcl können Sie doch unmöglich zu Ihrer Arbeit alle verwenden, da werden doch viele abhanden kommen." Meister: Keine Sorge; in der Rech nung finden Sie sie schon alle wieder." Vas genüzt. Frau A.: Gehen Sie mit in die neue Oper?" Frau B.: Tanke, die kenne ich schon!" Frau A.: So? Sie wird doch heute zum erstenmal gegeben!" fort gesotten, Richter: Sie geben also zu. Ihren Wohlthater bcstohlen zu haben! Scha men, Sie sich nicht,, einen armen Mann, der sich so warm Ihrer angenommen, der " Angeklagter: I bitt'. Herr Richter, werden et scntimentalisch." Mik'versiciiidniß. Tante: Aber, Emil. Tu bist trotz Teincr 7 Jahre noch so dumm und gar nicht aufgeweckt; Tu hast doch einen so klugen Vater, schlägst aber gar nicht nach ihm." Emil: Ach, Tantchen, das darf ich mir bei Papa nicht erlauben." In onef Island. Besitzer einer Badeanstalt: Hat denn der Herr, der eben ins Bad ging, auch bezahlt?" Bademeister: Nein er sagte, er wolle bezahlen, wenn er wieder herauskäme." Nun. und wenn der Mensch er trinkt, dann bin ich um meinen Ouarter!" So wars nicht gemeint. Im Theater tritt bald nach dem Be ginne der Vorstellung A. seinem Nachbar E. minutenlang auf den Fuß und sieht dem Spiele fast andächtig zu. Ta spricht E.. dem es endlich doch zu arg wird, höflich: Verzeihen Sie! Wird das noch lange dauern?" 91. : Höchstens bis halb elf Uhr." Sonderbare kogik. Radfahrer: Tas ist heute schon der Vierte, den ich mit meinem billigen Fahrrad überfahre. Ja. ja, die bil ligen Räder die taugen alle nichts." Sopbistiscb. Frau (am 1. Januar zu ihrem Gat ten): Ta man sich zum neuen Jahre alles Gute wünscht, so wünsch' ich mir ein Perlenkollicr und einen neuen Rad niantcl." Größenwahn, Herr: Sie arbeiten also unter dem Pseudonym Wolfgang Friedrich?" Dichterling: Ja, Goethe's und Schiller's Vornamen." Unerhört. Frau: Warum so niedergeschlagen, lieber Alfred?" Gelehrter: Es wird mir 'was Schreck liches nachgesagt! Ich Ich soll einen Witz gemacht haben!" Vorspiegelung falsch Tbatsachen. Nachbarin: Jeden Tag sieht man Ihren Studenten Petroleum holen. Der arbeitet wohl die ganze Nacht ?" Hauswirthin: Ach wo; der lauft immer mit der Bierflasche; der Nachbarn wegen hat er aber daraufgcschriebcn Petroleum". Enfant terrible.' Kleiner Neffe: Onkel. Tu hast wohl keine guten Augen?" Onkel: Toch, mein Kind, wie kommst Tu zu der Frage?" Neffe: Papa sagte' vor Kurzem, er wolle Tir heimleuchten, wenn Tu wie der kämst!" Triftiger Grund. Theresc: Du willst also doch hcira then, Edith? Früher warst Tu immer so dagegen?" Edith: Ja, ich hab' letzthin einen Kursus in einer Kochschule absolvirt, und ich will das doch nicht umsonst ge than haben."