I Line Mutter. SrMlung von Wilhelm Schser. Am Tage unseres ersten Sdjulbe sachers lernten wir uns kennen. Ta saß Rudolf Laars. der seine, bleiche, schlank gewachsene Knabe mit dem blon dem Lockcnhaar und den hellen freund lichcn Augen, neben mir. Er mochte das gleiche Wohlgefallen an mir wie ich an ihm gefunden haben, denn ich erinnere mich besten heute noch nach Schluß der Stunde umfaßte er mich und rief, so daß der Lehrer seine Freude an uns hatte. Ich mag Tich leiden. Komm, wir wollen Freunde sein!" Hernach machten wir manchen Schul gang gemeinsam. Lag doch der Laden der Wittwe Laars. der Mutter meines Freundes, auf halbem Wege nach dem Hause meiner Eltern. Tas kleine Ladcnfestcr. in dem Handschuhe, Schleifen und Kragen in den mannig faltigsten Farben und Formen ausge stellt'warcn, und an dem ich bislang nach Knabenart nicht anders als gc langweilt vorübergccilt war, übte schon bald nach Abschluß meiner ersten feuri gen Schulfreundschaft eine übcrwül tigende Anziehungskraft auf mich aus. Tort lockten inmitten all der Sachlichen genau der gleiche schlichtblaue Schiffer schlips, wie ihn mein Freund über der Bluse zu tragen Pflegte. Und in den Bcsiß just dieses zu gelangen, war mein heißes Begehren, je näher das Weih nachtsfcst rückte. Bater und Mutter hatten zwar ob der Bezeichnung meines ..Hauptwunsches" ebenso entschieden freundlich gelächelt wie scheinbar der ständnißlos die Köpfe geschüttelt. Aber als der heilige Abend gekommen war, lag der ersehnte Schifferschlips richtig auf seinem Platze. Ich nahm ihn glückstrahlend, trug ihn an Feier- und Wochentagen und trug ihn so lange, bis Rudolf am Ende meinte: Der geht jetzt nicht mehr! Ter ist kaput!" und meine Mutter in derselben rlennlni mich in den Laden der Mutter meines Freundes führte. So wurde ich der Wittwe jüngster Kunde. Einen treue- ren hat sie nicht besessen. Viele Jahre sind seitdem verflossen. Wie viele Bilder lieber Menschen aus ferner Kinderzeit sehe ich nur verblaßt Aber zu den Gestalten, die für immer deutlich vor mir stehen, gehört die kleine rundliche Frau aus dem Handschuh laden. Mutter Laars von heute ist wenigstens in meinen Augen ganz die gleiche von damals geblieben. Ihr mit blonden Stirnlockcn geziertes Haupt zeigt kaum ein altersgraues Haar. Ter Willensstärke Ausdruck des breiten, eher häßlichen als schönen Ge sichts hält mich geseffclt und hatte es mn, schon dem Knaben, angethan, wenn ich mit dem Freunde zu Mutter" in den Laden getreten war, wenn sie mit einer nichts weniger als weichen. einschmeichelnden glimme meinen Namen genannt hatte, mir mit der Hand sinnend über die Wangen gcfah ren war und mich dabei mit ihren tief blauen Augen angesehen hatte. Taß Mutter Laars ihren Knaben lieb hatte, ist nie von mir bezweifelt worden, wennschon die Form, m die sie ihre Zärtlichkeit zu kleiden pflegte, mich oft genug befremdet hat. Kam Rudolf von der Schule heim, so flog er, ganz seiner stürmischen Natur gemäß, ihr allemal mit einem Luftsprung um den Hals. Tann drückte sie ihn so lange zärtlich an sich, bis sie ihn plötzlich unter einer herrischen Gcberde den Ranzen ablegen, sich die Haare bürsten und die Hände waschen hieß und mir, dem stummen Zuschauer zwischen Thür und Angel, in einer nicht mißzuver stehenden Weise zu gehen befahl. Ten noch fühlte ich, daß sie unsern Umgang gern hatte. Und nur einmal habe ich ihr ernstlich gezürnt, bin ich so thöricht gewesen, ihre Herzensgüte in Frage zu stellen. Tas um, als sie ihrem Knaben untersagt hatte, an meinem Geburts tage mit den übrigen Freunden zu mir zu kommen. Mittags vergaß ich mich trotz Vater Gegenwart so weit, daß ich mich in den härtesten Worten gegen Rudolfs Mutter erging. Ta ward mir der Mund verboten. Tie Mutter Deines Freundes ist eine Tame," das Wort Tame" hatte mein Bater unter leichtem Zittern der Stimme merklich betont . die mit Borbedacht handelt, die ihrem Sohne gewiß nichts grundlos versagt." Ich weiß, Vater war bald nach Be- endigung seiner ärztlichen prcchstunde zu ihr gegangen. Bater hatte die Mut ter meines Spielkameraden in ihrem Beschlusse nicht umzustimmen ver mocht. Aber ich weiß auch, daß Rudolf von nun an häufig allein bei uns fein durfte, und daß seine Mutter mir nie mehr mit einem Nein diente, wenn ich kam, ihn abzuholen. Mit unserm Abgange von der Vor bereitungsschule trennten sich unsere Wege. Ter Sohn der Wittwe kam auf eine Realschule, während ich das Gymnasium unsicher zu machen be gann. Aber an freien Tagen sahen wir Freunde uns in gewohnter Weise. Freilich, später lockerte sich unsere Freundschaft. Als Rudolf Kommis eines Geschäfts und ich auf einer aus wärtigen Universität Student geworden war. bildete allein Mutter Laars mit ihren Handschuhen und Schlipsen das vermittelnde Band. Plötzlich erkrankte mein alter her zensgutcr Vater. Ich eilte nach Haufe. Noch einmal drückte ich ihm die Hand Andern Tages stand ich im Laden der Wittwe. Mutter Laars weinte. Sie schüttelte mir lange die Rechte Hernach fragte ich sie nach dem Ergehen ihres Sohnes. Ta trocknete fie ihre Thränen, die meinem verblichenen Vater gegolten hatten, sah mich mit einem Ansdrucke an. der nicht wieder- zugeben ist, und erklärte: fragen sie mich nicht! Mein -ohn ist gesund. Er ist auf dem Wege nach Amerika. Ihr Vatcr ricth mir dazu, und was mir Ihr Vater anempfohlen hat, möge auch dieser letzte Rathschlag des theuren Todten meimcm Liebling zum Segen gereichen!" Was Rudolfs jähen Fortgang der anlaßt hatte, erfuhr ich derzeit nicht. Auch forschte ich nicht darnach, weil ich das zürückhaltende, wenig milthcilsame Wesen meiner Freundin kannte. Wenn ich zukünftig in mehr oder we nigcr großen Pausen meine Besuche bei ihr zu wiederholen kam, sosprach Mutter Laars in ihrer nihigen, knap pcn Art vom fernen Sohne. Sie der mochte mir eigentlich immer befrie digcnde Nachricht zn geben. Gottlob, gesundheitlich gehe es ihrem Jungen gut. Und- auch im übrigen könne er nicht klagen. Ta eines Tages ich war seit mehr als Jahresfrist dem mütterlichen Haufe fern gewesen prallte ich unwillkürlich vor dem Laden der Wittwe zurück. Quer über das Fenster war ein Zettel geklebt. Ausverkauf wegen Aufgabe des Geschäfts" stand auf ihm zu lesen. In ein paar Sätzen war ich die wenigen Stufen die zum Laden hinaufführten, emporgceilt. Mit heftigen Griffen hatte ich die Thür geöffnet. ' Mein Himmel, Mutter Laars." rief ich erregt, Sie geben das Geschäft auf! Ihr Junge ist wirklich, wie es ihm immer geträumt hat, Millionär ge worden ?" Vor mir hinter dem Ladentische, ge nau so wie früher, stand die kleine Fräu. Ihre Augen strahlten. Millionär?" wiederholte sie plötzlich ernst. Lieber Freund, ja, das sagte er immer! Millionär ist Rudolf nicht geworden. Aber," indem legte sie mir vertraulich die Hände auf die Schultern, der Junge hat mich in meinem guten tii .. : i... a.l . .i ;..rii rrv.u ummutii ua iijii muii ituuqtyi. 4. Jungen Zukunft ist gesichert. Und das nicht allein! Kommen Sie, Ihnen, mci ncm langjährigen und liebsten Kunden darf ich alles verrathen! das bin ich Ihnen Ihrem verstorbenen Vater sogar schuldig!" Welch eine Wandlung in dem gc- mcffenen Wesen der freudig bewegten Frau! Sie hatte inzwischen den Vor- hang zurückgeschlagen, der den Laden vom Wohnzimmer trennte. Auch hier wies alles auf den bevorstehenden Auf bruch hin. Lächelnd gebot fie mir, neben ihr auf dem Sofa Platz zu neh men. Vor uns standen zwei Bilder, Rudolfs Bild und das eines dunkel äugigen, freundlich dreinschauenden Mädchens. Tas ist er!" Lächelnd blickte Mutter Laars ein Weilchen still vor sich nieder. Tann hob fie das Haupt und sagte: Ich weiß, ich habe Ihnen manchen Auf schluß zu geben. Sie sollen Alles er fahren. Hernach wird Ihnen Vieles, was Ihnen bislang räthsclhaft an mir erschien, verständlich sein." Ich nickte, während meine alte Freundin, den Blick gleichsam nach innen gekehrt, mit halblauter Stimme zu erzählen begann: Meinen seligen Mann habe ich innig lieb gehabt. Gesicht. Wuchs und Haltung hat Rudolf als Erbe von ihm, von mir kaum etwas. Und doch, auch mir hat der Junge sein Theil zu verdanken! Tenn mein seliger Mann war leichten, viel- leicht allzu leichten waghalsigen Sinnes. Und dieses Erbtheil, das ich srüh in unseres Knaben Seele zu erkennen meinte, durch ein anderes, mütterliches zu ersetzen, war das Ziel meiner zwar strengen, aber liebevollen Erziehung. Mein seliger Mann hatte durch seine Freude an äußerem Glänze, durch das Verlangen, es den reichsten feiner Freunde in Allem gleichzuthun, unser Bermögcn geschmälert. Und als das schlimmste, der geschäftliche Zusam- mcnbruch, erfolgte, hatte infolge der Aufregung feine Gesundheit so arg qe- litten, daß Ihr Ueber Bater dem Kran- ken nicht mehr zu helfen vermochte. Versetzen Sie sich in die Lage, in der ich mich nach dem Tode meines Manne, befand! Verwöhnt! Aller Mittel be raubt! Tazu die Sorge um das Kind! In höchster Bcdrängniß der Vcrstor bcne hatte keine Geschwister entschloß ich mich, meinen einzigen Bruder um eine Unterstützung anzugehen Senator Münch." Ich starrte die Erzählerin an. Senator Münch war einer der einflußreichsten Männer der stadt. Ja," erklärte Rudolfs Mutter. wooei lyre klimme iO) yoo. eine geborene Münch! Und ich ging zu vielem rudcr der mir Hülse zu- sicherte " Anderen Tages nannte er mir den Namen eines Bekannten, der nach dem Tode seiner Frau eine Hausdame suchte. Ten Knaben wirst Tu von Tir geben muycn! Ader die Hälfte des Kostgeldes zahle ich! Junger freund, ich weisz, funkelnden Auges, mit lauter, vor innerer Empö rung bebender Stimme habe ich ihm geantwortet: Lieber stelle ich mich als Verkäuferin hinter einen Ladentisch, als daß ich meinen Knaben vor mir gebe! Tu wirst Tich eines Besseren be sinnen! hatte mein Bruder in eisiger Ruhe als einzige Entgegnung. Tu wirft unseres Namens und unserer 3 sei lung eingedenk. Vernunft annehmen und meinen Vorschlag besolgcn! TaS werde ich nicht thun! erwiderte ich ihm eben so kühl. Tie kleine Frau neben mir. deren Augen in Erinnerung an jene Antwort leuchteten, schien in ihrer Erregung bei nahe schön. Spater." fuhr die Erzählerin fort, habe ich mich in cinfamen Stunden hin und wieder gefragt, ob es recht war, meinen Jungen der Unterstützung seine? Verwandten zu berauben. Heute sehe ich darin klar. manchen trüben beängstigenden Gedanken hätte ich mir sparen können. Von meiner Familie verlassen, wandte ich mich an einen der Gläubiger meines Mannes. Notar Bucher war bekannt als ein ebenso klar, wie menschenfreundlich denkender Herr. Er wies mich an Ihren Vatcr. der mir gegen geringe Zinsvergütung eine Summe lieh, mit der sich ein Handfchuhvcrkauf eröffnen ließ. Tas Geschäft lohnte sich. Schon nach Jahresfrist hatte ich die Gewißheit, meinem Knaben eine gute Schulbildung geben zu können. Ihr Vater, der mich bisweilen durch seine Besuche erfreute, gab mir gern allerhand Winke betreffs Rudolfs Erziehung. Im Allgemeinen ging ich freilich auch hierin meinen eigenen Weg. Wif scn Sie noch, lieber Freund, wie böse Sie auf mich waren, als ich glaubte, meinem Jungen das Vergnügen einer Kindergcsellschaft in Ihrem Hause der sagen zu müssen? Und doch geschah auch das nur in bester Absicht, weil ich in mütterlicher Liebe nicht blind war, weil ich meines Kindes Schwäche kannte, die sich bei jeder Gelegenheit in den Wor ten kund gab: Tas ach, das ist schön, Mutter! Tas möchte ich haben!" Später sah ich, Ihr Vater hielt Sie selbst schlicht daß meine Furcht, der Junge könne sich im Verkehre mit Ihnen allerhand unerreichbare Tinge in den Kopf setzen, hinfällig war. Mein Liebling hatte eine zarte Natur. Hierzu trat sein schnelles Wachsthum. Tarum wünschte Ihr Vater eine Stärkung für ihn. Som merrciscn wie die wohlhabenden Leute konnten wir uns nicht leisten. Aber Ihr Vatcr schaffte auch darin Rath. Sie wiffen, ich gab Rudolf während der Ferien zu einem Hofbesitzer aufs Land. Tie frische Haideluft und nicht minder die körperliche Arbeit, die ex,' wenn auch in bescheidenem Maße, zu leisten hatte, sollten ihm Kräftigung bringen. Ter Erfolg blieb nicht'aus. Tie jährliche Sommerfrische unter den schlichten, prächtigen Leuten ward mci ncm Jungen geistig wie körperlich zum Heile. Ta lernte er kennen was es heißt, fein Brot im Schweiße des An gcsichts verdienen und auch mit ge- rmgem Voyne zufrieden sein. Und doch die alte Sorge blieb. Es steckte noch vom Vatcr her in ihm. Auch jene kleine Begebenheit aus dem Leben Lieblings sollen sie erfahren. Rudolf war eingesegnet worden. Ich hatte ihm nichts als einen Anzug und ein Spruchbuch geschenkt. Toch bei den Bekannten mußte er anderes gesehen haben. Kurzum, ich bemerkte, daß er während seiner Gänge mit den Freun den einen dicken Siegelring am Finger trug. Abend nahm ich ihn zu mir, zog ihn an mich und sagte! Rudolf mein Jnnge, schau, hier an meiner Hand saß einst ein Ring. Er stammte von Tel ncm Vater und war mir das Liebste, was ich außer Tir besaß. Als Tu größer wurdest und die Ausgaben wuch scn, nahm ich ihn und gab ihn freudig hin um Deinetwillen!" Mein armer Schelm, bitterlich hat er hernach geweint und von da an gespart, beinahe mit feinem Taschengelde gegeizt Tie Erzählerin schwieg, spielte sinnend mit ihren unbcringten Fingern und be- gann wieder: Ich erreichte alles durch Güte. Geschlagen habe ich meinem Zungen nur einmal und das, als er schon erwachsen, schon Kommis im hiesigen Geschäfte war." Ich horchte auf, während meine alte Freundin im schnelleren Flue zu berichten fortfuhr. Mein Geschäft hatte sich derweilen so gehoben, daß die Anstellung einer Vcr- käufcrin nöthig wurde. Sie war ein schönes lcichtle'bigcs Geschöpf, und ich erkannte bald, daß mein Junge nch in sie verliebt hatte. Eines Sonntags hatte er heimlich einen Tanzboden mit ihr besucht. Ich war aufgeblieben, um den Nachtschwärmer zu erwarten. Al er gegen Morgen heimkam, trat ich ihm entgegen. Er stotterte und suchte nach Ansfluchtc. Toch" die kleine Fran neben mir rang mühsam nach Athem ehe er mich belügen konnte, zuckte es mir in der Hand, und ich schlug ihm eins mitten ins schamubcrgonene Ge sicht Andern Tages kam Rudolf zu mir. Mein Junge, er küßte mir Hände und Wangen. Er sah so bleich aus und blieb auch furder in sich ge kehrt, wie gewandelt Voll Be forgniß beichtete ich alles Jhrcm Batcr. Hören Sie, liebe Frau," sagteer, der Junge mutz fort aus dem Bereiche Ihres mütterlichen Schutzes! Jetzt, gerade jetzt ist's damit an der Zeit!" Schon nach wenigen Wochen hatte Notar Bücher drüben ein Geschäft aus findig gemacht. Und wenige Tage vor dem Tode Ihres Vaters brachte ich meinem Jungen auch dies letzte und schwerste Opfer. Begleitet von meinem Segen, ließ ich ihn zichcn." Rudolfs Mutter sah auf das Bild. Und zu seinem Segen ist alles gewesen. Schon nach einem Jahre schickte mir mein Sahn ein stattliches Sümmchen. Er bat mich, es von ihm anzunehmen. Er hoffe, bald so viel zusammen zu haben, daß ich den- Laden aufgeben könne. Seine Bitte weckte von neuen die alte Sorge in nur. Aber ich glaube, ich that meinen Jungen da mals unrecht, als ich ihm cntgcgncte: Rudolf, ich schäme mich nicht, hinter dem Ladentische zu stehen. Tort stehe ich Nun im fülchlndzwanzigstcn Jahr." Seine Antwort beruhigte mich über die Beweggründe der Bitte. Sie be ruhigte mich, wenn auch nicht ganz. Toch heute " Indem reichte mir die glückstrahlende Frau eincn Brief, den fie vor etlichen 'Wochen erhalten hatte, und der ihr des Sohnes Anstellung in einem New Z)orkcr Bankhaus? meldete, ja. das nicht allcin. auch Rudolss Verlobung mit der Tochter seines ehemaligen Prinzipals. Ich komme in einem Halden Jahre mit meinem Frauchen nach Teutsch land." las ich. Mary soll Tich. heiß geliebte Mutter, sehen so. wie Tu für mich gewirkt hast, hinter dem Laden tische stehend, als Mutter für Tein Kind den schweren Kampf ums Tascin tämpfend. Aber in Zukunft, Mutter, und diesen Wunsch versagst Tu uns nicht lassest Tu zwcj junge Menschen für Tich weiter schaffen und sorgen. Wir holen Tich! Und Tu kommst mit!" Als ich feuchten Auges aufblickte, schüttelte die kleine Wittwe aus dem Handschuhladcn lächelnd das Haupt, Ich ziche nicht mi. Ich bleibe da, wo ich gelebt, geliebt und gearbeitet habe. Aber besuchen einmal besuchen werde ich meine Kinder doch! Ich fühle modern. New Zjork ist nicht weit. Und was den Wunsch eines Sohnes anbc langt, seinem Frauchen die Alte hinter dem Ladentisch zu zeigen; ich schließe hübsch zuvor mein Geschäft! Ich bin kein echtes Weltwunder, das sich an staunen läßt. Ich bin nur eine Mutter." Line Verlobung im Jahre 1,999 Humoreske von (hnn Roden, Selmar Weiblein schwebte im sieben ten Himmel. Er liebte und er wurde geliebt. Tie männliche Schüchternheit und Zurückhaltung, die einem Jüng ling so wohl ansteht, würde ihm nie mals erlaubt haben, dem Gegenstand seiner tiefen Neigung diese zuerst zu verrathen, aber um so glücklicher war Selmar nun, da er aus verschiedenen Anzeichen entnehmen konnte, daß seine Gefühle erwidert wurden. Seit Wochen lenkte jeden Vormittag der Tireltor eines angesehenen Bank Hauses, Fräulein Augusta Mannsbach, ihre Schritte an dem Fenster vorbei, wo er, Weimar, um diese stunde rcgel mäßig eifrig mit seiner Handarbeit be- schäftigt saß, und gestern o Seligkeit gestern hatte Mannsbach ihn auf einem Vereinsball nicht nur zu Tisch mcinesWcführt, sondern auch den Cotillon mit ihm gctanzt. Es war ein entzückender Abend gewesen. Wahrlich, wenn Sel mar's stille Hoffnungen und Wünsche sich verwirklichten, so würde er eine her vorragende Frau bekommen! Sie hatte bei Tisch gesprochen, den Toast auf die jungen Herren, und die Rede war mit so viel Geist und Humor gewürzt ge wcsen, daß allgemeiner Beifall sie gc lohnt hatte. Und wie prächtig Augusta dabei ausgesehen hatte, o, er war ein Glückskind, wenn es so kam, wie er hoffen dürfte! Taß ihm, dem stillen Selmar, ein solches Weib beschicken sein würde, das hätte er nie zu hoffen gewagt. Bei diesem Gedanken ange langt, sprang der Jüngling auf und trat vor den Spiegel. Hübsch, ja hübsch war er, das dürfte er sich gc stehen. Tas zartgcsärbte Antlitz, dic großen, schwärmerischen, blaucn Augen; das zierliche Bärtchcn auf der Ober lippe, die schlanke Figur, hm, ja. es war schon erklärlich, daß er die Blicke manches Mädchens auf sich zog. Aber daß gerade Augusta, für die ihn schon seit lange stille Bewunderung erfüllte, sich ihm zuneigen würde, das hatte er nie zu hoffen gewagt ! So denkend, be gab er sich wieder an seinen Nähtisch, denn Papa hatte ihm aufgetragen, heute die Strümpfe fertig zu stopfen. Eifrig machte er sich an die Arbeit, nur ab und zu einen Blick zwischen zwei blühenden Rosenstöcken, seinen ganz be sonderen Lieblingen, hindurch auf die Straße werfend. Bald mußte sie" ja auf dem jenseitigen Troltoir erscheinen, sie, die der Inhalt seines Lebens war. O, er wollte ihr sicher ein guter, treuer Gatte werden, wenn sie wirklich seiner begehren sollte. Und nach dem gestri gen Abend konnte er nicht mehr zwei- sein. Ta ist sie o Gott, wie schneidig si auftritt, wie gut ihr der schwarze seine Anzug zu dem blonden Haare steht, wie entzückend sie das zierliche Stöckchen mit dem Elfenbeingriffe halt ein herr liches Weib! O, wie er sich geborgen fühlen würde in solcher Hut ! Und wie glücklich die Eltern sein würden, ihren einzigen Sohn so gut versorgt zu sehen! Ta Telmars Herz beginnt stürmisch ... s -u r h.. c.. -tk.: ju uuiHCii uu uu- ul1 yiuiBiyui zögert Augusta eine kleine Weile, dann tritt sie ein. Selmar hört Schritte, hört Thüren gehen kein Zwcifcl, Augusta ist im Bnrcau bei Mama. Bebend wirft der erglühende Jüngling das Stopfzeua beiseite er springt auf und verbirgt sein heißes Antlitz in den weichen Kissen dcr Ehaisclottgne. Kein Zweifel, die entscheidende Stunde ist getommcn. Augusta ist m i'iarna, von ihr selmars Hand zu erbitten. O. wie Papa, der Burcauvorstchcr seiner Gatlin. sich freuen, wie gerne er dem Bund feinen Segen ertheilen wird! O Lelmar. Selmar, hatte Tcin Herz fest damit es die Last des Glückes trage. Tie Frau Rcchtsanwalt Tr. Welblein empiangt den Besucher in ihrem Privat Komptoir, und sie lächelt freudig, als Augusta mit sicherer Stimme ihre Wer bung um Sclmars Hand vordringt Meine Verhältnisse sind Ihnen be tannt. verehrte Frau, so spricht Frau lein Tircktor. ich beziehe ein scstes Ge halt von 12,000 Mark und Tantiemen: außerdem bin ich mit einer hohen Summe in der Lebensversicherung, so daß ich für den Fall eines frühen Todes nieinen Wittwer in gesicherter Lage hin tcrlasse. Ich liebe Ihren sechn von ganzem Herzen, und da Jedermann weiß, daß er ein häuslicher, gut er zogcner Mann ist. so hoffe ich mit ihm recht glücklich zu werden." Ihre Werdung ist mir eine Ehre. Fräulein Tircktor. in der That: auch mein Mann wird dieser Ansicht sein Nur ein Bedenken habe ich. Wir tön neu Selmar keine große Mitgift geben. Tie Ausbildung unserer drei Töchter hat viel gekostetaber natürlich bekommt unser Sohn eine entsprechende Summe als Hcirathsgut. sonstiges Vermögen haben wir nicht, hoffcn jedoch, nun die Kinder alle versorgt sind, noch etwas zu sammeln, was ihnen später zugute kom men wird." O. bitte, ich hatte nur Sclmar's Person im Auge, verehrte Frau, meine Verhältnisse gestatten mir eine Nei- gunilsheirath." Tiefe Versicherung beruhigt mich ebenso sehr, wic sie ehrend für Ihren Eharaktcr ist, Früulcin Mannsbach. Und ich dars wohl sagcn, daß Sie einen tüchtigen Mann an Selmar bekommen werden. Wir werden ihn freilich sehr vermissen im Haus. Seit er ermach scn. hat er meinem Mann alle wirth schaftlichcn Sorgen abgenommen. Nun, man muß sich, eben zu helfen suchen, muß eincn pafscndcn jungen Menschen als stutze für dcn Haushalt engagircn Tann tönncn alle Theile zufrieden sein miaubcn sie, das; ich setzt meinen Mann rufe." Ein Truck auf die Schelle, und Herr Weiblein erscheint. Lieber Heinrich," so wendet sich die Anwaltin an ihn. ich habe soeben die- ,ser Tir bereits bekannten Tame, Fräu- lein .ircitor Mannsbnch, die Hand Selmars zugesagt. Hoffentlich bist Tu einverstanden?" Gewiß, gewiß, meine Liebe, sehr erfreut sogar, wenngleich der gute Junge lins recht fehlen wird. Aber es ist ja Elternlos, daß die Töchter, wenn sie herangewachsen sind, ihrem Beruf leben, die Söhne sich vcrheirathen und dem Weib ihres Herzens folgen. Aber nun sollten wir wohl zu Selmar eilen, der am Ende noch gar nichts von seinem Glück ahnt." Toch, das weiß er, nach dem gestri- gen Abend. Ich habe mir erlaubt. ihm einige Andeutungen über meine Gefühle zu machen, die er zu verstehen schien; er wurde wenigstens ganz roth, was bei seinem zartbesaitcn Gemüth sicher ein für mich günstiges Zeichen ist." Am andern Tage wird die Stadt durch Anzeigen überrascht, die folgender maßen lauten: Meine Verlobung mit Herrn Selmar seltnem, einzigem soyn der Frau Rechtsanwalt Tr. Grcte Wciblcin und ihres Gatten, des Bureauvorstehers Herrn Heinrich Weiblein, geb. Schwach, beehre ich mich anzuzeigen. Augusta Mannsbach. Bankdirektor. Nach acht Tagen findet bei Weibleins ein solennes Berlobungsdiner statt. Alle befreundeten Frauen mit ihren Männern und jungen Söhnen sind er- schienen, ebenso eine ganze Anzahl un- vcrhciratheter, junger Tamen. Nachdem die Suppe verzehrt, erhebt sich die Hausfrau, berührt ihr Glas mit dem Messer und spricht nach eingctre- tener enlle: Hochverehrte Anwesende, liebe Freunde! Tas heutige Fest gilt, wie Se alle wissen, einem Brautpaar. Wir haben die hohe Freude, den lieben Freunden unseres Hauses in Fräulein Bantdirektor Augusta Mannsbach die Verlovie unseres einzigen soynes, vor- zustellen, ein neues Glied unserer Fa- miiie. ES ei mir qe tauet, hier aus zusprechen, wie glücklich wir Elternl'ind Legen wir doch Selmars Hand in die einer Tame, deren ausgezeichnete Eigen schaften sowohl, als ihre Stellung im Leben uns das Gluck unseres Sohnes verbürgen. Und wiederum gebe ich der Hoffnung Ausdruck, dafz unsere treff liche Schwiegertochter in unserem Sohn alles finden möge, was sie sucht, näm lich einen treuen Genossen ihrer Tage, der ihr, die des Berufes Last und Mühe trägt, das Haus zum Paradies zu ma chen weiß. Tas Brautpaar, es lebe hoch, hoch und nochmals hoch! Tie Gläser klingen zusammen, und nachdem die Wogen der Erregung sich gelegt, ergreift die Braut das Wort: mit klarer, volltönender Stimme spricht sie, während Selmar hocherröthend die schönen Augen niederschlägt: Nur ein paar Worte habe ich zu sagen und zwar Worte des Tankes. Tank den Eltern meines geliebten Selmar, daß Sie mir ihr Kind anvertrauten. Ferner lassen Sie mich dcn Eltern das Gelöbniß ae- den, daß ich mich bemühen werde, ihr Bertrauen nicht zu täuschen. Und zu- letzt gebe ich dem Wunsch Ausdruck, alle die lieben Freunde, die beule dieses Fest m:t uns feiern, in Zukunft auch in unserem Haufe gerne einkehren möchten. Mein theurer Selmar wird es sicher versieben. eS unseren tasten behaglich zu machen. Er hat alle hau" lichen Tugenden von seinem trefflichen Vater gelernt und in seiner Mutier, der verehrten Herrin dieses Haukes, hat er in anderer Beziehung ein Vorbild treuer Pflichterfüllung gehabt. Meine geliebten Schwiegereltern sie leben hoch, hoch und nochmals hoch!" Wieder klingen die Glaser zusammen. Selmar schmiegt fein blondes Haupt eng an die Schulter der Geliebten und flüstert ihr zu: Wie stolz machst Tu mich, meine Augusta." Und sie drückt die zarte Hand Sclmars fester unterm Tischunderwidcrt: Mein lieber Junge, wie bin ich glücklich!" Ueber einen heitern Borsall, dcr sich vor einiger Zeit auf dem Ecn traldahnhose einer größer deutschen Provinzialstadt zugetragen schreibt man: In das Zimmer des dienstthucn den Stationsassistcnten tritt gegen 5 Uhr Nachmittags ganz aufgcregt und ver stört ein Reifender mit den Worten: Wo ist denn mein Zug geblieben?" ..Ja. welcher Zug denn." entgegnetedcr Stationsassiflent. hier laufen stündlich viele Züge ein und ans." Ter Zug nach M.." erwiderte dcr Reisende, der eben von S. eingelaufen ist und hier sünf Minuten Aufenthalt hat." Tcr Reisende zeigt bei diesen Worten eine durchgehende Fahrkarte zweiter Klasse von S. nach M. vor. Ich habe mein m Abtheil eben verlassen, in dcr Ersri schungshalle ein Glas Bicr getrunken, und als ich wieder herauskomme, ist mein Zug verschwunden, mein Gepäck dagegen steht auf dem Perron." Tcr Stationsagent sieht dcn Reisen den verständnißlos an. Tas muß nicht mit rechten Tingcn zugegangen sein." antwortete er. um diese Zeit kommt weder ein Schnellzug noch ein anderer Personenzug von S. hier an. Wenn Sie wirklich, wie Sie sagen, mit einem Schnellzuge von S. gekommen sind, so kann dies nur um 3 Uhr gewesen sein. Ter nächste durchgehende Schnellzug von S. kommt erst gegen Uhr hier an und fährt bald darauf nach M. weiter." ..Aber das ist doch gar nicht möglich," entgegnete ganz aufgeregt der Rci sende, ich bin doch bei klarer Besinnung und weiß ganz bestimmt, daß ich mit einem Schnellzuge vor etwa fünf Minu ten hier eingetroffen bin." Ter Stationsassistent zuckte mit den Schultern, als wenn er sagcn will, das begreife ich nicht. Längeres Hin- und Hcrrcdcn bringt keine Klarheit in die Sache, und dcr Rciscnde, dcr auf Grund des Fnhrplans überzeugt wird, daß zwischen 3 und 6 Uhr wirklich kein , Zug von S. nach M. den Bahnhof berührt, entfernt sich schließlich mit den Worten: Na, dann muß ich verrückt gewesen sein!" Kaum ist er fort, da erscheint in dcr halb geöffneten Thür dcr Rangirer K. und fragt mit gchciinnißvollcr Miene Js hei wege (fort)?" Wer denn, erwiderte der Stations assistent. ich verstehe Sie nicht, wen meinen Sie denn?" Na, ick meine dcn Kcerl, dc eben hier was." Tcr Stationsassistcnt horcht aus. das Räthsel scheint sich lösen zu wollen, und richtig, er hat sich nicht geirrt. Ter Ran girer erzählt nun Folgendes: Als dcr schncllzug um 3 Uhr eingelaufen ist, erhält er den Auftrag, den letzten Wagen des Zuges abzuhängen und zur Aus besserung nach der eine halbe Stunde entfernt liegenden Reparaturwerkstatt zu bringen. Aus irgend einer Vcran lassung ist die Ucbcrführung jedoch nicht sofort möglich. Ter Wagen wird vielmehr einstweilen abgehängt, eine Strecke aus dem Bahnhöfe hinausgezo gen und bleibt dort längere Zeit stehen. Endlich gegen 45 Uhr trifft dcr Wagen bei der Reparaturwerkstatt ein. Tcr Rangirer wirft dort zufällig einen Blick durchs. Fenster und erblickt' im Wagen noch eine lederne Reisetache. Bei nähe rem Zusehen findet er auch den dazu gehörigen Reisenden, der anscheinend ganz friedlich schlummert. Was nun Kurz entschlossen, läßt er die noch in der Nähe befindliche Rangirmaschinc wieder vor den Wagen legen und dann geht es spornstreichs wieder nach dem Personen- V bahnhofc zurück. Kaum ist dcr Wagen hier zum Stehen gebracht, da reißt der Rangirer die Wagenthür auf und schreit mit lauter Stimme in denWagen hinein: Hannover, aussteigen!" Ter Reisende fährt aus dem Schlafe auf, springt aus dem Wagen und eilt, da er weiß daß nur Minuten Aufenthalt find, so schnell er kann, in die Erfrischungsballe, ohne sich weiter un, seinen Zug zu betüm mern. Sobald er außer Sicht ist, setzt der Rangirer das Gepäck des Reisenden auf den Perron und verläßt schleunigst mit dem imitirten Zuge dcn Personen bahnhof. So erklärte sich die aebeimni,':. volle Sache auf ganz natürliche Weise auf. Tcr Reisende glaubt wol,l heutigen Tages noch, daß cr dcrzeit an tempora rem Wahnsinn gelitten hat. Die kiaupwrsache. Frau: Bin ich aber srob. dnfc i lich bei der Acrztin gcwcsen bin! Mann: Nun, hat sie dich über den Charakter deiner Krankheit aufgeklart? Frau: Ja, aber sie bat midi midi darüber aufgeklärt, wie schlecht mein neues Jackett sitzt! K j