Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 27, 1899, Image 9

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    Im finstern.
Skizze von Norbert Falk,
Ich benutzte selten Streichhölzchen,
um mir in der Nacht die Treppe hin
aufzuleuchten. In der schwärzesten
Finsternis? verfehle ich nie die ersten
Stufen, steige mit Leichtigkeit empor,
erst zwölf Stufen, dann fünfzehn, dann
eine Biegung nach links und ich bin an
der Korridorthür. Ich brauche nur die
Hand gerade auszustrecken und ich habe
das Marmorplättchen. welches daZ
Schlüsselloch verdeckt, ein Truck und ich
bin im Korridor, vier Schritte und ich
bin an der Thür meines Zimmers.
So war eZ in meiner alten Wohnung.
Im Frühjahr zog ich aus und ich
mußte wider Willen mich die ersten
Abende mit Streichhölzern versehen, um
mich Nachts in dem unbekannten Hause
zurechtzufinden. Ich wohnte zweiTrep
pen hoch, da aber der Witz des Bau
Herrn noch ein Hochparterre" einge
schoben hatte, so mußte ich eigentlich
drei Treppenabsätze empor. Es waren
Rundtrcppen, breit, wenig steil, und
die letzte war mit einem dicken Läufer
bekleidet.
Acht Tage wohnte ich da und ich hatte
mich jeden Abend vor dem Nachhause
gehen sorgfältig mit Streichhölzern vcr
sehen, bis ich eines Abends beim Her
ausholen meines Hausschlüssels be
merkte, daß ich kein einziges bei mir
hatte. Schon überlegte ich. ob ich mir
nicht aus dem nächsten Wirthshause ein
Päckchen holen solle, aber ich mußte über
meine Acngstlichkeit lächeln. Was an
diesen drei Treppen nicht schon zu er
klimmen war. Einmal rechts, einmal
links und ich war oben;' ich mußte mich
doch ohnedies gewöhnen, bald im Fin
stern nach Hause zu gehen, wie ich es in
meiner alten Wohnung gethan hatte.
Ich schloß also auf. schloß die schwere
Hausthür sorgfältig wieder zu und ging
die Treppen hinauf. Es war stock
finster. Die ersten zwei Treppenabsätze
hatten keinen Läufer, das hatte ich mir
wohl gemerkt, erst der dritte, der zu
meiner Wohnung führte, war belegt.
Ich konnte also auf keinen Fall meine
Wohnung verfehlen.
Mich an der Treppenbrüstung hal
end, stieg ich schnell hinauf, ich lief
ast. und merkte erst, daß ich den Läufer
chon unter den Füßen hatte, als ich
wohl schon die Hälfte der Treppe zurück
gelegt haben mochte. Noch einige Stu
fen und ich mußte am Ziele sein. Aber
es wurden immer mehr und mehr Stu
fen. War ich in der Schnelligkeit schon
zu hoch gegangen? Das wäre unvor
sichtig gewesen, aber jedenfalls mußte
ich die Treppe zu Ende steigen. Ich
taste mich vorwärts, der Boden verbrei
tcrt sich, ich bin also am Ende. Rechts
fühle ich die Treppe, die weiter in die
oberen Etagen führt. Sie hat keinen
Läufer und führt wohl zur vierten
Etage, ich bin also wahrscheinlich in der
dritten Etage und darum eine Treppe
au hoch gegangen.
Wie ärgerlich! Jetzt muß ich mich zu
den Stufen zurücktasten und zu meiner
Etage hinuntersteigen. Die Finsterniß
ist undurchdringlich und ich muß die
Wand befühlen und betasten, um mich
zu oricntiren. Die Treppe muß zu
meiner Linken liegen, und wenn ich
langsam geradeaus gehe, muß ich sie
finden. Nach einigen vorsichtigen
Schritten bleibt der ausschreitende Fuß
in der Luft, meine Hand stößt an ein
Geländer, ich bin also auf der Treppe.
Borsichtig taste ich mich an die Wand
und steige abwärts Ich zähle zwölf
Stufen und bin am Ende. Hier mutz
die zweite Etage sein. Ich bleibe wie
der ein Weilchen stehen, um mich zu
rechtzufinden. Ich erinnere mich ganz
genau, daß links von der Treppe die
Thür zur Wohnung meiner Wirthslcute
liegt. Ich muß mich also linker Hand
halten, schreite vorsichtig aus und fasse
beim Tasten den Metallring der clek
irischen Klingel. Der Ring würde noch
nicht die Sicherheit geben, daß ich an
der richtigen Stelle sei, denn die Klin
gclvorrichtung ist wohl an allen Woh
nungcn des Hauses in gleicher Form
angebracht. Aber meine Hand streift
ein Blechschildchen, dann befühle ich
eine mir wohlbekannte Visitenkarte,
mein Fuß stößt an eine Schuhbürsten
Vorrichtung und ich erkenne mit Freude,
daß ich zu Hause bin.
Schnell hole ich den Korridorschlüssel
aus der Tasche, schließe auf. klappe die
Thür zu und will nun zu meinem'Zim
wer. Wie ich micl, aber nach rechts
wende, muß ich stehen bleiben. In
unmittelbarster Nähe höre ich die
schweren, regelmäßigen Athemzüge eines
Schlafenden. Ich' bleibe stehen und
lausche gespannt nach der Richtung.
Sollte mein Zimmernachbar so kräftig
athmen, daß man es durch die Thür
hört? In der Finsterniß sind alle Sinne
schärfer geworden und das Ohr fängt
voller auf. was eS sonst nicht so deutlich
gehört hätte.
Ich will weiter, aber, in demselben
Augenblick knarrt ein Bettgcstell. ich
höre ein Räuspern und gleich darauf
wieder den regelmäßigen Athem. Vor
sichtig gehe ich weiter, mein Fuß stößt
an ein Bett und die geradeaus gehaltene
Hand faßt an das dichte Haar eines
Kopfes. Ich zucke zusammen und weiche
entsetzt zurück. Ich bin also doch irre
gegangen und bin in einer fremden
Wohnung. Aber daß mein Schlüssel
die Thür schloß? Solch ein Zufall
konnte sich immerhin in einem Hause
fügen. War ich aber hier in einer
fremden Wobnung. so befand ich mich,
hier ebenfalls auf einem Korridor.
M.SmllWgA
Jahrgang 20. Beilage zum Nebraska Ttaats-Zlnzeiger. No. lo.
Seltsam aber, daß hier Jemand schlief,
ich mußte also entweder eine Etage zu
tief oder eine zu hoch gegangen fein.
Oder war ich in der richtigen Etage und
hatte die gegenüberliegende Wohnung
aufgeschlossen? Alle diese Gedanken
schössen mir blitzartig durch den Kopf.
Ich mußte mich jetzt so schnell als mög
lich entfernen. Ich ging einen Schritt
nach rückwärts, trat lauter auf. als ich
wollte, und der Schlafer räusperte sich
wieder. Jetzt knarrte das Bett, ich
hörte deutlich, wie er sich umwandte.
Das Geräusch, das ich verursachte, hatte
ihn im Schlafe gestört. Ich hielt mich
mäuschenstill und bemühte mich, im
Finstern die Richtung nach der Thür zu
fühlen. Meine Hand geradeaus
streckend, schritt ich langsamund vor
sichtig aus.
Da regte sich wieder der Schläfer.
Wie, wenn er jetzt erwachte und hörte,
daß ein Fremder im Raume sei? Mir
klopfte das Herz bis zum Halse empor:
Wenn ich jetzt nicht gleich die Thür fin
den würde oder über einen Gegenstand
stolperte, daß der Schlafende vollends
erwachte wenn er mich anrief?
Wenn er sich aufrichtete und mich für
einen Einbrecher hielt er konnte
auf mich schießen, Lärm schlagen oder
blind schießen wie auf einen Dieb.
Mit jähem Schrecken hörte ich wieder
das Bett knarren. Der Mann beugte
sich und ich glaubte einen hellen Flim
mer in der dichten Finsterniß zu sehen.
Er schien sich zu bewegen und aufstehen
zu wollen. Wenn er jetzt Licht machte
war ich verloren. Mein Herz klopfte
mit hörbaren Schlägen und ich wagte
nicht, mich zu rühren. Mit angehalte
nein Athem starrte ich in die Finsterniß.
Die Gefahr, in der ich mich so plötzlich
befand, trieb mir eine jähe Hitze zu
Kopf, mir brannten die Schläfen, und
in einer plötzlichen Energie tastete ich
mich rechter Hand, stieß an die Wand,
fühlte mich sacht an dieser entlang.
Sie schien endlos zu sein, aber plötzlich
stieß ich an eine Thürfüllung und ein
Schauder der Erleichterung ging mir
über die Brust und den Rücken. Meine
Hand zitterte leicht, aber sie fand schnell
den Drücker', die Thür öffnete sich und
behende, mit möglichster Geräuschlosig
keit schloß ich sie hinter mir zu. Tief
athmete ich auf.
Aber wo befand ich mich jetzt? Wenn
der Mann da drinnen durch das Zu
drücken der Thür erwacht war, konnte
er mich noch immer abfassen. Doch
jede Schnelligkeit wäre jetzt gefährlich
gewesen.
Wo befand ich mich nur? Pechschwarze
Finsterniß rings um mich. Ich durch
wühle alle Taschen nach einem Streich
Hölzchen. In keiner einzigen finde ich
was. Mein Portemonnaie mit dem
ganzen Inhalt würde ich jetzt für ein
Schüchtelchen Wachszünder geben, und
mir fällt die alte Frau ein, die mir in
der Lcipzigcrstraße die Zündhölzer bit
tend hingehalten hatte. Eines war mir
in der Finsterniß klar. Ich mußte jetzt
die Treppe erreichen und sie ganz hin
untersteigcn. Unten angekommen,
würde ich bei guter Vorsicht mich zu
rechtfinden und dann nochmals, behüt'
fam und mit Aufmerksamkeit die drei
Treppenabsätze hinaufsteigen und dann
die rechte Thür nicht mehr verfehlen.
Aber wie jetzt die Treppe finden? Ich
taste langsam und vorsichtig, Schritt
chen für Schrittchen, taste mich die
Wand entlang und bin bald an der
Treppe. Ich fasse nach der Brüstung
und steige hinab. Ich trete hart auf
und merke, daß kein Läufer die Stufen
bedeckt. Ich bin also ohne Zweifel in
der ersten Etage oder im Hochparterre.
Aber die Stufen nehmen kein Ende.
Ich werde stutzig, halte inne und jetzt
merke ich. daß die einzelnen Stufen
kleiner, der Treppe schmaler ist. Auch
die Brüstung fühlt sich anders an.
Was ist das für eine Treppe? Aber ich
glaube, daß mich die Finsterniß und
die Aufregung verwirren, und steige
weiter hinunter. Endlich trifft mich
Tümmcrschein, ich trete auf harte Flie
fen, ich bin an einer offenen Thür und
wie ich durchschreite, stehe ich auf einem
von hohen Mauern umgebenen Hof.
Riesige Mauern, drin die Fenster wie
schwarze Löcher. Um Gotteswillen, wo
war ich denn dahingerathen? Nun
wußte ich. Ich war die Hintertreppe
hinabgegangen, die zum Hofe führte.
Wie war ich aber zur Hintertreppe
gekommen? Kein Zweifel, ich hatte in
dem Korridor, in dem der Mann schlief,
nicht die Thür zum Flur, sondern zur
Hintertreppe ertappt. Was nun? Wie
der denselben Weg zurück? Um keinen
Preis der Welt! Also mich hier ruhig
hinkauern und den Morgen erwarten?
Schon fühlte ich. wie mir die Energie
schwand und ich dem Gedanken nach
geben wollte. Aber noch Eines mußte
ich versuchen. Vielleicht die große Hof
thür öffnen und ich konnte in's Vorder
Haus gelangen. Ich tappte mich vor
sichtig hin. sie war geschlossen. Apathisch
lehnte ich mich an sie an. Von draußen
der hörte ich das dumpfe Rollen der
Droschken. Da überkam mich plötzlich
der Gedanke, ob ich nicht gar in ein
fremdes HauS gerathen sei. Das
scheuchte mich auf. ich rüttelte an der
Thür, sie gab nicht nach, aber ich er
kannte ein niedriges Seitenthürchen,
das offen stand. Schnell schlüpfte ich
durch, ganz gradaus. dann einige
Tteinstufen empor und ich befand mich
an der Hausthür. Es war meine wohl
bekannte Hausthür. Schnell schloß ich
sie auf und war auf der Straße. Hoch
athmete ich in einem Gefühl der Frei
heit auf.
Streichhölzer schaffen, war mein erster
Gedanke. Es war schon sehr spät und
kein Restaurant mehr offen. Da hum
pelte eine Droschke vorüber und ich rief
den Kutscher an, ob er nicht Streich
Hölzer habe. Ich reichte ihm fünfzig
Pfennig und verschlafen holte er ein
Packet aus der Tasche. Nun hatte ich
Licht, nun war Alles gut. Ich schloß
auf, zündete an und stieg schnell die
Treppen empor. Bald war ich an der
Thür, an der mich meine Visitenkarte
vertraut anlächelte. Ich öffnete schnell
und geräuschvoll und klappte die Thür
kräftig zu. Wie ich mich umwandte,
stand ich starr und riß vor Staunen die
Augen auf.
Auf einem Feldbett lag ein bärtiger
Mann mit wirren, dichten Haaren und
starrte mich verschlafen an.
Wie kommen Sie hierher?" fragte
ich und leuchtete dem Manne in's Ge
ficht. Ach, entschuldigen Sie," sagte er.
aus der Verschlafenheit sich aufraffend.
Ich bin heute von außerhalb zum Be
such meiner Schwägerin, eingetroffen,
und da sie mich nicht anders unter
bringen konnte wissen Sie , hat
sie mir im Korridor auf einem Feldbett
aufbetten lassen "
Ich sah ihn noch immer erstaunt an
und er lächelte.
So dann verzeihen Sie meine
Störung " sagte ich und ging mit
verwirrtem Kopf in mein Zimmer. Ich
war also vorhin doch ganz richtig ge
gangen! War auf meinem Korridor,
hart an meinem Zimmer, und hatte so
viel ,Angst und unnützes Jrrwandeln
auszustehen? Nun lachte ich fast. Die
Finsterniß und meine Unvorsichtigkeit
trugen die Schuld. Daß mir von nun
an ja kein Streichholz mehr in der
Tasche fehlt!
Gestern ging ich wieder im Finstern
nach Hause, aber es ging Alles glatt.
kzausherrenfreuden.
Humoreske von M. ff i p p e r t.
Nee. Kinder, wat zu viel is, is zu
viel, ecn bisken Spaß läßt man sich ja
jefallcn. aber det is denn doch zu doll."
Was haben Sie denn, Freund Lch
mann, erzählen Sie doch, was ist
Ihnen denn passirt? Sie sind ja aus
Luft und Athem."
Na. denn passen Se mal uff
Fritze, bringen Sie mir noch 'ne Weiße,
un' denn kann't losjehen."
Dieses Gespräch wurde in einer söge
nannten alten Berliner Weißbierstube
geführt, an deren Stammtisch vier ge
wichtige" Spießbürger saßen, jeder sein
rundes Glas mit Weißbier vor sich, aus
dem zu trinken der nicht Geübte wegen
des großen Umfanges mit beiden Hirn
den zufassen muß.
Ich saß am Nebentisch und spielte
den unbefangenen Beobachter. Die
nun folgende Erzählung des vorhin
mit Lchmann benamseten Stammtisch
gastes ließ mich bald mit größter Auf
merkfamkeit zuhören.
Nachdem Fritze" eine neue Weiße
gebracht, that Herr Lehmann einen
tiefen Zug. nahm eine frische Prise und
begann sein Abenteuer zu erzählen.
Also wat soll ick Ihnen sagen,
meine Herren." begann Lchmann, wie
Sie wissen, bin ick vorjcstern jezogen.
Sie wissen ja, det ick dreizehn Jahre in
die olle Bude in der Schumannstraße
jewohnt habe, aber jetzt hatt ick et doch
dick. Der Wirth ließ aber absolut
nischt machen, un' die olle Bude war
durchaus reencvirungsbcdürftia. da
sagte ick mir denn nu aber 'raus."
Na also jut, ick bin doch vorsichtig
un' bestelle mir den Zichfritzen, wat
der Mcbelfuhrmann is, um 6 Uhr
frieh, un' wat mcen Se woll, wenn er
jekommcn is? Abends um sechse, so det
ick also glicklich um ecn Uhr Nachts det
letzte Stick von meine Sachen in meine
ncie Behausung hatte, natierlich hatten
mir die Kerls ecne Spindendiehre inje
drickt. sonst war allens bis uff die zcr
brochcne Marmorplatte von die Wasch
tollette janz jeblicben. Na, ick dachte,
bei jeden Umzug jcht ja wat kaput.
also jute Miene zum bescn Spiel
jcmacht, un' die Sache is dodt. Zum
Schluß kommt natierlich die Berap
pungsarie, un' ick jebe den Obersten
von die nein Kimmclbricdcr zehn Mark
Trinkjeld un' sage: 'Na, Kinder, nu
jcht man los. det Jdrige were ick un'
meine Olle mir allcene kaput schlagen."
Nee." sagt der Kerl, da legen Sie
man noch ecn paar Märker zu, die zehn
Mark haben wir heite morgen schon
verfricstückt, un' der Ollen muß man
Abends doch ooch een paar Pimperlinge
mit zu Hause bringen, sonst macht se
Radau."
Na nu rede Tu Kuhnheim." deute
ick. det is doch doll. Wat soll ick
Ihnen sagen, ick habe noch fünf Meter
zujelegt un' war froh', die wandelnden
Destillationen los zu sind Is det nich
zum schrei'n?"
Bis hierher hatte ich der umstünd
lichen Erzählung des biederen Berliners
gelauscht und dachte mit Schrecken
daran, daß ich zwei Tage später eben
falls umziehen müßte.
Schnell bezahlte ich meine Zeche und
ging nach Hause.
Unterwegs kaufte ich mir eine Post
karte und schrieb sofort an den Möbel
fuhrmann. welcher zwei Tage später
meine Wirthschaft in die neue Woh
nung bringen sollte, daß er am verab
redeten Tage auf jeden Fall pünktlich
morgens sechs Uhr erscheinen möchte.
Meine Frau war nicht zu Hause, sie
war zum Geburtstag einer Freundin
geladen. Ich nahm daher die Post
karte, um sie noch in den Briefkasten
zu stecken, damit sie am andern Morgen
in den Besitz des Möbelfuhrmannes
komme.
Nachdem ich noch im benachbarten
Restaurant einige Pilsener genehmigt,
begab ich mich wieder in meine Woh
nung und bald darauf zur Ruhe, das
heißt, ich legte mich auf's Sopha, um
ein bischen zu ruhen. Meine Frau war
noch nicht zurückgekehrt.
Ich konnte wohl noch nicht lange ge
schlafen haben, als ich plötzlich durch
ein unbestimmtes Geräusch geweckt
wurde. Eilenos sprang ich vom Sopha
auf 'und gewahrte acht bis zehn Basser
mannsche Gestalten in meiner Woh
nung, welche schon die Hälfte der
Sachen aus derselben entfernt hatten
und eifrig damit beschäftigt waren, das
Weitere hinunter zu schaffen. Ich war
sprachlos und fragte, nachdem ich mich
von meinem Schrecken erholt, was denn
das Wegräumen meiner Sachen bedeu
ten solle, worauf ich die Antwort er
hielt: Na, Männcken, Sie sind woll
von'n Torfkahn iiberfahr'n, sch'n Se
denn nich, det wir uffladen, Sie hab'n
doch heite Abend noch ne Postkarte
jefchricben, det wir pinktlich sin sollten,
un' ddmit wir et nich versessen, sind
wir jleich jekommcn, nu sind wir janz
pinktlich, un' nu' is et ooch nich recht,
nee man-kann die Herrschaften ooch nie
zufrieden stellen."
Aber. Mann," erwiderte ich. wie
können Sie denn meine Sachen jetzt bei
Nacht aufladen, ich kann ja noch gar
nicht in meine neue Wohnung, der
jetzige Inhaber derselben ist ja noch
garnicht ausgezogen, außerdem ist ja
auch meine Frau noch nicht zu Häuft."
Det schad' nischt," meinte die der
körpte Kümmelflafche. Ihre Olle hol'n
wir nach."
Dabei nahm er einen noch nicht ver
schnürten Korb mit Pozcllan auf die
Schulter, wobei die Hälfte des Inhalts
heraus auf den Boden stürzte und ich
zu meinem Schrecken bemerkte, daß das
Kaffeeservice für zwölf Personen,
welches wir als Hochzeitsgeschenk von
meiner Schwiegermama erhalten hatten,
in Trümmer war.
Herr Gott, Mensch. Sie schlagen
mir ja die ganze Wirthschaft in
Klump!" rief ich außer mir vor Wuth.
Na, beruhigen Sie sich man,
Männcken," erwiderte der gleichgiltig,
der Milchtopp is ja noch janz, det
Uebrige kennen Se morgen bei meine
Olle toofen. die hat eenen Pozellankcl
ler, schcene billige Sachen, for zehn
Mark koofen Sie det halbe Jcschäft."
Ich hatte mich von meinem Schreck
noch nicht ganz erholt, als ein anderer
der meine Wirthschaft mituntcrgrabcn
helfenden Vandalen erschien und mir
meldete, daß mein großer Kleider
schrank soeben beim Aufladen in Trüm
mer gegangen sei. Er wußte mir die
Nachricht jedoch recht schonend zu über
bringen, indem er meinte: Det olle
Spinde haben Se woll von Ihre Jroß
mutier jeerbt. det scheint ja schon dausend
Jahre alt zu sind, ick habe't blos uff
det Pflaster fallen lassen, un' dabei jing
et aus'nander wie'n Pfannkuchen."
Mann!" schrie ich entsetzt, das ist
ja ein ganz neuer Kleiderschrank, den
ich erst vor acht Tagen gekauft habe, er
kostet zweihundert Mark."
Nach diesem Ausruf stürzte ich zur
Tbür hinaus, um mir das Unglück mit
eigenen Augen anzusehen, stieß jedoch
mit einem in Eile die Treppe herauf-
kommenden korpulenten Herrn zusam
men, welcher sich gleich darauf als
mein bisheriger Hauswirth entpuppte,
dem ein Schutzmann auf dem Fuße
folgte.
Hier, Herr Wachtmeister, das ist
der Ausreißer," meinte der Hauswirth,
ich bitte, daß Sie den Mann sofort
verhaften, er will nämlich rücken und
hat die Miethe noch nicht bezahlt."
Sie befinden sich wohl im Irrthum,
Herr Steigerrr." erwiderte ich ruhig,
ich habe stets meine Miethe bezahlt,
und wenn ich hier Nachts ausziehe, so
kann ich nicht dafür, die Zichleutc
scheinen am Tage keine Zeit zu haben."
Na, wenn Sie die Miethe bezahlt
haben," meinte der behelmte Hüter der
nächtlichen Unsicherheit, denn müssen
Sie ja auch die Quittung haben."
Da haben Sie recht," erwiderte ich,
ich werde sie gleich suchen, bitte warten
Sie einen Moment." In diesem
Augenblick wurde ich durch ein furcht
bares Getöse in meinem Salon aufge
schreckt, ich stürze in diesen hinein und
nehme zu meinem Entsetzen wahr, daß
einer der Schlepper" soeben meinen
großen Wandspiegel umgeworfen hat,
welcher auf den Kronleuchter gefallen
und dieser sowohl, als auch der Spiegel
in tausend Stücke gegangen war.
Wie ein Verrückter will ich auf den
Unvorsichtigen losstürzen, stoße mich
aber hierbei an dem im Wege stehenden
Büffet derart an den Kopf, daß ich zu
Boden stürze.
Aber Alwin, weshalb gehst Tu
denn nicht zu Bette und legst Dich hier
auf den Teppich, Du hättest Dich doch
wenigstens auf's Sopha legen sollen,"
hörte ich auf einmal meine Frau sagen.
Ja, wo sind denn die Zichleute und
der Wirth und der Schutzmann, sind
wir denn nicht im Umzüge?"
Ich glaube. Du hast geträumt,
Schätzchen," lachte meine Frau, ich
komme soeben nach Hause und habe
nichts von Ziehleuten und Wirth und
Schutzmann gesehen. Ja ja, das
kommt davon, wenn man eins mehr
trinkt, als einem dienlich ist."
Du hast recht, Kind." wagte ich
noch zu bemerken, rieb meine Stirn,
mit welcher ich beim Herabfallen vom
Sopha an das Tischbein gestoßen und
begab mich zur Ruhe.
Alte Schuld.
EriShlung von Gustav L ö s s e l.
In seinem Privatkontor saß der reiche
Antwerpener Handelsherr van der
Smitten und lauschte zum ersten Male
an dieser der Arbeit geweihten Stätte
einem Bericht, der nicht von Geschäften
handelte.
Du kennst Herrn Kapitän Send
borg als ehrcnwerthen Mann." schloß
seine Tochter den Bericht mit freudigem
Stolze, hast ihn selbst als solchen er
funden, und. nicht wahr, Vater, wenn
er nun kommt und um meine Hand
anhält Du wirst ihm nicht nein
sagen?"
Der alte Herr war sehr ernst gewor
den. Diese Verbindung seines ein
zigen Kindes mit einem Seemann war
gar nicht sein Geschmack. Was sollte
nun aus dem Geschäft werden, das er
gegründet und in anstrengender zwan
zigjähriger Arbeit zu einem Welthause
ausgebaut hatte. Er hatte sich einen
Kaufmann zum Schwiegersohn ge
wünscht. Der alte Herr schüttelte mißbilligend
den Kopf. Tu nimmst es viel zu
leicht." sagte er. Ein Seemann, der
drei Viertel des Jahres unterwegs
ist"
Um so länger hast Du mich noch
weiter ganz allein."
Und dann die Gefahren, von denen
er beständig bedroht ist."
Gerade diese bestandenen Gefahren,
von denen er uns so oft erzählte,
haben ihn meinem Herzen theuer ge
macht." Gut zu lesen." brummte der Vater,
aber nicht zu durchleben. Du wirst es
bereuen."
Nie, nie!"
Herr van der Smitten war nicht ge
wohnt, seinem Liebling etwas abzu
schlagen, und so sagte er endlich mit
schwerem Herzen ja.
Johanna umarmte den Vater stür
misch und eilte überglücklich von dan
neu, um den ihrer harrenden Geliebten
zu benachrichtigen.
Wenige Minuten später betrat dieser
das Kontor. Es war'ein typische See
mannsgcstalt, schlank, sonnengcbräunt,
Energie in jcdcm Zuge seines männlich
schönen Gesichts.
Ueber die Prü'iminarien kam man
leicht genug hinweg. Tann erbat Herr
van der Smitten von seinem zukünfti
gen Schwiegersohn einige Mitthcilun
gen über seine Familie, von welcher
der Kapitän bisher noch nie gesprochen
hatte.
Meine Familie, ja " sagte der
beklommenen Herzens. Das ist'S ja
eben. Es ruht da noch eine Schuld,
die zu tilgen mir vordcdaltcn blieb."
Herr Sendborg !"
So beiße ich nicht."
Wie?"
Sendborg ist nur ein angenom
menerName." Angenommen, um zu tauschen,"
sagte der Kaufbcrr streng. Ich glaube,
das macht jede weitere Erklärung ihrer
scitZ überflüssig, und unsere Unter
rcdung ist hier beendet.
Er stand auf. Seine Haltung war
wieder kühl und geschaftsmannisch.
Tcr Kapitän stand ebenfalls auf.
Seine Miene war ernst.
Tennoch werden Sie meine Erklä
rung noch hören müssen." sagte er.
Mein Vater war ein reicher Handels
Herr, wie Sie. Herr van der Smitten.
Verfehlte Spekulationen bewirkten sei
nen Ruin. Nach langen, vergeblichen
Bemühungen, sich wieder emporzuardci
ten, nahm er endlich eine Buchhalter
stelle an. Eines Tages hatte er das
Unglück, auf dem Wege zur Bank eine
Brieftasche mit 20,00 Mark Inhalt zu
verlieren. Man hielt das nicht für
möglich, beschuldigte ihn. die Summe
beiseite geschafft zu haben, und bewirkte
seine Verhaftung. Eine Haussuchung
fand statt. Wir wurden den peinlich
stcn Verhören unterworfen. Das er
trug der Unglückliche nicht. Noch vor
der Hauptvcrhandlung erhängte er sich
in seiner Zelle, was man als einen
neuen Schuldbeweis ansah.
Wir Kinder wurden auseinander
gerissen. Ich ging zur See. Was ich
aber mitnahm, das war der Gedanke an
Rache. Nur mir allein war die Auf
gäbe geblieben, Licht über die dunkle
Vergangenheit zu breiten und den ehr
lichen Namen meines Vaters wieder her
zustellen. Und es ist mir schon ge
lungen. Der Mann, der jenes Geld
gefunden, um dessentwillen mein armer
Bater in den Tod gehen mußte, der
Mann sind Sie!"
Ich?! Wie wollen Sie mir das be
weisen?" ächzte er.
Ich nenne Ihnen nur einen Namen
Peter Newkirk!"
Der andere erwiderte nichts.
Er stand einst in Ihren Diensten."
fuhr der Kapitän fort, und er hat Ihr
Geheimniß erlauscht. Für 5000 Mark
gelobte er Schweigen und ging mit die
ser Sumnie über's Wasser. Wir reisten
zusammen. Bei einem Schiffbruch ret
tete ich ihm das Leben. Das machte
uns zu Freunden. Sterbend gestand
er mir alles, aber nicht, bis ich ihm
einen Schwur geleistet, gegen Sie nichts
zu unternehmen, denn Sie hätten in
Verzweiflung gehandelt, um den Zu
sammenbruch Ihres Geschäftes abzu
wenden und Ihre Familie vom Unter
gang zu retten. Ich habe meinen
Schwur gehalten. Aber jetzt, wo ich
her kam. um Sie um die Hand Ihrer
Tochter zu bitten, und Sie mich nach
meiner Herkunft fragten, mußte diese
alte Schuld getilgt werden. Die Liebe
zu Ihrem Kinde hat alle bösen Gedan
ken in mir zur Ruhe gebracht. Es ge
nügt mir, daß Ihnen Gelegenheit ge
worden, an dem Sohne wieder gut zu
machen, was Sie an dem Vater gesün
digt haben.' Ich will nicht Ihr Geld.
Wollen Sie mir Johanna's Hand ver
weigern, so muß ich entsagen. Ich will
keinen Zwang auf Sie ausüben. Mei
nen Schwur werde ich halten.''
Der tieferschütterte alte Herr brachte
unter Thränen hervor: Sie lösen die
Qual von Jahren. Nun lassen Sie
mich die alte Schuld tilgen, indem ich
Ihnen mein Liebstes gebe, mein Kind!
Sie wird mich einst beerben, und so
wird Ihnen mit Zinsen und Zinses
Zinsen alles wieder zufallen, was ich
Ihnen einst genommen."
Johanna, von Ungeduld getrieben,
eilte herbei, und dann tönte Jubel
durch's Haus. In der Antwerpener
Handelswelt aber wurde es viel be
sprochcn, daß der Reiche van der Smit
ten einen simplen Seemann zum
Schwiegersohn genommen.
Der gebildete Schutzmann.
Wenn Sie nicht sofort das Singen
unterlassen, arrctire ich Sie!"
Ach was! Singe, wem Gesang
gegeben," heißt es im Uhland!"
Sie sind aber hier in Deutschland
und nicht in Uhland!"
Berechtigte Frage.
Vater (der Braut): Wissen Sie,
mit meiner Tochter gebe ich Ihnen das
Theuerste, was ich habe!"
Bewerber: So?... Na, wie viel
hat sie Ihnen denn jährlich gekostet?"
Unbewußtes Bekenntniß
Rechnungsrath (zu seinem Kollegen):
.. .Dir will ich es anvertrauen: Ich
schreibe seit einiger Zeit gegen Honorar
kleinere Beitrüge für belletristische Zeit
schristcn!... Tu glaubst gar nicht,
welch' einen reizvollen Werth das Geld
hat. das man sich durch Arbeit ver
dient!" verzweifelter Ausweg.
A: .. .Ist's denn wahr, daß Tu
Deine Köchin, die alte, wüste Person,
hcirathen willst?"
Junggeselle: Allerdings! Weißt
Tu. sie kocht halt so miserabel, daß
ich's nimmer aushalten kann. Kündi
gen läßt sie sich nicht, im Wirthshaus
essen darf ich auch nicht da bleibt
mir nichts Anderes übrig, als: ich hei
rath' sie und nehm' mir eine andere
Köchin!"