Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 20, 1899, Image 12

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    Der InseKrzt.
i!on Hermann :Uüincr.
AIS der junge Arzt I:. Thorbecke
eilig seinem Quartier am Biiloroplafe
iiickritt. das er aemein'.im mit der
alten Mutter bewohnte, war die Täm
nieruna schon hereingebrochen. Er be
saß nur wenige Patienten. trotzdem er
bereits über ein Jayr prainzine, uno
eS wurde ihm manchmal sehr schwer.
für sich und die Mutter, die er mnig
liebte und verebrte. auch nur das Allev
nöthigste beizuschafsen. Manche sahen
wohl der hohen, schlanken Gestalt Theo
dor's nach, wie er mit elastischen -chrit
tcn dahineilte, aber leiner von ihnen
bemerkte die stillen Kummerfalten auf
seinem hübschen männlichen Gesichte.
Als er in der dritten Etage die
Entrecthür mit dem großen Porzellan
schild: Tr. Th. Zhorbccke. praktischer
Arzt" öffnete, da überflog ein weh.
wüthiges Lächeln seine Züge, wie er an
die stolzen Hoffnungen dachte, die ihn
einst beim Andringen dieses Schildes
erfüllt hatten. Ader er wollte nicht
traurig sein, um der guten Mutter sei
nen unnöthigen Kummer zu bereiten.
Toch wo blieb sie? Er war gewohnt,
von ihr auf der Schwelle empfangen zu
werden. Aber noch erstaunter wurde
er, als er beim Oeffnen der Wohn
stubcnthür die alte Tame in Thränen
aufgelöst mit dem Lesen eines Briefes
beschäftigt am Fenster sitzen sah.
Mut'tei, liebes Muttcl, was hast
Tu?"
Er hatte sich auf einen Stuhl neben
ihr niedergelassen und streichelte ihre
schmale Wange.
Höre mich einen Augenblick an,
Theodor, ich will Dir den Grund
meiner Thränen sagen. Du wirst kaum
wissen, daß Du einen Onkel hast, mei
nen Bruder!"
Doch Muttel. Vater sprach einmal
davon den Jnselarzt !"
Ja, ihn meine ich. Wir haben uns
seit achtundzwanzig Jahren nicht mehr
gesehen und außer einem einzigen Male
auch nicht geschrieben. Als ich Deinen
Vater hcirathete. der ein armer Gelehr
tcr war. da that ich es. nach schmerein.
inneren Kampfe, gegen den Willen
meiner Angehörigen, die mich bereits
vorher einem reichen Marschbauern ver
sprechen hatten. Aber meine Liebe zu
Deinem Vater war stärker als mein Ge
horsam gegen Eltern und Bruder, und
da haben sie ihre Hand von mirabge
zogen. Nun Gott hat uns geholfen,
sodaß wir Dich Deine Studien beenden
lassen konnten. Dann starb unser guter
Vater und Tu weißt, in wie bittere
Noth wir geriethen."
Aber Muttcl, warum hast Du nie
vorher mit mir darüber gesprochen!
Also das war Dein stiller Gram, der
Dir so oft heimliche Thränen ausge
preßt hat?"
Ja, Theador. Meine Eltern star
ben bald nach meiner Verheirathung
und hatten mir nichts hinterlassen. Ihr
starrer Trotz hatte bis zum Grabe aus
gehalten. Mein einziger Bruder,
Georg, hat nur einmal geschrieben, und
dzs war nach dem Tode Deines Vaters.
Da verlangte er. Tu fälltest Teine
Studien abbrechen Und draußen bei
ihm in Ostfricsland Landwirth werden.
Ich forschte Dich heimlich aus und als
ich sah, wie innig Tu an Deinem Be
rufe hingst, da habe ich nach kurzem
Kampfe seine Hülfe zurückgewiesen und
wir beide haben und redlich bis jetzt
durchgeholfen. Es muß eine Vor
ahnung gewesen sein, daß mir gerade
heute die alten Geschichten wieder ein
fielen, denn vorhin traf dieser Brief
ein. Er ist von meinem Bruder. Lies
selbst und dann sage mir Teine Mci
nung." Du wirst erstaunt sein, liebe Schwe
ster, nach so langer Zeit eine Nachricht
von mir zu erhalten. Mir ist man
cherlei zu Ohren gekommen, was mich
veranlaßt. Dir heute einen Vorschlag
zu machen. ts geht Euch schlecht. Dir
und Deinem Jungen. Nun, das wun
dcrt mich, denn ein Arzt, der was ge
lernt hat und nicht bummelt, sollte,
dcucht mir. auch sein Brot finden.
Toch zur Sache: Ich wünsche mich zur
Ruhe zu setzen. Schiae Teinen Jungen
sofort zu mir, damit ich ihn kennen
lerne und sehe, ob er es verdient, daß
man sich seiner annimmt. Schlägt er
ein, so soll er meine ganze Praxis über
nehmen und Tu kannst nachkommen
Schlägt er nicht ein, so bleibt alle;
beim Alten. Zch erwarte ihn sofort.
Tie beiliegenden Scheine sind für die
Reise. Mit bestem Gruße Tein Bru
der Georg."
Mutter, welch harter, gefühlloser
Brief ! Nun und nimmer werde ich
darauf eingehen!"
Aber zu seinem größten Erstaunen
stimmte Frau Thorbecke damit nicht
überein.
Nein, Theodor. Tu mußt hin, schon
um ihm zu beweisen, daß Tu nicht der
verlotterte Arzt bist, für ben er Dich
hält und dann glaube nur, ich kenne
seine Art ! Hinter seinen Zeilen steckt
viel mehr Güte und Wohlwollen, als
Tu ahnst."
Ach Muttel Berlin! Ich soll mein
geliebtes, fröhliches Berlin verlassen,
um in dieser nordischen Barbarei die
Launen eines hartherzigen Onkels zu
ertragen?"
Aber die Mutter brachte soviel ge
wichtige Gründe vor, daß er endlich
nachgab und sich bereit erklärte, in den
nächsten Tagen zu reisen.
Es war ein frischer, etwas windiger
Morgen, als die Küstenbahn sich Ha- j
rungersiel näherte. Theodor erwachse
aus unruhigem Schlummer und starrte
enttäuscht aus die endlosen Wiesen mit
den vcrcink'lten. aus dichten Baum
kroßen dervorfeher.den Gehöften. Noch
wenige Minuten und der Zug hielt bei
der Endstation, dem kleinen strand
dorse kiarunaersiel.
.Mein Berlin, warum mußte ich
Dich lassen!" sagte er wehmüthig, als
er semen Koffer nahm und durch Die
wenigen Hauser des Dorfes zum
Strande schritt. Auch dieser imponirte
ihm nicht sehr, er hatte sich denselben.
wie die meisten Binnenländer, weit
romantischer gedacht. Da bemerkte er
ein Segelboot, in welchem ein alter
Mann. 'in arober Fricsiacke und mit
einer wollenen Kappe auf dem Kopfe,
arbeitete.
Theodor war benachrichtigt worden,
daß er in Harungersiel durch ein Segel
boot abgeholt würde. Da der alte
Mann keinerlei Notiz von ihm nahm,
so trat er unschlüssig wieder zurück, um
auf das Wasser zu sehen. Vielleicht
war es nicht das rechte Boot, und dann
wollte er seine Ankunft erwarten. Ueber
dem Wasser lag. kaum erkennbar, das
Ziel seiner Reise, die Insel. Da wurde
er 'von dem Manne im Boot ange
rufen. Halloh!"
Er trat näher.
Doktor Thorbecke aus Berlin? Ja?
Tann steigen Sie nur ein. Ist das
Ihr Koffer? So fallen Sie nicht.
Wir segeln in einer halben Stunde."
Wie lange werden wir brauchen bis
hinüber?"
Drei Stunden, Herr, wenn wir bei
Ebbe nicht festkommen."
Theodor hatte gern ein dauerndes
Gesprach mit dem Bootsführer ange
knüpft, er hatte so gern über seinen
Onkel erfahren, aber aus dem alten
Mann war nicht viel herauszubringen.
Sind Sie von Beruf Seemann?"
Fischer, Herr!"
Worauf warten wir denn noch?"
Auf mein Mädel, Herr! Sie muß
gleich kommen."
Kaum hatte er das geiaat. so nahte
ein junges Mädchen von etwa 20 Iah
rcn in der kleidsamen Tracht der
Fischerfrauen von den Inseln, dem
Boote. Sie trug einen großen Henkel
korb am Arme, der bis obenhin ange
füllt schien.
Theodor konnte nicht genug ihr
frisches Gesicht und ihre lebhaften,
blauen Augen bewundern, die unter
dem weiten Kopftiicke hervor neugierg
auf den Fremden Mauten.
Nun verstehe ich, warum man die
Friesenmädchen in Wort und Bild so
gern feiert," sagte er vor sich hin, wäh
rend er ihr Platz machte. Ohne Auf
forderung ergriff das Mädchen das
Steuer, während der Alte die Segel
setzte, und nach wenigen Augenblicken
tanzte das Boot munter durch's Wasser.
Die frische Luft behagte dem jungen
Arzte, und das Mädchen am Steuer bot
ein fesselndes Bild, daß sein Auge un
willkürlich immer wieder zu ihr zurück
wanderte. Geben Sie acht, Herr, wir werden
gleich lavieren."
Das Boot schoß durch den Wind und
das Großsegel schlug Theodor, beim
Uedergehen den Hut vom Kopfe. Das
Mädchen lachte herzlich; er ärgerte sich
und beschloß das nächste Mal besser auf-
zupasscn. Der Alte begann nun ihn
auf seinen Wunich in der Kunst des
Bootsegelns zu unterweisen, und Theo
dor begriff schnell, sodaß er bald die
chooten allein bedienen konnte.
Je weiter sie vom Land abkamen.
um so behaglicher wurde ihm zu Muthe.
Er scherzte mit dem Alten, trank mit
ihm aus der Tornkatflasche und machte
der Schönen am Steuer unverholene
Komplimente. Dabei wurde er immer
aufgeräumter.
Berlin mit all seiner Pracht und all
seinem ,Schmutz und Qualm trat mehr
und mehr in den Hintergrund und je
freier sein Herz wurde, um so schneller
verlor sich auch die anfängliche nordische
Zurückhaltung der beiden Fischersleute.
sein fröhlicher Humor riß die beiden
förmlich mit fort, und als er schließlich
ein lustiges Lied anstimmte, fielen der
Alte und das Mädchen freudig ein.
Plötzlich gab es ein eigenthümlich
knirschendes Geräusch unter' dem Kiele.
Das Boot war auf dem Watt festge
kommen und mußte, um flott zu wer
den, die nächste Fluth abwarten. Aber
keiner der Bootsinsassen schien über diese
Verzögerung ärgerlich, am wenigsten
der Doktor.'dcr sich glücklich pries, daß
er noch einige Zeit in der Nähe der
schmucken Fischerin weilen durfte.
Das Wasser fiel imnier mehr und
bald lag das Watt rings um das Boot
trocken. Sie zogen Stiefeln und
Strümpfe aus und sprangen auf den
harten, glänzenden Schlick.
Schießen Sie, Herr?"
Natürlich!"
Der Alte langte aus dem Vorbau
eine Flinte heraus.
Da sind Möwen dahinten wir
müssen uns näher schleichen! Hier über
uns schießen Sie, Herr!"
Paff paff ei. das war ja herrlich
hier draußen auf See! Piff paff
wie sie herunterpurzelte! Noch eine! Tie
war schön groß mit schneeweißem Ge
fiedcr! Die' sollte ausgestopft und der
Mutter hingeschickt werden.
Tüchtiger Schütze." sagte der Alte
schmunzelnd. Ganz in der Ferne tauch
ten Seehunde auf. aber sie witterten
Gefahr und kamen nicht näher. Nun
gings zurück zum Boote.
Das Mädchen hatte den Korb ausge-
pack: und ein kräftiges Frühstück auf
den Sitz ausgebreitet.
Sie aßen mit großem Appetit und
namentlich Theodor sprach den derben,
oftfricsischen Speisen wacker zu. Tie
Flasche kreisle von Neuem und die Zeit
bis zur Fluth verging im anregendsten
Eeplauder. Dann begann das Wasser
zu steigen und das Boot wurde flott.
Nach zwei weiteren Stunden legten sie
an der Buhne an, dicht unter dem
Torfe der Insel.
Ader wo blieb der Onkel?
Er würde auf Praxis sein, meinte
der Alte, es gäbe so viel zu thun. Tie
Nachbarinseln gehörten auch zu seinem
Bezirke.
Ta kam ein Fischer athemlos an das
Boot gelaufen.
Ob er der neue Arzt sei! Er möchte
schnell machen und nach dem Hause des
kranken Hayo kommen!
Ta gab es tein Bedenken. Sie gin
gen alle Drei mit zu dem Kranken und
Theodor war in den nächsten Minuten
ganz Arzt. Mit kundiger Hand unter-
suchte und verband er den Patienten.
dann schrieb er rasch ein Rezept, das er
gleich zu beiorqcn bat. Der Alte au
dem Boote nahm es in die Hand und
suchte, zur größten Belustigung Thco
dor's, das Rezept zu entziffern, wobei
er vor sich hin brummte:
Neue Schule! Dachte mir's doch."
Tann nahm er ein Blatt Papier vom
Tische, schrieb einige Zeilen und gab sie
dem jungen Arzte.
Sie kommen bei der Post vorbei.
wenn Sie zu Ihrem Onkel wollen
Geben Sie doch dies Telegramm ab!"
Mechamich las dieser: Frau Thoo
decke, Berlin. Lützowplatz. sofort naa
kommen, Theodor Prachtkerl. Dein
Bruder!"
Himmel ist es möglich! Du
Onkel?"
Ja, Theodor ich selbst ich wollte
Dich kennen lernen ohne Maske und
ohne Schminke, und ich habe Dich kn
nen gelernt!" Damit zog er den Neffen
an die Brust.
Die junge Fischerin war erröthend
naher getreten:
Und für Tein Büschen hast Tu kein
Wort der Begrüßung?"
Mein Gott unsere Bootssteuerin?"
Und während er ihr glücklich beide
Hände entgegenstreckte, redeten ihre
Augen eine andere Sprache, als die
zwischen Vetter und Base Üblich, und
wie in stillschweigendem Uebereinkom-
men schlonen sich ihre Lippen zu einem
langen Kusse.
Als wenige Tage später Frau Thor-
decke eintraf, da kam sie just noch zu
recht, um die glückliche Stunde der
Verlobung zwischen der Fischcrin und
ihrem Passagiere mit feiern zu helfen
Der Bergmann.
Novelleite von Marius Rety,
Es war in Belgien, im Lande der
Bergwerke.
Tie Alte kehrte mit ihrem Kruge in
der Hand zurück. Sie trat ins Zim-
mer. Tie Wohnung war einfach sau
der; das Kupfer leuchtete wie Gold;
und der mit Ziegelsteinen belegte Erd-
boden erschien purpurroth im Lichte des
Feuers, das aus dem Herde brannte.
Tie Alte stellte ihren Krug hin und
ruhte sich aus. Sie war müde, denn
sie mußte eine Biertelmeile laufen, um
Wasser zu bekommen; und die arme
lyrau zählte 00 Jahre.
Nach einigen Minuten erhob sie sich
um das Feuer zu schüren. In diesem
Augenblick öffneten zwei Kinder die
Thur und nelen der Gronmutter um
den Hals. Sie kamen aus der Schule,
die sie seit einem Monat besuchten. Die
Alte umarmte sie, und die Kleinen
begannen unter lautem Geschrei und
fröhlichem Lärmen im Zimmer zu
spielen.
Indessen sank die Nacht langsam
hernieder; die Großmutter ergriff die
Lampe, zündete sie an und bereitete die
Abendmahlzeit.
Die Kinder stellten ihr Spiel ein und
näherten sich oem Ofen.
Tie Nacht ist immer traurig außer
halb des Dorfes; der Wind heult
schrecklich durch die Sparren, und die
Einsamkeit wird drückender, als wenn
man sich in der Nähe selbst gleichgülti-
ger 'cenichen wein.
Das von der Familie Vastracte be-
wohnte Hauschen lag an der Landstraße
zwischen Braine l'Allcnd und Wort-
Saint-Jean. Es war ein kleines vier-
eckiges Gebäude, das nur aus einem
Ätock bestand, welcher zwcirechtwinklige
Zimmer bildete.
Der Vater Bastraete war Bergmann.
Ein großer Mann mit breiten Schul
tcrn, hatte er ein schwarzes Gesicht und
einen schwermüthigen Charakter ; nie
hatte man ihn seit dem Tode seiner
Frau lachen sehen. Jeden Morgen vor
Sonnenaufgang ging er zur Arbeit.
indem er die Tagesmahlzcit unter dem
Arm mitnahm, und kehrte erst lanae
nach Sonnenuntergang nach Hause zu-
rück. Tie Mutter Vastracte war eiae
gute Frau, die ihre Enkel mehr liebte
als sich selbst; übrigens verursachte sie
in der Nachbarschaft cbcnso wenig Ge
räusch wie ihr Sohn.
Nachdem die Kleinen zu' Abend
gespeist hatten, brachte sie die Alte zu
Bette, schürte von Neuem das Feuer
und begann zu träumen, indem sie auf
die Rückkehr Vastraetcs wartete.
Es war Lohntag, der von den armen
Leuten so heisz ersehnte Tag, der ein
zige vielleicht, an welchem ein wenig
Wohlstand an dem häuslichen Herde
herrscht.
Seit einigen Jahren hatt.' die Fa
milie unter vielen Entbehrungen zwei
bis drei Goldstücke gespart, die in einer
Schublade der großen Truhe lagen.
Ter Bergmann hatte sich stets den Besitz
eines Stückchens Erde hinter der Hütte
gewünscht, und dieser so beiß ersehnte
Lohntag sollte die zum Ankauf des klei
nen Grundstückes erforderliche Summe
ergänzen.
Ueberglücklich hedauie die Alte jetzt
schon in Gedanken das kleine Land und
freute sich bereits über die kommende
Ernte. Ganz ihrer Träumerei hinge
geben, wiegte sie sich sanft unter einem
regelmäßigen Ticktack der Uhr, welche
in einem Winkel des Zimmers die
Stunde schlug; ihre Gedanken waren
so glückliche, daß sie schließlich vor dem
rotglühenden Öfen einschlief.
Plötzlich erwachte sie, die Uhr schlug
zehn.
.Schon zehn Uhr." sagte sie, sich die
Augen reibend, und Vastracte ist noch
nicht zurück!"
Plötzlich spritzten einige Tropfen an
die Fensterscheiben, dann fiel der Regen
plötzlich in Strömen.
Tie Alte richtete sich auf. und als
hätte sie auf den Augenblick gewartet.
um ihre Ungeduld zum Ausdruck zu
bringen, so begann sie, selbst auf die
Gefahr bin, die Kinder zu wecken, mit
lauter Stimme zu sprechen.
Man wird ihn in die Kneipe ver
jcvieppl yaocn zehn Uhr, und er
weiß, wie unruhig ich werde, wenn er
so spät außer dem Hause bleibt..
Gott weiß, ob sie ihm nicht haben
Branntwein zu trinken gegeben, jenen
glühenden Branntwein, der ihn toll
macht."
Sie hielt einen Augenblick inne. sah
durch die Fensterscheiben auf die Land
straße und fuhr fort:
Es regnet, das ist doch ein Grund,
um schneller nach Hause zu kommen.
Tas Unwetter wird ihn ganz durchnäßt
haben, wenn er zurückkommt."
Sie hielt wieder inne. die Uhr schlug
halb, die Großmutter näherte sich dem
Lager, in dem die Kinder schliefen,
küßte die beide auf die Stirne und fuhr
fort:
..Er trinkt doch aber nie Die
Andern haben ihn jedenfalls dazu ver
anlaßt. Heute ist Zahltag und mor
gen .... das Geld wird sicherlich fort
lern, das Feld auch!"
Als die Alte die letzten Worte sprach.
wäre sie fast in Thränen ausgebrochen;
dann setzte sie sich wieder an den
Ofen, der nur noch schwach glänzte.
Die Uhr schlug elf.
Man hörte ein Geräusch von Schrie
ren aus der andjlraize, und einige
Sekunden später trat ein Mann in die
Hütte. Es war Vastracte. Er schien
nicht betrunken, doch seine Kleider rie-
leiten von Wasser. In seinen Armen
hielt er etwas, das er in das Zimmer
im Hliidergrunde trug; dann letzte er
sich an den Tisch, auf'dem die Alte das
Abendessen aufgetragen hatte.
Nun, Mutter." sagte er. beklage
Dich nicht, daß ich so spät komme; ich
habe in der Grube helfen müijen; es
hat ein Einsturz stattgefunden und vier
Kameraden sind ums Leben qekom
men .... Hubert, der Wittwer. ist auch
todt!"
Himmlische Güte!" rief die Alte.
die Hände ringend, und sein Klei-
ncr? .... Schon wieder ein Waise."
Vastracte antwortete nicht, er führte
seine Mutter in das andere Zimmer
und sagte zu ihr, indem er ihr seinen
Wochcnlohn übergab:
Hier. Mutter, ist unser Geld. Toch
wir werden das kleine Grundstück nicht
kaufen Wir werden jpäter zusehen,
Tu wirst mir die Suppe etwas magerer
bereiten Hubert, der Wittwer, ist
todt und.. ,."
Nun und?" fragte die Alte.
Vastracte näherte sich dem Bette, auf
das er den Gegenstand hingelegt, den er
beim Eintritt trug; dann wickelte er
die Windeln aus, die ihn bedeckten, und
zeigte ihr das Gesicht des kleinen
Hubert.
Du hast recht gethan," versetzte die
Alte, wir wecn uns ein wenig ein-
schranken muffen, und es wird gehen!
Der (Glückliche.
vH v... r. . i : . i:t j. i-v . i f
uu um giviivrullvcriin vcs tjoiu
einer kleinen Stadt drängt sich ein jun
ger Mensch, der ganz erschöpft aus
sieht, und doch eine glückliche Miene
aufgesetzt hat. Tie erstaunten Blicke
der Tafelrunde, die über den kühnen
Störer sprachlos ist, betrachtet dieser
als Aufforderung, feine Erregtheit zu
erklären. Ja, meine Herren, ich bin
soeben einer großen Gefahr entron
nen." Wer sind Sie?" tönt es ihm
von mehreren Seiten wenig höflich ent
gegen. Er läßt sich nicht einschüchtern.
ES hatte nicht viel mehr daran ae-
fehlt, und ich wäre nur noch ein Atom
gewesen." Ohne die verschiedenen Zu
rufe zu beachten, fährt er fort: Ja,
ein Atom. .Aber ich habe ein furcht
bares Glück. Tas rettete mich aus viel
facher Lebensgefahr. Tie Zuschauer
sind sich inzwischen darüber klar gewor
den, daß sie es mit Jemand zu thun
haben, der, wenn auch cxaltirt. doch
harmlos ist. Stillschweigend kommt
man überein, den Menschen" ungestört
ausreden zu am. Als der Fremde
merkt, wie ihn Niemand mehr stört,
sprudeln ihm die Worte wie ein Was-
crfall vom Munde.
Ich bin wirklich der glücklichste
Mensch. Heute Morgen wachte ich mit
einem furchtbaren Katzenjammer auf.
Ein riesiger Kater war es, meine Her
ren. War Jemand von Ihnen schon
einmal seekrank? Nein. Na. desto
besser. Aber, dann wissen Sie auch
nicht, wie sich die Seekranken einbilden,
daß nur der Tod sie erlösen könne, daß
ihnen der Tod willkommen ist. Auch
ich dachte heute Morgen nur ans Ster
ben. Es wurde aber 10 Uhr und ich
lebte noch immer. Ta beschloß ich. der
Sache ein Ende zu machen. Ich taufte
mir eine kleine Kanne Petroleum, eine
Schachtel Schwefelhölzcr. so viel Arse
nik. wie mir der Apotheker nur auf
dem Gutschein für Ratten" verabfol
gen wollte, einen guten. 15 Meter lan
gen Strick, und steckte meinen Revolver
zu mir. So ausgerüstet, begab ich
mich an den reizenden See. der vor
dem Thore Ihrer hübschen Stadt liegt,
und miethete mir ein Boot. Ich ruderte
mich an eine ganz entlegene Stelle, wo
ein Baum lange Zweige weit ins Was
ser hineinstreckt. An den größten
Zweig band ich beide Enden meines
Taues, nachdem ich mir zuvor dic
Schlinge um den Hals gelegt hatte.
Tie Schlinge zog sich natürlich immer
enger zusammen, je weiter ich mich mit
dem Boote, m das ich wieder hincinge
sprungen war. vom Ufer entfernte. Nun
erhob ich mich von meinem Sitze, stieß
das Boot unter mir fort und blieb nun
schwebend in der Schlinge hängen. Ich
hatte zuvor die Oelkanne ergriffen und
das Petroleum über mich gegossen, das
Arsenik heruntergeschluckt, meine Klei
der mit einem Streichholz angesteckt und
den Revolver abgefeuert. Ter Schuß
und der Fußtritt, mit dem ich das Bsot
unter mir abstieß, erfolgten a tempo."
Tas war Alles so schnell erzählt, daß
die Herren am Stammtisch, einschließ
lich des Herrn Oberförsters, ganz ver
gessen hatten, es mit einen: Ueberspann
ten zu thun zu haben; die dramatische
Steigerung machte auf die licbensmür
digen Gemüther einen tiefen Eindruck.
Ausrufewie Ach." OHimmel," Wie
wird das?" u. f. w. bewiesen dem
Sprechenden, daß er auch hier Glück"
hatte, und vegeljkcrten ihn zu neuen
Thaten. Einen Augenblick, meine
Herren. Das Interessanteste kommt
noch. Sie werden mich dann sicher für
den Glucklichsten der Menschen halten
Denn sehen Sie. wie ich' das Boot fort
flies; und den Revolver avlchoß. ging
die Kugel gerade durch den Strick. Tcr
riß und ich fiel dadurch in's Wasser
Tas Wasser löschte meine brennenden
Kleider. Ich schluckte von deren Asche
so viel, daß mir Übel wurde und das
Arsenik wieder an's Tageslicht be
fördert wurde. Hätte ich nun nicht
schwimmen können, meine Herren, so
wäre ich sicherlich ertrunken und Sie
wären nicht in die angenehme Lage ge
kommen, diese großartigen Hosenträger
aus der Fabrik der Firma Mayer. Hilser
und Eo. zu sehen, die anzubieten ich
hiermit die Ehre bade. . .
Mutter Erde.
Was auch aus ihren Kindern werde,
Ob arm sie, elend oder reich,
Tie liebe gute Mutter Erde
Liebt alle ihre Kinder gleich.
Ob viel uns ward an Weh und Leiden,
Ob viel an Glück im Lcbenslauf.
Sie nimmt uns ohne Unterscheiden
In ihre treuen Arme auf.
Ob hoch, ob niedrig ist dic Stätte.
An der wir wirken ich und du,
Sie legt uns in dasselbe Bette
Und deckt uns beide friedlich zu.
Ein fatales Kompliment.
Weißt, Mutter, die Pathin war
sehr lieb zu mir und hat mir sogar
chmeicheleien gesagt.
So? Was hat's denn q'saqt?"
Sie begreift's nct, hat's g'sagt, wie
a so a lchiacha Mutter zu o a bild-
hübsch's Kind kommt."
Fataler Schreibfehler.
Ein junges musikalisches Kraftgenie,
welches seine LicderCompositionen gern
bekannt gemacht und mehreren mitge
theilt wünschte, sandte eine derselben
einem Mitglieds der Liedertafel zu N.
mit den Worten: Wollen Sie dies
nicht mitf)c(u.)lcn."
Verbe Antwort.
Richter (zur Zeugin): Wie alt sind
Sie?"
Zeugin (alte Jungfer, zimperlich):
Wie alt? Das weiß ich nicht genau."
Richter: Nun, Sie müssen doch be-
stimmt alt sein."
In der Schule.
Lehrer: Wenn ein Dienstmädchen
in einer lunoe mir ocm Ausräumen
von zwei Stuben fertig wird, wie lange
brauchen zwei Dienstmädchen zu der-
selben Arbeit?"
Der kleine Moriz: Vier stunden."
Lehrer: Schlecht. Sie werden in
einer halben tunde die Arbeit vcr
richten:" Ter kleine Moriz: Ja, aber die
Zeit, was die mit einander schwatzen,
die rechnen Sie nicht, Herr Lehrer?"
Ertappt.
Herr: Sie haben wohl einen recht
kleinen Fuß. Jean?"
Ticner: Warum?"
Hcrr: Na, ich finde nämlich immer
einen Papierpfropfen vorn in meinen
-ticseljpitzcn!"
Ter weiß gewiß viel, der sich nicht
chcut zu erklären, daß er dies oder jenes
nicht weiß.
Sachse unS pKujje.
1. Elown: Kousin. weißt Tu auch,
was der Storch für'n Laudsmann ist?"
2. Elown (Preuße): Nein."
1. Elown: Tas ist 'n Preuße, denn
er ist fchwarz-weiß und hat 'n große
Schnabel!"
2. Elown: Sehr gut Kousin! Aber
weißt Tu denn auch, was der Mond
für'n Landsmann ist?"
1. Elown (Sachse): Nein."
2. Elown: Das ist 'n Sachse, denn
er ist helle.",
Die Sefabren der Sletscherwelt.
I. Student: Von den Gefahren der
Glctschcrwclt macht Ihr Euch Alle leine
Vorstellung. Klimme ich da eines
Tages mit Lebensgefahren einen Berg
gipfel hinan, und am Ziel, wo eben
nur für eines Menschen Fuß Raum ist.
steht rathet einmal!"
firh.n. (Ci ii
l.
mer.
3.
1.
4.
1.
Student:
w.Mvbi.. ,,v:i huuuci.
O, wie viel schlim-
Student:
Student:
Student:
Student:
Ein Wols."
Schlimmer "
Ein Berggeist."
,Noch schlimmer mein
Schneider!!!"
21uj der Schule.
Lehrer: Kann mir einer von Euch
sagen, was ein Zebra ist?"
Schüler: Ein Zebra ist ein Esel
mit einem Radfahranzug."
Sturm und Drang.
A: Was treibt denn der Studio X
jetzt?"
B: Ach, er befindet sich immer noch
in der Sturm- und Trankperiode."
Bei j?rorzens.
Kommerzienrath: Moritzchen, willste
aussahren per Equipage, per Bicycle
oder per Automobil?"
Schlau.
Ter kleine Max (zur kleinen Gretc):
Aber so lutscht man doch keine Bon
bons. Grcte gieb mal her. ich will
Dir zeigen, wie man Bonbons lutscht."
Unter Freundinnen.
Frl. A. (ihren Vcrlobungsring zei
gcnd): Na. bewunderst Ti, nicht sei
nen Geschmack?"
Frl. B: O ja, was den Ring an
betrifft, ganz sicher!"
Aaserichofblütbe.
He, Sie Einjähriger den Kom
ponisten meine ich wenn Sie jetzt
nicht gleich die Beine besser werfen,
dann werd' ich Ihnen einmal einen
Marsch machen!"
Auf der Jagd.
Förster: Aber um Gotteswillcn,
schießen Sie doch nicht! Tas sind ja
lauter Gaise!"
Sonntagsjäger (nachdem er drei
Schüsse abgegeben): Macht nichts, ich
treff' doch nichts."
linausgegcben.
Hauswirthin (Morgens klopfend,
boshaft): HcrrMaicr, da ist jemand
mit einer Rechnung!"
Zimmcrherr:
, Sagen Sie, ich sei
. Sie lügen wirklich
auf der Jagd . .
nicht!"
lvetthschätzung.
Herr Rcicheiistcin, unser Kassircr,
ist mit Ihrer Frau Gemahlin durch
gebrannt!" Wieviel hat er denn mitgcnom
men?" 25,000 Tollars!"
25,000 Tollars?! Tas ist nicht zu
viel!"
Unverschämt.
A: Ter Meyer ist doch 'n frecher
Kerl!"
B: Wieso?"
A: Ich drohte ihm, ich würde ihn
wegcn den 10 Tollars verklagen, die er
mir schuldig ist."
B: ,,N; und?"
A: Ta meinte er. ich sollte ihn um
20 Tollars verklagen und ihm die an
deren 10 zugeben."
5r.
Also Ihrer Fixigkeit verdanken
Herr Leutnant hauptsächlich die Er
folge auf der Tigerjagd?!"
Natürlich! ....Eh' Bestien über
haupt zur Besinnung gekommen, waren
sie schon Bettvorlagen!"
Grob.
Mutter: Tcr Jungc wird
Vater jeden Tag ähnlicher."
leincin
Besuch: Ter arme Junge! Haben
Sie noch nichts dagegen versucht?"
Ein Gemiitbsmcnsch.
Patient: Ach, Hcrr Toktor. wenn
ich doch nur sterben könnte."
Arzt: Na, lassen Sie nur; was ich
vermag, soll gcrn geschehen!"
Entweder oder.
Wie traurig die Tame da drüben
aussieht!"
Mann: Ach. die Aermstc! Ent-
wcdcr hat sie geliebt und ihn verloren.
oder sie hat geliebt und ihn ackricat!"
Ein guter Ritter.
Wie alt sind Sie. Zeugin?"
Vier vier vierzig
Richter:
Zeugin:
Jabre."
Richter:
So. nun erholen Sie sich
ein Weilchen, und dann werde ich wci-
tcr fragen."