Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 06, 1899, Image 11

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    llixr eine tiebclci.
Zimt von 15. 2 i I m a r.
Tief bewegt sah st ml Sieintvalb die
wohlbekannten Thurme der ölten ladt
vor feinern Blick auftauchen, und als
er dem ifendahneoupee entstieg, waren
ihm die Thränen nahe.
Und doch knüpften sich keinerlei
schmerzliche Erinnerungen an diese
Statte; im Gegentheil hier hatte er
die sonnigsten Jugendtage verlebt. Und
wie freute er sich auf Onkel Heinrich's
herrlichen Blumengarten und auf den
lieben alten Onkel selbst, dessen herz.
licheS, sonores Lachen früher stets das
Haus zu erfüllen pflegte, in welchem
Kurt als Schüler all' seine Ferien der
lebt hatte.
Wie fernab lagen sie, diese glück
lichen Tage sorgenlosen Jugendfroh,
sinns! Fünfzehn Jahre waren seitdem
in's l'iccr der Ewigkeit gesunken und
hatten in ihrer Flucht so viele liebe
Illusionen mitgenommen. Allerdings
hatten sie ihm auch Glück gebracht.
Sein junges Weib, das ihm zwei tei
zende stinder geschenkt, liebte er von
Herzen und wußte sich von ihr nicht
minder geliebt. Und ließ sich etwas
Köstlicheres denken, als die licbcerfüllte
Atmosphäre seines Haufes. wo sich ihm
bei feiner abendlichen Heimkehr vier
kleine Aermchen zärtlich entgegenstreck,
ten?
Freilich, wenn er dazumal, zur Zeit
seiner Schulferien, hier anlangte, wo
die lieben guten Gesichter Onkel Hein
rich's und Tante Julien's ihm schon
von Weitem entgegenlachten, wußte er
noch nichts von Geschaftssorgcn. vom
Kampf nm's Tasein. Und obschon es
ihm damals noch nicht vergönnt war.
den so heiß ersehnten Schnurrdart zu
drehen, wies sein Kopf doch auch noch
nicht die weißen Faden aus, die si
jetzt bereits durch das schwarze Haar
des kaum dreiunddreißigjährigen Man-
nes zogen.
Kurt s Ankunft war ein Fest tm
Haufe des Onkels, der gleich nach der
zärtlichen Begrüßung sein alteS, an
steckendes Lachen ertönen ließ, wahrend
Tante Julie dem Ankömmling liebe-
volle Vorwürfe machte, daß er so ganz
unangemeldet, wie eine Kanonenkugel,
in s Haus geflogen sei.
,.Bor allen Tingen, mein Junge,
will ich Tir 'mal erst eine Flasche vom
besten Alten" herausholen." rief der
Onkel.
Und alsbald erquickte ich Sinn in
einer schattigen Epheulaube des Gar,
tens an dem alten Rheinwein und
plauderte mit den beiden guten, lieben
Menschen von Vergangenheit, Gegen
wart und Zukunftsplünen.
Nach dem sehr vergnügten Tiner
mußte der Onkel zu feinem Bedauern
in eine Ttadtrathssitzung. und da die
Tante momentan durch wirthschaftliche
Angelegenheiten in Anspruch genom
men war, ging Kurt in den Garten,
wo ihn dieselbe Gemüthsbewegung
überkam, wie zuvor. beim Verlassen des
( 3"a.c3.
Sein Auge schweifte zum Nachbar
Hause hinüber, bessert weiße Mauern
zwischen dem dunklen Grün der Park
bäume hervorschimmerten. Und lernte
verweilte sein Blick auf den geschlofie
neu Jalousien des dem Hause des
Onkels zunächst gelegenen Fensters.
das auf einen Balkon hinausführte.
Sein Herz erbebte. Wie im Traume
sah er auf diesem Balkon ein junges
Mädchen erscheinen, mit großen, dunk-
len ammetaugen, mattdleichcm Teint
und einem Mündchen gleich den Zwerg,
röschen, die an der Mauer emporklet,
terten.
Sie zählte siebzehn ahre. wie er
selbst.
Eine weiße Spitzenmantille siel von
ihrem Haar über ihre Schultern herab.
Und aus ihrer kleinen weißen Hand
floa Etwas hernieder und blieb vor
Kurt's Füßen liegen. War's eine sei
dene Strickleiter wie in den Romanen?
Nein, es war ein mit einem weißen
Kieselstein beschwertes Briefchen. Er
beeilte sich, es aufzuheben, und das
junge Mädchen warf ihm eine Kußhand
zu und schloß das Fenster.
Ach! Heute war das Alles nur noch
eine köstliche, wehmutsvolle Erinne
rung und die Jalousien blieben gc
schloffen'. Was mochte aus ihr. der schönen
Agnes, geworden sein, von der er auf
diese Weise Antwort auf seine leiden
schaftlichen Liebesbriefe erhallen hatte?
Jedenfalls war sie verheirathet, wie
er, und eilte gute Familienmutter. die
ihren Mann anbetete und ihre Kinder
herzte, und Kurt, Steinwald war sicher
lich schon längst ihrem Gedächtnisse ent
schwunden. Und dennoch! Welche reizende Idylle
war diese erste jugendliche Liebschaft
gewesen!
Und tausend süße Erinnerungen stic
gen vor dem Geiste des jungen Mannes
auf: Tie Liebeserklärung im Nachbar
garten im Schatten eines alten
Kastanienbaumes; die erst geküßten,
dann ausgetauschten und wieder geküß
ten Blumen, die nach dem Welken in
einem verschlossenen Kästchen aufbe
wahrt wurden; der herrliche, schwer
muthsvolle Gesang seiner Agnes, der
ihn stets so mächtig ergriffen hatte; die
Frühpromenaden am Wasiersall. bis
das Fenster klang, bis die Liebliche sich
zeigte" und ihm Gruß und Kuß hinab
sandte; und dann die Tag über aus
dem Herzen getragenen Briefe, die Ver
traulichkeiten, die Gelöbnisse und das
Trennungsweh!.
Und ploi.,lich fiel ihm noch etiiuä
Anderes ein. Wahrend der letzten
Serien, die er bei Onkel Heinrich ver
lebte, hatte Agnes' Mutter bemerkt,
daß das junge Madchen Billets in den
Nchdargarten hinadwarf, und die bei
den jungen Leute waren daher üderein
gekommen, ihre Briefe fortan in einer
Ccffnung der die beiden Nachbargärten
trennenden Gartenmauer unter einem
losen Steine zu verbergen.
Kurt wollte dieses Versteck wieder
sehen. Tie alte, steinbewachfene Mauer,
die seither nicht reparirt worden, sah
bereits etwas verwittert aus. Mit
Leichtigkeit fand er den betreffenden
Stein, in den er ein A" geätzt hatte,
und zog ihn heraus.
Auf dem Grunde der Ocffnnng.
zwischen zwei kleinen Schnecken, die sich
daselbst angesiedelt hatten, erblickte
Kurt ein vergilbtes, fleckiges Papier,
bei besten Anblick sein Herz heftig zu
schlagen begann.
Mit bebender Hand entfaltete er es.
Es war ein Brief von Agnes:
Mein theurer Kurt!
Seit fünf Jahren kommst Tu nicht
mehr hierher, und ich bin schon so un
endlich lange ohne jegliche Nachricht
über Tich, da meine Eltern sich mit
Teinem Onkel überworfen haben. Aber
ich denke immer. Tu wirst eines Tages
kommen und dann unser Versteck auf
suchen, wo Tu meinen Brief finden
wirst. Ich weiß, Tu kannst mich un
möglich vergessen; Tu hast ja geschwo
ren. mich immer zu lieben. Ich werde
Tich mein Leben lang lieben, und
wenn ein unseliges Geschick es Tir un
möglich machen sollte, mich zu heirathen,
wurde ich sterben, das schwöre ich Tir
Mein ganzes yerz und oll meine
Gedanken gehören Ttrttllein.
Agnes."
as mach t 'u denn bort, mein
Junge?" erscholl plötzlich die Baß
stimme Onkel Heinrich's, der den Nef
fen schon seit einigen Minuten gesucht
hatte.
Kurt fuhr mit der Hand über die
Augen, barg hastig den Brief in der
Tasche und erklärte verwirrt, daß er
spazieren ginge.
Als die Abschiedsstunde gekommen
und der Onkel seinen Neffen zur Bahn
gebracht hatte. . wagte dieser endlich die
Frage, die ihm längst auf den Lippen
brannte:
Und was ist aus Agnes Lindenberg
geworben k"
O, weißt Tu das nicht? Sie ist im
vorigen Jahre gestorben, das arme
junge Weib!.... Ihr Vater hatte sie
sechs Monate zuvor zur Heirath mit
einem scanne gezwungen, den ne, wie
es scheint, nicht geliebt hat."
Todt!" wiederholte Kurt, todt!"
Ein Schauer übcrrann ihn.
Wcitz man, woran sie gestorben
tstr fragte er heiser.
Nein, die Aerzte standen vor einem
Räthsel."
Und lächelnd fügte der Onkel hinzu:
Ihr habt ja wohl einmal ein kleines
Techtelmechtel mit einander gehabt,
wie?.... Na. Jimgensstreiche! In
Eurem damaligen Alter hat eine Liebe-
lei nicht viel zu bedeuten."
Ter schrille Pfiff der Lokomotive
unterbrach ihn.
Einsteigen nach Berlin!"
'cr Zug brauste davon, und mit
trauriger Seele fuhr Kurt seinem Glück
entgegen.
Die Barber.
Jvnings-Staats-Nuhspäper. äkrotz die
Britsch.
Jhft Neu York Boro.
Mister Editer!
Wann es nct so dutchy lucke thät, ich
thät for e Fükt en Vollbart rase. Näm-
lieh die Barbers. die sein noch mei Tod.
Tie trowwle mich mehr wie mei Geld.
Es gebt ja allerhand sonnige Lcit.
awwer die Barbers sein enihau die
sonnigste vun Alle. Wann Sie in
irgend e anncres Bußnetz gehen und
sage, te wolle e Paar Pants kaafe,
da denkt doch cr Mann net, daß Sie
en Ovcreoat wolle, weil Sie Pants ge
sagt hawwe.
Wann Sie awwer zu eme Barber
gehn un em sage, Sie wolle en Schäv
hawwe, so konsidert er des als en Hint.
daß Sie en Haircut wolle. Dem
müsse Sie es noch ertri sage, daß Sie
en Schäv meine, wann Sie Schäv sage,
und kccn Haireut. Tenn fegt er Jhnc,
Sie sollte awwer Ihr Haar schneide
lasse. Wenn Sie ihm dann sage, daß
ic net wolle, dann fühlt er so an die
Haar vun dem Hinnerkopp un seqt:
Jt is gitting putti lona bibeind "
Wann Sie ihm dann noch emol sage,
Sie wollte net. dann scat er. es tbüt
nct lang ncmme. In crer Vertelstund
hätt er s gefchnitte. Wann mer dann
grob werd un segt. mer thät sich sei
Haar schneide losse. wann mer gut un
readn derfor sein thät. dann fängt er
endlich an ze schäve. Tcs heißt mit'm
-chüve sängt er noch lana net an.
Erst reibt er Eim for so e halbe Stund
eifcjchaum in s Gesicht, und Haupt-
sächlich of Course in's Maul. Nämlich
während der Seifeschaumeireiberci is
es e Ruh! in alle Barberschaps. daß
der Mann zum Fenster enausguckt oder
mit eme annere Barber. wo uf eme
Bänscho oder erer Gittarr rrumzumpft.
Konwcrsäschcn üwwer Räshorfes un
Bäsball-Gäms führt. Un derbci robbt
er Eim im Geficht erum. ohne ze gucke,
wo der Scifefchaum hikimmt. Wann
er dann endlich anfängt zu fchäve. dann
fragt er, ob des Messer pullt. Wann
mer fegt ?!es". dann nemmt er e
anncres Mesier, wo noch mehr pullt.
Bei dem zweite Mcncr fragt er awwer
nimmer. Ta werd dermit weiter ge
fchavt und wann die ganze 3 sin aus'm
Gesicht gepullt werd.
Wann er so mit'm hatbe Gesicht
fertig is, da hört er gewöhnlich uff.
entweder weil die Konweriä'chen mit'm
Herrn Kollega grad besonders inter
efting ss oder weil uff der Straß grad
was häppent. was en interestet. Wann
er dann endlich fertig is mit dem
Schäve. dann Hot mer e Siwwelsörwiß
Ezaminäfchen druwwer zu bestehe, ob
mer Bavrum will, ob mer en Scham
puh will, ob mer der Muftäsch gekörlt
hawwe will un ezetercr. Wann mer
dann fegt, mer wollt gar nix. wie ab
gewasche wern un so schnell wie möglich
raus, weil mer en Train tetsche müßt,
dann srägt der Barber erst, ob mer net
doch denke thät, mer wollt en Haircut,
un wann mer wieder segt No", dann
frägt er, ob er vielleicht die Haar
sindUlie sollt. Un dann timmt erst des
Mustüch-Färbe un die Haarwuchsmittel
dran.
Wann mer sich merklich emol die
Haar schneide losse will un ausdrücklich
segt, mer wollt se net korz geschnitte
hawwe, sonnern blos getrimmt, da
frägt er of Course, ob mer net lieber die
Haar geklippt hawwe wollt. Was mer
dann segt, is ganz Worscht, die Haar
wern enihau so korz geschnitte, daß mer
aussieht, als wann mer grd vun eme
Landaufenthalt in Sing Sing zerickge
timme wär.
Wann mer denkt, mer wär glücklich
so weit, daß mer wieder zum Tempel
eraus kann, dann werd mer erst noch
gefragt, b mer net e Tschäns nemme
will for en Kanklljevögel-Käfig oder en
Sigarnhalter oder e Bänscho. wo nexte
Woch erausgeräffelt wern thät.
Ich hen jetz mein Meind uffgemacht,
daß ich mer e Säfeti-Räser, wo mer
sich net dermit schneide kann, kaaf und
mich selber schäv.
Ihn? dcsselbe wünschend, sein ich mit
R'.gards
So lang
Yours
John Ritsch. Esq.
Vorgestern hen ich mer bei dem Bav
,ber grad nebe dem Tschalli die Haar
'schneide loffe. Ter Kerl Hot mich so
klohs geklippt, daß mei Kopp so glatt
wie e Billiardball is. Hcint kimm ich
zu demselwige Barber. for mich schäve
ze losse, hat der Kerl die Frechheit, mich
ze frage, ob ich mer net die Haar schneide
lasse wollt, se thäte fchun ziemlich lang
biheind wern. Jetz thun Sie mer nur
de einzige Gefalle. Mister Editer, unt
thun Sie mer im Bricfkastc beantworte,
ob des net Einiges bietet ?
Wie owwe
I. R. Esq.
Hn kostspieliger Esel.
Ein Teutscher, der zu den ersten
Goldsuchern in Californien gehört
hatte, erzählt aus dem damaligen Mi
nenleben folgende kleine Episode: Ich
war eben erst von Teuychland nach
Amerika gekommen, direkt nach Eali-
formen, und hatte dort ein Goldgrä-
berlagcr uf der Gegend von cicra-
mento aufgesucht. Mit einem statt
lichen Esel versehen, der meine Hab
seligkeiten trug, auch eine gespickte
Börse mit mir führend, zog ich ein in
das Lager, . welches aus Bretterbuden
und Zelten bestand. Ta an einer der
ersteren die Bezeichnung Hotel" stand.
so lenkte ich meine Schritte dorthin und
kehrte sammt meinem Grauen daselbst
ein. nachdem ich vorher mit dem Wirth
übereingekommen war, ihm monatlich
für Kost und Logis 45 Tollars zu zah
len. Nach der Unterkunft und Per-
pflegung des Esels hatte ich nicht erst
gefragt in der Annahme, daß für bei-
des nicht mehr als eine Kleinigkeit ent
richtet werden müßte. Am Schluß des
Monats erschien der Hotelier" und
präsentirte mir seine Rechnung, die
mich in nicht geringes Erstaunen der
fetzte. In derselben stand nämlich der
Betrag für meine Person ganz richtig
angegeben mit 45 Tollars; darunter
aber war angeführt: Stallmiethe und
Futter für den Esel 50 Tollars."
Beim Anblick dieser hohen Fordc-
rung wäre ich dem Wirth am liebsten
an die Kehle gesprungen: ich bezwäng
mich jedoch und meinte, die Sache
scheine mir nicht recht in Ordnung zu
sein, denn daß die Verpflegung des
Grauen theurer als meine eigene sei,
könne ich mir unmöglich denken.
Ter Wirth aber erwiderte in trockc-
nem 'Tone: Mein Herr, man sieht,
daß Sie noch nicht lange im Lande
sind und die Vcrhältniffe daher falsch
beurtheilen. Alles, was ich hier in
der Wildniß brauche, wird mir auf
Wagen, oft Hunderte von Meilen weit,
zugeführt daher die hier herrschenden
hohen Preise. Nun nimmt ober das
Viehfutter, wie Heu, Stroh u. s. w..
auf dem Frachtwagen einen weit grö
ßeren Platz fort, als die Viktualien für
Menschen, und dieser Umstand ist es.
der den Transport der thierischen Nah
rung gegenüber der für Menschen be-
nimmien so ungemcinkosypielig macht."
j(acn vieler xax telluna dielt icd es
nicht für gerathen, noch weitere Ein
wände zu erheben, und zahlte den
Grauen aber, der theurer dinirte'als
ich, schaffte ich schleunigst ab.
Taschkndikbstükck,en.
Ein hübsches Taschenspielerstückchen
aus eigener Erfahrung erzählt der
österreichische Untersuchungsrichter Tr.
Hans Groß in der kürzlich erschienenen
dritten vermehrten Auflage seines
Handbuches für Untersuchungsrichter".
Er schreibt: Ein mir befreundeter Po
lizeilominiffar ließ mir einmal sagen,
er habe etwas Interessantes". Ich
fand mich bei ihm ein und erfuhr, daß
er einen internationalen Taschendieb,
der eine Kerkerstrafe abgebüßt hatte, in
Verwahrung habe, um seine Ausliefc
rung an eine ausländische Behörde zu
veranlassen. Ter Gauner war krank
gewesen und von dem .Polizeikommisiar
besonders rücksichtsvoll behandelt wor
den. und er hatte diesem am Tage vor
seiner Ablieferung gesagt, er werde ihm
etwas" zeigen. Tiefes etwas" wurde
nun produzirt. Ter Mann war Spe
zialist im UmFeucr-Bitten". Er ver
langte von mir. ich solle etwas einer
Brieftasche Achnliches in die innere
Brusttafche meines Rockes stecken, diesen
aber allerdings nicht zuknöpfen. Tann
verlangte er, ich solle mir eine Eigarre
anzünden, ihm aber eine schenken.
Nun nahm er einen zusammengelegten
Ueberzicher über den Arm, wie man
einen solchen zu tragen pflegt, trat mit
sehr artiger Verbeugung auf mich zu
und bat um Feuer von meiner Cigarre.
Ich ließ ihn seine Eigarre anzünden
und merkte hierbei selbstverständlich aus
das kleine Buch, das ich statt einer
Brieftasche eingesteckt hatte. Was ich
wahrnehmen konnte, war nur, daß der
Mann etwas lange mit dem Anzünden
zu thun hatte und sich ziemlich ungc
schickt anstellte. Namentlich gab er sich
den Anschein, als ob ftine Eigarre nicht
recht anbrennen wollte, so daß ich mich
veranlaßt sah, an meiner Eigarre
einige kräftige Züge zu thun, wie man
ja wohl stets thut, wenn man dem An
deren das Anzünden erleichtern will,
und wenn die eigene Eigarre auszu
gehen droht. Nun brannte die Eigarre
V u (Tl.u9 . . X (. i . , ia
ui iitui uuui, ci iimaiie aoermais
eine artige Verbeugung, trat zurück
und ich hatte mein die Rolle einer Brief
tasche spielendes Buch nicht mehr. Er
hatte unter dem übergeworfenen Ueber
rock so geschickt manipulirt. daß er mir
das Buch aus der Tasche ziehen konnte.
ohne daß ich die leiseste Berührung
wahrnahm. Freilich hatte er es ver
standen, in echter Taschenspielerweise
meine Aufmerksamkeit auf eine linde
schicklichkeit beim Anzünden zu lenken.
trotzdem ich ja gewußt hatte, was ge-
Ichchat sollte.
Märkische Mumiengrüfte
Wie der Bleikeller in Bremen haben
auch verschiedene Kirchengrüftc der Mark
Brandenburg die Eigenschaft, in ihnen
beigefetzte Leichen zu mumificiren. In
der Kirche von Gron-Klienicke siinier
Tacrow halten sich die Leichen ohne
jede Einbalsamirung, nur das die Haut
wie Leder zusammentrocknet. Verschic
dene Grabkammern der Berliner Ma-
'ricnkirchc haben gleichfalls conservirende
ayigteiten. AIs man vor Jahren den
arg ocs yier beigesetzten Mdmar
schalls von Svarr öffnete, fand man
den Leichnam des alten Kriegers noch
völlig wohlerhalten. In die märkischen
agen aufgenommen ist auch der
Kahlediitz von Kampehl." Ein Herr
von Kablcbufe ant KamLebl soll näm
lieh einmal einen Schwur damit be
kräftigt haben, daß er nach dem Tode
nie verfaulen wolle, wenn er jetzt eine
.'nge ausgesprochen. Er hatte aber doch
eine Lüge aesvrochen. und so konnte
seine Leiche nie vergehen. Als die
Kosackcn, nach anderer Version die
Franzosen, die Kamveblcr Gruft r,l,m-
oerten. wollte einer der vom Wein be-
rauschten Kricaer den ..Kablebufe"
an das große Altarkreuz nageln, der
Arm des todten Nel tedoco herab und
gao oem Hrabschander eme Ohrfeige,
daß er zur Erde fiel und vor Grausen
starb. Tie berühmteste märkische Mu
mienaruft ist wobl die des Berliner
nördlichen Vorortes Buch. Tas Torf
ur prunalick, über 30 rüabre im Beste
der Familie von Röbel. enna 1075 nn
den Frciherrn Gerhard Bernhard von
Pöllnitz über. 1724 kam es an den
taatsmtnister von Viereck und von
diesem durch Vererbung an die Familie
von Von. Tie ..schöne Kirche von
Buch", wie der Volksmund sie nennt.
hat in ihren Grüften eine so trockene
Luft, daß die Leichen in vollkommen
natürlichem Zustande in ihren offenen
argen liegen, selbst das Haupt- und
Barthaar ist völlia erhalten. 17si0
wurde die Gruft von Kosacken, 1800
von den Franzosen geplündert. Tie
Letzteren stellten die Leiche des 1076
beigesetzten Frciherrn von Pöllnitz als
Scdüdmache vor das Kirebentbor. fhilie
von Voß, die unglückliche Gräfin Jun
gcnhcim, ruht nicht in der Gruft, deren
conservirende Lust sie stets mit Grausen
erfüllte, sondern im Schloßpark.
Verkannt.
Ter Professor S. hatte von der Re-
gierung den Auftrag erhalten, sich nach
N., einem kleinen Städtchen, zu beae-
ben, um an einer dort befindlichen Pri-
vatlehranstalt die Schlußprüfungen zn
überwachen. In olge ungunstiger
Eisenbahnverbindung mußte der Herr
Professor in dem Städtchen übernach-
ten. Als der dienstlichen Aufgabe ge
nügt war. entstand die Frage: Wie
nun den Abend zubrinacn" Ter
Vorstand des Lchrinstitnts machte dar
auf aufmerksam, daß zur Zeit eine
Truppe wandernder Schauspieler im
Städtchen sich aushalte und im Gol-
denen Löwen'' Vorstellungen gebe. Ich
glaube, einen Besuch der heutigen Aus-
suhrung empfehlen zu dürfen," fügte
er hinzu. Tiefe Anregung fand den
lebhaftesten Beifall des Herrn Profef
fors, um so mehr, als sich derselbe
schon feit langem für das fahrende
Künstlervolk inierenittc, in der Absiebt,
gelegentlich darüber zu schreiben. Tie
Vorstellung nahm einen glatten Ver
lauf. Nach Schluß derselben setzte man
sich in's Herrenstubchen des genannten
Gasthauses, woselbst sich alsbald auch
die Mitglieder der .Schmiere" mit de
ren Tireltor an der Spitze anfanden.
Turch den vom Herrn Professor ausge
gangenen schmeichelhaften Hinweis auf
den guten Besuch des Theaters und die
befriedigenden Leistungen der Gesell
fchaft war die Unterhaltung mit den
Tamen und Herren derselben rasch an
geknüpft. Tas Gespräch wurde natür
lieh sofort auf das Leben und Treiben
bei den ambulanten Bühnen gelenkt,
und mit der größten Liebenswürdigkeit
und Offenheit wurde von Seite der
Künstler" und Künstlerinnen" die
Wißbegierde des Herrn Professors be
friedigt. Letzterer wendete sich nun an
den Tirektor der Truppe, betonend,
daß er auch über die finanziellen Ver
Hältnisse Derartiger Unternehmungen,
insbesondere über die Gagen der ein
zelnen Kräfte Näheres zu erfahren
wünschte. Tiefes weitgehende Interesse
machte den Tirektor doch etwas stutzig.
Erst musterte er den Prosessor mit
scheelen Blicken von unten bis oben, so
dann sagte er: Aufklären will ich Sie.
aber nehmen Sie mir's nicht übel, en
gagiren thu' ich Sie nicht!"
Ein Idyll von der leinbahn.
Folgendes Geschichtchen wird vom
Hoy. Wochenbl." erzählt: Kommt da
vor einigen Tagen eine Frau vom
Lande mit ihrem noch nicht ein Jahr
alten Jungen zum Bahnhof in U., um
von dort nach M. zum guten Onkel zu
reisen, der den kleinen Stammhalter
doch auch mal sehen sollte. Mit dem
Inhalt einer Milchflasche stillt sie den
Durst des Sprößlings, während eine
zweite gefüllte Milchflasche auf dem
Tisch im Wartesaal steht. Beim Ab-
fahrtssignal steigt die glückliche Mutter
rasch ein und der Zug setzt sich in e-
wegung. Er rollte aber nicht lange
plötzlich bleibt er, durch eine Noth
bremse festgehalten, stehen. Ter er-
schreckte Schaffner, ein Unglück sürch
tend. schaut in die Eoupees und sragt
auch die ninge Mutter, ob sie die Noth
leine gezogen habe. Tie junge Frau
bejaht das. Aber warum denn, was
ist denn passirt?" O, min gode Herr
ick hebb' up'n Bahnhof den tweeten
Buddel för min'n Lüttjcn stahn lasen
den mutt ick wcdder hebben; holen Tc
man cbcn beten stille, ick will cm Haien!"
Als der verdutzte Schaffner der Frau
begreiflich machte, daß man die Noth
leine nur im Falle der höchsten Gefahr
für ein Menschenleben ziehen dürfe, be-
merkte die junge Mutter: Na, is denn
min Lüttjcr keen Minsch un is bat kecn
Gcfohr för't Leben, wenn he kcenc Melk
hett?" Nach kurzem Wortwechsel sah
man den braven Schaffner nach dem
Bahnhof rennen, um den Mclkbud
bei" zu holen und rasch zurückkehren.
Die Sache war in Ordnung und der
Zug rollte dem braven Onkel in M
entgegen.
Ein berühmter Gürtel.
Ter von Napoleon I. am Tage seiner
Krönung in der Notrc Tamc Kirche ge-
tragene Leibgurt, dessen etwas selt
sames Verschwinden schon häufig An
laß zu Erörterungen gegeben hat, ist
jetzt plötzlich wieder an das Tageslicht
gekommen, und zwar entdeckte man ihn
im Besitz einer vornehmen französischen
Familie, die in der Rue Marbocuf in
Paris lebt. Tas so lange vermißte
Toilcttenstück des modernen Cäsar be-
steht aus tarmoisinrothcm ammct und
ist mit prächtig ziselirtcn, erhaben an
gearbeiteten goldenen Adlern und ver-
schlunqcncn Initialen in Goldsiliqran
verziert. Daß der große Korse eine ver
hältnißmäßig schlanke Taille gehabt
hat, dafür liefert der kostbare Gürtel
den besten Beweis. Mancher Mode-
dame von heute, falls sie nicht gerade
über eine Wespentaille verfügt, dürfte
es einige Mühe verursachen, das Schloß
des napolconischcn Leibgurts zu fchlie
ßcn. Ein Ledcretui, in dem der Gürtel
aufbewahrt wurde, hat diesen in so
perfektem Zustande erhalten, daß man
glauben könnte, er sei soeben aus dem
Atelier einer eleganten Maslcngardcrobe
hervorgegangen. Auf dem Thron wurde
übrigens Napoleon fett.
Tie Zahl der lebenden Bogelarten
Tas Britische Museum in London.
die größte naturwissenschaftliche Samm
lung der Welt, hat seinen großen Ka
talog der Vögel" vollendet, und nun
mehr läßt sich die Zahl der jetzt leben-
den Vogelarten mit einiger Sicherheit
abschätzen. Es find danach etwas mehr
als 11,000 verschiedene Arten von Bö
geln bekannt, die in 2255 Gattungen
untergebracht sind. Ta nun kaum an-
unchmen ist, bat! künftig wesentlich
mehr als 1400 weitere Vogelarten ent
deckt werden können, so wird die Zahl
der lebenden Vogclartcn in ihrer Ge-
ammtheit mit annähernd 13,000 an-
nähernd richtig angegeben sein. Tas
Britische Museum steht auch mit Rück
ficht auf seine Sammlung von Vogel
bälgen unerreicht da. Sie enthält
nicht weniger als 400.000 Stück. Auch
die zweitgrößte Vogclsammlung ist in
englischem Besitz. Ihr Eigenthümer
st Baron Walter v. Roth child. der sich
elbst durch mancherlei Untersuchungen
und durch freigebige Unterstützung von
Publikationen auf dein Gebiete der
Ornithologie rühmlich bekannt gemacht
fi" f B i, i'ir ? .1,,,, Im,, fwtitih
. " 1 vuitiuituu l'l lUllVU
sich gegenwärtig 150,000 Vogelbalge.
XU alte Zsarmeri.
In des FarmerHaufes Stube
Sitzt die Farmcrin allein.
Und. in Altersschwäche zitternd.
Hüllt sie sich in Tecken ein.
Und sie denkt an ihre Jugend.
'Wo sie jeden neuen Tag
Lachend und gesund begrüßte.
Froh die Zukunft vor ihr lag.
Tenkt an ihn. den jungen Burschen,
Tcm sie folgte über's Meer,
Ter sie liebte, für sie sorgte;
(Ach, wie lang lebt er nicht mehr!)
Tenkt an Teutschland's schöne Fluren.
Sicht dcr Heimath lieblich Thal,
Sicht die rothen Tücher leuchten,
Sicht dcr Fcldcr reiche Zahl.
Sieht das vatcrliche Häuschen
Und den Bach, dcr nahe floß.
Tenkt an manchcs schöne Tänzchen
In dem Saal vom Gold'nen Roß".
Und sie ficht dcr Eltcrn Stube
Mit dcr altcn Uhr zu Haus.
Wo bei jedem Zcitcnwechsel
Scholl dcs Kuckucks Ruf heraus.
Und sie hört die Mutter singen,
Tie am Rädchen fleißig spinnt,
Sicht den Vater fröhlich kommen
Und umarmen Weib und Kind.
In dcs Farmcrhauses Stube
Sitzt die alte Frau allein:
Tie Erinn'rung weckte Thränen,
In das Herz zieht Wchmuth ein.
Müde senkt ihr Haupt sich nieder,
Stille ist es um sie her;
Nur die Fliegen summen leise,
Toch sie stören sie nicht mehr.
Tenn sie ist dahingegangen.
Wo ein Wiedersehen ist
Tcrcr, die wir hier verloren.
Wo dahcim auch Tu einst bist!
Nicht zweckentsprechend.
Photograph: Also bitte,
freundlich!"
recht
Schneidermeister: Nein, das hat
keinen Zweck. . Ich will nämlich die
Photographien auf meinen Postkarten
anbringen lassen, mit welchen ich die
Kunden zu mahnen pflege, und wenn
sie mein freundliches Gesicht dazu be
merken, sind die Mahnungen zwecklos."
Druckfehler.
Der Student kam ganz ermüdet im
Bauernhöfe an und klagte über Turst.
worauf er von der Bäuerin mit Wasser
ge(k)ränkt wurde.
Zart.
Herr: Was sehe ich. mein Frän
lein, in ihrer Autographenfammlung
finde ich auch die Handschrift von mir
unbedeutenden Menschen?!"
Fräulein: Ah, man kann ja nicht
wissen, vielleicht begehen Sie einmal
noch ein schweres Verbrechen oder gar
einen sensationellen Selbstmord.
Ein Schwerenötker.
Junge Tamc. (Bei einem Garten
fest.)'" Tie Bcluchtung ist so schlecht,
daß man seinen eigenen Mund nicht
findet!"
Er: Gestatten, gnädigstes Fräulein,
Ihnen dabei ein wenig bchülflich zu
fein?"
Die gute Gelegenheit.
Junger Ant ldcr zu einer reichen
und noch iunacn Wittwe gerufen wird.
um ihr eine leichte Verletzung an dcr
Hand zu verbinden): Gnädige Frau,
könnte doch dieser Verband zugleich das
Band sein, das meine Hand für immer
an die Ihre fesselte!"
Ahnung.
Mutter (zur Tochter, deren Bräuti-
gam abschrieb): Nein, wer hätte das
gedacht?"
Tochter: O, Mama, ich sage Tir.
ich habe es geahnt, daß Hugo schon seit
einiger Zeit mit dem Gedanken umgeht,
sich von mir zu trennen, nicht umsonst
hat er mir zu meinem Geburtstage ein
Trenn-Mcsscrchcn geschenkt."
Einfacher Ausweg.
Hochadcligc Tame (welche von einem
bürgerlichen Herrn einen Heiraths
antrag bekommen hat): Aber, mein
Herr, bedenken Sie doch den Himmel-
weiten Unterschied zwischen uns Beiden."
Herr: Erhören ic mich, dann bin
ich im Himmel, und dcr Unterschied ist
weg!"
Ein modernes Mädchen.
Meine Herren, Sie haben mir Beide
Heirathsanträge gemacht und da ich
ic Beide gleich liebe und schätze, wird
es mir schwer, Einen von Ihnen zurück
zuweisen. Aber ich denke, wir machen
das so ich hcirathc den Einen und
der Andcre wartet, bis ich von dem
Einen geschieden bin.
Die neue lierreninode.
A: Man muß mit der Zeit mit-
gch'n; ich habe mir jetzt auch einen
kompletten Anzug aus Papicr bcstellt."
B: Wicvicl kostct ciqcntlich so ein
Anzug?"
A: Zwci Tollars. vier Tollars. te
nachdem; für fünf Tollars kriegen Sie
schon etwas höchst elcgantcs, das reine
taats-Papicr."