Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 29, 1899, Image 9

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    Deutsches iMut für Amerika.
Nach Ucdkrlit'kiungk tni deutichkn Ärt
fiedln. Von Marim Flicz,.
Fort Ylandon rückt? nach einem Zeit
räum vo:, wenigen Jähren immer vci
tcr in die Prairieen des winden Westens
hinein, länger blieb eS nicht auf einem
Fleck. Hinter ihm blühten dann bald
fruchtbare ?!iedkrlafsungen. heute längst
voll und induftricrciche Städte, emvor.
Fort ölandon wurde es nach seinem
ersten Kommandanten, einem Kapitän,
genannt. Wenige der ältesten Bemoh.
ner jener Gegend, die auf deren der
Civilisation langst erschlossenen Fluren
zu den tapferen Pionieren zählten,
mögen sich deS muthigen Kapitäns
noch erinnern, einst der Schrecken der
wilden Bewohner jener Landstriche,
welche um ihre Scholle verzweifelt
kämpften.
Nie hat Kapitän Clandon gezit
tert.. , . nur einen Tag feines Lebens
schimpfte er sich Memme nur er sich
selbst!
An einem hellen Sommertage ging
Kapitän Clandon. der das Vorrücken
des Forts vier Mal bereits erlebt hatte,
vor dem inmitten des Komplezcs befind
lichcn Offizierhause auf und ab. Er
schien unruhig, sorgenvoll.
Leutnant Spencer!"
..Herr Kapitän!.. .." Und der vor
übttgehende junge Offizier trat chrer
bietig zu seinem llhcf.
Sie kennen den Bericht unsere
heute Nacht eingctroffenen Dutchman.
Sie wissen also, was mich bedrückt.
Während neun Tagen folgte der Tutch
man den vereinigten Stämmen der
Delawaren und Schwarzfüße. die gegen
unser Fort marfchircn. , So lange die
Munition reicht, halten wir uns gegen
den diesmal zu unerwartet kommenden,
überlegenen Feind, doch keine Stunde
länger die Uebermacht ist zu groß.
Sie sind unser bester Reiter. Leutnant,
reiten Sie sofort nach Fort Bresby und
lassen Sie hundert Mann mit der ent
bchrlichcn Munition unverzüglich fol
gen. Sie können frühzeitig genug zu
rückkehren; denn der Angriff des dies
mal so übermächtigen FeindeZ wird
nicht eher erfolgen, bis er uns auch
rückseitig in weitem Bogen umschlichen
hat."
Nur eine Sekunde hing des Leut
nantS Blick an dem ihm vielleicht zu
sorgenvoll scheinenden Antlig seines
graubärtigcn Kommandanten.
. Zu Befehl. Herr Kapitän!"
Eilig schritt Spencer davon, noch
mals rief ihn der Borgesetzte zurück.
Ich brauche Ihre Eile nicht anzu
spornen, darf Ihnen aber Folgendes
nicht verschweigen: Als vor zwei Jahren
unker Fort noch weiter zurück lag, be
suchten mich Frau und Kind. Ich
weiß, daß Sie und meine Tochter Ellen
Fmander-liebten. Ich wollte Sie, lie
der Spencer, Übertaschen, indem ich
Ihnen bis heute nicht verrieth, daß
ftrau und Tochter die Reise von Boston
Mngst angetreten haben und meiner
' Berechnung nacy in orei ois vier .ugcn
hier eintreffen können, wenn Sie nicht
in Feindes Hand fallen."
, Kapitän Clandon seufzte schwer,
während der Leutnant erblaßte.
Und nun mit Gott, Leutnant."
fuhr Clandon fort, bis Bresby sind 72
Meilen morgen Abend werden Sie
sich zurückmelden!"
Die Besatzung traf alle zum Schutze
des Forts nothwendigen Matzregeln,
man prüfte die Festigkeit der Pallisaden
und warf auf Befehl des Kommandan
ten um die innerhalb der kleinen
Festung gelegenen Gebäude Schanzen
auf. falls ein Rückzug dorthin erforder
lich würde. Tann begab sich der Kapi
tän in Begleitung des ältesten Offiziers
in seine Wohnung. Am Tische des zu
ebener Erde befindlichen Zimmers,
welches die Offiziere betraten, saß ein
Mann, deffen schneeweißes Haar und
Schnurrbart in seltenem Gegensatze zu
seiner von Luft und Sonne gebräunten
Gesichtsfarbe standen. Es war der
Jäger Dutchman. wie man ihn nannte,
der' dem Wild im Walde und Prairie
nachstellte und die erbeuteten Felle an
die auch hierher kommenden Händler
verkaufte. Kapitän Clandon war von
den Indianern gefürchtet, aber Dutch
man war ihr gefürchtetster und am
meisten gehaßter Feind. Als der Jäger
i vor vielen Jahren einst in diese? Land
kam. brachte er der für ihr Vaterland
kämpfenden rothen Raffe seine ganze
Sympathie mit. aber die verzweifelten
wilden Krieger vergalten dem weißen
Manne, auch da er als Freund kam.
durch Tücke und Hinterlist, und Mr.
Dutchman hatte dies an seinem Leibe
schwer büßen muffen. So wurde er
gezwungen, ein unerbittlicher Feind der
Indianer zu werden. Aber gleichzeitig
trat Dutchman als guter, warnender
Engel der weißen Ansiedler auf, als
bester, treuer Vorposten gegen den wil
den Feind. Ueber seine Herkunft wußte
man nichts Genaues, das Englische
sprach er ohne Accent. Im wilden
Grenzerleben fragt man kaum nach
dem Woher deS Einzelnen. Dem vor
sichtig marfchirenden Feinde um Tage
reisen voraus, war er als Warner im
Fort erschienen.
- Mr. Dutchman," begann der Kapi
tän und drückte den sich erhebenden Rie
sen auf den Stuhl zurück, ich komme
kurz zur Sache. Meine Frau und
Tochter sind auf dem Wege hierher,
vielleicht nur drei oder vier Tagereisen
entfernt. Sie wiffen, was dies unter
den jetzigen Verhältniffen bedeutet.. ..
Wollen le oen winigen entgegen'
1
V
Der Äßmlagsgast.
Jahrgang 20. Beilage zum Nebraska Staats-Slnzeiger. No. 6.
eilen und dieselben nach Möglichkeit
sicher zu mir bringen? Lieber hätte ich
sie unter dem Schutze des entfernteren
Fort Bresby: aber mciiu Frau sucht
ihren Platz in der Gefayr an meiner
Seite."
Weshalb fragen Sie. anstatt zu be
fehlen, Kapitän. . . . hier stehe ich gern
unter Ihrem Kommando!"
Tann schulterte der Jäger die Büchse
und fuhr fort, indem er die Pistolen im
Gürtel untersuchte:
Wenn nickt ein besonderes Hinderniß
eintritt, hoffe ich, die Ihrigen wohlbe
halten herzuführen, mein Leben bürgt
für sie Und nun Gott befohlen.
meine Herren Proviant und Muni
tion ergänze ich beim Octonom die
Zeit ist kostbar!"
Etwas erleichtert athmete der Kom
Mandant auf. als er seinen ahnungs
losen Angehörigen diesen Schutzengel
zuertheilt hatte. Er wußte, was Tutch
mans Wort galt. Vom Mittage des
nächsten Tages ab übernahm Kapitän
Clandon selbst abwechselnd den Wacht
dienst auf dem Aussichtsthurm. Als
die Sonne dann sank, ließ das Fern
rohr nichts von Leutnant Sperner er
kennen, der mich am kommenden Mor
gen nicht eintraf. Da der Kapitän und
ein Offizier auf dem Thurm mit dem
Fernrohr den Horizont wieder absuch
ten. bemerkten sie weltentfernt im
Rücken deS Forts, wo Himmel und
Erde sich zu treffen schienen, zwei Man
ner. Dieselben standen auf einer in
der Prairie nicht seltenen, wellenförmi
gen Erhebungen und spähten seitwärts
aus. Die Offiziere erkannten Tutch
man und Spencer, und sie begriffen,
daß letzterer nicht hatte eintreffen kön
nen. weil der gewohnte Weg zwischen
den beiden Forts durch die Indianer
bereits versperrt war; auf dem Umwege
hatte er Dutchman getroffen. Frau
Clandon und Tochter befanden sich also
in höchster Gefahr, die außer Dutchman
jetzt auch Spencer mit ihnen theilte.
Von zwei Seiten her eilten auf Fort
Clandon die Wagen der von Dutchman
gewarnten Ansiedlerfamilien zu. welche
in solchem Falle im Fort Zuflucht fan
den. Die Männer waren der militüri
schen Streitkraft erwünschter Zuwachs,
sie kämpften tapfer; denn der raub
lustige Feind verwüstete ihren Boden
bis auf den letzten Halm
Nachmittags drei Uhr meldete der
Thurmposten, daß die Indianer von
der Vorderseite des Forts höchstens noch
vier bis fünf Meilen entfernt seien.
Wie stets hatte das hohe Prairiegras
die auf dem Bauche kriechenden Krieger
bis dahin verborgen. Nichts im Fort
durfte verrathen, daß man sie bemerkt
habe. Wahrscheinlich würden sie die
Nacht für den ersten Angriff wählen;
aber sicher schickten sie eine Anzahl
Späher voraus, um so nah wie mög
lich den Feind in der Festung zu be
obachten. Aus dem Fort krochen vor
sichtig die rachedurstigen Ansiedler nach
naheliegenden kleinen Hügeln, zwischen
denen sie sich versteckten und hielten ihre
Büchsen für die Späher bereit. Sonst
war tausend Meter um das Fort jeder
Grashalm ausgerodet, um dem Feinde
ein näheres Heranschleichen unmöglich
zu machen. Um sechs Uhr knallten sechs
Schaffe sechs indianische Kund
fchafter waren auf der Reife nach den
seligen Jagdgründcn. Noch hatte die
Sonne den Tageslauf nicht beendet,
als der Thurmposten von der dem
Feinde entgegengesetzten Seilte einen
Äeisewagen'in schnellster Fahrt meldete,
vom Fort mochte er noch fünf Meilen
entfernt sein. Nach einer Viertelstunde
erkannte Clandon durch das Fernrohr
deutlich die das Gespann lenkenden
Reiter Dutchman und Spencer.
Gott sei Dank.... Frau und Kind
schienen noch sicher hereinzukommen!
Aber jetzt was war das ....
Ungefähr drei Meilen hinter dem eilen
den Wagin tauchte eine Reiterschaar
auf.... dicht Reiter von Fort Bresby
... wilde Gestalten... Indianer...
Es war undenkbar, daß ihnen der
Wagen entgehen konnte. Wirre Ge
danken durchflogen nur auf einen
Augenblick das gequälte Haupt des
Kommandanten.... Mit vierzig Rei
tern konnte er den Bedrängten zu Hilfe
eilen doch er opferte sie dort einer
fachen Uebcrmacht und entblößte das
ihm anvertraute Fort von Vertheidi
gern Nein erst Soldaten
Pflicht auch er blieb auf dem
Posten. An der Vorderseite des Forts
überließ er dem nächstältesten Offizier
das Kommando, er befehligte auf der
Rückseite, wo er den wahrscheinlichen
Untergang der Seinigen vor Augen
hatte.' Auch vorn nahte der Feind, die
zwischen den Hügeln liegenden Ansied
ler kehrten in das Fort zurück.
Kaum hatten die Thore sich hinter
ihnen geschloffen, als die Indianer
heranstürmten. Noch konnte der Kapi
tän die ganze Mannschaft dorthin wer
seit. Einige Dutzend todte Feinde lagen
vor den Pallisaden, wenige denen es
gelang, sie zu überklettern, wurden nie
dergehauen. Ter Feind zog sich unter
Mitnahme der Todten zurück. Tie ein
fache Taktik der Indianer, die sicher
vortheilhafter für sie gewesen wäre,
schien auf unerklärliche Weise gestört.
We-Halb griffen die von zwei Seiten
nahenden Massen nicht gleichzeitig an,
und wieso zeigte sich der rückseitig
nahende Feind zu früh? Der Wagen
und seine Jnsaffcn konnten sie unmög
lich veranlassen, die Aussicht, durch ihre
Gesammtmacht das Fort vielleicht zu
nehmen, fahren zu laffen. Kapitän
Clandon wußte eS sofort, nachdem auch
die Indianer den Jäger Tutchman.
ihren verhaßten Feind, erkannt hatten.
Was kümmerten sie das Fort und die
vielen weißen SkalpS gegen den einen
dieses Mannes! Ein Offizier beabsich
tigte, mit dreißig Mann dem Wagen
entgegenzureitcn, doch Clandon ge
nehm'igte dies aussichtslose Opfer nicht
und ließ absitzen. Nähe.r eilte der
Wagen, wurde der Raum zwischen
Wagen und Feind. Offiziere und
Soldaten flehten den Kommandanten
an. die Hälfte von ihnen dem Wagen
und feinen Verfolgern entgegenstürmen
zu laffen. Toch seine Weigerung war
gerechtfertigt, vorn sammelten sich wie
der die zurückgeworfenen Indianer.
Höchstens noch tausend Fuß war der
Wagen vom Fort entfernt, das ihm
die Thore bereits geöffnet hatte, nur
wenige hundert Fuß trennten die
Flüchtlinge vom Feinde, einhundert
fünfzig Flinten lagen an den Schieß
löchern. Brennenden Blicks, ohne die
Wimper zu zucken, starrte Kapitän
Clandon, den Degen in der Faust, auf
die furchtbare Szene. Plötzlich tönten
noch ferne Trompetensignale Reiter
von Fort Bresby und berittene Ansied
ler waren der Fußtruppe vorausgeeilt,
eine schätzbare Hilfe, leider zu weit ent
fernt, um den Wagen zu retten.
Einen Blick warf Tutchman zurück,
riß die Pistole aus dem Gürtel, schoß
den nächsten Indianer vom Pferde, um
sich selbst dann von dem seinen gleiten
zu lassen, während der Wagen weiter
sauste. In der linken Hand die Pistole,
in der rechten den Dolch, stand er auf
recht sämmtlichen auf ihn einstürmenden
Indianern gegenüber. Des Feindes
ganze Wuth kehrte sich gegen den einen,
kein Schuß fiel gegen ihn lebendig
wollten sie ihn. Pistole und Dolch
schafften zwei Mann aus der Welt.
Rachgier gegen den gehaßten und ge
fürchteten Dutchman ließ die Rothhäute
Umsicht und Vorsicht vergessen. Jetzt
stürmten die Berittenen aus dem Fort
ganz nahe tönten die Trompeten
derer von Fort Bresby Die Jndia
ner glaubten sich schon umzingelt und
flohen, überrumpelt, von den Reitern
niedergehauen.
Gräßlich anzuschauen lag der skalpirte
Dutchman, das einzige weiße Opfer.
Noch war Leben in diesem Manne von
Stahl. Man hatte ihn auf das Bett im
Zimmer des Kapitäns getragen. Der
Feldscheer kühlte die verstümmelte blu
tige Masse seines Gesichts mit nassen
Tüchern. Gattin und Tochter des
Kommandanten saßen weinend zu feinen
Füßen, während die Offiziere neben ihm
standen.
Schickt einen Teutschen,"
lispelte der Sterbende.
Bald stand ein Soldat der Besatzung,
ein geborener Württemberger, an seiner
Seite.
Oeffne.. .; .meinen Rock
Kamerad." sprach der Jäger deutsch.
Der Deutsche knöpfte des Sterbenden
Jagdhcmd auf.
Am Unterhemde Dutchmans haftete
das eiserne Kreuz des Deutschen Frei
heitskrieges.
Ich war stets ein ehrlicher Mann
im Varerlande betrog mich mein
Weib ich sterbe als braver Soldat
es lebe der König!"
Nach diesen Worten verschied der alte
Dutchman. Dem Kommandanten hatte
er Wort gehalten und sich für dessen
Angehörige geopfert.
Noch heute rühmen die alten Offiziere
in den westlichen Forts die That des
wackeren Deutschen, auch wenn sie sie
nur vom Hörensagen kennen. Sie ist
eine der vielen stillen Heldenthaten,
die die Deutschen für die Amerikaner
gethan haben.
Telephonleiden.
Von MarHoffmann.
Weißt Du." sagte meine Frau eines
Tages, weshalb haben wir eigentlich
kein Telephon, wie die meisten Deiner
Kollegen von der Feder? Es muß doch
herrlich sein, mit Freunden und Be
kannten jederzeit mündlich verkehren zu
können!"
Ja." erwiederte ich, daran habe ich
auch schon gedacht, aber eS hat doch
auch unangenehme Seiten und vcr
ursacht Kosten!"
Kosten? Tie sind bald wieder ein
gebracht! Wenn wir eine Bestellung
beim Kaufmann oder Fleischer machen
wollen, brauchen wir nicht jedesmal
hinzuschicken, und Zeit ist Geld! Und
wenn mal Jemand trank wird!"
Aber die Unannehmlichkeiten!"
Ich sehe keine!"
Aber ich! Man wird viel gestört
und muß beständig bereit sein, Leuten
Rede zu stehen, von denen man wegen
irgend einer Lappalie angerufen wird!"
Oh, da läßt sich'S abstellen! Und es
braucht ja auch nicht in Deinem Zim
mer angebracht zu werden, sondern da
neben in dem kleinen Kabinet!"
Kurz und gut. meine Frau wußte
alle meine Einmünde zu widerlegen und
nach vierzehn Tagen besaß ich fix und
fertig diese moderne Einrichtung, wie
sie sich so schön ausgedrückt hatte.' Seit
dieser Zeit ging nach und nach eine
völlige Umwälzung in unserem Haus
wesen vor. Unsere Mahlzeiten wurden
bedeutend schlechter: denn da die meisten
Bestellungen telephonisch vollzogen wur
den, so mußten wir. um häufiges Hin
und Herschicken zu vermeiden, oft mit
gelieferten Waaren vorlicb nehmen, die
durchaus nicht auf der Höhe der frühe
ren standen. Mein ungestörtes Arbei
ten war auch dahin. Schon am Mor
gen. wenn ich mich eben zur Arbeit an
meinem Roman niedergelassen hatte
und inl besten Zuge war. erschien meine
theure Gattin. Natürlich auf den
Zehen. Sie störte durch ein liebens
würdiges: Ich störe doch nicht?"
Tann huschte sie nach dem Kabinet,
das nur durch meine Stube hindurch
zugänglich war, und ich hörte allerlei
Gespräche, z. B.: Herr Schulze, das
Fleisch war gestern wieder hart!
(Pause.) Na, also, dann liefern Sie
uns heute besseres! (Pause.) Zwei
Pfund Filet und für den Abend ein
halbes Pfund gekochten Schinken!
Schluß!"
So ging's des Vormittags mehrere
Male. Nachmittags wurde der Ton
ein wenig anders, wahrend die Szenerie
dieselbe blieb. Kaum hatte ich mich zu
einem kleinen Mittagsschläfchen auf
dem Divan in meinem Arbeitszimmer
niedergelassen, so hörte ich's verstohlen
an mir vorüberhuschen und vernahm
halb im Traum die poetischen Sätze:
Bist Du's, Lina? Hast Du mor
gen Nachmittag Zeit? Dann komm'
doch auf ein Stündchen zu mir, Frau
Dr. Mühlenbeißer kommt auch! Ach,
das thut mir leid! Ich bedaure sehr!
Schluß!"
Schatz." sagte ich endlich, das kann
nicht so fortgesetzt werden! Wir müssen
für Dich eine bestimmte Sprechzeit fest
legen!" Das wäre ja eine schreckliche Be
schränkung!"
Schadet nichts!" rief ich wüthend.
Du redest Vormittags eine halbe
Stunde und Nachmittags ebenso. Das
ist genug!"
Schrei' mich doch nicht so an! Du
bist überhaupt jetzt furchtbar nervös!"
Damit ging sie aus. .maulte ein wenig,
fügte sich jedoch schließlich. Ich verlor
dadurch natürlich immer noch täglich
eine ganze Arbeitsstunde; denn mäh
rend eines solchen Gespräches konnte ich
nur in irgend einem Buche oder Jour
nale blättern.
Ruhe und Sammlung gab es nicht
mehr für mich, auch wenn ich allein
war. Dann schrillte es plötzlich: Kling
lingling! Ich stürzte hin und meldete
mich. Bitte, komm' doch morgen
Abend zu einer Vorstandssitzung der
Freien poetischen Gesellschaft!" Gut!"
Bald wieder: Klinglingling! Schicken
Sie so bald wie möglich die Korrektu
ren!" Klinglingling! Kannst Du
mir nicht ein Billet zur morgigen Pre
miere verschaffen?" Und so weiter ins
Endlose.
Aber es sollte noch besser kommen!
Eines Tages führte sich unter Entschul
digungen mein Hauswirth bei mir ein
und bat mich höflich, ihm für ein paar
Minuten die Benutzung meines Tele
Phons zu gestatten. Ich konnte dem
gestrengen Hausmonarchen natürlich
nichts abschlagen, und dann ging's los!
Er hielt den Fernsprecher offenbar für
eine Art Schallröhre, und um sich dem
Angerufenen verständlich zu machen,
schrie, nein, brüllte er förmlich gegen
die zitternde Membran. Ich dachte,
ich solle vom Stuhl fallen. Aus den
paar Minuten" wurde beinahe eine
Viertelstunde, worauf er sich dankend
und lächelnd empfahl. Er hatte seinem
Freunde Lehmann die wichtige Mitthei
lung gemacht, daß er heute Abend erst
um halb neun statt um acht zum Skat
erscheinen könne!
Von nun an verbreitete sich mit
rasender Geschwindigkeit im ganzen
Haufe die frohe Kunde von der famosen
Gelegenheit, durch mein Telephon mit
Freunden und Bekannten sprechen ni
können. Mein Zimmer wurde eine
Art Taubenschlag. I
Kind." wandte ich mich wieder an !
meine Frau, das kann so nicht weiter
gehen!"
Ta kam ich schön an!
Aus Höflichkeit können wir'S den
Leuten nicht abschlagen, und es würde
auch so knickerig aussehen! Und denkst
Tu etwa, wir dürfen uns die Haus
bewohncr zu Feinden machen? Wie
rücksichtsvoll sind sie gegen uns! Tie
Plieschkes oben sind so liebenswürdig
gewesen, uns ihre Klavierübungsstunde
anzusagen, Nachmittags blos von drei
bis sechs, und die kleine Operettcnsän
gerin Mellanini unter uns singt auch
blos Morgens von acht bis zehn, weil
sie dann zur Probe muß. Nein, mein
Lieber, Rücksicht gegen Rücksicht!"
Ich finde aber diese Leute gar nicht
so rücksichtsvoll."
Tann werden wir uns ihre Rück
sichtsnahme durch die unsere erobern!"
Streite einer mit feiner Frau, noch
dazu, wenn er sie gern h :V. Sie hat ja
doch zuletzt Recht! Ich mußte seufzend
nachgeben, und die Telephonmarder
verkehrten weiter bei mir. Ta kam
die Mellanini, und ich hörte ein Ge
tuschle von Schätzchen", Liebling",
Tanke schön", Ich freue mich sehr".
Ganz bestimmt"; dann erschien der
Leutnant vom dritten Stock und er
zählte sich mit dem Tattersallbesitzer
eine Pferdcgeschichte, dann ja, was
weiß ich noch alles! Wie Schatten der
Unterwelt ziehen sie alle jetzt noch bis
weilen im Traum an mir vorüber, ich
höre das schreckliche Rrrr!" Kling
lingling!" und dann beginnen die
Fragen oder Antworten. Denn es
waren ja immer nur halbe Gespräche,
die ich gehört hatte. Wie Monologe
von Wahnsinnigen quälen sie mich, bis
ich erwache.
Sogar nach dem Hinterhause war
die Kunde vom freundlichen Fern
sprcchbesitzcr gedrungen, und auch von
dort erschien bisweilen Jemand zur
Gratisbenutzung. Dann hieß es:
Ach würden Sie wohl so freundlich
sein und mir die Sache zeigen? Ich
habe noch nicht damit gesprochen."
Bitte sehr!" Und ich mußte drehen,
klingeln, bestellen, als wäre ich Tele
phonisten geworden.
Wenn ich Besuche zu vertraulichen
Gesprächen bekam, empfing ich den Be
treffenden bisweilen schon an meiner
Thür:
Bitte, kommen Sie auf die Straße
zu einem kleinen Spaziergang, dort
können wir sprechen!"
Aber warum nicht im Zimmer?"
Ich habe augenblicklich kein Zim
mer!" Ach so," lächelte der Betreffende
verstündnißinnig, wohl großes Rein
machen?" Nein, noch schlimmer: mein Tele
Phon wird benutzt!"
Und dann kam das Schlimmste.
Eines Nachts klopfte es an unsere
Korridorthür. Als wir nicht öffneten,
wurde die Klingel längere Zeit mit
solcher Heftigkeit gezogen, daß ich mich
auf Zureden meiner Frau schließlich
bequemen mußte, aufzustehen, da das
Dienstmädchen nicht zu hören schien
oder nicht hören wollte. Nothdürftig
bekleidet, eilte ich hinaus und stehe nach
dem Oeffnen einem wildfremden Men
schen gegenüber.
Was wünschen Sie?"
Ach, entschuldigen Se man, ick bin
der Schmidt hier unten ausn Jrien
kramkcller. Ihre Frau läßt ooch immer
bei uns holen. Also, meine Frau is
plötzlich so krank jeworden, wiffen Sie.
und da wollte ick nu fragen, ob ick nich
durch Ihr Telephon"
Zum Donnerwetter!" rief ich, wis
sen Sie denn nicht, daß in der Nacht
keine Verbindung ist?"
Nun." grinste er. um Verbindung
handelt sich's ja nich!"
Aber, lieber Mann, das Telephon
geht nicht in der Nacht!"
Jeht nich? Na. denn entschuldigen
Se man! Denn muß ick jehen." Und
kopfschüttelnd trappte er die Treppe
hinunter.
Diese Störung schlug dem Faß den
Boden aus. Ich ließ die Leitung auf
meine Kosten zu .meinem Hauswirth
hinführen und schenkte ihm die ganze
Einrichtung. Seitdem habe ich Ruhe
vor dem Telephon und feinen Be
nutzem.
Ter eingenäht Ehemann.
Ein amüsantes Geschichtchen von ei
nem gewaltthätigcn Ehemann und sei
ner sich rächenden besseren Hälfte wird
aus Paris berichtet. Monsieur Antonin
Urbain ist seines Zeichens Bohner. der
Dank feiner wahren Herkules-Musku-latur
etwas Tüchtiges schaffen kann.
Das Handwerk ermüdet aber, macht
durstig und heiß. Um seinen erschöpf
ten Kräften aufzuhelfen, sich abzukühlen
und seinen Durft zu löschen, trinkt der
Mann natürlich. Er ibut des Guten
dab?i meist etwas zu viel und die Folge
ist. daß er stctS in einem höchst bedenk
liien Zusende Hn td.'lichcs Domizil
eneiitt. Beim 'Anblick seiner boldcn
Gattin erwacht dann in dem Scknan
senden d?r Wunsch, die Lei'tung?'abiz
loit seiner muskulösen Arme zu probi"
ren. Er thut dies, indem er Frau und
Schwägerin ein Weilchen mit Stock
schlagen traktirt. nack! welcher Prozedur
er sick befriedigt zur Rnde legt. ,:m sei
nen Rausch auszuichlafen. Die beiden
ünglücklitcn Opfer des Trunkenboldes
litten in Geduld, bis ihnen vor Kurzem
eine gute Nachbarin Racbegedanken ein
impfte. Seid doch nicht einfältig."
sagte die in solchen Dingen erfahrene
Person, benutzt die Zeit in der er
'schlaft. Näht ihn mit seinen Bett
tüchcrn an die Matratze fest, daß er sich
nicht rühren kann, und dann gebt ihm
eine ordentliche Trächt Prügel.'" Mme.
Urbain und ihre Schwester beherzigten
den vortrefflichen Rathschlag und brach
ten unlängst das Rachcwert zur Aus
führung. Vorsichtig nähten sie den
Schlafenden ein. daß er wie in einem
Sack stak, und befestigten die Laken
mittels einer Packnadcl und starkem
Bindfaden an der Matratze. Tann
ergriffen sie ein paar Robrstöcke und
hieben auf den ahnungslos Schlum
merndcn ein, daß eZ eine Art hatte.
Auf das Gebrüll des wehrlosen Wüthe
richs stürzten schließlich die Nachbarn
herbei und befreiten ihn aus den Hän
den der immer mehr in Rage gerathen
den Frauen. Ter Mann war aber so
übel zugerichtet worden, daß er nach
dem Krankenhause überführt werden
mußte, wo er wohl einige Zeit zubrin
gen dürfte, ehe er die Züchtigung von
zarter Hand überwunden haben wird.
Ter Mann verzichtete darauf, die
Scheidungsklage einzureichen; er sah
wohl ein, daß ihm recht geschehen war.
Der Mutter Mahnung.
Am 14. Januar 1871 stieß bei St.
Privat eine größere Abtheilung Fran
zosen auf eine kleine Abtheilung hcssi
scher Chcvauxlegcrs, und beide ge
riethcn in ein kleines Gefecht. Ver
gebens befahl der Führer der Fran
zosen seinen Leuten, das Feuer einzu
stellen, und forderte die vier Hessen, die
sich tapfer wehrten, auf, sich der Ueber
macht zu ergeben. Trotzdem stürmten
die Franzosen vor. und ihr Führer, der
sich ihnen entgegenwarf, erhielt von sei
nen eigenen Leuten einen Bajonettstich.
Tie Hessen ergaben sich der Uebcrmacht.
Einer ver Hessen dankte dem Franzosen
für sein menschenfreundliches Vorgehen,
worauf der Franzose erzählte, daß seine
Mutter ihn beim Abschied ermahnt
habe, gegen Freund wie Feind gut zu
sein, soweit dies der Kriegsbrauch ge
statte, und überflüssiges Blutvergießen
zu vermeiden. Tiefer brave Sohn war
L6on Blat von Bischweiler. Nach
vielen Jahren kam ihm in Odessa in
Südrußland, wo er sich niedergelassen
hatte, die Erinnerung an jene Begeben
heit und der Wunsch, diesen Hessen,
denen er btt Leben gerettet hatte, die
Hand zu drücken. Zu ihrer Auffindung
wandte er sich an den Kaiser, der ihm
das 23. Dragoner-Regiment in Straß
bürg nachweisen ließ als das Regi
ment, dem die Hessen angehört haben
mußten. In Darmstadt stellte dann
Löon Blat persönlich die Namen der
vier Hessen fest, und auf einer Reise in
Hessen suchte er die vier ehemaligen
Chevauxlegers, mit denen cr schon vor
her Briefe und Photographieen ausge
tauscht hatte, auf und feierte, aufs
herzlichste aufgenommen, ein fröhliches
Wiedersehen. Die vier Hessen aber
stifteten für die Mutter unseres Bisch
weiler Landsinannes eine Grabplatte
mit der Inschrift: Der Erziehung,
welche Du Deinem Sohne Leo gegeben,
verdankten am 14. Januar 1871 vier
hessische Dragoner ihr Leben. Im Auf
trage aller Häufer." Aus Dankbarkeit
stiftete Herr Blat eine Grabplatte für
Häusers Mutter.
v (Straßb. Neueste Nachr.)
So war's nickt gemeint.
Erste Dame: Mein Mann war an
fangs gegen die Badereise und es
kostete meine ganze Ueberredungskunft
er meinte, es käme zu kostspielig
nach den vielen Ausgaben des Winters.
Zweite Dame: Und was versetzten
Sie darauf?
Erste Dame: Meine neue Winter
garderobc. j Lupl?emislisch.
Ist es wahr, daß der alte Oberför
ster so riesig aufschneidet?"
Das gerade nicht aber er erin
nert sich immer an mehr, als er erlebt
hat !"
Schöne Aussicht.
Arzt: Nächstens werde ich meinem
zukünftigen Schwiegersohn meine Praxis
übergeben!"
Patient: Sooo!. . . . Da gehör ich
wohl auch zur Mitgift Ihrer Tochter?!"
Sensibel.
Backfisch (vor der Auslage einer Buch
Handlung): Marie, gehen wir weiter,
dort liegt ein Liebesbriefsteller, und
wenn ich den sehe, bekomm' ich allemal
Herzklopfen."
Boshaft.
Dichter: ..Rath' mir. lieber Freund,
wie bring' ich wohl am Besten den Held
meines Dramas um?"
Freund: Lies es ihm vor!"