Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 29, 1899, Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    J
1.
Das Zwanziapfnniastück.
NsvcUeiie ton !rc.chcl.
Was ihm in diesem Augenblicke
widerfuhr. nein, das war dem Mei
tun bescheidenen Zwanzigpfennigstuck
noch niemals in seinem Leben, niemals
wahrend all seiner Wanderungen pas'
sirt! es fühlte einen heißen Athem,
ein paar warme Menschcnlippe:i be
rührten seine Oberfläche, es wurde
geküßt, wirklich und wahrhaftig, es
wurde qcküßt!
C Tu liebes herziges Ting. wie
niedlich Tu bist und wie echt silbern
Tu glänzest'." sagte dazu eine wohl,
lautende Müdchenstimme.
So hatte auch noch Niemand zu dem
Zwanzigpfennigstück gesprochen!
TaS mußte doch seine eigene Be
wandtniß haben und eS war auch sonst
nicht weiter verwunderlich, daß dieses
neue und seltene Ereigniss haften blieb
in dem Gedächtniß des Zmanzigpfen
nigstückes. daß es sich Tie. welche ihm
so v!cl Liebes erwies ordentlich und
wißbegierig änschaute!
Käthe. so lautete ihr Name
war ein schmuckes, junges Ding die
Lilie und Ros' blühten auf ihren Wan
gen", wie es im Liede heißt, und ihre
Strahlenaugen hatten die leuchtend
blaue Farbe der Kornblume, die sich
im Sommer so prächtig zwischen den
gelben Aehren wiegt!
Zwischen Blumen spielte sich auch
Käthe's Leben ab. jedoch glaube
man nicht, daß es darum chon und
reich war. nein, die Blumen mit
denen Käthe zu thun hatte, waren
künstliche und wurden von ihrer eige
nen Hand mit vieler Mühe, in ermat'
tendcr Arbeit angefertigt, um hernach
hinauszuwandern aus der kleinen Kam
mer in die großen Luxus-Läden. und
weiter auf die schimmernden Seiden
roben der feinen Damen, in die Prunk
vollen Tafel Aufsätze der vornehmen
Leute!
Käthe war also nur eine arme Blu
menmacherin! Und doch blühte s in ihrer Seele
wie cm einziger Garten, wie e:n jun
ger Frühling von üppigen Blüthen!
Tie Liebe war ja zu ihr gekommen,
die Liebe, welche auch in das engste,
dunkelste Stübchen Licht und Wonne
bringt und dem Auge einen rosa
Schleier vorhängt, daß es die ganze
Welt anschaut, als läge sie in Rosen
schimmer da.
Der kraushaarige junge Musiker
Frank Schwerter war es, den Käthe
liebte! Er lebte zu seiner Ausbildung
hier in der Residenz und verwandte
sein kleines mütterliches Erbtheil da
zu, um sich, ganz frei von allen Fes
sein, nur seiner geliebten Musik zu wid
men, sich Meisterreife in dieser hehrsten
aller Künste zu erringen.
Frank träumt von Ruhm und Erfol
gen, gleich seine ersten Konzerte sollten
ihm reichen Beifall und ausgedehntes
Bekanntwerden verschaffen, es mutzte
ihm ja glücken, alles nur so zuflie
gen, ihm. der so fabelhaft leicht lernte,
nur hinsehen brauchte, um alles zu kön
nen! Käthe und Frank hatten sich in
der Pferdebahn kennen gelernt, wo letz
terer dem hübschen jungen Mädchen,
das ihr Portemonnaie vergessen hatte,
gern beisprang und freundlich aus
half. Sie hatten einander gleich gefallen.
Frank's leicht aufwallendes Herz ent
zündete sich in Käthe's Liebreiz und
sie glaubte nie einen hübscheren, ele
gantcren Mann als Frauk gesehen zu
haben.
Die Bekanntschaft spann sich des
halb, wie das ja so häufig im Leben
passirt, weiter fort, wenn auch anfangs
mit Zagen und Herzklopfen von Käthe's
Seite.
Als er ihr dann eines schönen Tages
von Liebe sprach und sie stürmisch in
seine Arme zog, leistete ihr eigenes zärt
liches Herz natürlich keinen Widerstand,
sie empfand nur die Wonne, zu lieben
und geliebt zu werden und meinte, daß
der Himmel sie auch extra für einander
bestimmt hätte, wie er es bereits durch
die ungeahnte Art ihres Zusammen
führens bewiesen.
Als Käthe's Geburtstag war, da
schenkte Frank ihr anknüpfend an ihr
Kennenlernen eine niedliche kleine Börse
von blauem Sammt und hinein hatte
er dem alten Gebrauche folgend, einen
ersten Einweihungsobolus gethan, mit
dem guten Wunsche, daß aus ihm sich
allmählich eine ganze Million entwickeln
möge! .Und das war unser Zwanzig
Pfennigstück gewesen! Große Geschenke
hatte Käthe sich verbeten von Frank,
aber dieses kleine Angebinde machte
ihr Freude, wie bisher noch keines auf
der Welt!
Und nun wissen wir auch, warum
Käthe das kleine Geldstück so innig
küßte und es ein liebes, herziges Ding
nannte.. ..
Jahrzehnte sind vergangen seit die
fem Tage und haben Wandel geschaf
fen im Großen wie im Kleinen, bei der
Allgemeinheit ebenso, wie in dem Da
sein des Einzelnen!
In dem Boudoir ihrer eleganten
Wohnung sitzt eine vornehm gekleidete
Frau und schaut lächelnd ihrem etwa
achtjährigen Töchtcrchen zu. welches
eifrig in dem obersten Schubfach von
MamaS Toilette herumkramt und dort
die, Schmuckkästchen, bunten Parfüm
Flacons, seidenen Taschentücher, stei
nen Bijouterien, Andenken und andere
Herrlichkeiten bewundert, eS ist je-
des Mal ein F.'sttag für die lci::e
Käthe, wenn sie das darf! j
Und diese kleine Käthe ist die Fech
ter jener Anderen, welche wir damals
gesehen haben in ihrer Jugend, in ihrer
engen Kammer, der armen Blumen
macherin, welche den lustigen Frank
Schwerter licdtc. Sie ist jetzt eil reife
Frau, zu der nun auch allmählich das
Alter kommt, um über ihr schönes
Gesicht zu streichen mit seiner Hand,
unter deren Berührung fcie stolzen
Lebenssäfte stocken, die frischen Farben
verblassen!
Und Frank? Wo ist denn er? Tritt
er nicht auch zur Thür herein, Weib
und Kind zu begrüßen?
Still, still, Ihr täuschet Euch! - Kein
Wort von ihm. nicht rühren an die
alten Geschichten!
Wo er weilt? Ja, wer das wüßte!
Käthe hat nichts mehr gehört von ihm.
seit er sie kaltherzig verließ, hatte auch
nichts mehr hören mögen von ihm, seit
dem er ihr erklärt, feine Liebe für sie
sei erloschen, er könne ja nichts dafür,
es sei aber halt so, der Himmel lenke
die Herzen der Menschen und sie müß
tcn sich unterwerfen!
Das war das Ende des seligen Trau
mes. nicht allzu lange hatte die trüge-
rische Herrlichkeit gedauert! Frank's
unbeständige Natur konnte keine Treue
halten, auch hinderte Käthe ihn auf der
Bahn, welche er verfolgte, frei müsse
der Künstler sein, gefesselt lasse es sich
zu schwer aufwärts streben, das lfade
er jetzt eingesehen! Mit diesen alten
Redensarten sagte Frank sich los von
Käthe. Sie hatte ihn nicht gehalten,
aber ihr Herz lag fortan kalt und starr
in der Brust wie ein Todter im Sarge,
und viele, viele Thränen tropften auf
die blaue Sammetbörse und das sil
berne Zwanzigpfennigstück darin, wel
ches ihr einzig verblieben war als Er
innerung an Vergangenes!
Späterhin war Käthe dann noch zu
Theil geworden, was man allgemein
als ein kolossales Glück" zu bezeichnen
pflegt, und es schien, als habe sich das
Schicksal ganz besonders bemüht, um
Käthe einen reichlichen Ersatz zu geben
für das ihr erst angethane Leid!
Ein amerikanischer vermögender
Kaufmann, welcher in Deutschland zu
Besuch weilte, hatte sie gesehen, als sie
bei feiner Cousine eine Lieferung von
künstlichen Blumen zu Dekoration
zwecken abgab, und sich derartig für sie
begeistert, daß er sie ohne Weiteres zu
seiner Frau zu machen beschloß.
Käthe, sehr überrascht durch diesen
ungeahnten Antrag, diese unerwartete
Wendung ihres Lebens, hatte ihr Ja
wort zwar nicht sogleich gegeben, weil
sie James Barton nur achten konnte
und noch immer an Frank Schwerter
dachte!
Sie war ossen und stolz genug, die
ses freimüthig zu bekennen; da James
aber trotzdem bei seiner Werbung be
harrte und seine treue Liebe Käthe
rührte, so nahm, sie dankbar die liebe
Hand an, welche sich ihr so uneigen
nützig bot.
So ward sie die Gattin von James
Barton und hoffte auf eine friedliche
Zukunft!
Und Käthe hatte nicht zu bereuen,
was sie gethan! Das neue Paar zog
fort, das Glück ihres Gatten erweckte
auch das ihrige, allmählich kehrte ihr
Lebensmuth wieder und sie lernte von
Neuem das Lächeln und das Fröhlich
sein! Und als ihnen nach zehnjähriger Ehe
noch ein Töchterchen bescheert ward, da
war Küthe's Herz nur von Dankbarkeit
und Frieden erfüllt!
Mama, Mama, sieh nur, das
ist mal hübsch!" ries plötzlich die Stimme
der kleinen Käthe und ihr Händchen
hielt der Mama entgegen, was sie so
eben aus einem ganz verborgenen Win
kel des Schubfachs hervorgeholt hatte,
eine kleine Börse von blauem
Sammt! -
Käthe zuckte zusammen, eine heiße
Flamme röthete ihr Antlitz. Sie griff
nach dem blauen Ding und öffnete es,
eine Wehmuthsthräne rollte aus
ihrem Auge und fiel auf das kleine
Silberstück, das noch immer darin
blinkte! Minutenlang umfing sie Er
innerungs - Zauber. Erinnerungsqual!
Dann schämte sie sich, daß sie noch
immer aufbewahrt hatte, was doch
längst in's Feuer gehörte!
Sie wollte es nun aber nachholen!
Momentan hinderte sie noch ihres Kin
des Gegenwart daran, so schob sie die
kleine Börse vorläufig in ihre Kleider
tasche doch heute noch sollte dieses
Stück der Vergangenheit in den Flam
men sterben!
Am Nachmittage machte Frau Käthe
einen Spaziergang. Es war herrlich
schönes Wetter und die Anlagen wim
melten von Menschen, welche die frische
Luft behaglich einathmetcn und ihre
Augen weideten an dem Grün der
Blatter und dem Blau des Himmels!
Auch iljtt Herzeil wurden milder und
gütiger gestimmt bei dem hellen Son
nenschein, der hcrcinfluthete, und so
kam es, daß der arme Drehorgelmann,
welcher dort in dem Winkel, wo sich
der Promenadenweg verzweigte, seinen
Stand hatk, heute eine ganz gute
Ernte machte!
Doch allmächtiger Himmel! ist's
eine Täuschung oher sehen wir wirklich
recht? Aber nein, es kann, es kann
doch gar nicht möglich sein! Und doch,
leider irren wir uns nicht, der
Drehorgelspicler mit dem ergrauten,
unordentlichen Haar, dem fahlen, ver
wüsteten Antlitz und dem verbissenen
Zug um den Mund, es ist' sein An
derer als Frank Schwerter!
Er glaubte einst den Himmel zu
stürmen, aber er halte sich zu hoch vcr
messen! Es kam anders, als er ge
meint, zumeist durch seine eigene
Schuld, ein wenig aber auch durch des
Geschicks Tücke.
Eine kurze Zeit lang hatte er Glück
und Beifall getostet, aber dann warf
man ihm Flüchtigkeit. Obcnlächlichkeit
und musikalische Kunststückchen statt
wahrer Kunst vor und schob ihn bei
ienc. -ein Geld hatte er verbraucht
sei Leicht,: kam dazu und dann
auch das Unglück, daß er sich bei einer
ausartenden Zecherei die rechte Hand
mit den Scherben eines zerbrochenen
Glaies derartig verletzte, daß zwei Fin
ger für immer steif blieben. es war
alio nichts aus ihm geworden, er
verdarb, sank immer tiefer herab und
fristete fortan kümmerlich sein Le
den!
Tas Schicksal wollte, daß Käthe ge
rade dort vorbeikam, wo Frank Schwer
ter am Wege um Almosen feinen Leier
kästen drehte! Sie eine reiche, vornehme
Frau ein Bettelmann er die sich
doch einst geliebt hatten! Fürwahr, ein
schneidender Kontrast! Käthe erkannte
ihn nicht, aber sie griff ,n die Tasche.
als sie den Armen gewahrte, in der
Absicht, ihm eine Kleinigkeit zu reichen
Ihre Hand ,faßte jedoch statt des harten
Portemonnaies etwas Weiches. Wol
liges was war denn das? Sie zog
es erstaunt hervor ach, die .kleine
blaue Sammtbörse war es, schon wieder
ne, welche den flammen überliefert zu
werden nun doch wieder vergcnen wor
den war!
Mit schnellem Entschluß warf Käthe
die Börse auf die Drehorgel und eilte
dann hochaufathmend weiter! So war
sie nun befreit von dieseni Stück, an
das sich unseliges Gedenken heftete, und
hatte doch wenigstens noch etwas Gute
damit bewirkt, so dachte sie!
Frank aber starrte mit weitgeöffneten
Augen aus die seltene Gabe, die ihm
dort bescheert war. und seine erschrockene
?pfit flslttrrt( riiifrnrtrta in hin War.
ganqenheit !
Narrte ihn ein Spuk? Tiefe blaue
Tammtbörse glaubte er zu kennen! Er
riß sie auf und fuhr zusammen bei dem
Anblick des kleinen Jwanzigpfennig
stückcs.
Er hatte die feine Tame nicht weiter
angesehen, sollte es wirklich Käthe qe
Wesen sein? Doch wie kam sie hierher?
So tollte und wirbelte es in Franks
müdem Hirn, aber von nirgends her
lam ihm die Antwort ! Weit fort schleu
derte er Börse und Geldstück, die ihm
wie höllisches Feuer in der Hand braun
ten, und verließ für heute seinen
Stand, auf dem es ihm plötzlich un
heimlich geworden !
ie oiaue Borie fand spater ein
Kind und nahm sie freudig mit zum
spielen das kleine Zwanzlgpfenmg
stück aber hob ich selber auf vom Boden,
als ich es bei meinem Spaziergang im
Sande plötzlich glänzen sah, und als
ich es betrachtete auf sein Schicksal hin.
da erzählte es mir fein letztes intcressan
tcs Erlebniß, und wunderte mich über
die seltsamen Fügungen des Lebens!
Ihr Mann.
Tem Englischen nacherzählt von E. JonaS.
Wir dinirten im Hotel Savoyen"
in London, und ich sah oft umher, sah
auf die schönen englischen Damen, die
noch schöner als gewöhnlich m ihren
eleganten Abend-Toiletten waren. Es
war eine lebhafte Scene, und ich genoß
sie. wie man den Duft einer Blume ge-
Nleßt.
Mir gefiel London, obgleich ich erst
drei Stunden hier gewesen war. Aber
die Atmosphäre, die Landungsstelle mit
all ihren kleinen Schiffen, der langsam
dahinfließende frlusj, das große Nelson
Monument auf dem Trafalgar-Square,
Alles war mir schon längst bekannt.
denn ich hatte eine Masse englischer
Literatur verschluckt, und da wir Men
sehen nun einmal so beschaffen sind, daß
wir alle Dinge beschrieben haben
müssen, bevor wir sie mit dem richtigen
Blick sehen können, da kannte ich eigent
lich London viel besser als New Z)ork.
Ich hatte am meisten über London ge
lesen. Der Hmc, der mir gegenüber saß.
lachte hin und wieder vor innerer Be-
fnedlgung, wenigstens sah ich nichts
Anderes, über das er sonst hätte lachen
können.
Er hatte einen Theil kleiner Geschich-
ten aus Australien erzählt, wo er sich
nämlich drei Jahre lang aufgehalten.
Er hatte viele Geschäfte in New York
und San Francisco gehabt; er war
auch über San Francisco nach England
heimgekehrt, wo er geboren. Dies ist
Alles, was ich von ihm wußte, außer
daß er braun gebrannt, breitschulterig
war, ehrliche Augen und em herzliches
Lachen besaß. Man kann es unmöq-
lich unterlassen, einen Mann gern zu
haben, der richtig zu lachen vermag.
Er konnte viel von Australien, von den
schweren Reit-Touren, von dem rothen
Staub in den Eoldländern, von den
Stürmen und den großen Wüsteneien
erzählen. Er war augenscheinlich mit
dem Ernst des Lebens sowohl als auch
mit dessen Komödie bekannt geworden.
Ich wollte gern mehr von ihin wissen,
als ich wußte, und er hieß Gordon.
Schließlich erhoben wir uns vom
Tisch und gingen dann hinab nach dem
Flusse während wir unsere Nachmit-
,tazS-Cigarr: rauchten. Es ar in-
zwischen Abend gewzrden, ein Abend,
der uns gewissermaßen d2s Bedürfniß
ein'loßk. seinem Nächsten etwas von
dem anzuvertrauen, was man im Leben
erfahren, oder vielleicht die Geheimnisse
des Lebens. Ich hat:e nicht viel erlebt,
wollte aber gern darüber spUchen, und
um das Gespräch in Gang zu bringen,
sagte ich: ES ist sonderbar, daß ein
Mann, der so entzückt von England ist
wie te, sich darin zu finden vermag
so lange von demselben fern zu blei
den."
Ich hatte erwartet, daß er antworten
würde, es sei der Mangel und das Ver
langen nach Geld und Abenteuern. daS
ihn in die Welt hinausgetneben habe
ich selbst hätte etwas in dieser Be
Ziehung erzählen können, aber er wurde
plötzlich ernst.
Tie Ursache, die mich veranlaßte,
nach Australien zu reifen, war die,
welche Neun aus Zehn veranlaßt, tien
falls dorthin zu reisen. Es war ein
Weib, das dahinter stand."
Ich erwartete, daß er nunmehr er
zählen wurde; aber da er schwieg
fragte ich weiter: Wenn Frauen da
hinter stecken, dann ist gewiß jedesmal
die Liebe im (spiele.
Tas ist ganz richtig, und ich liebte
sie viel zu sehr, um dort bleiben zu
tonnen, wo ich war."
War sie verheiratet?" fragte ich
tyeiliiaymsvoll.
Sie war verheirathet, und zwar mit
einem elenden Stümper, der verdient
hätte, durch ganz England gepeitscht zu
werden. Er trank, ging hohe Wetten
ein. spielte und machte ihr das Leben
unerträglich."
Tas muß sehr traurig für Sie t
Wesen sein."
Ach ja! Aber doppelt so leid, wie
es mir that, war es übel für sie."
Glauben Sie. daß sie Sie liebte?"
Ich weiß gewiß, daß sie es that,
Tas war es ja gerade, was mir schließ,
lich den Muth gab. hinaus in die Wel!
geyen. 3$ yave nicht eine einzige
Minute an ihre Liebe für mich während
aller dieser drei Jahre gezweifelt, und
die es Bewuntfein machte es mir möa
lich, das Leben zu ertragen, wie es sich
auch für mich gestaltete. Wenn ich
nicht gewußt hatte, daß sie an diesem
Punkte der Erde lebte, daß sie ver
trauensvoll an mich glaubte, daß sie
mich liebte, dann hätte ich mohl mehr
als einmal den Acuth verloren."
Und nun?" fragte ich.
Jetzt werde ich sie bald wiedersehen,
Sie reist mit dem Zuge aus Paris
Der Zug kommt über die Brücke dort.
in einer halben Stunde. Ich habe sie
seit drei Jahren nicht gesehen."
Ihr Mann ist wohl inzwischen ge
storben?" sagte ich.
Nein!" Es war ein festes, erustes,
Nein.
Aber "
Es giebt kein Aber, wir werden
thun, als ob der verkommene Mensch
todt und begraben märe, und wir wer
den unser Leben auf's Neue beginnen,
Wir werden unsere eigene kleine Aacht
haben, und bald alle wunderbaren
Gegenden besuchen. Ich will sie mit
nach Australien nehmen und ihr einige
Orte zeigen, wo ich gelitten habe
und wo der bedanke an sie mir Muth
zum l'cben gab."
Glauben Sie, daß das vollkommen
berechtigt ist? Selbst wenn sie viel von
Ihnen hält, so "
Sie ist bereit, sich mit mir in's
Leben hinaus zu wagen, und ich habe
bereitwillig das Leben gewagt, obgleich
es eine 'Am gub. wo ich mich bedachte.
Wenn zwei Menschen einander so sehr
lieben, wie sie und ich. dann vermögen
sie auch viel zu ertragen."
Nun. ich hatte vorhin sehr viel von
dem Manne gehalten, aber jetzt fühlte
ich mein Vertrauen zu ihm erschüttert
Ich wollte doch noch einmal versuchen.
ihm Vernunft beizubringen.
Aber ihr Mann? Ist sie nicht seine
ge etzmaßige Gattin?
Er legte seine Hand mit einem herz-
haften Schlag auf meine Schulter und
brach m ein herzliches Lachen aus:
Mein lieber Herr! Ich bin ihr
Mann! Sie ist meine Frau!"
Anna Grobecker und ihr Lnkel.
Anna Grobecker erzählt in ihren, im
Wiener Fremdenblatt" veröffentlichten
Erinnerungen: Ich hatte meinen
Onkel, den Bruder meines Vaters,
nie persönlich kennen gelernt. Als ich
im Jahre 1880 eine meiner Schwestern
in Leipzig besuchte und das Gespräch
auf unsern 90jähriqen Onkel kam, da
entschloß ich mich rasch, mich selbst da-
von zu überzeugen und machte mich auf
den Weg nach Chemnitz. Er bewohnte
m emem einfachen, aber sehr anständi
gen Hause den ganzen zweiten Stock.
Mit Herzklopfen stieg ich die Treppen
hinan und zog die Klingel der Thüre,
auf welcher Wilh. Mejo. Stadtmusik-
director emer." stand. Da nicht geöff-
net wurde, läutete ich zum zweiten
Male endlich schloß man auf, und
vor mir stand eine ganz alte kleine
Frau in einem braunen Kattunkleide
mit großer weißer Schürze und einer
altmodischen Haube auf dem Kopf, wie
sie die Frauen trugen, als ich noch ein
Kind war. Die Haube rahmte durch
eine drei Finger breite Falbel das Ge
ficht ein.
Sie sah mich sehr verwundert an und
agte im sächsischen Dialekt -zu mir:
.Was wünschen Sie denn?" Ich
wünsche Herrn Musikdirektor Mejo zu
prechcn. Ist er zu Hause k" Nun
1, was wouen denn von iymz"
Ich wünsche ihn zu sprechen, bitte,
sagen Sie ihm das." Nun ja. sehr
gerne, Sie können mir aber doch sagen,
was Sie von ihm wollen?" Wie neu
gierig doch solche alte Weiber sind,
dachte ich doch um schneller zum
Ztle zu gelangen, antwortete ich: Ich
will ihn sehen, er ist mein Onkel,
darum gehen Sie geschwind hinein und
sagen Sie ihm das." Ei berrjeses.
cr ist ihr Onkel? Ja. wer sind Sie
denn eigentlich?" .Ich bin die Toch
ter seines Bruders Franz Mejo und
heiße Anna Grobecker." Von mci
ncm guten Franz? Anna Grodecker?
Ei herrjcses! Ist dem, das möglich?
Tie Grodecker ne sch'n S' mal
nn was macht denn die Grodecker?"
Habe ich Ihnen denn nicht gesagt, daß
ich die Grodecker bin?" WaS
Sie sind die Grobecker? Nee diese
Freide das hätt' ich ja nie geglaubt,
daß ich nochmal die Grodecker zu sehen
bekomme nee diese Freide nu was
macht se denn die Grodecker?" Tie alte
Frau schien so verwirrt, als wüßte sie
gar nicht, was sie sprach, und da ich
glaubte, es könnte Schwerhörigkeit
daran schuld sein, so wiederholte ich
mit lauterer Stimme: Ich bin ja die
Grobccker, aber nun machen Sie der
Sache ein Ende und lassen Sie mich
hinein zu meinem Onkel!" Zu Tei
nein Ontel!" schrie die alte Frau, in
dem sie übcrselig die Arme ausbreitete,
um mich an ihr Herz zu drücken zu
Deinem Onkel? Herrjeses, Herr
jefes, ich bin ja Dein Onkel!"
Im ersten Augenblick glaubte ich,
daß ich es mit einer Verrückten zu thun
habe. Als aber meine Blicke auf das
alte Gesicht fielen, welches ich bis jetzt
wenig beachtet hatte, erkannte ich die
Züge meines Vaters.
Tie Achnlichkeit war zu groß, es
konnte keine Täuschung sein, und mit
einem Ausdruck der Freude, wobei ich
ein Helles Gelächter nicht unterdrücken
konnte, lagen wir Beide einander in den
Armen. Nee. diese Frejde, diese
Freide!" rief er immerfort und konnte
sich nicht beruhigen. Ader Onkel,
was soll denn diese Maskerade? Wa
rum denn in Frauenklcidcrn?" fragte
ich ihn. Ja siehste, meine gute Anna,
das will ich Dir gleich sagen. Meine
liebe, gute Frau, die mir vor einigen
Jahren gestorben ist, hat mir so viel
Garderobe hinterlassen. Manche Leute
geben die Kleider der Verstorbenen weg,
ich aber meine, ihr Andenken nicht des
ser ehren zu können, als wenn ich selbst
die Kleider im Haufe austrage. Lach
mich nicht aus, meine gute Anna, die
Sachen sind mir lieb geworden, ich
schlafe sogar darin. Seit Monaten
konnte ich des Nachts im Bett kein Auge
schließen. Wenn ich aber den Paletot
meiner rau anziehe und ihren Muff
und ihre Filzschuhe nehme so schlafe ich
in meinem Wiegestuhl wie in Abra
ham's Schooß!"
Ter
König von Sachse und
sei
Herr Better.
Die Verwandtschaft der Könige von
Sachsen mit George Sand, der berühm
ten französischen Dichterin, wird von
der Familie der letzteren gern geltend
gemacht.,
In der That verhält es sich so. daß
die George Sand in direkt Linie von
dem leider in französische Dienste getre
tcncn großen Feldherrn Moritz von
Sachsen, dem Sohne des sächsischen
Kurfürsten und polnischen Königs Au
gust des Starken und der Gräfin
Aurora von Königsmark, abstammte.
Da August der Starke aber der Vater
des Urgroßvaters des jetzigen Königs
von Sachsen ist. so konnte es nicht wun
vernehmen, daß ein Sohn der George
Sand, der eitle M a u r l c e S a n d.
die Gelegenheit ergriff, um feine hohe
Verwandtschaft zu betonen.
Als er im schweizerischen Bad Raqaz
mit König Albert zusammentraf,
wurde er dem Monarchen vorgestellt,
und benutzte sogleich den Moment, um
ihm seine Verwandtschaft durch die
Herzählung des Geschlechtsregisters zu
beweisen.
Der König hörte ihn ruhig an.
Dann sagte er lächelnd: H e r r V e t
ter, ich bin h i e r i n c o g n i t o.
m a ch e n S i e es a u ch s o."
Heiapopeia.
Ein altqriechisches Wiegenlied sollen
wir in unserem allgemein verbreiteten
Heiapopeia besitzen. Ein bairifchcr
Herzog hatte, so wird in der K.
Volksztg." erzählt, eine Prinzessin vom
griechischen Kaiserhof in Konstantinopel
zur Gemahlin. Diese dichtete selbst für
ihre Kinder ein Wiegenlied mit dem
Refrain: "Heude rnu paidion,
heude rnu pai", zu deutsch: Schlafe,
mein Kindlein, schlafe, mein Kind."
Im Munde der des Griechischen unkun-
digen Wärterinnen wurde daraus das
bekannte Heiapopeia. Bis heute hat
in Süddeutschland, die Form des Re-
rains eme größere Aehnlichkeit mit
dem ursprünglichen griechischen Wort-
aut bewahrt; man singt dort: "Heidi
po peidi, heidi popei."
Ausrede.
Kellner (zum Gast, der seine Zeche
bezahlen will): Der Thaler ist falsch!"
Der Ga t wird durch diese Bchaup
tung gereizt und wirft in seinem Zorn
dem Kellner das Geldstück an den Kopf.
Ach." sagt der Gast, als ihn der
Wirth darüber zur Rede stellt, das
war nicht bös gemeint ! Ich wollte nur
hören, ob der Thaler wirklich unecht
klingt !"
Andeutung.
Mein kraule,!' i.h ruh Pie
Er:
schon oft geseben."
sie: ..Wo denn?"
Er: In meinen Träumen." V
Sie: Na. dann haben Sie jeden
falls auch Mama gesehen, denn ich geh,
nie ohne sie aus."
liri.jtite.
Dame (im Ballsaal): Ooh.. Sie
haben mich auf den Fuß getreten!"
Herr: Bedaure. Gnädige aber in
jo einem Gedränge muß man schon ein
Hühnerauge zudrücken!"
In der Küche.
Mann: Es riecht so fengerisch hier;
die Gans ist doch nicht angebrannt?"
Frau: Nein, ich bin mit den Klei
dern zu nahe an den Herd gekommen."
Mann (brummend): ,,Na, so waS
Aehnliches war's also doch!"
IXhti Wott
Alter Freund (zu einem Radfah'r
schulinhaber): Wie geht es denn Tei
ner jüngsten Tochter?"
Vater: Tie wird sich nächstens mit
meinem Compagnon verzweiradeln!"
Leim licirathsrcrmittlcr.
Tame: Mein zukünftiger Gatte muß
mir aber gefallen."
Heiratsvermittler: .Wollen sich
gnädiges Fraulein vielleicht herüber
in's Mnsterzimmer bemühen?"
Surrogat.
Hausfrau: Minna, warum rasselst
Du denn so furchtbar mit dem Blech
gesckirr?"
Köchin: Ach Jott, Madam, mein
Dragoner kann heute nicht kommen,
und da imitire ick mir 'n bischen
Sübeljerassel."
Schwierige Materie,
Mutter: Kannst Du lesen. Friede!,
was auf dem Wurstbrett hier steht?"
Friede!: Nein. Mama."
Mutter: ..Es ist auch sehr , schwer, es
sind altdeutsche Buchstaben."
Friede!: Taun wundert's mich nicht,
Mama, daß die alten Deutschen weder
lesen noch schreiben konnten."
Ans der Znstriiktisnsstunde.
Unteroffizier: WaS kommt beim
Soldaten nie vor? (Alles schweigt.)
Sogar diese einfache Frage könnt Ihr
nicht beantworten. Ihr Tölpel die
hintere Patronentasche kommt nie vor!"
Triftiger Grund.
Richter: Sie-haben hier diesen
Herrn Redacteur mißhandelt; welche
Ursache hatten Sie dazu?"
Angeklagter: Als ich neulich hundert
Mark gestohlen, hat er in seiner Zeitung
geschrieben: hundertundfünfzig! Ich
hab' dadurch die größten Ünän
n e h m l i ch k e i t e n mit meiner Frau
gehabt!"
Lin kleiner Diplomat. J:
Lehrer (der soeben die Sanftmuth
und Bezähmung von Rachegelüsten sei
nen Kindern empfohlen hat): Nun,
Karlchen, was würdest Du nun thun,
wenn Dich ein anderer Junge einen
Lügner schimpft?"
Karlchen (nach einigem Uebcrlcgen
unschlüssig): Wie groß ist denn der
Junge?"
Kindermund.
Mutter: Rudolph. geh' mal hinüber
zum Kaufmann, er soll Dir einen
Matjes-Hering geben." (Rudolph
geht, kommt aber erst nach langer Zeit
wieder). Wo bleibst Du denn so
lange. Rudolph? Hast Du den Hering?"
Rudolph: Nein, ich habe den Vor
namen von dem Hering vergessen."
Aus dem Gerichtssaal.
Vertheidiger: Und so schließe ich
denn mit der Behauptung, daß der An
geklagte lediglich in Folge seiner schlech
ten, verlotterten Erziehung zum Ver
brecher wurde."
Angeklagter: Ich danke Ihnen für
Ihre väterliche Vertheidigung.' Herr
Doktor!"
Ei Schlaumeier?! -, '
Ei. Herr Doktor. Sie sahen immer
zu Ihrer Frau. Sie müßten in den
Wohlthätigkeits-Verein. Die Tendenz
unseres Vereins ist aber doch nicht
gerade auf Wohlthätigkeit gerichtet!"
So, wenn man dadurch zweimal in
der Woche ausgehen darf ist das viel
leicht keine Wohlthat?"
Anknüpfung.
Er: In unserer neuen Wohnung
liegen die Schlafzimmer leider nicht
nach der Sonnenseite."
Sie: Weißt Du. Männchen, dafür
reisen wir ad und zu auf ein paar
Wochen nach dem sonnigen Süden."
Abergläubisch.
Richter: Das sind somit 13 Dieb
stähle, die Ihnen zur Last gelegt wer
den. Eine böse Zahl."
Gauner: . fvrr 9Wftirur hnrnif ei
nicht gerade 13 sind, werde ich lieber
noq einen kleinen eingcueyen."
Der kranke Trinker.
Arzt (Pillen verschreibend): Wenn
Ihnen die Pillen so zu bitter sind, so
nehmen Sie dieselben in Oblate und
darauf einen Schluck Wasser!"
Patient: Entschuldigen Sie, Herr
Doktor, kann man das Wasser nicht
auch in Oblate nehmen?"