Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 29, 1899, Image 10

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    Das CclMramm.
John SanDuS, b:r Telegraphcn-Jn
fpektor in Äinncapolis fafe eine? Nach
mittsl.is auf feinem Bureau, als man
ihm die Visitenkarte einer Tarne über
Irichtk.
.Bitten Sie die Tarne näher zu tre
tcn sagte er rasch.
lir erhob stch von seinem iupi, ai
zugleich ein junges, schwarzgetleidetes
Mädchen mit angenehmen Zügen das
Zimmer betrat.
.Sie werden sich kaum meiner erin
nem, Herr Sandys redete sie ihn so
gleich an.
Tuch, gewiß Fräulein Ellinor. ich
erinnere mich Ihrer gar wohl, obgleich
Sie zu jener Zeit noch Kind waren.
Sie besuchten lange die Schule und
dann gingen Sie in's Ausland, so datz
es nicht so wunderlich gewesen wäre,
wenn ich Sie vergessen Hütte denn es
liegt viel dazwischen."
Ein Blick aus ihre schwarze Kleidung
erinnerte ihn an den Tod ihres Vaters,
weshalb er seine letzte Bemerkung gern
ungeschehen gemacht hätte.
Ja." erwiderte sie leise, wie viel
liegt dazwischen! man rief mich nach
Hause, an das Sterbelager meines ge
liebten Vaters und erst nach seinem
Tode erfuhren wir. was Ihnen wohl
längst bekannt gewesen, daß er durch
unglückliche Spekulationen an der Börse
sein ganzes Vermögen verloren hatte.
Ich bin gewiß, daß der Kummer über
meine Mutter und meine Zukunft an
seinen letzten Leiden mit Schuld ge
Wesen und sein Ende beschleunigt hat."
Herr Sandys, der nichts hierauf zu
erwidern wußte, äußerte leise und fast
unverständlich, wie solches höchst wahr
schcinlich sei.
Nun sind bald drei Monate seit
jenen schweren Tagen verflossen," fuhr
das junge Mädchen fort, und Mutter
und ich haben unser ehemaliges Heim
verlassen und bewohnen jetzt ein kleines
Häuschen am anderen Ende der Stadt.
Und mich hat mein Weg zu Ihnen ge
führt in Gcschäftsangelegcnhciten
ich möchte Ihre Meinung wissen."
Erst jetzt blickte sie zu ihm hinauf
und er bemerkte, wie ihr die Thränen
in den Augen standen, obschon sie zu
lächeln sich bemühte.
Ich bin genöthigt, mir selbst meinen
Unterhalt zu verdienen, weshalb ich mir
einen Telegraphenapparat schon vor
zwei Monaten erstanden und seit der
Zeit das Telegraphiren erlernt habe
und täglich bemüht gewesen bin, mich
darin zu üben."
Aber Fräulein Ellinor, mit Ihren
Kenntnissen brauchen Sie doch wahrlich
nicht Telegraphistin zu werden."
Obgleich meine Erziehung theuer
genug gewesen ist, glaube ich nicht, daß
meine Kenntnisse für eine sclbstständige
Stellung, in der ich mein eigen Brod
essen könnte genügen wurden."
Aber, liebes Fräulein Ellinor. ich
rathe Ihnen entschieden ab. Tcle
araphistin zu werden. Jeder Morgen,
nachdem ich mein Tageblatt zur Hand
genommen, bringt mir Bericht von
neuen Erfindungen, die schließlich die
ganze Telegraphie über den Haufen
werfen und auch diese Kunst zum alten
Eisen werfen wird als man uns das
Telephon gab, glaubte ich, nun sei der
Augenblick gekommen, und noch heute
habe ich meine Bedenken, in wiefern es
mit der Zeit unseren Telegraphen er-
setzen wird was in aller Welt hat
Sie aber auf den Gedanken gebracht.
diesen Berufszwcia zu erwählen ("
Ich will Ihnen aam offen den
Grund fagen," antwortete sie lächelnd:
Weil meines Vaters bester und edelster
Freund der Inspektor der Telegraphen
acsellschaft am hiesigen Orte war."
Also das war es!" erwiderte Herr
Sandys, Sie dachten, ich würde Ihnen
schon zu einer Stelle verhelfen?"
Ja. Herr Sandys. ich war memer
Sache gewiß ich wußte. Sie würden
mich keine Fehlbitte thun lassen!"
Der Inspektor schien seiner Sache
nicht so gewiß zu sein, hier die Hand
zur Hilfe zu bieten er runzelte die
Stirn, schüttelte bedenklich den Kopf.
während er mit den Fingern auf den
Tisch trommelte.
.Sie sagten vorhin, Fräulein El
linor. daß Sie mich in Gcschäftsange
legcnhcitcn sprechen Wollten soll ich
nun als Geschäftsmann mit Ihnen
reden, oder aber -als ein alter Freund
Ihres Vaters?"
Von jetzt an als Geschäftsmann."
erwiderte sie rasch.
: Da muß ich Ihnen zunächst sagen.
daß wir von Telegraphistinnen förm-
lick überfluthet sind und datz das Telc
araphircn eine gar schwierige Sache
in."
Entschuldigen Sie, datz ich Ihnen
widerspreche, aber mir ist es sehr
leicht geworden, ich glaube, daß ich viel
äbiakcit aerade hierfür besitze."
..Erlauben Sie, daß ich eine Probe
mit Ihnen anstelle?"
..Sebr aern. Herr Sandys."
Tann gehen wir dort an den Tisch.
wollen stc?"
Das iunae Mädchen stand auf und
zog die Handschuhe aus. Ter Jnspek.
tor legte den Finger auf einen Tcle
graphenfchlüsscl und sandte einen Be
fehl, der sogleich beantwortet wurde.
Tarauf gab er eine Ordre an den Tele
graphisten der nächsten Station.
Nein, bitte nicht," unterbrach ihn
Ellinor. bitten Sie ihn, das Tele
gramm so rasch als möglich zu senden."
Der Inspektor, der nicht bedacht, daß
sie selbstverständlich jedes Wort verstau
, den habe, lächelte.
Nun den, wie Sie wünsche
sagte er.
Einen Augenblick spater war Ellmor
in voller Thätigkeit und ihre leichte
anb fuhr rasch über's Papier hin
Ter Inspektor stand an ihrer Seite lind
sckiaute voll Slerwundcruna zu. wie
rasch der eine Bogen dem anderen
folgte und auf die Seite gelegt wurde
Endlich ergriff er ihre Hand und unter.
bracb die Arbeit.
Ich könnte mit einer anderen Jeder
wohl noch schneller schreiben, jagte sie,
ich bin nicht an ein Tintenfaß gewöhnt,
das hält auf
Ter Inspektor lächelte, aber schwieg
Tahingeqcn sandte er auss Neue eine
Ordre an den Telegraphisten der imi
ten Station, mit dem Bemerk, das nun
aufacbene Telegramm selbst zu em
vfanacn.
Er nahm hierauf eine Zeitung zur
Hand und ersuchte Ellinor. einen Art,
kel auf der ersten Seite zu telegraphv
rcn. Sie ergriff das Blatt und im
nächsten Augenblick flogen die Worte
mit solcher Geschwindigkeit über die
Zeilen hin, daß der Empfänger des
Telegramms bitten mutzte, langsamer
zu arbeiten.
Nun l t s genug, agie enviicy der
Inspektor, ich mutz gestehen, datz Ihre
Fertigkeit mich in Erstaunen versetzt
hat. Sie verstehen Ihre Sache. Heute
nun bin ich zu einem Entschlutz gckom
mcn, dessen Erwägung mir schon
wochenlang im Gemüth gelegen. Es
ist hier am Ort ein Posten vacant. der
mir mehr Aergcr verursacht hat, als alle
die anderen Plätze zusammen. Tas ist
die Anstellung am Telegraphencomptoir
der Börse. Tiefes Amt fordert Eigen
schaften, die bei den früher Angestellten
sehr schwer zu finden waren. Ta gilt
zuerst völlige Zuverlässigkeit. Es darf
auch kein Fünkchcn eines Argwohns sich
regen, daß der gegingste Wink gegeben
wird über das, was tclcgraphirt wird
Große Vermögen hängen von den Be
fehlen ab, die unserm Eomptoir über
geben werden. Selbstredend werden
viele Ziffcrtclegramme eingesandt, aber
in allen Fällen muß die größte Vorsicht
beobachtet werden. Im Verlauf der
letzten Monate hatte ich drei Telegra
phistcn und wenn man auch dem gcqcn
wärtia Angestellten nichts nachsagen
kann, so sind dennoch von verschiedenen
Seiten Klagen eingelaufen, als sei ihm
nicht zu trauen und das ist schwer für
mich. Ich habe ihn bis jetzt behalten,
da ich keinen Ersatz wußte. Es ist mir
noch nie in den Sinn gekommen, hier
emeTamcan zustellen, doch nun will ich s
mit Ihnen versuchen. Kommen Sie
morgen um zehn Uhr, dann will ich
selbst Sie nach der Börse geleiten. Ei
neu meiner Assistenten werde ich Ihnen
die erste Woche beiqcben. um Sie ein
zuführen und in alles einzuweihen, bis
Sie mit Ihren neuen Pflichten vertraut
sind."
Zur festgesetzten Zeit fand sich Elli
nor den nächsten Morgen ein und der
Inspektor begleitete sie durch das Pracht
volle Gebäude hier, wo sich auch der
einzige Ort befand, an dem das Ha-
zardspicl geduldet war wenn auch in
anderer Weise als in Monte Carlo.
Ich hoffe, Sie haben wohlerwogen,
was ich Ihnen gesagt," bemerkte der
Inspektor, bevor sie eintraten. Ich
bezweifle nicht, datz Sie Ihrer Stellung
hier gewachsen sind, aber bedenken Sie
wohl, die wichtigste Eigenschaft, die ich
hier von Ihnen fordern muß, ist abso
lutcs Schweigen. Nicht in Ihrem ei
gencn Heim, nicht Ihrer eigenen
Mutter gegenüber dürfen Sie den ge
ringstcn Wink fallen lassen über das,
was Sie im Leschost hören oder auch
nur sehen Sie haben mich verstanden,
nicht wahr?"
Ja wohl. Herr Sandys. Sie brau-
chen keine Furcht zu hegen."
Tas Teleqraphcncomptoir selbst war
ganz klein und nur durch eine ziemlich
hohe Schranke vom Börscnlokal ge
trennt. Hier sehen Sie Ihr Arbeitszimmer.
Fräulein Ellinor," sagte der Inspektor.
Herr ffielding wird vier bleiben, bis
Sie völlig eingeübt sind in der neuen
Arbeit."
Hierauf verließ sie Herr Sandys und
begab sich ms Börscnlolal, wo der In
spektor stets gern gesehen war.
Hallo, sandys!" rief ein junger
Mann, was soll das heißen ? Da
gleicht Ihnen nicht, mitten am Tage so
umher zu spazieren. Wer mag die junge
Dame sein ?"
Sie ist eme gute Bekannte von
mir, Herr yomaro, ermioerie sanoy
kalt.
Tas habe, ich mir gedacht, sonst
hätte ich mich nicht an Sie gewandt,
um Aufklärung zu erhalten." antwor-
tcte der junge Mann, vertraulich
lächelnd. Aber anstellen wollen Sie
doch um's Himmels willen nicht diese
junge, hübsche Tame. hier auf dem
Comptoir."
Sie hat schon ihre Anstellung und
ich habe ihr auch mitgetheilt, daß alle
hier angestellten Herren Ehrenmänner
ind."
Da sind ie aver jangulNljq
schwerlich würde wohl jemand anders
den alten Grimwood einen Ehrenmann
nennen. Voilu. da ist er schon!"
Im selben Augenblick trat ein älterer.
nach vorn gebeugter Herr in den Saal.
Er hatte ein abstoßendes Acußcre und
einen unangenehmen lauernden Blick.
Wissen Sie. Handys, was ich denke?
Hat nicht gar der alte Grimwood sie
veranlaßt, jene junge Tame hier anzu-
stellen? Vielleicht wäre er der einzige.
dem ihre Nähe glcichgiltig wäre: doch.
denken Sie an uns junge Leute, die
wir schon so auf der Hut sein müssen
uns gegen seine Intriguen zu schützen
Ich wünsche zum Beispiel auch nicht
meine Gedanken von den Weizenpreisen
abgelenkt zu sehen aber wie ist sie
denn eigentlich? Ich werde es ja doch
früher oder spater erfahren.
,-ie ist eine junge Tame, die ein
Recht hat auf eines jeden hier angcstcll
ten Geschäftsmannes Schutz und Ach;
tung." antwortete Sandys mit Nach;
druck, ist sie doch die Tochter Ihres
alten, unglücklichen Chefs, eil
Clintoch."
Welch wunderbares Zusammcntref
fen." erwiderte der junge Mann ernst
soll diese Unglücksstätte, die den Va
ter zu Grunde gerichtet, nun der Tochter
den Unterhalt gewähren i Wissen sie,
Sandys, ich wünsche doch, Sie stellten
mich der Tame vor."
Zu was würde das dienen? Ist sie
doch einzig hier, um -sich ihr Brod zu
verdienen, und ich wünsche durchaus,
daß man sie unbehelligt lasse."
Tas ist selbstverständlich; auch ick
arbeite hier für meinen Lebensunterhalt
und werde ihr sicherlich nicht zu nahe
treten, vielmehr thun, was in meinen
Kräften steht, um sie auch, wo es gilt,
gegen Andere zu schützen."
Ter Inspektor sah dem sprechenden
einen Augenblick scharf ins Auge, wcl
chcr ruhig seinen Blick auf ihn gerichtet
hielt.
cryoo icy plonilch mrncn im
Saal ein lautes, wildes Turchcinandcr,
Alles stürzte dorthin, man schrie laut
und gcstikulirte nach allen Richtungen
hin.
Howard schien auch dem Strome fol-
gen zu wollen, doch als er Ellinor ae
wahrte, wie sie auf dem Telegraphen
comptoir ängstlich umher schaute, eilte
er auf sie zu. Doch der Inspektor trat
Dazwischen.
Fräulein Clintoch." redete er sie an.
ich möchte Ihnen hier Herrn Stillson
Howard auch einen ehemaligen
tfreunb Ihres Vaters vorstellen."
Es freut mich immer. Freunden
meines Vaters zu begegnen." erwiderte
sie leise.
Ja. ich habe ihn gut gekannt.
Fräulein Clintoch. und habe ihm viel
zu veroanien wie hat er mir an-
fangs. als es mir sehr schwer wurde.
mich hineinzuarbeiten, so treulich bei-
gestanden! Es würde mich in der That
jeyr glücklich machen, wenn ich Ihnen
hier irgendwie zu Diensten sein könnte
und ein wenig von der großen Dankes-
schuld abtragen, in welcher ich zu Ihrem
Vater stehe."
Tanke, danke!" erwiderte Ellinor.
Telegramm, Fräulein!" ertönte die
scharfe Stimme des alten Grimwood.
indem er Howard ansah, als wolle er
sagen: Hier gilt nur das Geschäft.
nichts weiter."
Howard verließ, vom Inspektor ge
olgt, die Schranke; letzterer faßte ihn
am Arme, indem er ihn in ernstem
Tone warnte:
Ich fürchte. Howard, daß es m kci-
nein Nutzen für Fräulein Clintoch sein
wird, wenn Sie deren Gesellschaft
uchcn."
Howard entschuldigte sich mit Grim-
Woods Unverschämtheit
Nein, nein." unterbrach der Inspek
tor, diesmal war Grimwood vollstän-
big in seinem Recht. Tie Tochter
unseres alten Freundes ist hier um zu
arbeiten und wird auch ihre Sache gut
uno gcwi?jenyast verrichten, wenn man
sie in Ruhe läßt gestört darf sie nicht
werben.
Nun trennten sie sich und Howard
vegav Uch mitten durch die lärmende
Menge hin an seinen Platz.
mmcr vertrauter wurde Ellinor im
Laufe der Zeit mit ihrer neuen Stcl
lung. Ficlding hatte ihr rasch itire
Arbeit angcwic en und sie in allem
unterrichtet, von nun aber lag die
ganz Verantwortung auf ihr allein,
Die Telegramme flogen burtia unter
ihren flinken Fingern und nie wurde
eine Klage gehört über Verletzung des
Geheimnisses, es drang vom Comptoir
aus nichts in die Oeffentlichkeit. Sie
genoß die Achtung Aller, ja. sie war
sozusagen der Günstling des ganzen
Personals, mit Ausschluß vom alten
Grimwood.
Turch Howards Hand gingen viele
Telegramme und wenn er ein paar
Minuten langer vor der Schranke vcr
weilte, fühlte er des alten Grimwoods
böse Blicke auf sich geheftet.
Eines Abends traf Ellinor beim
Nachhauscgchen mit Howard zusam
men. welcher in derselben Straße einen
freund be uchen wollte und sie daraus
hin um die Erlaubnitz bat. sie begleiten
zu dürfend Später begegneten sie sich
öfters und bald wurde es zur Gewöhn-
hat. daß sie miteinander sich von der
Börse auf den Heimweg begaben. So
begegneten sie einmal dem alten Grim
wood, der sie mit übertriebener Höflich-
lcit grüßte und ihnen hohnisch zulächelte.
Howard aber that, als hätte er nichts
bemerkt.
Ta gab es eines Tages große Un
ruhe und viel Aufregung am Weizen
markt und das Absenden sowie das
Empfangen der Telegramme ging mit
einer Hast wie sonst selten. Die meisten
waren Ziffcrtclegramme, auch die andc
rcn hätten es Ellinors wegen eben so
gern sein können, so wenig kümmerte
sie sich um den Inhalt derselben. Als
aber dann später der Lärm und die
Spannung auss höchste gestiegen, fiel
plötzlich ihr Auge auf ein paar Worte.
die ihre ganze Aufmerksamkeit in An
fpruch nahmen.
Drängen und überreden Sie
Howard, Weizen in großen Massen zu
kaufen, dann haben wir ihn fest aber
Eile thut noth!
Dieses Telegramm war an den alten
Grimwood gerichtet und von seinem
Agenten in Chicago, an welchen Ellinor
schon manches Telegramm abgesandt
hatte, unterzeichnet
Einen Augenblick fühlte sie sich vcr
sucht, das Telegramm bei sne zu
thun, doch bald war sie anderen ein
nes. faltete es zusammen, couvertirte
es und adrcssirte dasselbe an Mr. Grim
wood. Sie verkaufte den Boten mit
ihren Augen, der sich durch's Gedränge
einen Weg zum Adressaten bahnte:
rasch öffnete er dasselbe und steckte es
alsdann in die Tasche. Hierauf blickte
er nach Howard hin mit einem so ge
hässigen Ausdruck im Gesicht, daß Elli
nor zusammenschauerte. Howard aber
stand mitten unter der Menge, eifrig
mit der Hand gcstikulirend und mit
kräftiger Stimme laut rufend:
Ich nehme 10.000 Scheffel."
Es war Ellinor klar, daß er Weizen
kaufe, ohne daß irgend Ucbcrrcdung
nothwendig gewesen, ihn in Grimwoods
Netz zu ziehen.
Heute sehen Sie aber ermüdet aus.
räulcin Clintoch." redete sie einer der
Beamten an. der eben an die Schranke
getreten war, der Lärm stört sie
wohl?"
Ach nein, das gerade nicht aber
was ist denn heute los?"
Große Bewegung am Wcizenmarkt
man zischelt sich zu, daß heute einer
Pleite gehen muy, aber wer, das weiß
ich nicht."
Auf welcher Seite steht Grim
wood?"
a. oas in eine yciue maac. mein
Fräulein, sie zeigt aber, datz Sie schon
Verständniß für die Sachen hier haben
das möchte wobl ein Jeder misten
bis jetzt hat er sich sehr vorsichtig ge
hallen.
Im nächsten Augenblick rief die
Pflicht Ellinor an ihren Platz, den
ganzen Tag aber klangen die Worte
des Telegramms: dann haben wir ihn
fest, aber Eile thut Noth" ihr in den
Ohren.
Ach könnte sie ihm nur einen Wink
geben! Tann aber hätte sie ihr Wort
gebrochen! Und hätte sie auch ihren
Posten aufgeben wollen, um ihn zu xd
ten, mit dem sie sich erst vor wenigen
Abenden verlobt hatte und an dem ihr
ganzes Herz hing so wäre es doch
Vcrrathercl
gewesen, ihn zu warnen.
Nichts konnte sie thun und sie mußte die
Sachen ihren Gang gehen lassen. Als
fi.' ihr Gelübde zu schweigen abgelegt,
ahnte sie nicht, auf welch harte Probe
e gestellt werden würde.
Xex alte Grimwood kam in eigener
Person mit einem Telegramm an die
cuirnnie uno ein jaarses Auge anen
ihre geheimsten Gedanken zu lesen; er
agte aber nichts und kehrte nach Ablie-
erung seines Telegramms sogleich um
aijeioe war an seinen Agenten in
( r f. ; . ..uw Hn.Q
wyuuuu uiuuu unu luuicie: Ällcs
geht nach Wunsch!"
Sie seufzte tief auf, als sie diese vier
Worte erpcdirte.
Als Ellinor um die Mittagsstunde
hrcn Posten verließ, hoffte sie, heute
nicht mit Howard zusammenzutreffen,
sie würde unvermögend fein, mit ihm
u prcchcn, ocsyalv eilte ie eine sei-
tcngaffe hinunter. Sie war aber nicht
weit gekommen, als sie die liebe, be-
kannte Stimme hinter sich ihr nach
rufen hörte.
Aber nun sage, Ellino, was soll
denn das bedeuten, mir so davon zu
laufen ( Ich traute zuerst meinen Augen
nicht, als ich Tich hier in s Seitcngätz
chen einbiegen sah."
Am meinte ich fürchtete sie
hätten Du hättest heute einen so auf
regenden Tag gehabt, daß Tu keine
Zeit haben würdest, mich zu begleiten
Ach Tu weißt doch ganz gut, daß
ich um all den Weizen der Welt nicht
darauf verzichten kann, Dir zu folgen.
Freilich bewegt genug war der heutige
Tag und er wird mir. wie äuch immer
der Ausqanq fein wird, stets in der
Erinnerung bleiben. Ich habe Weizen
gekauft und werde morgen weiter kau-
fen, soweit es irgend meine Mittel er
laubcn und ich werde demzufolge mor
gen entweder ein reicher Mann oder
total ruinirt fein."
Ellinor seufzte schwer auf. Warne
ihn!" lautete in ihrem Innern eine
Stimme, Gedenke Deines Gelübdes!"
sprach eine andere.
Endlich sagte sie langsam:
Ta wär' ich lieber ein armer Mann
m der kleinen öiine, als oa ich in
solcher Aufregung leben sollte."
Tas wollte ich auch, aber nun bin
ich fertig mit solchem Leben. Morgen
Abend verlasse ich die Börse als reicher
Mann oder als Bettler. Wirklich,
ich gehe nicht auf Geld aus um des Be-
sitzcs willen Tu weißt aber, wem ich
so innig gern eine sorgenlose Zukunft
bereiten möchte. "
Warne ihn!" ließ sich wieder die
innere Stimme vernehmen. Tu hast
Tein Ehrenwort gegeben!" sprach das
Gewissen.
Eben waren sie an einer Straßenecke
angelangt, als Ellinor. ohne aufzu
blicken, ihn dringend bat, umzukehren
und sie allein nach Hause gehen zu
lassen.
Thu es mir zu Liebe," sagte sie.
Aber. Ellinor, was hast Tu? Tu
bist ja todtcnblaß. Hat es an der
Börse etwas Unangenehmes für Tich
gegeben?"
Ich bin müde auch für mich war
der Zag sehr anstrengend.
-eioiiveriianoiicy iinv vann plage
ich Dich noch mit meinen Angelegen
heilen, aber sind es nicht auch Deine V
Ich bitte Dich dringend, lasse mich
allein! Thue mir s zu Liebe!"
Ich will thun wie Du willst."
Tann laß mich heute allein gehen
Ten folgenden Tag war s der alte
Grimwood selbst, der die Feindselig
leiten eröffnete. Jetzt wollte er Weizen
verkaufen und augenblicklich folgte die
Masse seinem Beispiel, nur Howard
kaufte weiter.
Ich hoffe, daß Sie. was Sie schon
gekauft haben, auch bezahlen können."
äußerte Grimwood höhnisch. Toch
lauste er selbst nicht mehr.
Alles war in höchster Spannung,
was für ein Ende die Sache nehmen
werde; nun aber strömten die Tele
gramme von Chicago. Und wie ein
elektrischer Strom traf es Alle, als man
hörte, der große Hutchinson habe auch
große Massen Weizen gekauft, worauf
die Preise rakctcnmäßig in die Höhe
stiegen. Tas Brod des Armen wurde
theuer im ganzen Land, um ein paar
Spekulanten reich zu machen.
Als Howard die Wahrheit erfahren,
brachte ihm der Name Hutchinson" so
fort Gewißheit über seinen Erfolg. Er
war mit einem Schlage ein reicher
Mann geworden.
Gnmwood hingegen hatte große!
Verlust erlitten, doch blieben seine Züge
unbeweglich und als er sich Howard
näherte, bemerkte man gar ein Lächeln
aus seinen Lippen.
-ie naven aus guten quellen ae
schöpft, Herr Howard, und ich meinte
doch, wir hätten unser Gchcimnß wohl
bewahrt."
Wir? Haben Tie denn auch Weizen
gekauft?
Wußten Sie denn das nicht? S
nno sie niai o gul unterrichtet ae
wcscn, als ich vermuthet habe nun
ie werden auch nicht viel von dem ge
wonncncn Gelde m der Tasche behal
ten.
Tas steht dahin, jedenfalls wird es
nicht in die Ihrige fallen, denn, sobald
ich meine Geschäfte abgewickelt habe
werde ich nach Europa gehen
Hat denn Ihre hat sie Ihnen
denn nichts verrathen?
Wen Von wem sprechen Sie und
was loll mir gesagt worden sein?"
.Ich dachte nur, am Ende habe
Ihnen die hübsche Telegraphistin einen
Wink gegeben; doch jetzt ist es Mir kla
daß dies nicht der Fall gewesen."
Howard trat einen Schritt naher und
unwillkürlich ballte er die Faust.
Nennen Sie ihren Namen nicht
woyiverjlanoen r nowaro zitterte am
ganzen Körper. Also lügenhafte Te
lcqramme sind abgesandt worden.
in
der Hoffnung, sie werde mir dieselben
zeigen und nun hören Sie: von der
großen Summe, die Sie mir jetzt schul
den, werde ich zunächst den Belauf von
der Größe des Vermögens Ihres Va
ters, wie es war, bevor er von Ihnen
ruinirt wuroc. wegnehmen und ihr als
Hochzcitsgabe schenken. Leben Sie
wohl !"
Jetzt war der Saal fast leer. How
ard begab sich rasch hinüber an die
chranke, wo Ellinor soeben im Begriff
stand, sich auf den Heimweg zu be-
geben.
Nun. Ellinor, gilts aber für mich
ein Telegramm abzusenden, willst Tu?
Und wie gern!" erwiderte sie.
Während er schrieb, wandte sie sich
dem Apparat zu
Tu möchtest es aber doch gerne vor-
her lesen r fragte er.
Lächelnd ergriff sie das Papier; da
Telegramm lautete:
Lieber Herr Sandys, ich erlaube
mir, meinen Posten am hiesigen Tele
graphcnamt zu kündigen. Wir werden
bald Hochzeit feiern und nach derselben
eine Reise nach Europa machen. Ellinor
Clintoch."
Aber, lieber Stillson, erwiderte sie,
glücklich lächelnd, nach allem, was ich
Herrn Sandys zu verdanken habe,
wäre es doch das einzig Richtige, ihn
mündlich von meinem Glück in Kennt-
niß zu setzen also hatte es feine Rlch
tigkeit mit jenem Telegramm Weizen
zu kaufen ?"
Ganz gewiß es war eben so nch-
tiq, wie Wort zu halten Ellinor,
Und das glückliche Paar ank sich
selig in die Arme
Der neue Demosthcncs.
H u m o r e s k e von M. H e n n i g
Peter Schncuzlcin ist Porstand eines
Vereins, der im Begriff tcvt, sein zehn
iäbriacs Stiftungsfest zu feiern. Ta
eine schwungvolle Rede würdig bcgan
gangen werden kann, so fällt Peter
chncuzlcin sclvslvcrstanolich vie Aus-
gäbe zu, sie zu halten.
Peter Schncuzlcin ist nun keiner der
aufgeblasenen Tropfen, wie man sie so
häufig unter Gclcgenhcits - Rednern
trifft, die da meinen, sie brauchen nur
den Mund aufzumachen, um einer gan-
zcn Versammlung zu imxonircn, o
nein, er weiß recht gut, Rcdcn ist seine
schwächste Seite.
Aber was nicht ist, kann noch werben,
und Uebung macht den Meister. In
seinem Zimmer die nothwendigen tu
dien zu machen, kann sich Peter Schneuz
lein nicht entschließen, denn er sieht im
Geiste bereits seine beschränkte, Haus
genossen in allen möglichsten Stcllun-
gen profanster Ncugier und das ist ihm
bei der idealen Auffassung durchaus
peinlich.
Toch wozu bat uns denn die Geschichte
große Vorbilder hinterlassen r Toch
nur. um ihnen nachzuahmen.
Voll Begeisterung eilt Peter Schneuz,
lein an oen Mcercsjtraud. Ist doch
das Brausen der Wogen die rechte
Musik, um den Gedanken idealen
Schwung zu verleihen und das Allein
sein mit der erhabenen llncndlichicit
die großartigste Gelegenheit, dieselben
zu einem köstlichen Rcdcstrautz zu sam
meln. Meine hochverehrte Versammlung!"
so beginnt Herr Schncuzlcin. Die
Stun de ist ge kom men "
Ta läßt ein gellender Hilfeschrei den
Redner jäh verstummen. Ein rauschen
des Etwas Peter Schncuzlein ist auö
allen Himmeln gefallen, als er eine
ältliche Tame, die, von ihm nicht ge
sehen, dort am Strande gezeichnet
hatte, mit allen Zeichen des Schreckens
die Flucht ergreifen sah.
Aber Peter Schncuzlcin gab fein
Vorhaben nicht auf. Ticsmal ging er
in einen großen, finsteren Wald, wo
kein Sonnenstrahl wärmend durch das
dichte Blattcrdach dringen konnte.
Meine hochgeehrten Herren," be
gann cdjneiizlcin, aber er kam nicht
weiter, denn er verspürte einen Stich
in der Brust und mußte sich schlcu
nigst auf einen Baumstumpf nieder
lassen.
Aus dem Dickicht aber tönte eine
Stimme: Ei hcrjcses. nu üben, gudcn
Abend ooch! Tas ist ja sehr schccne,
aber erlooben Se. glooben Se. ich bin
vielleicht doob? Ich hör' Se ganz gut.
Suchen Se ooch Bilze? Sch'n Se,
g'rad hab' ich än sehr schccnen gcfun
den, aber sonst nischt. wie klecnes Lu
dcrzcug! Nu üben!"
Peter Schneuzlcin aber raffte sich auf
und floh wie von Furien gepeitscht die
fen Ort.
Tief traurig ließ er den Kopf sinken.
Seine Rede mußte er halten und doch
wie sollte er es anfangen, sie zu
üben. Gab es denn kein Plätzchen
auf der weiten Welt, wo die banale
Alltäglichkeit nicht hinzudringen vcr
mochte ?
Ta entsann er sich plötzlich eines hohen
BergcS, der fünf Stunden weit entfernt
war und gegen den die Jungfrau"
die reinste Freitreppe war.
Zu diesem beschloß er zu wallfahr
ten; hier konnte ihn nicht einmal der
flüchtige Fuß einer Gemse stören.
Tie Mühseligkeiten, die Peter
Schncuzlcin bei seinem Aufstieg zu er
dulden hatte, ließen indeß seinen Eifer
für die gute Sache nicht im mindesten
erkalten.
Kaum gönnt er sich, auf dem Gipfel
des Berges angekommen, Zeit zum Vcr-
schnaufen, denn die Gefühle, die in sei
ncr Brust toben, drängen nach Gestal
tung in beredtem Redefluß.
Wer aber beschreibt seinen Schrecken, j
als er sich plötzlich von hinten '
mit nerviger Faust gepackt fühlt und
frei über dem fürchterlichen Abgrund
schwebt, während eine Stimme ihm
grauscncncgcnd in die Ohren tönt:
Ucnn sie vollen schreien, so sollen Sie
gehen in ein Narrcnhaus. Ick uerde
schütteln, bis Ihnen ausgeht das
Lunge!"
Nur durch das feierlichste Versprechen.
datz er in seinem ganzen Leben keinen
Ton mehr von sich geben wolle, gelang
es Peter schncuzlcin, sich von dem ge
waltthätigcn reifenden Engländer zu
befreien.
Er gab daher sein Amt als Vorstand
auf und lebte von da an glücklich bis
an sein Ende.
Ich schnitt es gern in alle Rinde
ein."
Vor einigen Wochen revidirte in
einem lothringischen Torfe der Herr
Maire die dortige Volksschule. Er
fand wie sich das für ein Schulober
Haupt geziemt vielerlei an den Lei-
stungen und Bestrebungen der bildungs
beflissenen Jugend zu tadeln. Jnsbc
ondcre rügte er, wie die K. Volksztq."
erzählt, die Unsitte, in die Schulbänke
mit Hülfe des Taschenmessers Namen
und sonstige graphische bildnerische
Kunstwerke" einzuschncidcn, wovon die
Bänke, auf dcncn das strenge Auge des
Torfbchcrrschcrs ruhte, allerdings reich
liche Proben auswiesen. Für den Fall
eines fortgesetzten Lebenswandels" in
dieser Beziehung wurden energische
Strafen zugesichert. Während die
Jugend in den vorderen und mittleren
Bänken ernst und zerknirscht den mah
ncndcn Worten lauschte, machte sich in
den Hinteren Bänken allmälig cinstei
gcndc Unruhe vernehmbar und ein
munteres Gekicher folgte, das sich auch
durch das drohende Hcranfchrcitcn des
Herrn Maire nicht verscheuchen ließ.
Tiefer aber hatte kaum einen Blick auf
den Punkt geworfen, auf den die froh-
lichcn Augen und verschiedene Finger
pitzcn hinwiesen, als er seinen Hut
nahm und sich verabschiedete. Es war
dort nämlich der Vor- und Zuname des
Herrn Maire selber von seiner Schul
,eit her eiiigcschnitzt, sammt der Jahres-
zahl!
in Praktikus.
Nichtc (welche eben das Kochen
lernt): Rathe mal, auf wie vielerlei
Art man Beefsteak zubereiten kann?"
Onkel: Na. ich denke auf zweierlei
Art: entweder man kann's essen, oder
man kann's nicht csscn!"
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