Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 22, 1899, Image 9

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    X
tl
Der
P r j o 4 1 8 von i )t-
T
.Für einen armen Bünden, bitte!"
(in alter Wachtelhund richtete sich
dann auf seinen Hinterpfoten auf und
machte schön, um die Aufmerksamkeit
der Passanten zu erregen, oder um sie
zu rühren-, ein llmgendeZ Geräusch her
niederfallenden ÖelvtJ liefe sich dann
vernebinen, und der alt? Vtinde mur
melte: Tank, mein guter Herr, Tank!"
Von der Börse, die etwa hundert
PArit ,ntiernt laa. drana ein heftiger
Lärm in ruckweise Lauten zu den Oh
rcn deZ Blinden, bald klang ti laut
und tumultuarisch. bald leiser und
murmelnd. 153 war gleichsam die Lust,
erschutterung von Seiten einer Riesen
glucke, deren dumpfeZ Schnarren unauf
' hörlich und wie ein Alp die Tonleiter
auf. und niederlicf. In dieser Tiffo.
nanz. die an ein Forum in aufgeregten
Kriegszeiten gemahnte, strömte der
Geldmarkt von Antwerpen seine Klagen
und seine Begeisterung, fein Stöhnen
und seinen Jubel aus.
(sjwas vor der Zeit kamen die Bör
staner vereinzelt oder in Gruppen, im
mcr schnei und geschäftig, und der gab
nende Schlund des (ebaudcs verschlang
sie in ewiger Gier in dichten Haufen.
Tie Straße ward schwarz von Menschen
und ließ ein Gewimmel geschäftiger,
stets in Hast befindlicher Leute hindurch
passiren. Das ganze Handelstreiben
i der großen belgischen Stadt concentrirte
ich in diesem Augenblicke auf diese eine
Straße.
Und doch vergaßen alle diese vertief
ten Leute, deren Sinn ganz anderen
Sorgen als den Vorfällen der Straße
,n?m?ndkt war, nie den Blinden, der
immer auf demselben Platze, 'auf einer
Stcinstufe. hockte, die gtc,cy,am nacv
dem Gesetze der Tradition sein unan
tastbares Eigenthum geworden zu sein
- schien. Fast mechanisch steckten die Bör
sianer das Geldstück, das sie schon vor
her auS der Tasche genommen, in den
Silt k?r Rückte. (5 in Gewobnbeits
opfer; weniger aus Mikleid. als aus
ßiehinsinfieit aad 5üeder. der an dein
' Blinden vorüberging, demselben seinen
Obolus. Etmge flrelchciten ,ogar zer
ftrput den Kovs des frnndes. ohne ihn
anzusehen; auch aus Gewohnheit. Viel
leicht hörte man nicht emmat oen leiern
den Dank dcS Blinden, ebenso wenig
, mi, man seine Bitte aebört hatte. Man
gab ihm das Almosen nicht, weil er
blmd war, noch well er darum oai,
sondern weil man es sich eben zur Ge
. mnlmbpit aemackt batte: das war Alles.
Seit bald vierzig Jahren erfreute er
' sich dieses traditionellen Privilegiums
und hatte !chon o mancye ucy,e im
Laufe der Jahrzehnte verbraucht.
cKmobl blind, batte er dock schon
YeU Generationen von Börsianern an
sich vorübergen sehen" und da sein
Scharfilnn mit seinem Gebrechen inon
gewachsen war. so hätte er die Geschichte
d Böre von Antwerpen mayreno oie
ser vierzig Jahre schreiben können.
Am Beginn und zu Ende des Geld
Marktes hörte er abgebrochene Unter
haltunqsfragmente. die er ergänzte,
vervollständigte und sich zurechtlegte.
- und die sich in seinem an diese bestän
hirip Arbeit aewöbnten Schädel ZU ae-
lehrten Schlußfolgerungen auswuchsen;
mnimnl erkubr er auck Geheimnisse.
Niemand hätte daran gedacht, diesem
schmutzigen alten Bettler, oer va mir
dem geduldigen Eigensinn des Steines
hockte und vor deni man wie vor einer
Mauer reden konnte.
Tnhiirck. dak er Alles hörte und
Wfloa riiftisl ermoa. war der blinde
Bettler thatsächlich der beste Börsianer
des Geldmarktes von Antwerpen ge
mnrdrn. und Niemand hätte aeabnt.
daß dieser elende Blinde mit feinen
Lumpen, seiner kläglichen Litanei und
seinem schmutzigen Hunde die Schwan
kungen der Hauffe und Baisse besser
kannte, als die größten Financiers des
Platzes.
2.
Ebenso wenig wußte man. daß der
Blinde speculirte. Er hatte feine eige
nen Makler, sichere und diöcrete Leute
um so sicherer und discreter. als ein
directes und starkes Interesse sie mit
ihm verband, denn sie lebten ja von
ihm...
Er gab ihnen Nachrichten, die nur er
allein erfahren konnte, und leitete ihre
Speculationen mit der glücklichsten
Sicherheit, die gleichsam die Belohnung
für das physische Unglück war, mit dem
ihn das Schicksal getroffen hatte. Er
ergänzte die Worte, welche die Gruppen,
wenn sie an ihm vorübergingen, fallen
ließen, errieth geschäftlich gewagte Com
Platte, hörte Geständnisse und merkte
sich alle Ansichten des Börfenpublikums,
um die Details herauszusondern, die
er zu seinem Vortheil benutzen konnte.
Dieser für profane Augen so banale
Bettler, dieser schmutzige Greis, dieser
Krüppel aus vergangenen Zeiten hatte
ein Fieber: das Fieber, daS sie Alle im
Banne hält, die da an die Börse laufen,
fixen und jobbern. die von der unbe
kannten Macht der Möglichkeiten ange
lockt, auf einen Schlag ihr Alles setzen
und stets von der Laune des Geldmark
tes abhängig find. Dieses Fieber befaß
der ruhige Blinde im höchsten Grade.
Er speculirte in erster Reihe, um zu
speculiren, nicht um Geld anzuhäufen;
und er hatte die stolze Empfindung,
dasselbe, ja noch mehr zu sein, als die
vornehmen Thiere der Hochfinanz von
Antwerpen, deren Hilfe er durch sein
Vcr
Jahrgang 20.
näselndes und schleppendes Gejammer
erflehte.
Wenn er mit seinen 'üiailern ver
handelte, verschwand die jammernde,
klagende Ruine wie mit einem Zauber
schlage, und an ihrer Stelle erschien ein
gcichicktcr. entschlo,!ener und kategon
scher Mann, der mit kurzen, richtigen
Worten sprach, die unnützen Längen
vermied und sich klar und kalt mit der
Ucberlegenheit eines kundigen Finan
cicrs ausdrückte.
Und diese nämlichen Viaklcr fanden
in einigen Stunden, nachdem sie mit
diesem 'tüchtigen Geschä'tsmann von
Geldanlagen und Speculationen aller
Art gesprochen, in der Nahe der Borie
den jammernden Blinden wieder, der
seine Büchse hielt und in flehendem
Tone ausrief :'Für einen armen Blin
den. bitte!"
3.
Schließlich kannte er die Leute bei
ihrem Namen und sagte manchmal zu
ihnen: Tanke. Herr So und So!",
ohne daß es Jemanden einfiel, sich
darüber zu wundern. Ein Geräusch
von Schritten, ein Tonfall, eine für
jeden Anderen unverständliche Kleinig
keit machte ihm die Leute klar. Er hörte
sie von dritten Personen nennen und
behielt ihren Namen mit erstaunlichem
Gedächtniß.
Unter Allen hatte er eine besondere
Freundschaft für Herrn von Ravel,
einen der bedeutendsten Kaufleute von
Antwerpen, der feit Jahren regel
mäßig, bevor er in die Börse hinein
ging, in seine Büchsen ein Nickelstück
von vier Sous warf.
Für diesen Mann ging der Blinde
manchmal aus feinem legendenhaften
Danke heraus und sagte ein Wort
mehr.
Nun, wie gehen die Geschäfte, Herr
von Ravel?"
Gut gut, mein Freund," er
widerte der Börsianer und ging schnell
weiter, denn er war stets in Eile.
Zu wiederholten Malen war aber
Herr von Ravel auch stehen geblieben,
um einige Worte mit feinem alten
Blinden zu wechseln; eines Tages hatte
dieser zu ihm gesagt: Wer hätte je eine
solche Hausse in Hafer erwartet?", und
zwar hatte der Blinde diese Worte mit
so ernster Ueberzeugung und einem so
seltsamen Tone gesprochen, daß der
Andere ganz bestürzt und verdutzt dieses
anscheinend so stupide Geschöpf ange
sehen hatte, das von Dingen sprach,
die Niemand in seinem Schädel ver
muthet hatte.
Doch am nächsten Tage dachte der
Financier schon nicht mehr daran, und
er hatte sogar nicht einmal den gering
sten Hintergedanken, als er sein Nickel
stück in die Sparbüchse des Bettlers
warf; der Vorfall kam ihm vollständig
aus dem Sinn, denn der Bettler sprach
in der Folge nicht mehr von Geschäften.
Er vermied es sogar eine Zeit lang, sich
nach den Operationen seines Wohl
thäters zu erkundigen, und war wieder
der gewöhnliche Blinde geworden, der
um fein Almosen bat und keine andere
Sorge hatte, als daß die Gaben, die
ihm gespendet wurden, recht zahlreich
ausnelen.
Doch eines Nachmittags ging Herr
von Ravel an dem Blinden vorüber,
oyne lym lern yciaeinua zu geoen. vi
war das erste Mal, daß ihm , das seit
n- r rv t n a . t fr a
Jahren und aber Jahren widerfuhr
Ein solches ungewöhnliches Ereigniß
versetzte den Blinden in Erstaunen,
und er verstieg sich zu der Bemerkung:
Nun, Herr von Ravel, Sie verges-
sen mich alo?"
Der Financier drehte sich plötzlich,
um. betrachtete den Blinden, als er-
wache er aus einem Traume, dann trat
er näher und warf seinen Obolus in
die Büchse.
Ja. mein Freund," sagte er, ich
hatte Sie vergessen es ist wahr doch
heut' ist es zu entschuldigen."
Die Stimme zitterte zwar nicht, aber
der Tonfall hatte sich verändert; sie war
dumpf und müde, und man hörte eine
gewisse Traurigkeit heraus. Mit der
Gehörschärfe, die den Blinden eigen,
merkte der Bettler, daß etwas nicht in
Ordnung war. Als die Münze in die
Sparbüchse gerollt war, fügte der
Financier hinzu:
Das ist das letzte Mal. daß ich
Ihnen ein Almosen geben werde; mor
gen, mein Freund, werde ich hier nicht
mehr vorbeikommen."
Der Financier sah nun, wie die
leeren Augen des Bettlers sich auf sein
Gesicht richteten, gleichsam, als wollten
sie in ihm lesen.
Warum denn. Herr von Ravel?"
fragte er.
914, ich habe einen großen Verlust
erlitten! Das ist eben Pech! Ich bin
ruinirt!"
Jedenfalls durch den Zuckerkrach?"
fragte der Blinde und fuhr dann fort:
Aber dieser Krach war doch vorauszu-sehen!"
muh
r y y Ay
Beilag, zum Nebraska 2taats-?lnzeiger.
Wie schon einmal, blieb Herr von
Ravel verdutzt, als er diese unerwartete
Bemerkung vernahm; er betraute den
Alten, dessen Gesicht einen inneren
Kampf wiederspiegclte.
Es war vorauszusehen? Wieso war
eZ denn vorauszusehen i" murmelte von
Ravel und wollte sich entfernen.
Doch er hatte noch keine drei Schritte
gethan, als die Stimme des Blinden
ihn zurückrief: doch diese Stimme klang
nicht mehr klaglich, sondern nahm
einen neuen, unbekannten Ton an:
Herr von Ravel! Herr von Ravel!"
Was denn? Was denn, mein
Freund?"
Wie viel brauchen Sie, um sich zu
retten?"
Der Financier betrachtete diese mensch
liche Ruine, die so klaglich zu seinen
Füßen kauerte; dann lächelte er nach
kurzer Bestürzung trübselig und sagte,
die Achseln zuckend:
Ach, meln armer Mann, re wissen
nicht, was solche Verluste zu besagen
hctben! Denken Sie nicht an so etwas!
Sie können sich nicht einmal eine Idee
davon machen!"
Ich frage Sie, wie viel Sie
brauchen!"
Aber Sie sind ja verrückt! Ich
brauche 80,000 Francs und zwar
brauche ich sie morgen! Sie sehen also
mein armer Freund "
Er wurde unterbrochen.
Herr von Ravel, kommen Sie heute
Abend zu mir Rue de Bart No. 24.
Sie sollen das Geld haben! Ich werde
es Ihnen leihen!"
Und als der Finanzmann verdutzt,
mit weitaufgcsperrtem Munde sprachlos
stehen blieb, fuhr er fort:
Kommen Sie heute Abend, sage ich
Ihnen! Doch jetzt gehen Sie, bitte,
Ihres Weges, denn wenn Sie hier vor
mir stehen bleiben, stören Sie den Ver
kehr und schaden meinem Geschäft.
Auf heute Abend!"
Plötzlich sank die Stimme wieder
zum kläglichen Gewinsel herab, und der
Bettler nahm seinen alten Refrain wie
der auf:
Für einen armen Blinden eine
kleine Gabe bitte!"
Das Abendessen beim j)räfekten.
Humoreske von Zldricn Be!y. Ueber s t
von Ilse Ludwig.
Dieses Jahr waren die großen Ma
növer besonders gut abgelaufen, alle
Truppenbewegungen regelrecht aus
geführt, ohne unvorhergesehene Zwi
schenfälle, der Feind hatte sich gehörig
besiegen lassen.
Die große Parade am Schluß der
Manöver hatte zahlreiche Zuschauer
angelockt. Das Wetter begünstigte
noch das Vergnügen durch herrlichen
Sonnenschein, die Tribünen brachen
fast zusammen unter der vielköpfigen
Menge, die den Soldaten zujubelte;
zahlreiche Damen der Gesellschaft wie
die Spitzen der Behörden des Deparw
ments waren erschienen.
Nach dem letzten Vorbeimarsch bet
ließ alles die Plätze und wogte bunt
durcheinander. Die Offiziere, die kei-
nen Dien t mehr vattcn, beeilten sich.
den Frauen und Töchtern der Beamten
lhre Verbeugung zu machen.
Der Präfekt lief dem Obersten Vev
delin nach, den er in seiner Nähe auf-
tauchen ah.
Guten Tag, lieber Oberst, schönen
guten Tag. Wie freue ich mich, Ihnen
einmal wieder die Hand schütteln zu
können!"
Ach. Duclosoy! Es geht Ihnen gut?
Und die Gnädige?"
'.Danke, nicht schlecht. Prächtiger
Tag. was, für die Parade?"
Die verwünschte Sonne "
Darüber brauchen Sie sich nicht zu
ereifern. Ihre Reiter glänzen und
blitzen famos in der Sonne. Wissen
Sie, daß sich Ihr Regiment vorzüglich
ausnimmt?"
Hm! lieber Himmel es kann sich
sehen lassen. Aber auch Ihnen darf
man gratuliren sehr nette Bevölke
rung." ,
Sie sind zu liebenswürdig an
ständige Leute. Und gedenken Sie
etwas in unserer Stadt zü verweilen?"
Unmöglich, leider. Morgen früh
muß ich nach Paris zurück, auf Kriegs
schule "
Das bedaure ich lebhaft. Nein,
dann werden Sik uns doch das Ver
gnügen machen, heute bei uns in der
Präfektur zu Abend zu speisen?"
Oh, tausend Dank, lieber Duclosoy,
aber ich müßte fürchten, zu stören."
Durchaus nicht, aber durchaus nicht.
Sie machen uns ein sßes Vergnügen."
Nein, wirklich, ich kann mich in
dieser Verfassung nicht bei Ihnen sehen
lassen, ganz staubig "
Sie werden doch keine - Umstände
machen wollen nicht wahr? Wir
agM
W
sind ganz unter uns. meine Frau und
ich. Bürsten Sie sich flink ein wenig
ad in Ihrem Quartier. Ich rechne
bestimmt auf Sie?"
Nicht möglich. Ihnen etwas abzu
schlagen. Auf nachher!"
Als der Präfekt sich von Oberst Ver
delin getrennt hatte, wollte es sein Un
stern, daß er abermals dem Steuer
einnehmcr in die Hände fiel, mit dem
er bereits vorher mehrere Viertelstünd
chen verplaudert hatte. So verstrich
wieder eine Viertelstunde im Gespräch.
Tann begegnete ihm der Gerichtspr
sident. der ihm eine recht langweilige
Geschichte erzählen mußte. Ter Präfekt
wartete mit Ungeduld auf den Schluß,
um seinerseits ein ziemlich unbedeuten
des amtliches Vorkommniß aufzu
tischen. Danach ersparte ihm der Prä
sident nicht den neuesten Witz, den er
selbst, erdacht und vorhin zum ersten
Mal ausgesprochen hatte. Ehe der
Präfekt nach Hause gelangte, kam ihm
der Schuldirettor in den Weg. Sieben
Uhr schlug's, als. er seine Wohnung
betrat. Der Tisch war gedeckt, und
Frau Duclosoy wartete mit großer Un
geduld.
Emil," rief sie, sobald sie ihn er
blickte, ich sterbe vor Hunger. Rasch
zu Tisch."
Nur noch rasch die Hände waschen,
Herzchen," erwiderte Herr Duclosoy,
dann stehe ich ganz zu Deiner Ver
fügung. Tu kannst schon klingeln,
daß einstweilen aufgetragen wird."
Herr und Frau Präfekt aßen sehr
vergnügt und mit starkem Appetit zu
Abend.
Nach dem Essen begaben sie sich in's
Rauchzimmer, wo Herr Duclosoy eine
vorzügliche Havana schmauchte, wäh
rend Frau Duclosoy ihren Arbeitskorb
ergriff und zu sticken begann.
Um 8 Uhr schellte es.
Ah." sagte die Präfektin, ein Be
such."
Wir werden Kuchen holen lassen,"
erwiderte der Präfekt.
Er hatte kaum ausgesprochen, da
öffnete ein Diener die Thür.
Herr Präfekt, es ist ein Herr im
Salon."
Nun, was wünscht er, der Herr."
Ich weiß nicht er trägt einen
schönen, gewichsten Bart so wie ein
Offizier."
Sapristi!" schrie der Präfekt er
bleichend; ach. was habe ich da an
gerichtet!" Was giebt's denn?" frug die Prü
fcktin. Was es giebt? Daß ich dem Oberst
Berdelin nach der Parade begegnet bin
und daß ich ihn zum Abendessen ein
lud und daß ich Alles vergessen hatte!
Aber, zum Henker, man kommt doch
auch um 8 Uhr nicht mehr zu den Leu
tcn, um zu essen."
In Paris ißt man nicht früher."
Kurz, was sollen wir machen?"
Ja, empfangen müssen wir ihn;
da ist nichts zu wollen. Jean, schicken
Sie den Koch herauf."
Einige Augenblicke später erschien
der Koch mit der Mütze in der Hand. '
Franz," sagte die Präfektin, Sie
sollen ein Abendessen richten."
Schön, gnädige Frau."
Aber ein feines Essen. Franz,"
setzte Herr Duclosoy hinzu.
Schön, gnädiger Herr."
Für drei Personen, Franz."
Schön, gnädige Frau."
Und rasch, Franz. sehr rasch."
Schön, gnädiger Herr."
Der Präfekt und seine Frau betraten
den Salon. Bei ihrem Eintritt sprang
Oberst Perdelin, der gerötheten Ant
litzes schwer athmend in einem Sessel
lehnte, rasch in die Höhe.
Bitte tausendmal um Entschuldi
gung, gnädige Frau; Verzeihung lieber
Duclosoy."
Warum denn, Herr Oberst," ant
ortete die Präfektin unbefangen; wir
sind keine solchen Kleinstädter. Es ist
erst 8 Uhr."
Ich bin ganz verwirrt"
Wir wissen," fügte der Präfekt bei,
daß Sie in Paris gewohnt sind, nicht
vor 8 Uhr zu speisen."
Oh. Duclosoy!"
So ist's." bestätigte die Präfektin,
als mein Mann mir mittheilte, er
habe Sie zu Tisch gebeten, hat er mir
wiederholt eingeschärft, nicht vor 8 Uhr
auftragen zu lanen. nicht. Emil?"
Natürlich und ich kann wohl sagen,
Oberst, daß nicht Sie, sondern wir zu
spät fertig waren, und daß es vielleicht
noch eine gute Viertelstunde dauern
kann."
Bitte sehr." meinte der Oberst
lächelnd.
Ein anregendes Gespräch entspann
sich.
Herr Duclosoy war geistreich. Frau
Duclosoy liebenswürdig, der Oberst
galant. , ' ' . -
No. 5.
Um halb neun Uhr wurde zu Tisch
gebeten.
Zuvorkommend bot der Oberst der
Tame de? Hauses den Arm. Die Ge
sellschaft begab sich in das Speisezi'..i
mer. wo das Abendessen in andächtigem
Schweigen seinen Anfang nahm. Man
hörte nichts als das Geklapper der Löffel
auf den mit köstlich duftender Suppe
gefüllten Tellern.
Ter Koch hatte wahre Wunderwerle
zu Stande gebracht. In nicht mehr
Zeit als einer Halden Stunde hatte er
ein köstliches und reichhaltiges Mahl
zusammengestellt, dem der Oberst, der
eine gute Klinge schlug, sicher gehörig
Ehre angethan haben würde, wenn ihn
nicht augenscheinlich guter Ton und
Schüchternheit daran verhindert Hütten.
Aber. Herr Oberst, noch etwas Fo
relle." Nein, wirklich. Tuclosoy; ich habe
unmenschlich viel gegessen."
Herr Oberst. Sie sind ein Heuchler;
die Radieschen haben Sie kaum ange
rührt. Kommen Sie, lassen Sie sich
nöthigen, wir haben sonst nichts mehr.
al,o "
Gnädige Frau, nur um Ihnen ge
horsam zu sein, aber dann müssen Sie
mir auch Gesellschaft leisten."
Sehen Sie, ich nehme auch noch ein
mal."
Und Tuclosoy auch Sehen Sie
mal an, Tuclosoy, Sie essen gar nichts,
was Teufel! Marsch, ein wenig Forelle,
das thut Ihnen doch nichts!"
Und der arme Tuclosoy mußte sich
auch zum Essen bequemen.
Tie Mahlzeit verlief recht fröhlich
im Ganzen, gelegentliche Ziererei und
Ueberredung ' ausgenommen. Der
Oberst bekam zweimal von jeder Schüf
sel; vergeblich hatte er nach dem ersten
Angriff auf eine Gänseleberpastete einen
wohlgeordneten Rückzug versucht, er
mußte noch einmal Sturm laufen und
eine tüchtige schlagen.
Doch, als ob er 'eine Ahnung von dem
eigenthümlichen Zustand seiner Gasige
der gehabt habe, schien er sich ein bos
Haftes Vergnügen daraus zu machen, sie
zu starkem Essen zu bewegen.
Sogleich nach dem Kaffee vcrabschie
dete sich der Oberst, sehr roth und
kurzathmig. Er fühlte sich sichtbarlich
nicht behaglich und schützte die Anstren
gungen des Tages vor.
Kaum war er verschwunden, so fielen
Piäfekt und Präfektin mit verzerrten
Gesichtszügen auf's Sopha, schellten
und verlangten mit erlöschender
Stimme zwei Tassen Kamillenthee.
Ter Oberst seinerseits ging langsam
nach feinem Quartier und ließ nur den
einfachen Ausruf hören: Heiliger Him
mel!" Einige Tage nach dieser Begebenheit
hatte der Prasekt Geschäfte, die ihn eine
Woche lang in Paris aufhielten. Am
Tagenach seiner Ankunft begegnete ihm
der Oberst Verdelin.
Guten Tag, lieber Oberst," rief der
Präfekt, sobald er des Andern aus der
Entfernung ansichtig wurde. Nun,
wie steht's, seitdem wir das Vergnügen
hatten, Sie bei uns zu sehen?"
Ach, Duclosoy. sprechen Sie mir
nicht davon! Krank wie ein Hund!
Hatten mich zum Essen gebeten, nicht
wahr? ?!un, ich hatte es gänzlich aus
dem Sinn bekommen. Schon geges-
ftn gehabt. Um 8 Uhr gegangen
mich zu entschuldigen, im guten Glau-
ben. Sie hätten bereits gespeist hat
ten auf mich gewartet, habe nicht ge
wagt, etwas zu sagen. Also, Sie
verstehen zwei Abendessen nach ein
ander das Zweite war zu viel ach!"
Mein Gott, wie bei uns," entfuhr
es dem Präfekten.
Ein witziger Herzog.
Aus dem Leben des Herzogs August
von Sachsen-Gotha erzählt eine Leserin
der Tägl. Rundschau" charakteristische
Züge, die sie aus dem Munde ihres
verstorbenen Vaters gehört hat, eines
Pathenkindes des Herzogs. Der Herzog
liebte es sehr, am 1. April sogenannte
Aprilscherze m machen, und seinem
Wesen entsprechend, in sehr origineller
Weiie. Als einmal wieder der Zeit
Punkt herannahte und die Rede darauf
kam. versicherte ibm die durck iiit
hett, Witz und Verstand bekannte Com
tenc sall,cy. daß es ihm nicht möglich
sein würde, sie m überlisten. '5s
wollen wir doch sehen," war die Ant
wort des Herzogs. Am Morgen des 1.
April erschien ein herzoglicher Lakai bei
lyr mu einem ftyr eleganten Carton:
Se. Durchlaucht schicken dies der Com
tesse mit einem sehr schönen Gruß."
Dann bestellen Sie dem Herzog
meinen ehrfurchtsvollen Tank, aber am
1. April nähme ich keine Geschenke an."
Zögernd sagte der Lakai: Aber Se.
Durchlaucht haben mir nock den ysk.
trag gegeben zu sagen, daß, wenn
läomtene oen Karton nicht annähmen,
ich ihn der Kammerfrau der Frau Her-
zogin a!Z Präsent Se. Durchlaucht
dringen solle." Ja. das könne rr
thun." war die Antwort. Wie schmerz
lich war aber ihre Enttäuschung, als s
erfuhr, daß der Carton sehr wertbvolle
Spitzen enthalten hatte und ti dem
Herzog gelungen war. sie recht gründ
lich anzuführen.
Tie Gokhaischc Bürgenschaft gab all
jährlich in dem Casino wahrend deZ
Karnevals einen großen Maskenball.
Ticke Maskenbälle waren in allen Krci
sen sehr beliebt, und auch der Herzog
erschien regelmäßig jedes Mal. wobei er
in gewohnter Weile leine Bemerkungen
ziemlich ungenirt machte. So z. B.
sagte er einst. jedcZ Mal. wenn ein sehr
tanzlustiger junger Kaufmann an ihm
vorbei tanzte:
Es fliegt mit Windeöschnelle
Ter Kaufmann mit der Elle."
In einer Tanzpause trat der Kauf
mann an den Herzog beran und sagte,
die Maskenfreiheit benutzend:
Tie Elle führ' ich mit Verstand,
Tas Szepter ruht in Teiner Hand."
Ta es allgemein bekannt war. daß
der Herzog sich lieber mit den schönen
Künsten beschäftigte, als mit Regie
rungsfragen, so war die Antwort dop
pelsinnig genug; der Herzog war viel zv
klug, um das nicht zu verstehen, aber er
lachte, und der Kaufmann hatte auch
Ruhe.
Ter Herzog hatte die Gewohnheit,
alle jungen Damen und Herren, die er
hatte aufwachsen sehen, bei ihrem Tauf
namcn und Tu zu nennen. Ein sehr
kluges, aber unglaublich schüchternes,
etwas linkisches und sehr häßliches
Fräulein v. Schl. war oft die Ziel
scheide seiner fast grasam zu nennenden
Späße, so ,z. B. saate er einmal, auf
sTksten sehr guten Appetit anspielend:
Na, Tu solltest nicht Soffchen (die
thüringische Abkürzung für Soph,c),
fondern Freßchen heißen." Als er ein
mal es wieder arg mit ihr trieb, fo daß
sie dem Weinen nahe war, ohne daß
ihr etwas indolenter Bruder, der auch
anwesend war, ihr zu Hülfe kam, sagt
mein Vater ganz laut: Wenn ich der
Bruder von Frl. v. Schl. wäre, so
würde ich aufstehen, ihr den Arm geben
und sie nach Hause geleiten!" Und
was that der Herzog mit dem kühnen
Sprecher? Er steckte die Lehre des so be
deutend jüngeren Mannes stillschwei
gend ein, und Frl. v. Schl. blieb
fortan etwas mehr verschont.
ltines Mitzverständnik.
Major v. Streber gibt ein Souper,
zu dem sich auch der Brigadekomman
deur eingefunden hat. Da die Bcdie
nung im Hause des Majors nicht aus
reichte, fo hatte er einen Soldaten,
Hampel mit Namen, zur Aushilfe her
beigezogen. Hampel stellte sich aber
leider sehr dumm an und der Major
hat daher den übrigen Aufmürtern auf
getragen, ihn nur im äußersten Noth
falle zum Serviren thätig eingreifen zu
lassen.
Der Herr General ist zur Freude des
Majors sehr aufgeräumt und spricht
den Speisen mit bestem Appetite zu.
Besonders der Lachs scheint ihm sehr zu
munden; er hatte schon zweimal davon
genommen und sah sich eben wieder,
wie suchend, um, jedenfalls, um sich
noch einmal nachserviren zu lassen
Der Major überzeugte sich mit einem
raschen Blick, daß außer Hampel, weil
ein frischer Gang kommt, Niemand von
der Bedienung anwesend ist und so un
gern er es thut, zwingt ihn doch die
Noth dazu, da man den General nicht
warten lassen kann, Hampel heran
zurufen. Bringen Sie dem Herrn General
eine Platte!" sagt er laut und deutlich,
damit in dem Gehirne Hampel kein
Zweifel entstehen kann, was er zn thun
hat, und zu gleicher Zeit winkt er mit
dem Kopfe gegen das Büffet, auf dem
ein paar Platten von der gewünschten
Speise stehen. Hampel hatte sehr wohl
verstanden, der Herr Major hatte ja
laut genug gesprochen, da ihn aber die
übrigen Aufwärter den ganzen Abend
schon so sehr geneckt hatten, so wollte er
doch einmal zeigen, daß er nicht gar so
dumm wäre, als man von ihm dachte,
und hier vor so vielen Vorgesetzten
wolltö er erst recht nicht den Aufge
sessenen" spielen, er entgegnete daher,
nachdem der Major nochmals wiederholt
hatte: Sie sollen dem Herrn General
eine Platte bringen", mit feinem pfiffig
sten Grinsen, indem seine zwinkernden
Aeuglein den kahlen Kopf des Generals
streiften:
Entschuldigen, Herr Major eine
Platte haben der Herr General schon !"
Unfreiwilliger Humor.
Cbef isebr aufgebracht zu seinem
Diener): Sie haben meinen Auftrag
schon wieder nach Ihrem eigenen Gut
dünken ausaefübrt und nickt so. wie ick
es Ihnen befahl; Sie besitzen doch einen
rechlcn uadratichadcl!"
Diener (zerknirscht): Ich bitt' schön
ich hab' glaubt "
Cbef: ..Schon out. schon aut" lnack
einer kleinen Pause, da der' Diener noch
wartet und ein Anliegen zu haben
scheint) auf was warten Sie noch?"
Diener: Ich hab' Sie bitten wollen,
Herr Chef, ob Sie nicht wieder einen
alten Hut für mich baden, denn ?lbre
Hüt' passen mir fo gut."
kiZusiicher Blitzableiter.
Maim: Ich bitt' Dich Weiberl,
hör auf zu singen, sonst denken die
Nachbarn, wir haben uns schon wieder
gezankt!"